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Methode für die Analyse und Bewertung von Untersuchungsmodellen

In diesem Abschnitt wird dargestellt, wie in dieser Arbeit bei der Analyse und Bewertung von Untersuchungsmodellen vorgegangen wird. In Abschnitt 2.3.1 werden dazu zunächst Grundlagen zu qualitativen ökonomischen Analysen im Allgemeinen dargestellt, bevor in Abschnitt 2.3.2 das methodische Vorgehen bei der Analyse von Untersuchungsmodellen im Rahmen dieser Arbeit erläutert wird. Abschnitt 2.3.3 thematisiert kurz den Gegenstand und den Stellenwert einer Bewertung von Analyseergebnissen bzw. von Untersuchungsmodellen.

2.3.1 Grundlagen zu qualitativen ökonomischen Analysen

2.3.1.1 Ermittlung der Ausprägungen von Analyseparametern als Ziel einer Analyse Gegenstand einer Analyse – im Sinne des hier dargestellten methodischen Ansatzes – ist die Ermittlung der Ausprägungen (i) sogenannter Analyseparameter (ii) für eine gegebene Situation (iii).86 Eine gegebene Situation (iii) beschreibt die Dinge, die für eine Analyse exogen sind, also durch Annahmen festgelegt werden. Gegebene Situationen werden in dieser Arbeit über die in Abschnitt 2.2 dargestellten Untersuchungsmodelle beschrieben.

Ein Analyseparameter (ii) beschreibt eine Größe, deren Ausprägung ex ante unbekannt ist und welche im Rahmen einer Analyse ermittelt werden soll. Er beschreibt also einen Aspekt, der für eine Analyse

86 In der Literatur wird der Begriff „Analyse“ uneinheitlich und damit teilweise anders verwendet.

endogen ist. Beispielsweise können Analyseparameter verwendet werden, die sich auf die mit einem Untersuchungsmodell einhergehenden Wirkungen beziehen:

 Analyseparameter können Handlungen bzw. die Ergebnisse der Handlungen von Akteuren sein. Ergebnisse von Handlungen betreffen im Kontext von Systemgütern unter anderem die Eigenschaften von Gütern, die angebotenen Mengen inklusive räumlicher Verteilungen, die Preise und die Eigenschaften von Produktionssystemen. Handlungen spiegeln sich außerdem in z. B. aggregierten Größen wie der sozialen Wohlfahrt (inklusive ihrer Verteilung) wider.

 Auch die einer Handlung vorausgehenden Entscheidungen von Akteuren an sich kommen als Analyseparameter in Frage.87 Handlungen sind dann eine logische Folge dieser Entscheidungen. Die Analyseparameter „Handlung“ und „Entscheidung“ sind demnach ineinander überführbar bzw. gleichbedeutend und werden in dieser Arbeit daher teilweise synonym verwendet.

 Auch der Ressourcenverbrauch, also das Ausmaß der anfallenden (Produktions- oder Transaktions-)Kosten, kann einen Analyseparameter darstellen.

Auf die Herausforderungen bei der Festlegung von Analyseparametern wird im späteren Abschnitt 2.3.1.3 noch eingegangen.

Die Ermittlung der Ausprägungen (i) von Analyseparametern muss in Abhängigkeit der Art des Analyseparameters erfolgen. Wenn eine bestimmte Entscheidung (Beispiel:

Preissetzungsentscheidung im privaten Monopol) als Analyseparameter gewählt wird, besteht die Ermittlung der Ausprägung des Analyseparameters z. B. darin, die durch den Entscheider voraussichtlich gewählte Entscheidungsalternative zu antizipieren (d. h. Höhe des Preises). Aufgrund des o. g. Zusammenhangs zwischen Handlungen und vorausgehenden Entscheidungen können Handlungen (bzw. Ergebnisse von Handlungen) oftmals „indirekt“ ermittelt werden, indem die vorgelagerten Entscheidungen im Rahmen einer Analyse antizipiert werden. Zur Ermittlung des eigentlich im Fokus stehenden Analyseparameters muss hier also auf „Hilfs-Analyseparameter“

zurückgegriffen werden.Das ist auch bei einer Skalierung notwendig, bei welcher makroskopische Wirkungen (z. B. angebotene Gesamtmenge) nur ermittelt werden können, indem mehrere mikroskopische Wirkungen (z. B. die Mengenentscheidungen sämtlicher Anbieter) ermittelt werden.

Teilweise kann die Ausprägung eines Analyseparameters jedoch auch ganz ohne eine Bezugnahme auf Entscheidungen erfolgen, z. B. bei einer (ingenieurwissenschaftlichen) Ermittlung von Produktionskosten in Abhängigkeit der technischen Eigenschaften eines Untersuchungsmodells.

