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Metropole und Umland

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 46-56)

geeignete Antwort.

Vertrauen als Schlüssel zum Gelingen kommunaler Integrationsprozesse

Im südlichen Sachsen zwischen Erzgebirge und dem Industriegürtel zwischen Chemnitz und Zwickau ist mit der Eins Energie in Sachsen ein starker kommunaler Versorger entstanden.

Das neue Unternehmen ist das Produkt einer kommunalen Fusion zwischen den Stadtwerken Chemnitz und der Erdgas Südsachsen. Anteils-eigner sind zu jeweils 25,5 Prozent der Zweckver-band Gasversorgung in Südsachsen und die Stadt Chemnitz. Die Thüga, die an beiden Ausgangs-unternehmen beteiligt war, hält nun 39,9 und die enviaM als ehemaliger Partner der Stadtwerke Chemnitz 9,1 Prozent.

VERBUNDUNTERNEHMEN MIT STARKER KOMMUNALER KOMPONENTE

Ausgleich zwischen

Metropole und Umland

Diskussionsrunde zur Rolle von Aufsichtsräten in kommunalen Unternehmen

A

ngesichts der demografischen Entwicklung führt auch in Sachsen kein Weg vorbei an einer Anpassung kommunaler Strukturen. Auf kommunalpolitischer Ebene wurde mit der Verwaltungs- und Kreisgebietsreform aus dem Jahre 2008 ein bundesweit anerkannter Schritt zur Implementierung schlagkräftiger Einheiten vollzogen. Was für die politische Ebene gilt, erscheint für die Kommunalwirtschaft noch elementarer.

Angesichts einer geringer werdenden Siedlungsdichte werden sich die essentiellen Dienstleistungen des täglichen Lebens nur dauerhaft zu angemessenen Konditionen anbieten lassen, wenn sich starke Schwerpunktunternehmen mit regionalen Versorgern verbinden. Auch im Rahmen der Energiewende mit ihren enormen investiven Herausforderungen erscheint eine gewisse Schlagkraft unabdingbar, um im Wettbewerb mit den großen Versorgern weiterhin aktive Impulse setzen zu können. In Sachsen wurde in den vergangenen zwei Jahren exemplarisch vorgeführt, wie derartige Anpassungsstrategien unter der Prämisse einer starken kommunalen Stimme in die Realität umgesetzt werden können. Mit dem EnergieVerbund Dresden GmbH (EVD) aus dem ostsächsischen Regionalversorger ENSO und der DREWAG, den Stadtwerken der Elbmetropole, ist ein starkes kommunales Verbundunternehmen entstanden, das groß genug ist, um proaktiv am Markt agieren zu können, dennoch aber weiter fest mit der Region verwoben ist. Bei der Eins Energie in Sachsen wurde gar eine vollständige Verschmelzung zwischen einem eher dezentral organisierten Regionalversorger und dem Stadtwerk eines Oberzentrums vollzogen. Das Schlagwort der interkommunalen Kooperation wird in Sachsen demnach nicht nur in Sonntagsreden auf der Zunge geführt, sondern in aller Konsequenz gelebt. Die Beispiele aus Ost- und Südsachsen, aus Dresden und Chemnitz sind durchaus geeignet, um als Orientierungspunkt auch für andere Kommunen zu dienen. Die strategische Steuerung solch heterogener Gebilde mit strukturell sehr unterschiedlichen Partnern stellt allerdings eine besondere Herausforderung dar. Der fünfte Teil unserer Serie zur Strategiebildung in kommunalen Aufsichtsräten versucht deshalb zu ergründen, wie unter diesen Voraussetzungen eine klare unternehmerische Orientierung erfolgen kann und welche Rolle hier die Aufsichtsräte spielen können. Sachsen ist die fünfte Etappe einer Diskussionsreihe, die in Kooperation mit den jeweiligen VKU-Landesgruppen durch alle fünf der Neuen Bundesländer geführt wurde.

Dabei setzten die Experten von PricewaterhouseCoopers mit ihren kompetenten Ein- und Aussichten zuverlässige Impulse für fruchtbare Diskussionen.

