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Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 56-59)

Die Diskussion um eine Kreisgebietsreform im Land Brandenburg gewinnt an Fahrt.

In einem Konzeptpapier zum Leitbild Brandenburg 2030 nennt die Landes-SPD Richtwerte von 12.000 Einwohnern pro Gemeinde und 200.000 pro Landkreis. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Ralf Holzschuher stellte die Ebene der Landkreise sogar vollständig zur Disposition. Aktuell soll eine Enquete-Kommission im Landtag Konzepte für einen Umbau der Verwaltungsstrukturen im Land entwerfen. Die letzten Gebietsreformen wurden auf Kreisebene im Jahr 1993 und auf Gemeindeebene im Jahr 2003 realisiert.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Nach den grundlegenden Weichenstellungen des Jahres 1990 – erste Kommunalverfassung im Mai und Kommunalvermögensgesetz im Juni – schuf erst 1992 der sogenannte Stromvergleich vor dem Bundesverfassungs-gericht die Voraussetzungen für die unein-geschränkte kommunalwirtschaftliche Betätigung der Kommunen auch im Energie-bereich. Es entstand in Ostdeutschland eine Versorgungslandschaft, die von Stadtwerken und Regionalversorgern mit kommunaler Beteiligung geprägt ist. Wie stellt sich dieses Bild in Mecklenburg-Vorpommern dar?

Welche Effekte hatte der Stromvergleich auf das nördlichste der ostdeutschen Bundesländer?

Erwin Sellering:

Wir haben inzwischen rund 200 kommunale Unternehmen bei uns im Land. Darunter sind 27 Stadtwerke und regionale Energieversorger.

Und die haben eine beachtliche Entwicklung genommen: Neun von ihnen stehen auf der Liste der 100 größten Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern und zählen zu den wichtigsten Arbeitgebern im Land. Diese Unternehmen sichern wichtige Versorgungsaufgaben ab. So kommt rund

ein Viertel des bei uns im Land erzeugten Stroms aus kommunalen Anlagen. Nach meinem Eindruck ist es von Vorteil, dass die zersplitterten Strukturen der Gas-, Strom- und Fernwärmeversorgung teil-weise wieder zusammengeführt wurden. Worüber ich mich besonders freue, ist, dass einige Versorger Vorreiter beim Umstieg auf die Erneuerbaren Energien sind. Denn die Energiewende ist eine der wichtigsten nationalen Aufgaben dieses Jahrzehnts.

Und da werden die Stadtwerke und regionalen Energieversorger gebraucht.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Mit der Rekommunalisierung der WEMAG gab es 2010 die deutschlandweit erste Rekom/

munalisierung eines Regionalversorgers. Sind Sie sich bewusst, dass damit in Mecklenburg-Vor-pommern Geschichte geschrieben worden ist?

MECKLENBURG-VORPOMMERN SETZT AUF DEN AUSBAU DER ERNEUERBAREN ENERGIEN

Ostdeutsch und norddeutsch zugleich

Interview mit Erwin Sellering, Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern

K

ommunale Wirtschaft hat in Mecklenburg-Vorpommern einen besonderen Stellenwert. Die kommunalen Unternehmen im Land zeigen sich als Trendsetter der interkommunalen Kooperation und beim Umbau der Versorgungsstruktur hin zu den Erneuerbaren Energien. Die Rekommunalisierung der WEMAG hat das Selbstbewusstsein der kommunalen Familie jüngst erst wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. UNTERNEHMERIN KOMMUNE sprach mit dem Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, über den Handlungsspielraum der kommunalen Wirtschaft, die Rolle der Landespolitik und den Mix an Herausforderungen bei Energiewende, demografischem Wandel sowie wachsender Haushaltsnot.

Gesprächstermin im Bundesrat – Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (l.) und UNTER-NEHMERIN KOMMUNE-Chefredakteur Prof. Dr. Michael Schäfer

Sellering:

Es stimmt, dass Mecklenburg-Vorpommern mit der Rekommunalisierung der WEMAG zu den ersten gehört hat, die einen Regionalversorger wieder zu 100 Prozent in Kommunalbesitz überführt haben. Die Landesregierung hat diese Entscheidung unterstützt. Es gab außerhalb der Regierung auch Skeptiker. Mittlerweile wird es aber allgemein als Vorteil angesehen, dass die WEMAG wieder im kommunalen Besitz ist.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Im Jahr 2006 wurde in Potsdam die vom „Ver-bundnetz für kommunale Energie“ (VfkE) initiierte Studie „Kommunalwirtschaft im gesamtwirtschaftlichen Kontext“ vorgestellt.

