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Angebot räumlich-komplementärer Güter (Gebietsgüter)

Im Dokument Implementierung komplexer Systemgüter (Seite 117-137)

3.5.1 Annahmen zum Sektor- und Entscheidungsmodell

SEKTORMODELL:TECHNISCHES SYSTEM UND NACHFRAGE

Bei räumlich-komplementären Gütern handelt es sich um Güter, die in einem fest umrissenen Kontext verwendet werden. Dieser Kontext ist durch räumlich-komplementäre Interdependenzen zwischen Gebrauchsgütern gekennzeichnet, d. h. mindestens zwei sachlich identische318 Gebrauchsgüter werden auf benachbarten Gebieten nacheinander zur Erstellung eines gemeinsamen, gebietsübergreifenden Prozesses verwendet. Der Zuschnitt solcher Gebiete kann sich z. B. aus institutionell bedingten Zuständigkeiten ergeben. In dieser Arbeit wird angenommen, dass es sich bei den Prozessen um Transportprozesse handelt, die sich über räumlich benachbarte Gebiete erstrecken.319 Die in einem solchen Kontext eingesetzten Gebrauchsgüter werden in dieser Arbeit als räumlich-komplementäre Güter (Gebietsgüter) bezeichnet. In diesem Abschnitt wird vereinfachend von lediglich zwei verschiedenen Gebieten (1 und 2) ausgegangen (vgl. Abbildung 19).

Es wird angenommen, dass es sich bei räumlich-komplementären Gütern (wie A1 und A2 in Abbildung 19) um Immobilien wie Punkt- oder Streckeninfrastrukturen handelt, die durch einen festen Raumbezug, eine bestimmte Lebensdauer, eine bestimmte Kapazität, eine bestimmte Dichte (räumliche Abdeckung) sowie eine bestimmte Verwendungsspezifität und Interoperabilität gekennzeichnet sind. Es wird außerdem angenommen, dass die Erstellung eines Gebietsgutes gewisse Größenvorteile aufweist. Zudem wird angenommen, dass verschiedene Gebiete unterschiedliche technische Eigenschaften aufweisen können, die sich z. B. im Falle geologischer Unterschiede in lokal unterschiedlichen Kostenstrukturen niederschlagen können.

In Abhängigkeit der verschiedenen Eigenschaften kann eine solche Infrastruktur ggf. neben seiner Verwendung in gebietsübergreifenden Prozessen außerdem als Nebenprodukt auch für Prozesse verwendet werden, die keine gebietsübergreifende Komponente aufweisen, bei denen es sich also um lokale Prozesse handelt.320 Bei der Verwendung einer Infrastruktur für beide Arten von Prozessen können daher Verbundvorteile vorliegen.

318 Nachfolgend wird davon ausgegangen, dass eine Gleichheit der Güter aus technischen und aus Kostengründen erforderlich ist.

319 Für einige Transportprozesse werden neben ortsfesten Infrastrukturen auch mobile Komponenten, wie z. B.

Verkehrsmittel, benötigt. Auf die damit einhergehenden sachlich-komplementären Beziehungen und ihre Implikationen, wie z. B. die Option Adapter einzusetzen, wird nachfolgend nicht eingegangen.

320 Z. B. kann Ladeinfrastruktur für Elektromobilität sowohl im Kontext gebietsübergreifender Langstreckenfahrten als auch im Kontext lokaler Fahrten genutzt werden.

Abbildung 19: Schematische Darstellung von räumlich-komplementären Gütern (Gebietsgütern)

Die Nachfrage nach Gebietsgütern ist durch bestimmte Präferenzen und damit einhergehende Zahlungsbereitschaften im Hinblick auf gebietsübergreifende Transportprozesse gekennzeichnet.