Lesen Sie im Folgenden die Zusammenfassung der Veranstaltung am 12. April in der ENSO-Zentrale direkt am Dresdner Hauptbahnhof.

Prof. Dr. Michael Schäfer (l.) mit dem Geschäftsführer der VKU-Landesgruppe Sachsen, Simon Martin Ziel

In einer ersten Runde fragt Prof. Dr. Michael Schäfer, Chefredakteur von UNTERNEHMERIN KOMMUNE, wie die Idee zu dieser Fusion ent-standen ist. Daneben interessiert er sich für die Rolle eines in der Energiewirtschaft recht ungewöhn-lichen kommunalen Zweckverbandes. Konkret will er wissen, wie es gelingt, eine gleichmäßige Ver-tretung von mehr als 120 beteiligten Kommunen zu organisieren. Steffen Ludwig, Bürgermeister der Gemeinde Reinsdorf (Sachsen) und Vorsitzender des Zweckverbandes Gasversorgung Südsachsen schlägt in seiner Antwort einen weiten Bogen zur Genesis der kommunalen Wirtschaft in Ostdeutschland.

Diese sei recht eindeutig mit dem Kommunal-vermögensgesetz aus dem Mai 1990 zu terminieren, als den Kommunen 49 Prozent der Anteile an Netzen und Anlagen überantwortet wurden. „Ein Jahr später erhielten wir von unserem Spitzenver-band, dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag, den Auftrag, zur Durchsetzung der kommunalen Selbstverwaltung einen Zweckverband zur Administration dieser Anteile zu organisieren“, erzählt Ludwig. In der Folge ist zusammen mit der Thüga die Erdgas Südsachsen GmbH gegründet worden, bei der die Thüga der kommunalen Seite zwei Prozent der Anteile zum Nennwert über-lassen und damit die Mehrheit am neuen Unter-nehmen übertragen hat. Diese Politik entspräche dem Unternehmensmodell der Thüga, sich lediglich in Minderheiten zu engagieren und das Gesamt-unternehmen ausschließlich über technisches, kauf-männisches und betriebswirtschaftliches Know-how zu steuern, erläutert Ludwig. „Trotz unserer Anteils-mehrheit hatten wir im Unternehmen immer

eine klare Aufgabenverteilung. Die Gesellschafter kümmern sich um die Verbandsarbeit, stimmen die allgemeine Orientierung des Unternehmens ab und die Geschäftsführung sorgt für das operative Geschäft“, so Ludwig. Der Schlüssel zum Gelingen einer solchen Konstellation ließe sich auf ein einziges Wort verkürzen: Vertrauen. Drängendstes Anliegen aller kommunalen Anteilseigner sei es nach wie vor, die Wertschöpfung in der Region zu halten. „Dies war auch die oberste Prämisse, als wir im Jahre 2009 über neuerliche strategische Weichenstellungen nachdachten und so einen Impuls für die Fusion mit den Stadtwerken Chemnitz setzten.“ Die unter-nehmerische Steuerung durch den Aufsichtsrat hätte in der Kombination aus kommunaler Solidargemein-schaft und dem betriebswirtSolidargemein-schaftlichen Know-how der Thüga immer bestens funktioniert, so Ludwig.

Nun hätte sich mit der Mitbestimmungspflicht im

neuen, fusionierten Unternehmen eine veränderte Situation ergeben. „Einzelne Stadträte kümmern sich teilweise sehr detailliert um konkrete Fragen der Geschäftsführung“, so der 54jährige, der auch als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Eins Energie in Sachsen agiert. Die Beziehungen zur Stadt Chemnitz seien über einen Konsortialvertrag geregelt, in dem auch ein Ausgleich der unterschied-lichen Gewerbesteuerhebesätze festgelegt wurde.