Mit Unterstützung der Brandenburger Ministerien des Inneren und für Wirtschaft sowie der VNG – Verbundnetz Gas AG hatte die Universität Potsdam erstmals belastbare Aus-sagen über die volkswirtschaftliche Bedeutung der kommunalwirtschaftlichen Betätigung vor-gelegt. Dass öffentliche Wirtschaft in Mecklen-burg-Vorpommern eine herausgehobene Rolle spielt, liegt sicher auch an der geringeren Attraktivität ländlicher Räume für die private Versorgungswirtschaft. Vor dem Hintergrund einer stetig abnehmenden Siedlungsdichte sehen sich nun aber auch kommunale

Unter-nehmen vor enormen Herausforderungen.

Wie kann die Landespolitik hinsichtlich des rechtlichen Rahmens sie auch in Zukunft dabei unterstützen, ihrem allumfassenden Ver-sorgungsauftrag gerecht zu werden?

Sellering:

Die Landesregierung hat im Jahr 2011 die Kommunalverfassung überarbeitet und die recht-lichen Handlungsmöglichkeiten für kommunale Unternehmen erweitert. Die Kommunen haben jetzt mehr Freiheit bei der Wahl der Organisations-form ihrer kommunalen Unternehmen. Außerdem sehen die neuen Regeln vor, dass mehrere Gemeinden gemeinsame Kommunalunternehmen bilden können. Das ist gerade mit Blick auf den demo-grafischen Wandel von Bedeutung. Zusammen-arbeit kann da eine Antwort sein. Außerdem haben wir die kommunalen Energieversorger gestärkt, in dem wir die überörtliche Versorgung mit der neuen Kommunalverfassung ausdrücklich zugelassen haben.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Nach repräsentativen Umfragen steht die Mehr-zahl der Bürger der kommunalen Wirtschaft sehr positiv gegenüber. Gleichzeitig sinkt ange-sichts der demografischen Entwicklung in vielen Regionen die Motivation für ein privatwirtschaft-liches Engagement. Kommunale Unternehmen

sichern den Wettbewerb in der Energiewirtschaft und sie sind es, die auch bei erschwerten Aus-gangbedingungen für eine moderne Versorgung garantieren müssen. Andererseits werden sie ihre Leistungen vor immer schwierigeren Rahmen-bedingungen erbringen müssen. Nach Ein-führung der Doppik werden etwa 80 Prozent der Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns einem Haushaltsicherungskonzept unterworfen sein. Wie können sie ihre unternehmerischen Aktivitäten unter diesen Voraussetzungen weiter zukunftsorientiert und aktiv steuern?

Sellering:

Der demografische Wandel ist Chance und Herausforderung zugleich. Er eröffnet Mecklen-burg-Vorpommern zum Beispiel die Chance, sich als Gesundheitsland zu profilieren. Aber natürlich gibt es auch Herausforderungen. Und eine der wichtigsten Herausforderungen besteht darin, auch in ländlichen Räumen bei einer sinkenden Einwohnerzahl eine funktionierende öffentliche Infrastruktur anzubieten. Vor dieser Aufgabe steht das Land, vor dieser Aufgabe stehen die Energieversorger. Ich sehe aber nicht, dass die Einführung der Doppik dabei das größte Hinder-nis ist. Auch kann ich ihre Zahl nicht bestätigen.

Die Finanzentwicklung der Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern ist insgesamt positiv.