Jeder einzelne Nachfrager weist eine Vielzahl unterschiedlicher räumlicher Bedürfnisse (z. B. in Form von Wegeketten) auf. Er präferiert daher Systeme, die eine hohe räumliche Abdeckung aufweisen, also räumlich besonders vielfältig nutzbar sind, und die eine hohe Dichte aufweisen. Neben diesen Präferenzen für Gebietsgüter hat jeder Nutzer zudem Präferenzen im Hinblick auf lediglich auf einzelnen Gebieten stattfindende (lokale) Prozesse.

ENTSCHEIDUNGSMODELL:(ENTSCHEIDUNGSFÄLLUNGS-)AUFGABEN UND ROLLEN

Im Fokus bei der Untersuchung des Angebotes von Gebietsgütern stehen die beiden Rollen

‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A1„ sowie ‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A2„, welche für das Angebot von Infrastrukturkapazitäten auf dem Gebiet 1 bzw. 2 zuständig sind.321 Sie sind durch eine räumlich-komplementäre Beziehung miteinander verbunden. Die über Auftragsbeziehungen verbundene Nachfrage nach den Gebrauchsgütern A1 und A2 wird – entsprechend des für diese Arbeit in Abschnitt 2.2.1.2 dargestellten Zusammenhangs von Rollen- und Beziehungstypen – durch Rollen des Typs ‚Angebot Prozess„ repräsentiert. Das Rollenmodell ist in Abbildung 20 dargestellt.

Abbildung 20: Rollenmodell für räumlich-komplementäre Güter (Gebietsgüter)322

321 Die Untersuchung könnte analog für den Rollentyp ‚Angebot Prozess„ erfolgen. Die räumlichen Eigenschaften der Prozesse müssen sich dann auf ein bestimmtes Gebiet beziehen (z. B. Transportprozesse in einem bestimmten Gebiet; vgl. Abschnitt 4.3.3).

322 Die Nachfrage ist als Element des Sektormodells kein Bestandteil des Rollenmodells.

Gebiet 1 Gebiet 2 Infrastruktur

A1

Infrastruktur A2

Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A2 [räumlich-komplementäres Gut]

Beschaffung + Betrieb Gebrauchsgut

Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A1 [räumlich-komplementäres Gut]

Beschaffung + Betrieb Gebrauchsgut

räumlich-komplementäre

Beziehung

Angebot Prozess

Durchführung Prozesse, Einsatz Assets

NACHFRAGE

NACHGEBRAUCHSGUTA1 UND NACHGEBRAUCHSGUTA2

In Übereinstimmung mit den in Abschnitt 2.3.2 dargestellten Analyseparametern stehen für die Rollen

‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A1„ und ‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A2„ Angebotsentscheidungen (insbesondere Schnittstellenentscheidungen sowie Entscheidungen über die räumliche Verteilung, inklusive Dichte, sowie über die räumliche Feinplanung), die Wahl der Kapazität, die Bepreisungsentscheidung sowie Entscheidungen über Vertriebskonditionen im Vordergrund.

Die Verwendung des Gebietsgutes erfordert aufgrund technischer Interdependenzen insbesondere eine Koordination der sachlichen Angebotsentscheidungen („innere Funktion“ und „Schnittstelle nach außen“) sowie der räumlichen und zeitlichen Angebotsentscheidungen zwischen den Gebieten („Muss-Koordinationsbereiche“).

Anforderungen der Rollen ‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A1 bzw. A2„ an ihre Wahrnehmung bestehen im Hinblick auf das Wissen über lokale technische Gegebenheiten (u. a. für die räumliche Feinplanung), über sonstige lokale Maßnahmen, wie z. B. Erneuerungszyklen benachbarter Infrastrukturen (u. a. für die zeitliche Investitionsentscheidung), und über die Eigenschaften der lokalen Nachfrager (u. a. für die Bepreisungsentscheidung). Zudem bestehen Anforderungen an ortsunabhängiges Wissen (z. B. im Hinblick auf die Ermittlung der benötigten Dichte an Punktinfrastrukturen oder auf den Betrieb der Infrastruktur).