Rückwirkend für das Jahr 2011 zahlt die Stadt Chemnitz hier einen Deckungsbetrag an den kommunalen Zweckverband. Die strategische Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Chemnitz bewertet Ludwig abschließend als sinnvoll, um eine gedeihliche Entwicklung der regionalen Ver-sorgungswirtschaft für die kommenden 20 Jahre gewährleisten zu können. Beteiligungen von mehr als 90 Prozent bei den Verbandversammlungen würden DIE STRATEGISCHE VERANTWORTUNG VON AUFSICHTSRÄTEN – EINE RECHTLICHE STANDORTBESTIMMUNG

MIT STRATEGISCHEN IMPULSEN VON STEFFEN DöRING, PARTNER, PRICEWATERHOUSECOOPERS Wesentliche Trends der Kommunalwirtschaft

1. Regulierung

• Zunehmender Einfluss der Regulierungs- und Kartellbehörden auf die Preisbildung.

• Kommunale Themen haben Überschneidungen durch regulatorische Zuständigkeiten von Bund und Ländern.

2. Politisierung

• Nachhaltigkeit

• Ökologisierung

• Steuerung der Beteiligung durch die Stadt 3. Dezentralisierung

• Erneuerbare Energien

• Kraft-Wärme-Kopplung

• Dezentrale Erzeugung

• Virtuelle Kraftwerke 4. Kooperation

• zwei Ebenen: intrakommunal zwischen Spartenunternehmen einer Kommune und interkommunal über Gemeindegrenzen hinweg

• Unternehmen sind zunehmend politischen Fragestellungen unterworfen

- demografischer Wandel - wachsende Haushaltsnot - De-Industrialisierung - Energiewende

>> Impulse für eine stärkere Kooperation

5. Spezialisierung

• zunehmende Komplexität in den Bereichen Netze, Regulierung, Wasser, Entsorgung und Informationstechnologie

6. Diversifizierung

• Stadtentwicklung

• Integration anderer wirtschaftlicher Beteiligungen unter dem Dach der Stadtwerke (Hafen, Verkehr, Entsorgung, Entwicklung, Wohnungsbau)

• Wirtschaftsförderung 7. Ergebnisdruck

• Absatzrückgänge bedingt durch Demografie, Abwanderung und er-höhte Energieeffizienz

• Margenreduktion

Diskussionen zur Neufassung der Gemeindewirtschaftsrechte:

Folgende Fragen müssen beantwortet werden:

• öffentlicher Zweck

• örtlicher Bezug

• angemessener Umfang

• Verhältnis zur Privatwirtschaft

Zwischen der Öffentlichen Hand und den privaten Investoren bestehen Interessenkonflikte

• Öffentliche Hand mit Interesse an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben

• Privater Investor mit Interesse zur Gewinnmaximierung

>> Notwendigkeit einer Koordination durch die Aufsichtsräte

Kommunale Aufsichtsräte im Spannungsfeld zwischen Gesellschaftsinteresse und Vertretung der politischen Ebene, zwischen Unterrichts- und Verschwiegenheitspflicht Steffen Ludwig, Vorsitzender Zweckverband Gasversorgung Südsachsen, (l.) und sein Stellvertreter in dieser Funktion, Manfred Meyer

zeigen, dass die betreffenden Kommunen nach wie vor großes Interesse an der Entwicklung ihres Unter-nehmens hätten, ergänzt Manfred Meyer. Ludwigs Stellvertreter als Vorsitzender des Zweckverbandes Gasversorgung Südsachsen zeigt sich stolz, dass es gelungen sei, die 123 Kommunen des Zweckver-bandes zusammenzuhalten und gemeinsam auf eine Fusion zu orientieren. „Das Unternehmen ist heute besser aufgestellt, wirtschaftlich leistungsfähiger und das Portfolio breiter als noch vor der Fusion.“

Ludwig verweist darauf, dass das neue Unter-nehmen kaum Konzessionsverträge verloren hätte und dank dieses großen Vertrauensvorschusses optimistisch in die Zukunft blicken könne. Die Entwicklung zu Gemeinde- oder Mini-Stadtwerken sieht er insgesamt kritisch und meint: „Wir haben uns nicht umsonst vergrößert.“ Gerade angesichts der kleinteiligen Siedlungsstruktur im Erzgebirge und dem Vorland sieht Ludwig vielmehr die Not-wendigkeit intensiver Kooperation, die natürlich

einhergehen müsse mit offener Kommunikation und der Bereitschaft zum Teamplay. Diesbezüglich könnten auch die Protagonisten einer neuen Bürger-meistergeneration aus den positiven Erfahrungen mit der Thüga hilfreiche Anregungen schöpfen.