Für den Schluss von einer Situation auf die Ausprägungen von Analyseparametern können prinzipiell unterschiedliche Instrumente verwendet werden. Im Rahmen dieser Arbeit wird dazu hauptsächlich auf (ökonomische) Theorien zurückgriffen.88

87 Vgl. z. B. OSTROM (2008, S. 829).

88 Weitere Instrumente wären z. B. quantitative Messverfahren.

2.3.1.2 Ermittlung von Aussagen auf Basis ökonomischer Theorien 2.3.1.2.1 Grundlagen und Überblick

GRUNDLAGEN ZU ÖKONOMISCHEN THEORIEN

Eine Theorie umfasst erklärende Wenn-Dann-Aussagen zur der Ausprägung bestimmter Parameter beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen (Annahmen); sie behauptet also einen bestimmten Kausalzusammenhang.89 Solche Aussagen können für Prognosen über die Zukunft oder auch für das Nachvollziehen von Vergangenem (Retrognose) herangezogen werden.90

Die ökonomische Theorie beschäftigt sich als Element der Sozialwissenschaften mit Phänomenen des gesellschaftlichen Zusammenlebens von Menschen.91 Die Definition der speziellen Erklärungsinhalte ökonomischer Theorien ist jedoch schon deshalb schwierig, weil bereits die Abgrenzung zwischen ökonomischer Theorie und den Nachbardisziplinen (wie z. B. Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, Rechtswissenschaft) nicht trennscharf ist.92 Eine in der Literatur allgemein anerkannte Definition „ökonomischer Theorie“ existiert daher nicht.93 In dieser Arbeit wird die Auffassung zugrunde gelegt, dass sich ökonomische Theorien primär mit der Entscheidungsfindung von Akteuren in Situationen beschäftigen, welche das Angebot und die Verteilung knapper Güter zum Gegenstand haben.94

Bei einer Analyse kann sowohl auf bewährte Theorien als auch auf eigene Aussagen über Kausalzusammenhänge zurückgegriffen werden. Mit bewährten Theorien sind Aussagen gemeint, die bereits vielfach angewendet und auch in der Literatur dargestellt wurden und sich dahingehend bewährt haben, als dass sie gewissen empirischen Tests ausgesetzt waren und durch diese im Kern nicht widerlegt werden konnten.95 Auch wenn die – oftmals restriktiven – Voraussetzungen (Annahmen) bewährter Theorien in einem betrachteten Untersuchungsmodell nicht vollständig erfüllt sind, können Untersuchungen von diesen Theorien profitieren, da häufig zumindest ihre grundlegenden Aussagen verwendet werden können. Eigene Aussagen beinhalten

89 In der Literatur wird der Begriff „Theorie“ unterschiedlich verwendet. Die hier verwendete Konzeption ordnet sich in das deduktiv-nomologische Erklärungsmodell von HEMPEL / OPPENHEIM (1948) ein. Die Aufgabe unumstößlicher kausaler Gesetze muss allerdings durch theorieimmanente Hypothesen ersetzt werden, da unumstößliche Gesetze in den Sozialwissenschaften in der Regel nicht identifizierbar sind; vgl. z. B. BUNGE

(1997), HEDSTRÖM /SWEDBERG (1996) und MAYNTZ (2005, S. 99 f.). Eine inhaltliche Nähe existiert damit zu sogenannten sozialen Mechanismen, welche nicht auf gesetzesähnliche Wirkungszusammenhänge, sondern auf mehrere Zwischenschritte abstellen, die das Hervorgehen eines Ergebnisses aus einem Satz von Anfangsbedingungen beschreiben (vgl. z. B. MAYNTZ (2005)) sowie zu sogenannten normischen Gesetzeshypothesen (vgl. z. B. SCHURZ (2011, S. 89 ff.)).

90 Der Zweck der Wissenschaft wird teilweise nicht darin gesehen, Prognosen zu erstellen, sondern die dafür benötigten Zusammenhänge zu ermitteln; vgl. z. B. GEORGESCU-ROEGEN (1971, S. 37).

91 Von ökonomischen Analysen (im Sinne dieser Arbeit) können z. B. Nutzen-Kosten-Analysen, technische Analysen und juristische Prüfungen abgegrenzt werden. Technische Analysen beschäftigen sich mit Aspekten, die nicht direkt von Entscheidungen, sondern von naturwissenschaftlich-technischen Zusammenhängen abhängig sind. Eine juristische Prüfung beschäftigt sich mit der Frage nach der Einhaltung bestehender Regeln.