3.5.2 Untersuchungen für alternative Organisationsmodelle

Aufbauend auf den Annahmen zum Sektor- und Entscheidungsmodell und unter Verwendung der in Abschnitt 2.3.2 dargestellten Arten von Analysen und Analyseparametern erfolgt in diesem Abschnitt eine Analyse und Bewertung alternativer Organisationsmodelle. Für die Ermittlung der Ausprägungen der Analyseparameter wird vor allem auf Theorien zurückgegriffen, die der Neuen Institutionenökonomik sowie der ökonomischen Föderalismustheorie zuzuordnen sind.323

Nachfolgend werden alternative Organisationsmodelle für die Rollen ‚Zurverfügungstellung Gebietsgut A1„und ‚Zurverfügungstellung Gebietsgut A2„ betrachtet, wobei angenommen wird, dass jede Rolle nur durch einen Akteur – durch einen sogenannten Gebietsmonopolisten – wahrgenommen wird. Es wird ausschließlich die Einbindung öffentlicher Akteure in Organisationsmodelle angenommen. Diese komplexen Akteure werden in diesem Abschnitt nicht mehr als Blackbox betrachtet, da hier auch der Organisation innerhalb der Akteure eine große Bedeutung zukommt.324 Insbesondere können sie in föderalistische Organisationsmodelle eingebunden sein, worauf im nachfolgenden Abschnitt 3.5.2.1 genauer eingegangen wird. Die Rollen, welche die Nachfrage generieren, werden annahmegemäß desintegriert durch dritte Akteure wahrgenommen.

323 Vgl. Abschnitt 2.3.1.2.3.

324 Vgl. Abschnitt 2.2.1.3 zu komplexen Akteuren.

3.5.2.1 Annahmen über Akteure und Institutionen in föderalistischen Organisationsmodellen

Ergänzend zu den Angaben aus Abschnitt 2.2.1.3 zur Organisation innerhalb komplexer Akteure werden nachfolgend einige zentrale Annahmen über komplexe Akteure und Institutionen in föderalistischen Organisationsmodellen dargestellt, die in diesem Abschnitt 3.5 verwendet werden.

Vereinfachend wird von einem idealtypischen, föderalistischen System mit zwei Ebenen ausgegangen, welches sich aus dezentralen Gebietskörperschaften und einer zentralen Gebietskörperschaft zusammensetzt.325 Tabelle 1 beinhaltet die Annahmen, die in dieser Arbeit für diese beiden Subakteure im Hinblick auf die aus Abschnitt 2.2.1.3 bekannten Eigenschaften von Akteuren getroffen werden.

325 Explizit ist damit nicht das föderalistische System in Deutschland gemeint, welches aus drei Ebenen besteht;

vgl. HESSE /ELLWEIN (2012, S. 460 ff.).

Dezentrale Gebietskörperschaft (Heterogenität zwischen einzelnen möglich)

Zentrale Gebietskörperschaft

Zielsystem

Zielgröße Gesellschaftliche Wohlfahrt inklusive Verteilung (impliziert u. a. Kosteneffizienz)

Räumlicher Betrachtungs-horizont

Jeweiliges (dezentrales) Hoheitsgebiet (und sich daraus ergebende Ziele) inkl.

dort verorteter Wähler

- Gesamtes zentrales Hoheitsgebiet326 inkl. dort verorteter Wähler

- Interesse an ähnlicher Güterausstattung in diesem Hoheitsgebiet

Ressourcen

Wissen327 V. a. ortsbezogenes Wissen (u. a. bzgl.

bestehender technischer Systeme und lokaler Nachfrage)328

- V. a. ortsunabhängiges Wissen (z. B. bzgl. neuer Technologien oder Verfahren)

- V. a. ökonomisches Wissen (u. a. generiert durch Grundlagenforschung) Güter Verschiedene Gebrauchsgüter

(aufgrund bereits bestehender lokaler Aufgaben) mit individuellen

Restlebensdauern

./.