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Energiewende bietet große Chancen UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Zwischen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist zusammen mit den zuständigen Demografie-Ministerien die Mitteldeutsche Demografie-Initiative ins Leben gerufen. Aus-gangspunkt war die Erkenntnis, dass sich demografische Entwicklungen nicht auf einzel-ne Länder beschränken und dass der Osten Deutschlands sehr spezifische Strukturmerkmale aufweist, denen mit spezifischen Maßnahmen begegnet werden muss. Geringe Industrie-dichte, anhaltende Abwanderung, Überalterung, ethnische Homogenität oder auch die starke Stellung der Kommunalwirtschaft in allen Neuen Ländern sind Indizien dafür, dass die Mitteldeutsche Demografie-Initiative vielleicht etwas zu kurz gegriffen hat. Gibt es in Mecklen-burg-Vorpommern das Bestreben, sich dieser Initiative anzuschließen. Wie wird generell ver-sucht, sich mit den Nachbarn im Süden und Westen abzustimmen? Und wie definiert sich Mecklenburg-Vorpommern vor dem Hinter-grund demografischer Trends – als Teil des politisch-historischen Ostens oder als Teil des geographischen Nordens?

Sellering:

Wir sind beides: norddeutsch und ostdeutsch.

Wir arbeiten eng mit den anderen norddeutschen Bundesländern zusammen. Zum Beispiel setzen wir uns in Berlin gemeinsam für Verkehrs-projekte im Norden, für den Ausbau der Häfen und für Erneuerbare Energien ein. Eine solche

enge Zusammenarbeit gibt es aber auch mit den ostdeutschen Bundesländern. Mecklenburg-Vor-pommern, Sachsen, Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt sind in den letzten zwanzig Jahren deutlich voran gekommen. Aber wir stehen auch vor ähnlichen Herausforderungen. Dazu gehört der demografische Wandel. Deshalb finde ich es gut, dass die Bundesregierung gemeinsam mit den ostdeutschen Bundesländern an einer Demografie-Strategie arbeitet. Das ist der richtige Ansatz: Bund und Länder müssen da zusammen arbeiten.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Das Forum Ostdeutschland der Sozialdemo-kratie hat am 14. Februar 2012 in Aschersleben unter dem Titel „Sonne, Wind und Biomasse – die Energiewende als historische Chance für Ostdeutschland“ diskutiert. Nun steht Mecklenburg-Vorpommern deutschlandweit an der Spitze in Bezug auf die Herstellung und Nutzung Erneuerbarer Energien. Begreifen Sie das auch als historische Chance und welche Vor-teile sehen Sie für Ihr Land und dessen Bürger?

Sellering:

Die Erneuerbaren Energien sind eine große Chance für Mecklenburg-Vorpommern. Unser Land deckt schon heute rund die Hälfte seines Strombedarfs aus Erneuerbaren Energien. Damit sind wir Spitze in Deutschland. Das wollen wir weiter ausbauen und so unseren Beitrag dazu leisten, dass die Energiewende gelingt. Vor allem aber geht es um Arbeitsplätze.

Energiepolitik ist für uns moderne Wirtschafts-politik. Bei uns im Land sind in den letzten Jahren vor allem durch die Windkraft Tausende von

Arbeitsplätzen entstanden – in Planungsbüros, bei Windkraftanlagenherstellern und in Zuliefer-betrieben. Wir haben inzwischen eine ganze Wert-schöpfungskette im Land. Und wir hoffen, dass die Energiewende zu weiteren Arbeitsplätzen führt.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Das „Verbundnetz für kommunale Energie“ ist das einzige Diskussionsforum zur kommunal-wirtschaftlichen Betätigung in den neuen Ländern. Es hat sich im Jahr 2003 im Branden-burgischen Bernau konstituiert und sich seit-dem als Impulsgeber für den Meinungs- und Erfahrungsaustausch profiliert. Zu nennen sind u.a. die vom VfkE initiierten Studien

„Kommunalwirtschaft 2025“, das „Pflichten-heft Interkommunale Kooperationen“ oder die „Prämissen zur Harmonisierung des Gemeindewirtschaftsrechts in Deutschland“.

Vor wenigen Tagen haben wir in Schwerin die diesjährige Landesveranstaltung Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Turnusmäßig soll dort im kommenden Jahr auch die länderüber-greifende Jahresveranstaltung stattfinden. Was halten Sie von der Idee, im Rahmen des VfkE die kommunale Familie der neuen Länder bei sich in Mecklenburg-Vorpommern zu begrüßen?