Wer definiert und was kostet die Sachkunde?

Die Grundkonstellation in Bezug auf den Energie-verbund Dresden ist dem südsächsischen Modell sehr ähnlich. Auch hier kooperiert ein großes Stadtwerk mit der umliegenden Region. Ein Unterschied liegt jedoch in dem Grad der wechsel-seitigen Verschmelzung. Prof. Dr. Schäfer fragt in diesem Zusammenhang, worin im Hinblick auf die Steuerung durch die beteiligten Partner die Besonderheiten eines Energieverbundes lägen.

Auch im Energieverbund Dresden herrsche eine konstruktive und offene Atmosphäre, zeigt

sich Reiner Zieschank überzeugt von diesem Kooperationsmodell. Im Hinblick auf die Beteiligung von Aufsichtsräten an kommunalen Unternehmen sieht Zieschank allerdings eine bedenkliche Tendenz zu einer stärkeren Politisierung. „Unmittelbar nach der Wende, war es noch Usus, dass mehrere Auf-sichtsratsmitglieder direkt aus der freien Wirtschaft rekrutiert wurden. Jedem Vorstand und jedem Geschäftsführer tut es doch gut, wenn im Auf-sichtsrat Experten sitzen, die mit einer anderen, aber ebenso kompetenten Brille auf unternehmerische Prozesse schauen können. Nur so lässt sich der Aufsichtsrat auch als wirklicher Sparringspartner begreifen.“ Gerade wenn sich große kommunale Gesellschaften bilden, sei ein unabhängiges und betriebswirtschaftlich argumentierendes Korrektiv von großer Hilfe, so Zieschank weiter. Steffen Döring verweist in diesem Zusammenhang auf die sächsische Gemeindeordnung, in der der Verweis auf die Hinzuziehung externen Sachverstandes nicht enthalten sei. „Theoretisch ist dies sicher richtig und wünschenswert, praktisch muss man sich externen Sachverstand aber auch leisten können“, thematisiert Prof. Dr. Schäfer die Debatte um eine angemessene Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern.

Nach der Meinung von Dr. Richter sind externe Experten auch aus Verantwortung für die eigenen Kommunen bereit, Mandate zu über-nehmen. Besonderen Charme hätte dabei die Ver-knüpfung mit den örtlichen Sparkassen. Einerseits könnten Bindungen intensiviert und andererseits unabhängige und kompetente Sachargumente ein-geholt werden. Hinsichtlich der Diskussion um die Änderungen in der Gemeindeordnung des Frei-staates Sachsen wirft Dr. Richter die Frage auf, wer denn beurteilen solle, ob ein Aufsichtsratsmitglied kompetent genug sei, um dem Kriterium des externen Sachverstandes zu entsprechen. „Eine voll-ständige Neutralität wird es so oder so nicht geben“, ist er sich sicher. Steffen Döring verweist auf einen THESEN ZUR STRATEGISCHEN AUSRICHTUNG AM BEISPIEL DER ERNEUERBAREN ENERGIEN

VON GEORG BÄCKER, PROKURIST, PRICEWATERHOUSECOOPERS Aufsichtsräte spielen eine entscheidende Rolle bei der Ausformung neuer

Strategien im Hinblick auf die demografische Entwicklung und die Energiewende.

• Die Umstellung auf Erneuerbare Energien ist keine Frage des

„Ob“, sondern eine des „Wie“.

Innerhalb der Erneuerbaren Energien wird etwa der Hälfte der Energie über Windkraft erzeugt. Bei den Investitionen entfällt jedoch der überwiegende Teil auf die Photovoltaik.

• Energiewende erfordert hohe Investition in Kapazitäten Nach den Szenarien der Bundesregierung müsste sich sowohl die Stromerzeugung als auch die installierte Leistung Erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2020 in etwa verdoppeln.