Optionen für die Finanzierung329

- U. a. Steuern

- Umfang Finanzmittel kaum variierbar - Heterogenität bzgl. Mittelumfang und

damit einhergehend interregionale Verdrängungswirkungen möglich - Hohe Vollzugskosten

- U. a. Steuern

- Umfang Finanzmittel gut variierbar

- Niedrige Vollzugskosten

Kosten der Risikoübernahme

330

Eher höher als bei zentraler

Gebietskörperschaft Eher niedriger als bei dezentralen Gebietskörperschaften

Beispiele für bereits bestehende

Aufgaben331

- Lokales Verkehrsmanagement - Betrieb von Lichtsignalanlagen - Bereitstellung von Parkplätzen

./.

Tabelle 1: Annahmen über die Eigenschaften (idealtypischer) dezentraler und zentraler Gebietskörperschaften in föderalistischen Organisationsmodellen

Eine Ebene kann zudem einen Einfluss auf die Entscheidungsfindung auf der jeweils anderen Ebene ausüben332, was prinzipiell in beide Richtungen möglich ist. Diese Beeinflussung, z. B. in Form von Zweckzuweisungen oder Vetorechten, basiert im Allgemeinen auf formalen Institutionen.333

326 Dies bezieht die Berücksichtigung räumlicher externer Effekte zwischen Teilgebieten mit ein.

327 Vgl. z. B. OSTROM /SCHROEDER /WYNNE (1993, S. 121 f.) für ein übertragbares Beispiel.

328 Vgl. z. B. ALONSO /DESSEIN /MATOUSCHEK (2008, S. 168).

329 Vgl. z. B. KLATT (2011, Abschnitt 3.4.1.1).

330 Vgl. z. B. MCAFEE /MCMILLAN (1988, S. 14 ff.) und BECKERS ET AL. (2008, Kasten 1).

331 Bestehende Aufgaben können komplementär oder völlig unabhängig sein zu den untersuchten Aufgaben bzw.

Rollen.

332 Vgl. z. B. OSTROM /TIEBOUT /WARREN (1961, S. 831).

333 Z. B. besteht die formale Institution für die Vetorechte der Länder in Bezug auf die Gesetzgebung des Bundes in Deutschland (über den Bundesrat) in Artikel 50 des Grundgesetzes.

Ob überhaupt ein föderalistisches Organisationsmodelle existiert und ob im Falle eines föderalistischen Organisationsmodells die dezentrale (wie in den folgenden Abschnitten 3.5.2.2.1 und 3.5.2.2.2) oder die zentrale Gebietskörperschaft (wie in den folgenden Abschnitten 3.5.2.2.3 und 3.5.2.2.4) die Zuständigkeit für eine bestimmte Aufgabe besitzt – also eine bestimmte Rolle wahrnimmt –, wird im Allgemeinen durch übergeordnete Regeln, z. B. in der Verfassung, festgelegt.

Hierauf wird noch im späteren Abschnitt 3.5.2.3 eingegangen.

3.5.2.2 Alternative Organisationsmodelle

In diesem Abschnitt werden Untersuchungen für alternative Organisationsmodelle vorgenommen, die auf die bereits dargestellten Annahmen zum Sektor- und Entscheidungsmodell sowie zu Akteuren und Institutionen in föderalistischen Organisationsmodellen zurückgreifen.

Konkret werden folgende Kategorien an Organisationsmodellen betrachtet:

 Dezentrale Gebietskörperschaften mit und ohne Kooperation (Abschnitt 3.5.2.2.1),

 Zweckzuweisungen von zentraler Gebietskörperschaft an dezentrale Gebietskörperschaften (Abschnitt 3.5.2.2.2),

 Delegation von zentraler Gebietskörperschaft an ein öffentliches Unternehmen (Abschnitt 3.5.2.2.3) sowie

 Delegation von zentraler Gebietskörperschaft an dezentrale Gebietskörperschaften (Abschnitt 3.5.2.2.4).