92 Vgl. z. B. MAYNTZ (2009, S. 11) und COASE (1978).

93 CRESPO (2013, S. 760) und BACKHOUSE / MEDEMA (2009, S. 221) liefern Überblicke über verschiedene Definitionen.

94 Vgl. z. B. COASE (1978), ROBBINS (1935, S. 16) und STIGLER (1954, S. 1 f.) für ähnliche Definitionen.

95 Vgl. z. B. ECONOMIC SCIENCES PRIZE COMMITTEE (2009, S. 4 f.) zur empirischen Evidenz für die Transaktionskostentheorie.

Kausalzusammenhänge für ganz spezifische Situationen, die bislang in dieser Form nicht verwendet und empirisch getestet wurden. Um hinsichtlich eigener Aussagen eine Überprüfung durch Dritte zu ermöglichen, ist es besonders wichtig, dass die beinhalteten Argumente möglichst klar und intersubjektiv nachvollziehbar dargestellt werden.

ÜBERBLICK

Nachfolgend werden einige bewährte ökonomische Theorien dargestellt, die im Rahmen der Analysen in dieser Arbeit zugrunde gelegt werden (vgl. Abbildung 8). Die Theorien lassen sich der Mikroökonomik zuordnen, welche sich mit dem Verhalten von einzelnen Wirtschaftssubjekten in verschiedenen Umgebungen beschäftigt.96 Nachfolgend erfolgt lediglich eine kurze Darstellung der Grundideen und -Strukturen der einzelnen theoretischen Ansätze. Eine detaillierte Darstellung der oft zahl- und umfangreichen Lösungskonzepte wird nicht vorgenommen. Zusätzliche Bestandteile der einzelnen Theorien werden selektiv noch in den Kapiteln 3 und 4 dargestellt, sobald sie dort benötigt werden.

Abbildung 8: Überblick über theoretische Ansätze in dieser Arbeit

2.3.1.2.2 Entscheidungs- und Spieltheorie NORMATIVE ENTSCHEIDUNGSTHEORIE

Die normative Entscheidungstheorie beschäftigt sich damit, wie in sicheren und vor allem in unsicheren Umgebungen Entscheidungen „rational“ getroffen werden können.97 Ausgehend von rationalen, gut informierten Entscheidern zeigt sie Möglichkeiten für die Darstellung, den Vergleich und die Beurteilung von Entscheidungsalternativen auf. Sie behandelt ausschließlich Situationen, in denen keine interdependenten Entscheidungen durch verschiedene Akteure zu treffen sind: Die Akteure entscheiden also auf Grundlage von Umweltzuständen, die durch ihre Entscheidung unbeeinflusst bleiben (z. B. kostenminimale Technikwahl oder gewinnmaximale Angebotsmenge bei gegebenen Preisen).

96 Vgl. z. B. KREPS (1990, S. 3).

97 Vgl. z. B. LAUX (2007, S. 2).

Entscheidungstheorie

U.a. Umweltunsicherheit

Keine interdependenten Entscheidungen

Spieltheorie

Interdependente Entscheidungen

Formal

Restriktive Annahmen Allgemeine

Aussagen zu Entscheidungen

Neue Institutionenökonomik (NIÖ)

Wirkung (detaillierter) Organisations-modelle auf Entscheidungen

Weniger restriktive Annahmen

Industrieökonomik

Einfluss rudimentärer Strukturen eines Organisationsmodells auf Entscheidungen

Restriktive Annahmen Aussagen zu

ökonomischen Fragen

Aussagen zu ökonomischen Fragen in speziellen

Sektoren

U. a. Netzwerkökonomik

Auswirkungen von Netzwerkeffekten auf Entscheidungen

Restriktive Annahmen U. a. Anwendung der NIÖ auf den

öffentlichen Sektor

U. a. ökonomische Theorie des Föderalismus, Neue Politische Ökonomik

Das Grundmodell der Entscheidungstheorie lässt sich in einer sogenannten Ergebnismatrix darstellen.

Diese beinhaltet die möglichen Entscheidungsalternativen, die möglichen Umweltzustände sowie Zuordnungen von „Ergebnissen“ für jede Kombination von Entscheidungsalternative und Umweltzustand. Dies entspricht der Grundidee der „Entscheidungsfindung der Akteure“, die in Abschnitt 2.2.1.3 als Eigenschaft von in Organisationsmodelle eingebundenen Akteuren vorgestellt wurde.

Die Entscheidungstheorie stößt allerdings an Grenzen, wenn in einer Untersuchung Situationen betrachtet werden sollen, die durch Wissensprobleme und begrenzte Rationalität der Entscheider gekennzeichnet sind. Zudem kann die Entscheidungstheorie keine Situationen abbilden, in denen interdependente Entscheidungen zwischen mehreren Akteuren bestehen. Solche Entscheidungssituationen sind Gegenstand der Spieltheorie.