• Der Wettbewerb um Kapazitäten hat erst begonnen!

Hinsichtlich der Eigentümerstruktur von Flächen und Anlagen der Erneuer-baren Energien entfallen auf die Energiewirtschaft nur etwa 14 Prozent der Anteile. Privatpersonen und Landwirte besitzen dagegen mehr als die Hälfte.

• Der Umbau birgt aber auch große Chancen für die kommunalen Unternehmen.

Die Unabhängigkeit in der Erzeugung werde gestärkt, ebenso die Marktposition sowie über die Erfüllung politisch gesetzter

Umwelt-ziele auch die Beziehung zu politischen Ebenen. Daneben kann die Kundenbindung ausgebaut werden.

• Die strategische Ausrichtung ist mit dem Aufsichtsrat abzustimmen.

Laut einer Umfrage der Universität Leipzig sehen 95 Prozent der Stadtwerke eine Notwendigkeit für eine strategische Neuorientierung.

• Seine Einbindung muss dabei deutlich weitergehen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Kommunale Aufsichtsräte haben zu bewerten, ob die unternehmerischen Entscheidungen auch von Kunden und den Bürgern mitgetragen werden.

Energiewende verlangt in immer kürzeren Abständen nach neuen strategischen Anpassungen.

Anforderungen des Netzausbaus – Aufsichtsräte als kommunikatives Bindeglied zwischen dem Unternehmen und den Bürgern

- Modelle entwickeln, die sowohl Eigenständigkeit der Kommunen, als auch Mitwirkungsmöglichkeiten für die Bürger garantieren.

- durch interkommunale Kooperationen Synergiepotentiale zwischen benachbarten Unternehmen heben.

Dr. Reinhard Richter, Mitglied in den Aufsichtsräten ostsächsischer Stadtwerke

Reiner Zieschank, Mitglied im Aufsichtsrat der Enso AG und Geschäftsführer der Drewag

Erdgas Südsachsen und Stadtwerke Chemnitz sind jetzt eins. Wir werden natürlich auch weiterhin in den Städten und der Region aktiv sein und mit zahlreichen Initiativen helfen, die Lebensqualität der Menschen zu wahren. Erfahren Sie mehr: www.eins-energie.de.

Die Energie in Sachsen

kommt von

weiteren Aspekt: Schwierig werde es, wenn ein Unternehmen in die Krise gerate. Dann würden die Mitglieder des Aufsichtsrates ihre Kompetenz auch vor einem möglichen haftungsrechtlichen Hintergrund hinterfragen müssen. Gerade in kommunalen Unternehmen wirkten die Auf-sichtsräte doch auch als Vorbereitungsgremium für die Politik, meint Dr. Richter. Deshalb würde er das Schlagwort von einer Politisierung der Aufsichtsräte nicht zwangsläufig negativ interpretieren.

Prof. Dr. Schäfer verweist auf die sukzessive Erweiterung kommunaler Strukturen. „Die Kreise werden größer, die Gemeinden und auch die Versorgungsgebiete kommunaler Unter-nehmen. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns generell überlegen, ob sich dies alles über Freizeitpolitik steuern lässt“. Reiner Zieschank stimmt zu: „Allein das finanzielle Volumen mancher Stadtratsentscheidungen verlangt zwingend nach einer professionellen Perspektive.“

So sehr er die Beteiligung engagierter Bürger begrüße, könne eine solche Expertise jedoch kaum im Rahmen eines nebenberuflichen Engagements aufgebaut werden.

Chancen der Kommunen nicht überbewerten

Die Dezentralisierung sei sicherlich ein positiver Nebeneffekt der Energiewende. Allerdings dürfe dies nicht zu einer kompletten Zerfaserung der Versorgungsstrukturen führen, widmet sich Prof.

Dr. Schäfer den aktuellen Themen der Energie-wende und deren kommunaler Implementierung.

Wie können regional operierende Unternehmen Konzepte entwickeln, um den Bedarf auch kleinerer Kommunen nach einer verstärkten Eigenerzeugung von Energie befriedigen und gleichzeitig die Potentiale größerer Einheiten angemessen nutzen zu können, fragt der Moderator in die Runde.