3.5.2.2.1 Dezentrale Gebietskörperschaften mit und ohne Kooperation

Nachfolgend wird angenommen, dass die beiden Rollen ‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A1„ sowie ‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A2„ von zwei (unterschiedlichen) dezentralen Gebietskörperschaften wahrgenommen werden.334 Die Eigenschaften der beiden Gebietskörperschaften sind heterogen in Bezug auf ihre Zielsysteme (v. a. hinsichtlich des räumlichen Betrachtungshorizontes sowie ggf. der Präferenzen der lokalen Nutzer) sowie in Bezug auf ihre Ressourcen (v. a. hinsichtlich des vorhandenen Wissens und vorhandenen Gebrauchsgütern). Es werden zwei Varianten dieses Organisationsmodells betrachtet: Entweder erfolgt eine Kooperation zwischen den eigenständigen Gebietskörperschaften, welche die koordinierte Abstimmung von Entscheidungen im Hinblick auf das Angebot des Gebietsgutes umfasst, oder es erfolgt keine Kooperation zwischen ihnen.

EX-POST-WIRKUNGEN

Eine nicht erfolgende Kooperation zwischen den Gebietskörperschaften kann sich erstens in technisch nicht einheitlichen Gebietsgütern niederschlagen, was z. B. aus unterschiedlichen Nachfragepräfenzen in den unterschiedlichen Gebieten oder aus unterschiedlichen Auffassungen über das „richtige“ System resultieren kann. Zweitens kann es zu auseinanderfallenden zeitlichen Investitionsentscheidungen kommen, z. B. aufgrund einer Kopplung an die

334 Hierbei könnte es z. B. sich um zwei Städte, zwei Kommunen, zwei Bundesländer oder auch um zwei Staaten handeln.

Ersatzinvestitionszeitpunkte komplementärer Altsysteme (z. B. Kopplung der Ausstattung einer Kreuzung mit Verkehrstelematikinfrastruktur an die Erneuerung der dort bereits vorhandenen Lichtsignalanlage) oder aufgrund knapper Finanzmittel in einer der Gebietskörperschaften. Drittens könnten sich räumlich heterogene Angebote einstellen, die sich z. B. in unterschiedlichen Dichten von Infrastrukturen in den beiden Gebieten niederschlagen. Unabhängig von der Dichte könnten unkoordinierte dezentrale Entscheidungen auch zu heterogenen Kapazitätsentscheidungen führen.

Letztlich kann es – falls überhaupt eine Bepreisung vorgesehen ist – auch zu einer uneinheitlichen Bepreisung für die Nutzung der Infrastrukturen in den beiden Gebieten kommen, z. B. aufgrund heterogener Anreize zur Abschöpfung von Zahlungsbereitschaften oder aufgrund einer durch unterschiedliche Nutzungsrivalitäten in den Gebieten bedingte, ungleiche, nutzungsabhängige Preissetzung.335 Die räumliche Feinplanung dürfte aufgrund des durch komplementäre Aufgaben erworbenen lokalen Wissens in einer guten Qualität (bzw. zu vergleichsweise geringen Kosten) erfolgen. Verbundvorteile bei der Erstellung des Gebietsgutes können genutzt werden, wenn sie in Verbindung mit der Erstellung von ohnehin bereits angebotenen Gütern erfolgt, wenn z. B. Wissen mehrfach verwendbar ist oder wenn lokale Austausch- oder Erneuerungszyklen von Komplementen berücksichtigt werden können (z. B. im Rahmen einer Mitverlegung); diese setzt jedoch ggf. zusätzlich eine zeitliche Koordination von Entscheidungen voraus. Außerdem können in großem Ausmaße Verbundvorteile realisiert werden, wenn eine Infrastruktur nicht nur für gebietsübergreifende Prozesse, sondern außerdem für ohnehin vorgesehene lokale Prozesse genutzt werden kann. Da die Erstellung der Leistungen separat für die Teilgebiete erfolgt, können Skalenvorteile hingegen nicht im potenziell möglichen Ausmaße genutzt werden.336