SPIELTHEORIE

In der Spieltheorie werden Entscheidungssituationen („Spiele“) dargestellt, in denen interdependente Entscheidungen durch verschiedene Akteure zu treffen sind.98 Sie beschäftigt sich in formalen Modellen unter anderem mit Problemen, die sich aus Kooperationen ergeben und in diesem Kontext mit alternativen, den Akteuren zur Verfügung stehenden Strategien inklusive ihrer Auswirkungen (in Form sogenannter Auszahlungen) auf die jeweiligen Entscheider.99

Die Spieltheorie ist ein Teilgebiet der Mathematik, wird jedoch auch in vielen anderen Bereichen angewendet (u. a. Operations Research, Ökonomik, Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie und Informatik).

In der Spieltheorie werden die kooperativen und die nicht-kooperativen Spiele voneinander unterschieden. In nicht-kooperativen Spielen können die Spieler keine Verträge schließen (Beispiel:

Zwei Akteure berücksichtigen das wahrscheinliche Verhalten der jeweils anderen Partei, wenn sie den Preis für ein Gut festsetzen.). Das besagt nicht, dass keine Kooperation möglich ist; es muss jedoch erklärt werden, wie die Kooperation entsteht. Eine prominente Strategiekombination ist das Nash-Gleichgewicht, bei dem kein Spieler einen Anreiz hat, als einziger von dieser Strategiekombination abzuweichen. In kooperativen Spielen hingegen können die Spieler bindende Verträge aushandeln, auf deren Basis sie dann gemeinsame Strategien entwickeln (Beispiel: Käufer und Verkäufer handeln den Preis eines Gutes aus.). Spielzüge können zudem parallel oder sequenziell und Spiele können einmalig oder wiederholt stattfinden.

Schwächen der Spieltheorie bestehen in ihren restriktiven Annahmen z. B. bzgl. der Rationalität der Entscheider.100 Außerdem wird ihr mathematischer Formalismus kritisiert, aufgrund dessen nur vergleichsweise einfache Situationen abbildbar sind.101 Zudem wird in der Spieltheorie die Entstehung

98 Vgl. OSBORNE /RUBINSTEIN (1994, S. 1). Vgl. z. B. OSBORNE /RUBINSTEIN (1994) und NEUMANN /MORGENSTERN

(1944) für verschiedene spieltheoretische Ansätze.

99 Vgl. z. B. NORTH (1990, S. 15)

100 Vgl. z. B. OSBORNE /RUBINSTEIN (1994, S. 4).

101 Vgl. z. B. OSTROM (2005, S. 6 f.) und NORTH (1990, S. 15).

von Transaktionskosten in Abhängigkeit des Organisationsmodells nicht explizit thematisiert.102 Diese Annahmen schränken den Erklärungswert für viele „Spiele“ in der Wirklichkeit deutlich ein. Jedoch weist z. B. SCHARPF (2000, S. 26) darauf hin, dass auch qualitative Untersuchungen von der spieltheoretischen Perspektive profitieren können, da „es genügt, dass die grundlegenden Konzepte des interdependenten, strategischen Handelns und der Gleichgewichtsergebnisse explizit und systematisch in […] Erklärungshypothesen einbezogen werden.“

2.3.1.2.3 Neue Institutionenökonomik ÜBERBLICK

Die Neue Institutionenökonomik (NIÖ) beruht auf der Erkenntnis, dass die Schaffung von Institutionen und deren tägliche Benutzung den Einsatz realer Ressourcen in Form von Transaktionskosten erfordern.103 Solche Transaktionskosten fallen z. B. für Koordinationsaufgaben in Produktions- und Verteilungsprozessen sowie zur Einrichtung und Aufrechterhaltung von Institutionen an. Die Neue Institutionenökonomik beschäftigt sich mit der Analyse alternativer Organisationsmodelle im Hinblick auf ihre Effizienz zur Koordination von Transaktionen zwischen den Akteuren, die an Transaktionen beteiligt sind bzw. Aufgaben wahrnehmen.104 Es können Transaktionen im rechtlichen Sinne und Transaktionen im Sinne einer Übergabe unterschieden werden.105 Transaktionen im Sinne einer Übergabe beschränken sich auf Situationen, in denen Ressourcen zwischen Akteuren oder innerhalb komplexer Akteure im physischen Sinne übertragen werden. Die in dieser Arbeit relevanteren Transaktionen im rechtlichen Sinne betreffen den Austausch von Verfügungsrechten106 und die damit verbundenen, vertraglichen Vereinbarungen. Im Fokus der Neuen Institutionenökonomik stehen hierbei Opportunismusprobleme, die sich aus unvollständigem und asymmetrisch verteiltem Wissen der an Transaktionen beteiligten Akteure ergeben, sowie die Wirkung von Institutionen, die solche Probleme adressieren.