Steffen Ludwig antwortet: „Wir wollen noch mehr Kommunen zwischen dem Kamm des Erzgebirges und den südlichen Stadttoren von Leipzig für eine Kooperation gewinnen. Schließlich würde es dem Gesamtunternehmen guttun, wenn die Kommunen im Versorgungsgebiet einen direkten Bezug zum Unternehmen aufweisen würden. In dieser Symbiose aus Eigentümern und Kommunen lassen sich auch die Herausforderungen der Energiewende optimal angehen, weil bestehende und erfolgreiche Strukturen in diesem Sinne genutzt werden könnten.“

Das Geschäft mit den Erneuerbaren Energien hätte eine starke Komponente im Immobiliensektor, beleuchtet Zieschank die finanziellen Anforderungen im Rahmen der Energiewende. Vor diesem Hinter-grund sollten wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir gegenüber den großen Versorgern bzw.

privaten Fonds- und Projektentwicklern bei den notwendigen Grundstückssicherungsgeschäften im Vorteil seien. Der PwC-Experte Georg Bäcker ergänzt, dass es gerade vor diesem Hintergrund Sinn machen würde, alle kommunalen Anteilseigner an einen Tisch zu bringen, um angemessene Strategien für eine optimale Flächensicherung zu entwickeln.

In der aktuellen Marktphase ginge es darum, sich

DIE TEILNEHMER DER VERANSTALTUNG KOMMUNALPOLITIK UND KOMMUNALWIRTSCHAFT (IN NAMENSALPHABETISCHER REIHENFOLGE)

ˆ Ludwig, Steffen, Bürgermeister Gemeinde Reinsdorf (Sachsen), Vorsitzender Zweckverband Gasversorgung Südsachsen, stellvertretender Vorsitzender Aufsichtsrat Eins Energie in Sachsen

ˆ Meyer, Manfred, Bürgermeister Gemeinde Raschau-Markersbach (Sachsen), 1. Stellvertreter des Vorsitzenden des Zweckverbandes Gasversorgung Südsachsen

ˆ Richter, Dr., Reinhard, Mitglied in den Aufsichtsräten ostsächsischer Stadtwerke, an denen der EnergieVerbund Dresden GmbH eine Beteiligung hält

ˆ Ziel, Simon Martin, Geschäftsführer VKU-Landesgruppe Sachsen

ˆ Zieschank, Reiner, Mitglied Aufsichtsrat Enso AG, Geschäftsführer Drewag, Dresden Expertise

ˆ Döring, Steffen, Partner, PricewaterhouseCoopers AG

ˆ Bäcker, Georg, Prokurist, PricewaterhouseCoopers AG

In der Symbiose aus Eigentümern und Kommunen lassen sich auch die Herausforderungen der Energiewende optimal angehen, weil bestehende und erfolgreiche Strukturen in diesem Sinne

ge-nutzt werden können.

„ ______________________

Steffen Ludwig

möglichst geschlossen aufzustellen, um die eigenen, noch vorhandenen Potentiale in der Region für die kommunalen Unternehmen wirtschaftlich nutz-bar zu machen, so Bäcker weiter. „Es gibt kaum kommunale Flächen, auf denen Anlagen zur Erzeugung etwa von Windenergie stehen. Insofern halte ich es für unrealistisch, die Energiewende als die große Chance der kommunalen Unter-nehmen fehlzuinterpretieren“, so Prof. Dr. Schäfer.

Simon Martin Ziel, Chef der VKU-Landesgruppe Sachsen, bestätigt diese Sichtweise und warnt davor, die Rolle der Stadtwerke in diesem Prozess zu überschätzen. Dies gelte trotz einiger Spezi-fika für alle Erneuerbaren Energien. „Ich bin froh, dass sich die Anforderungen der Energiewende auf viele Schultern verteilen“, so Dr. Richter. Alleine könnten die Verbundunternehmen die Bedarfe ihrer kommunalen Anteilseigner nach Anlagen zur Erzeugung Erneuerbarer Energien doch gar nicht decken. „Das, was wir können, müssen wir ver-nünftig umsetzen. Die kommunale Verankerung ist hier trotz aller notwendigen Abstimmungs-prozesse der richtige Rahmen, um gemäß unserer Zielorientierungen angemessen im Markt agieren zu können“, schließt Dr. Richter eine lebhafte und kontroverse Diskussion ab. n