Durch eine in vertraglichen Regeln verankerte Kooperation zwischen den beiden Gebietskörperschaften kann eine bessere Abstimmung der interdependenten Entscheidungen im Hinblick auf diese verschiedenen Aspekte erfolgen; die genannten Wirkungen treten dann potenziell in genau umgekehrter Weise auf. Eine notwendige Bedingung für das Erreichen einer Kooperationslösung ist vor allem eine hinlängliche Überlappung der Zielsysteme der Gebietskörperschaften. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, dürfen zudem die erwarteten einmalig für die Verhandlung anfallenden Informations- und Koordinationskosten sowie die dauerhaft anfallenden Transaktionskosten (für das Monitoring und für die Durchsetzung der Regeln) keinen zu großen Umfang annehmen. Sowohl der Umfang der Überlappung der Zielsysteme als vor allem auch der Umfang der Transaktionskosten sind hauptsächlich von der Anzahl der involvierten Gebietskörperschaften sowie der Heterogenität ihrer Zielsysteme abhängig. Im Rahmen der Kooperation wären bei einer nicht auf Nutzerzahlungen zurückgreifenden Finanzierung ggf. zusätzlich – im Sinne einer Verteilung der aus einer Kooperation entstehenden Vor- und Nachteile – Kompensationsregeln für den Fall zu berücksichtigen, dass Nachfrager (d. h. Bewohner bzw.

Steuerzahler) aus Gebiet 1 in stärkerem Ausmaße Infrastrukturen auf Gebiet 2 nutzen als umgekehrt Nachfrager aus Gebiet 2 auf Gebiet 1.

335 Vgl. z. B. REINKE (2014, S. 145 f.).

336 Vgl. BECKERS / KLATT / ZIMMERMANN (2012) für eine Analyse von Optionen für die Zusammenarbeit von Kommunen bei der Erstellung von Gütern.

IMPLEMENTIERUNGSKOSTEN

Die Investitionskosten für den Aufbau von ortsbezogenem Wissen, welches für verschiedene Entscheidungen benötigt wird, sind als vergleichsweise gering einzustufen, da dezentrale Gebietskörperschaften annahmegemäß aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeiten über ortsbezogenes Wissen (u. a. bzgl. bestehender technischer Systeme bzw. Gebrauchsgüter und lokaler Nachfrage) in nicht unerheblichem Ausmaße verfügen.

Weitere Investitionskosten fallen für die durch die o. g. Entscheidungen hinsichtlich Art und Umfang determinierten Gebrauchsgüter (hier speziell Gebietsgüter) an, die – in Abhängigkeit der ggf. in heterogenem Umfang bereits vorhandenen Gebrauchsgüter – komplett neu beschafft werden müssen, sowie für den Aufbau des benötigten ortsunabhängigen Wissens.

Im Falle einer vertraglichen Kooperation zwischen dezentralen Gebietskörperschaften fallen zusätzlich Transaktionskosten für das Design und die Einrichtung der damit einhergehenden Institutionen an.

Die mit der Konzeption dieses Kapitels einhergehende Ermangelung eines konkreten Ist-Untersuchungsmodells (vgl. Abschnitt 3.1) führt dazu, dass an dieser Stelle keine weiteren Analysen von Implementierungskosten durchgeführt werden können.

EX-ANTE-ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE BETEILIGUNG AM ANGEBOT:ANREIZE BEZÜGLICH KOOPERATION UND NICHTKOOPERATION

Es stellt sich die Frage, ob sich dezentrale Gebietskörperschaften ex ante für oder gegen eine Kooperation in den verschiedenen Bereichen entscheiden. Dafür nehmen sie, gemäß Abschnitt 2.3.2.3.2, eine Abwägung der Wirkungen dieser Alternativen vor.

Gegen eine Einigung sprechen vor allem ihre annahmegemäß heterogenen Eigenschaften. Z. B.

könnte eine einseitige Finanzmittelknappheit zu geringen Beteiligungsanreizen einer Seite führen.