Sellering:

Mecklenburg-Vorpommern ist ein Tourismus-land. Da freue ich mich natürlich, wenn solche Veranstaltungen bei uns in Mecklenburg-Vor-pommern stattfinden. Denn der eine oder andere Teilnehmer kommt dann vielleicht für einen Urlaub wieder. Die Veranstaltung richtet sich natürlich vor allem an die kommunale Familie.

Aber ich bin sicher, dass auch die Landes-regierung vertreten sein wird. Wenn der Termin in meinen Kalender passt, komme ich gern.

Dialog auf Augenhöhe mit den Kommunen

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die im vergangenen Jahr realisierte Kreis-gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern hat nicht nur im Land selbst für erhebliche Kontroversen gesorgt. Auch in anderen Erwin Sellerings unaufgeregte Art passt zur bedachten

und pragmatischen Mentalität der Mecklenburger und Vorpommern. Hier gibt es keine politischen Denkverbote aber auch keine realitätsfernen Visionen. Hier zählt, was

hilft und so hat sich Mecklenburg-Vorpommern langsam aber beständig von der Roten Laterne entfernen können. Und dass, obwohl die sozioökonomischen Voraussetzungen sicher nicht die Besten sind. Das Land zwischen Hamburg und Stettin entbehrt eines richtigen Oberzentrums, die Bevölkerungsdichte ist skandinavisch und die Wirtschaftsstruktur traditionell agrarisch. Dass kommunale Wirtschaft hier eine starke Rolle spielt, ist in erster Linie den Umständen geschuldet. Mit der Novellierung der Kommunalverfassung im Jahre 2011 hat sich die erste Regierung Sellering zu diesen Potentialen bekannt. Abseits aller ideologischen Scharmützel wurde über die Grenzen politischer Lager hinweg erkannt, dass kommunale Unternehmen mehr Verantwortung für die Region übernehmen können, wollen, vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung aber auch müssen. Ausgezahlt hat sich das schon heute. Denn ohne die konsequent ökologische Aus-richtung der kommunalen Versorger hätte Mecklenburg-Vorpommern heute nicht die Führungs-position in puncto Erneuerbare Energien inne. Andererseits kann die Anpassung der Infrastruktur vor dem Hintergrund von Demografie, Energiewende und schwindenden Kommunalfinanzen ohne die kommunale Wirtschaft nur schwerlich gelingen. Falk Schäfer

Die Energiewende ist eine der wichtigsten nationalen Aufgaben dieses Jahrzehnts. Und da werden die Stadtwerke und regionalen

Energieversorger gebraucht.

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Erwin Sellering

59 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 01 / MÄRZ 2012

UNSER GESPRÄCHSPARTNER Erwin Sellering wurde am 18. Oktober 1949 in Sprockhövel im südlichen Ruhrgebiet geboren.

1975 beendete er das Studium der Rechts-wissenschaften mit dem ersten Staatsexamen.

Nach dem zweiten Staatsexamen wurde er 1978 Richter auf Probe und drei Jahre später Richter am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen.

1994 ging er ins vorpommersche Greifswald und übernahm die Stellung des Vorsitzenden Richters am dortigen Verwaltungsgericht. 1998 wechselte Sellering in die Verwaltung und wurde unter dem frisch gewählten Ministerpräsidenten Harald Ringstorff Abteilungsleiter in der Staats-kanzlei. Seit 2000 wirkte er als Justizminister und nach 2006 als Minister für Soziales und Gesundheit in Mecklenburg-Vorpommern. 2007 wählte ihn die Landes-SPD zu ihrem neuen Vorsitzenden. Am 6. Oktober 2008 übernahm Sellering auch das Amt des Ministerpräsidenten, worin er nach den Landtagswahlen 2011 deut-lich bestätigt wurde. Im Schweriner Landtag führt er eine Koalition aus SPD und CDU.

24.–25. April 2012 Messe Stuttgart

Über 40 Vorträge &

Diskussionen mit u.a.

folgenden Referenten

Prof. Dr. Martina Klärle Fachhochschule

Frankfurt am Main Ministerialdirektor a.D.

Klaus Tappeser Präsident des Württembergischen Landessportbundes

Erste Bürgermeisterin Margret Mergen Finanzbürgermeisterin Karlsruhe

Zeitgleich mit

8. Fachmesse für kommunale

Lösungen,

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 56-59)