Die verschiedenen Ansätze der Neuen Institutionenökonomik zeichnen sich durch Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihres Erkenntnisinteresses sowie ihrer Methoden aus. In der Literatur existiert jedoch keine einheitliche Systematisierung.107 Da eine freie Interaktion zwischen unabhängigen Akteuren nur bei privatem Eigentum und der Möglichkeit von Vertragsschlüssen (Regeln) möglich ist, bilden die Theorie der Verfügungsrechte und die Vertragstheorie wichtige Sparten der Neuen Institutionenökonomik. In dieser Arbeit wird vor allem auf Ansätze zurückgegriffen, die der Vertragstheorie zugeordnet werden können. Diese beinhaltet die Prinzipal-Agent-Theorie und die Theorie unvollständiger Verträge.

Zentraler Bestandteil der Theorie unvollständiger Verträge ist die Transaktionskostentheorie. Die Neue

102 Vgl. z. B. NORTH (1990, S. 15).

103 Vgl. RICHTER /FURUBOTN (2003, S. 39).

104 Vgl. z. B. KLATT (2011, S. 46) und MÉNARD (2008, S. 281 f.).

105 Vgl. RICHTER / FURUBOTN (2003, S. 55 ff.), die zudem eine Unterscheidung zwischen ökonomischen und politischen Transaktionen (Transaktionen zwischen Politikern, Beamten und Interessengruppen) vornehmen.

106 Verfügungsrechte betreffen die Nutzung, die Veränderung, das Recht auf Aneignung der Erträge aus der Nutzung sowie das Recht auf Veräußerung eines Gutes; vgl. ERLEI /LESCHKE /SAUERLAND (2007, S. 294). Sie können sich auf bereits existierende oder auf noch zu produzierende Güter beziehen; vgl. ERLEI /LESCHKE / SAUERLAND (2007, S. 199).

107 Überblicke sowie Systematisierungen liefern z. B. ERLEI /LESCHKE /SAUERLAND (2007) und RICHTER /FURUBOTN

(2003).

Institutionenökonomik beinhaltet außerdem Teilbereiche für spezielle Themen im Zusammenhang mit Institutionen der Politik, welche in dieser Arbeit ebenfalls selektiv aufgegriffen werden.

TRANSAKTIONSKOSTENTHEORIE108

Die Kernhypothese der Transaktionskostentheorie lautet, dass unterschiedliche Organisationsmodelle – die dort auch als „Governance Structures“ bezeichnet werden – in Abhängigkeit verschiedener Eigenschaften von Transaktionen mit unterschiedlich hohen Transaktionskosten einhergehen.109 Die Grundlagen der Transaktionskostentheorie wurden von COASE (1937) zur Erklärung des Entstehens von Unternehmen erarbeitet.110 Seine Ideen wurden seit den 1970er Jahren unter anderem von WILLIAMSON (1975, 1979, 1985) aufgegriffen und weiterentwickelt.

Die Kernüberlegung der Transaktionskostentheorie lautet, dass sich Akteure, die im Rahmen unvollständiger Verträge spezifisch – d. h. zu einem gewissen Grad irreversibel – in eine Vertragsbeziehung investieren („Beziehungsspezifität“111), dem Risiko aussetzen, dass ein opportunistischer Vertragspartner versucht, sich im Rahmen von Nachverhandlungen Renten anzueignen. Zur Absicherung gegen ein solches als „Hold-Up“ bezeichnetes Verhalten treffen die Akteure Maßnahmen, die mit Transaktionskosten einhergehen. Die Transaktionskostentheorie beinhaltet erklärende Aussagen über die Höhe von Transaktionskosten in Abhängigkeit konkreter Eigenschaften der Transaktionen sowie des Organisationsmodells. Weitere Details zur Transaktionskostentheorie sind im späteren Abschnitt 3.2.3 enthalten.

Auf die Transaktionskostentheorie kann für zahlreiche unterschiedliche Fragestellungen zurückgegriffen werden, beispielsweise für die Untersuchung von Make-or-Buy-Fragen (d. h.

Integration versus Desintegration) oder von Kooperationen.112 PRINZIPAL-AGENT-THEORIE113

Die Prinzipal-Agent-Theorie bezieht sich auf eine Situation, in der ein Auftragnehmer (Agent) von einem mit ihm vertraglich verbundenen Auftraggeber (Prinzipal) mit der Ausführung einer Tätigkeit betraut wird und dafür einen gewissen Entscheidungsspielraum übertragen bekommt. Zudem wird von einer Informationsasymmetrie zulasten des Prinzipals ausgegangen. Diese Informationen können sich auf den Stand des Wissens (z. B. im Hinblick auf Qualitäten eines Gutes) oder auf die Handlungen des Agenten nach Vertragsschluss beziehen. Da das Ergebnis der Handlungen des Agenten zudem

108 Vgl. z. B. RICHTER / FURUBOTN (2003, S. 55 ff. und S. 193 ff.) für einen Überblick über die Transaktionskostentheorie.