Die Diskussion dokumentierte Falk Schäfer www.pwc.de

Die Fachkompetenz von PWC – Georg Bäcker (l.) und Steffen Döring

Eine demografische Zeitenwende Der demografische Wandel ist im Osten Deutsch-lands schon heute der prägende Megatrend mit Auswirkungen auf alle Bereiche des gesellschaft-lichen Lebens. Anhaltende Abwanderung, sinkende Geburtenrate und steigendes Durch-schnittsalter sind die Symptome einer Ent-wicklung für die es außer der Anpassung keine geeignete Therapie gibt. Das Jahr 2008 markiert eine historische Zeitenwende, ab der die Ein-wohnerzahl Deutschlands zum ersten Mal über-haupt in seiner Geschichte langfristig schrumpfen wird. Nun sind alle gesellschaftlichen Ebenen aufgerufen, sich an den Paradigmenwechsel vom Wachstum zur Schrumpfung anzupassen. Ange-sichts der weitgehenden De-Industrialisierung nach der Deutschen Einheit bildet Ostdeutsch-land die Avantgarde für einen Wandel, der in den kommenden Jahrzehnten auch auf die anderen Teile der Bundesrepublik übergreifen wird.

Je detaillierter wir um diese Prozesse wissen, desto besser können angemessene Entwicklungs-strategien entwickelt werden. Das Verbands-gebiet des OSV – gleichbedeutend mit den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen – hat allein in den vergangenen zehn Jahren annähernd eine Million Einwohnern verloren.

Seit Wiedergründung dieser vier ostdeutschen Bundesländer im Jahre 1990 hat sich deren Ein-wohnerzahl um knapp anderthalb Millionen auf nun 10,5 Millionen verringert. Angesichts der weiter sinkenden Geburtenrate und des anhaltend

negativen Migrationssaldos wird sich diese Tendenz auch in die Zukunft fortschreiben. Bis 2025 wird ein zusätzlicher Bevölkerungsverlust von minus 11,5 Prozent erwartet. Damit werden im OSV-Verbandsgebiet erstmals unter zehn Millionen Menschen leben. Die wichtigste Kenn-ziffer der Demografie ist die Geburtenrate. Hier haben die ostdeutschen Länder nach der Wende einen historischen Einbruch erlebt. In den 22 Jahren seit der Deutschen Einheit sind sie vom gesamtdeutschen Spitzenwert ganz an das Ende der Skala gerückt. Aktuell werden in den Neuen Bundesländern nur 1,4 Kinder pro Frau geboren.

Das liegt genau ein Drittel unter dem Wert von 2,1 Kindern pro Frau, der für eine gleich bleibende Bevölkerungsentwicklung notwendig wäre. Da nach wie vor mehr Menschen abwandern, als in die Neuen Bundesländer kommen, wird sich die Bevölkerungszahl in den Neuen Bundesländern weiter signifikant verringern.

Anhaltende Wanderungsverluste In puncto Wirtschaftskraft steht Ostdeutschland weit hinter den anderen Teilen der Bundesrepublik zurück und kann demgemäß weniger Ansiedlungs-impulse entfalten. So sind die Neuen Länder eine klassische Auswanderungsregion. Besonders ver-heerend wirkt sich der Weggang gut ausgebildeter, junger Menschen aus. Hier waren und sind es vor allem die Frauen, die die Region verlassen. Die über-große Mehrheit wird sich anderswo partnerschaft-lich binden und dort Kinder zur Welt zu bringen.

Eine Rückkehr ist nach den Erfahrungswerten der

vergangenen 22 Jahre äußerst unwahrscheinlich.