109 Vgl. z. B. LEIBLEIN (2003, S. 939) und WILLIAMSON (1991b, S. 79).

110 COASE (1937) stellte fest, dass Interaktionen zwischen Unternehmen auf einem „Markt“ mit dem Verbrauch von Ressourcen (Transaktionskosten) einhergehen. Er stellte sie dem Ressourcenverbrauch für den alternativen Fall entgegen, dass die Interaktionen in einem integrierten Unternehmen (oder anderen engen vertraglichen Verbindungen) stattfinden.

111 Es ist wichtig, zwischen dieser Beziehungsspezifität im Rahmen einer Vertragsbeziehung und der Verwendungsspezifität zu unterscheiden. Ein Gut kann z. B. zwar nur für eine einzige Verwendung geeignet sein (hohe Verwendungsspezifität), aber trotzdem in vielen alternativen Vertragsbeziehungen eingesetzt werden (geringe Beziehungsspezifität). Umgekehrt kann ein Gut zwar prinzipiell für viele Verwendungen einsetzbar sein, aber trotzdem findet sich nur ein einziger Vertragspartner.

112 Vgl. z. B. RINDFLEISCH /HEIDE (1997, S. 32 ff.) und BRENCK ET AL. (2004).

113 Vgl. z. B. RICHTER /FURUBOTN (2003, S. 173 ff.) für einen Überblick über die Prinzipal-Agent-Theorie.

von unsicheren, exogenen Umständen beeinflusst werden kann, ist es dem Prinzipal daher z. B. nicht ohne Weiteres möglich zu erkennen, in welchem Maße das Ergebnis durch diese exogenen Umstände bzw. durch den Agenten selbst beeinflusst wurde.

Dies ermöglicht einem eigennutzmaximierenden Agenten in einem gewissen Ausmaße die Verfolgung eigener Ziele zulasten der Zielerreichung des Prinzipals. Im Detail wird in der Literatur mit der sogenannten „adversen Selektion“ zum einen ein vorvertragliches Problem dargestellt: Sie beschreibt den Umstand, dass Anbieter hoher Qualitäten das Angebot einstellen, da die Eigenschaften ihres Angebotes nicht offensichtlich genug sind und sie deswegen von Anbietern niedrigerer Qualitäten – mit geringeren Preisen – verdrängt werden. Zum anderen kann es zu Problemen nach Vertragsschluss kommen: Im Falle von „moralischem Risiko“ führen versteckte Informationen – also ein Informationsvorteil auf Seiten des Agenten – zu unerwünschten Wirkungen, wie z. B. zu erhöhten Kostenangaben. Ein „verstecktes Handeln“ des Agenten hingegen kann sich z. B. in einem geringeren Anstrengungsniveau widerspiegeln

Die Prinzipal-Agent-Theorie114 beinhaltet erklärende Aussagen über den Umfang dieser Probleme in Abhängigkeit der Eigenschaften von Transaktionen und Organisationsmodellen. Dazu macht sie Aussagen zur Höhe der Transaktionskosten, die von Prinzipal und Agent für Maßnahmen zur Problemminderung in Abhängigkeit von Aufgabenzuordnungen, Wissensverteilungen und Institutionen in Kauf genommen werden können.115 Solche Maßnahmen können seitens des Prinzipals z. B. darin bestehen, Informationen über den Agenten einzuholen, geeignete Anreize zu etablieren oder Monitoring-Maßnahmen zur Überwachung des Agenten zu ergreifen. Der Agent hingegen kann versuchen, dem Prinzipal ex ante möglichst glaubhafte Informationen über seine Eigenschaften zur Verfügung zu stellen.

ÖKONOMISCHE THEORIE DES FÖDERALISMUS IM KONTEXT DER NEUEN INSTITUTIONENÖKONOMIK116

Die zweckmäßige Verteilung von Aufgaben auf verschiedene staatliche Ebenen stellt ein vielschichtiges Optimierungsproblem dar, bei dem regionale Präferenzunterschiede, Skalen- und Verbundvorteile sowie Kontrahierungsmöglichkeiten einbezogen werden müssen.117 Die ökonomische Theorie des Föderalismus beinhaltet Aussagen über die Wirkungen, die mit alternativen Möglichkeiten für die Verteilung von Aufgaben auf staatliche Ebenen einhergehen.

114 Es lassen sich normative und positive Strömungen innerhalb der Prinzipal-Agent-Theorie unterscheiden (vgl.

RICHTER /FURUBOTN (2003, S. 176 ff.)). Die normative, formal-mathematische Prinzipal-Agent-Theorie geht unter anderem von einer vollständigen Rationalität der Akteure aus. Die nicht-formale, positive Strömung der Prinzipal-Agent-Theorie gilt thematisch als gehaltvoller und steht im Fokus dieser Arbeit. Grundlegende Arbeiten zur positiven Prinzipal-Agent-Theorie stammen u. a. von JENSEN (1983), FAMA (1980) FAMA / JENSEN (1983) und ALCHIAN /WOODWARD (1987).

115 Diese Transaktionskosten werden auch als Agency-Kosten bezeichnet; vgl. JENSEN /MECKLING (1976, S. 308).

116 Grundlegende Arbeiten zur ökonomischen Föderalismustheorie stammen u. a. von BRETON (1965), MUSGRAVE

(1969), OLSON (1969) und OATES (1972).

117 Vgl. BLANKART (2008, S. 546). Die Verteilung von Aufgaben (und der damit verbundenen Ausgaben) auf föderalen Ebenen wird auch als passiver Finanzausgleich bezeichnet; vgl. z. B. ZIMMERMANN /HENKE /BROER

(2012, S. 207).

Die Grundaussagen der frühen ökonomischen Theorie des Föderalismus schlagen sich im sogenannten Korrespondenzprinzip und im sogenannten Dezentralisierungstheorem nieder:118 Nach dem Korrespondenzprinzip soll eine Aufgabe derjenigen Ebene zugeordnet werden, bei welcher eine Übereinstimmung von Nutzern, Zahlern und Entscheidungsträgern gegeben ist119, da sich die Eigenschaften des erstellten Angebotes auf diese Weise am besten mit den Präferenzen der Nutzer decken. Im Falle räumlicher Spillover-Effekte, bei denen externe Nutzer von der Bereitstellung eines Gutes profitieren, ohne dafür in entsprechendem Umfang die von ihnen verursachten Kosten zu tragen, sollte eine Aufgabe daher zentralisiert werden. Das Dezentralisierungstheorem hingegen besagt, dass lokale Präferenzen durch die dezentrale Ebene aufgrund von Wissensvorteilen besser berücksichtigt werden können, weswegen die dezentrale Ebene keinesfalls schlechter, oftmals aber besser als eine zentrale Ebene für die Übernahme von Aufgaben geeignet ist.120 Daher spricht das Dezentralisierungstheorem insbesondere im Falle regionaler Präferenzunterschiede für eine Dezentralisierung. Die eingeschränkte Realisierbarkeit von Skalen- und Verbundvorteilen bei der Erstellung der Güter bzw. der Erledigung der Aufgaben sprechen im Sinne der frühen ökonomischen Theorie des Föderalismus nicht gegen eine Dezentralisierung, da die Produktion nicht zwangsweise durch die Körperschaft erfolgen muss, die für das Angebot verantwortlich ist, sondern auch durch Dritte erfolgen kann. Skalen- und Verbundvorteile können bei einer solchen Übertragung an Dritte demnach auch bei dezentraler Aufgabenzuweisung voll ausgeschöpft werden.121

Spätere Arbeiten relativieren diese Grundaussagen, indem sie explizit auch Transaktionskosten in die Betrachtung einbeziehen.122 Eine optimale Verteilung von Aufgaben geht dann – vergleichbar mit der Make-or-Buy-Frage im Rahmen der Transaktionskostentheorie123 – mit einer Minimierung der in verschiedenen Organisationsmodellen anfallenden Transaktionskosten einher.124 Vor diesem Hintergrund wurden in der späteren Literatur weitere Optionen für die Aufgabenzuordnung diskutiert:

Zum einen könnte es trotz des Vorliegens von Spillover-Effekten zweckmäßig sein, dass die dezentralen Körperschaften zuständig sind, sofern Verhandlungen zwischen ihnen stattfinden können, die z. B. Ausgleichszahlungen vorsehen. Diese Verhandlungen gehen allerdings mit Transaktionskosten einher, deren Umfang in die Beurteilung des Organisationsmodells einzubeziehen ist. Ebenso könnte es trotz regional unterschiedlicher Präferenzen zweckmäßig sein, dass die zentrale Ebene zuständig ist, sofern sich diese Ebene Wissen über die lokalen Präferenzen aneignet. Auch die dafür anfallenden (Transaktions-)Kosten wären in die Beurteilung einzubeziehen. Das Korrespondenzprinzip und das Dezentralisierungstheorem würden in ihrer Reinform außerdem dazu

118 Vgl. HEINEMANN (1996, S. 119 ff.).

119 Diese Identität wird auch als institutionelle Kongruenz bezeichnet, vgl. BLANKART (2008, S. 547 f.).

120 Das sogenannte Subsidiaritätsprinzip besagt, dass die jeweils übergeordnete Gebietskörperschaft eine Aufgabe nur wahrnehmen soll, wenn diese Aufgabe durch diese Ebene aufgrund von Skalenvorteilen oder Spillovers besser erfüllt werden kann; vgl. BLANKART (2008, S. 546 f.). Es kommt daher zu einer ähnlichen Lösung wie das Dezentralisierungstheorem.