Die stärksten Wanderungsverluste musste Sachsen-Anhalt hinnehmen. Brandenburg zeigt zwar auch ein deutliches Minus, im ostdeutschen Vergleich fällt die Statistik jedoch recht glimpflich aus – ein Umstand, der sich nahezu ausschließlich auf die Wanderungsgewinne aus Berlin in das Branden-burger Umland zurückführen lässt. So ist das Umland von Berlin auch die einzige ostdeutsche Region, die sich mittelfristig von der Schrumpfung abkoppeln kann. Die Berlin-fernen Regionen Brandenburgs, die Prignitz, die Uckermark oder die Niederlausitz, sind dagegen auch im ost-deutschen Vergleich besonders stark vom Wegzug betroffen. In der Relation zum restlichen Bundes-gebiet weisen die vier Bundesländer im OSV-Verbandsgebiet nur wenig Zuwanderung aus dem Ausland auf. Der Migrationssaldo ist auch mit dem Ausland negativ. Wenn Einwanderung überhaupt stattfindet, so zielt sie nahezu ausschließlich auf die größeren urbanen Räume des Verbandsgebietes.

Offenbar sind nur die größeren Universitäts-städte in der Lage, junge Erwerbspersonen aus anderen Regionen oder anderen Ländern anzu-ziehen. Für Rentner und Pensionäre können jedoch auch kleinere Städte und sogar ländliche Regionen eine gewisse Attraktivität entfalten. So haben insbesondere Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg mit ihrem Ansiedlungsmarketing bei älteren Menschen punkten können. Es bleibt aber der Fakt, dass mit dem Verlust junger Menschen in der Phase der Ausbildung und der Familien-gründung wichtige Zukunftspotentiale für die Sparkassen verloren gehen.

SPARKASSEN IN OSTDEUTSCHLAND BESONDERS STARK VOM DEMOGRAFISCHEN WANDEL BETROFFEN

Elaborierte Diagnose und

praxisnahe Therapie

Der Ostdeutsche Sparkassenverband reagiert mit vielfältigen Projekten auf eine sich rasant verändernde Bevölkerungsstruktur / Von Falk Schäfer

D

ie Ostdeutschen Sparkassen versorgen ihre Kunden seit Jahrzehnten mit hochwertigen Finanzdienstleistungen. In einer von Abwanderung und De-Industrialisierung geprägten Region sind sie es, die auch in den Kleinstädten weiter präsent bleiben und dem Mittelstand ungebrochen mit Krediten zur Verfügung stehen. Gerade in Zeiten der Krise hat sich das Modell der Sparkassen auffallend gut bewährt. Neben den Verwerfungen der Wirtschafts- und Finanzkrise ist die Region Ostdeutschland jedoch von einem weiteren Trend betroffen – einer Entwicklung, der auch mit milliardenschweren Rettungsschirmen nicht beizukommen sein wird.

Der demografische Wandel ist langfristiger Natur und die Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur werden sich zumindest unter demokratischen Rahmenbedingungen nicht durch politische Maßnahmen umkehren lassen. Es gibt in der europäischen Geschichte kein Beispiel, wo familienpolitische Anstrengungen langfristige demografische Projektionen auf Landesebene beeinflussen konnten. Und so ist Anpassung auch für die Sparkassen die einzig mögliche Strategie, um im Interesse der Kunden eine nachhaltige Entwicklung der Institute zu ermöglichen. Nur mit intelligenten Konzepten kann das Angebotsniveau in der Region auch in Zukunft aufrecht erhalten bleiben. Ostdeutschland ist in allen Strukturmerkmalen die Pilotregion des demografischen Wandels, der Ostdeutsche Sparkassenverband (OSV) deshalb besonders gefragt, sich im Sinne seiner Mitglieder mit den daraus resultierenden Herausforderungen zu befassen. Die Anstrengungen des OSV stehen spiegelbildlich für die Bemühungen der öffentlichen Wirtschaft, ihre Region weiter lebenswert zu gestalten. Wir wollen diese Impulse aufgreifen und unseren Lesern nahe bringen. Lesen Sie deshalb im Folgenden den Auftaktbeitrag unserer Serie zu den vielfältigen Demografie-Initiativen der ostdeutschen Sparkassen.

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 46-56)