121 Vgl. TULLOCK (1969).

122 Vgl. BRETON /SCOTT (1978, Kap. 4), die statt Transaktionskosten den Begriff Organisationskosten verwenden.

123 Vgl. den vorausgehenden Abschnitt 2.3.1.2.3 sowie den späteren Abschnitt 3.2.3.

124 Vgl. BRETON /SCOTT (1978, S. 34 ff.), die als Beispiele u. a. Verwaltungskosten, Kosten für die Koordination zwischen unterschiedlichen föderalen Körperschaften sowie Kosten für die Ermittlung lokaler Präferenzen angeben.

führen, dass in einem „optimalen“ föderalen Organisationsmodell für jedes Gut bzw. für jede Aufgabe mit einem spezifischen Wirkungskreis auch eine eigene Körperschaft zuständig wäre, was mit hohen Transaktionskosten (v. a. Verwaltungskosten) einherginge. Unter Beachtung dieser Kosten wäre jedoch – unter Aufweichung von Korrespondenzprinzip und Dezentralisierungstheorem – die Zusammenfassung mehrerer Zuständigkeiten regelmäßig die zweckmäßige Lösung.

Eine Anwendung von Argumenten, die der ökonomischen Theorie des Föderalismus zuzuordnen sind, erfolgt in Abschnitt 3.5.

2.3.1.2.4 Industrieökonomik und Netzwerkökonomik INDUSTRIEÖKONOMIK125

Die Industrieökonomik beschäftigt sich mit Situationen, in denen zwei Rollen über eine Auftragsbeziehung miteinander verbunden sind (Anbieter und Nachfrager). Unter Berücksichtigung der Kostenstrukturen auf Seiten des Angebotes werden verschiedene desintegrierte Organisationsmodelle analysiert (Anbieter- und Nachfragerolle werden also durch unterschiedliche Akteure wahrgenommen), die sich vor allem in Hinblick auf das Akteursmodell für die Anbieterrolle unterscheiden. Bei den Anbietern handelt es sich um private, vollständig rationale und häufig vollständig informierte Akteure. Es werden hauptsächlich „unvollkommene“ wettbewerbliche Organisationsmodelle betrachtet, die vom neoklassischen Idealbild der vollständigen Konkurrenz und vom reinen Monopol abweichen.126 Institutionen werden nicht explizit in die Betrachtung einbezogen.

Die Industrieökonomik umfasst Aussagen über den Zusammenhang zwischen der Struktur eines Organisationsmodells und den Entscheidungen der Akteure dieses Organisationsmodells. Dabei stehen die Analyseparameter „Preis“ und „Menge“ im Fokus; teilweise wird auch auf die Qualität eines Gutes eingegangen.

Auf die zahlreichen, der Industrieökonomik zuzurechnenden Aussagen für verschiedene Untersuchungsmodelle soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Auch wenn die restriktiven Annahmen der industrieökonomischen Theorien dort nicht immer vollständig erfüllt sind, wird in dieser Arbeit in zahlreichen Abschnitten (u. a. Abschnitt 3.2.2.1: „Private Unternehmen im Wettbewerb sowie private und öffentliche Monopole“ für sogenannte autarke Güter) auf ihre grundlegenden Aussagen zurückgegriffen.

NETZWERKÖKONOMIK127

In der Netzwerkökonomik, die als Teilgebiet der Industrieökonomik aufgefasst werden kann, werden spezielle Nachfrageinterdependenzen angenommen, die sich aus den technischen Eigenschaften

125 Vgl. für einen Überblick über die Industrieökonomik z. B. TIROLE (1999), KNIEPS (2001) und PEPALL / RICHARDS / NORMAN (2005).

126 Diese Organisationsmodelle gehen mit interdependenten Entscheidungen und daher mit Verhaltensunsicherheit einher. Daher kann die Industrieökonomik als eine Anwendung der (nichtkooperativen) Spieltheorie betrachtet werden. Entscheidungen im vollkommenen Wettbewerb (und auch im Monopol) hingegen können als Entscheidungsproblem unter Parameterunsicherheit interpretiert werden.

127 Vgl. z. B. ECONOMIDES (1996a), KNIEPS (2007), MATUTES /REGIBEAU (1996), SHAPIRO /VARIAN (1998) und SHY

(2011) für einen Überblick über die teilweise sehr spezialisierte Literatur zur Netzwerkökonomik.