Außerdem könnten lokal unterschiedliche Präferenzen der Einwohner im Hinblick auf die Verwendung von Finanzmitteln – als Prinzipale der Politik, die die Entscheidungen trifft – dazu führen, dass Gebietskörperschaften in unterschiedlichem Ausmaße an einer Kooperation interessiert sind. Sofern das Gebietsgut jedoch für die lokale Ebene eine gewisse gesellschaftliche Bedeutung oder sogar eine

„Unverzichtbarkeit“ besitzt und technische Gestaltungsoptionen ohnehin begrenzt sind – wie z. B. bei vielen Verkehrsinfrastrukturen oder bei Stromnetzen – dürfte es im Allgemeinen zu einer kooperativen Einigung kommen. Zusätzliche Probleme können sich durch Pfadabhängigkeiten ergeben, die durch einseitig bereits durchgeführte, dezentrale Investitionen in Gebrauchsgüter entstehen, die ursprünglich ausschließlich für die Verwendung in lokalen Prozessen vorgesehen waren. Zwar könnten diese Gebrauchsgüter prinzipiell zusätzlich in einem gebietsübergreifenden Kontext eingesetzt werden, jedoch besteht aufgrund der ursprünglichen Ausrichtung auf lediglich lokale Prozesse möglicherweise keine (ausreichende) Kompatibilität zwischen den vorhandenen Gebrauchsgütern in den verschiedenen Gebieten. Trotzdem könnte eine Seite auf eine Anschlussfähigkeit dieser Investitionen bestehen. Beispiel hierfür wären dezentrale Investitionen in Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, die z. B. aus Forschungsgründen ohne eine Abstimmung mit anderen Gebietskörperschaften aufgebaut

wurde. Gelegentlich können Pfadabhängigkeiten auch durch Adapter gemindert werden.337 Unabhängig von technischer Heterogenität werden diese Probleme potenziell im Falle von heterogenen Mengen an bereits vorhandenen Gebrauchsgütern und damit einhergehenden unterschiedlich hohen Investitionsbedarfen verstärkt.

Prinzipiell hat auch das bei den dezentralen Gebietskörperschaften verfügbare Beteiligungsabwägungswissen einen großen Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft. Solches Wissen dürfte vor allem im Hinblick auf neue Technologien, wie z. B. die verschiedenen technischen Optionen für die Ladeinfrastruktur von Elektromobilität, nicht überall in erforderlichem Ausmaße vorhanden sein.338

3.5.2.2.2 Zweckzuweisungen von zentraler Gebietskörperschaft an dezentrale Gebietskörperschaften

In diesem Abschnitt wird angenommen, dass gleichzeitig eine zentrale Gebietskörperschaft und mehrere dezentrale Gebietskörperschaften existieren, welche durch die in Abschnitt 3.5.2.1 dargestellten Eigenschaften gekennzeichnet sind. Die dezentralen Gebietskörperschaften nehmen die Rollen ‚Zurverfügungstellung Gebrauchsgut A1 bzw. A2„ wahr. Mittels bestimmter Institutionen (Regeln), sogenannter Zweckzuweisungen, werden den dezentralen Gebietskörperschaften durch die zentrale Gebietskörperschaft bewusst bestimmte Anreize gesetzt. Eine Zweckzuweisung, die immer eine freiwillige Inanspruchnahme durch die dezentrale Gebietskörperschaft erfordert, knüpft die Zahlung von Finanzmitteln (die Zuweisung) an Bedingungen für die Verwendung dieser Mittel (den Zweck).339 Diese Regelsetzung erfolgt, da die zentrale Gebietskörperschaft davon ausgeht, dass die dezentralen Gebietskörperschaften ihre Entscheidungen ohne diese Anreizsetzung nicht im Sinne der Ziele der zentralen Gebietskörperschaft treffen würden.340 In dieser Arbeit werden die verschiedenen Ausgestaltungsoptionen für Zweckzuweisungen über drei zentrale Eigenschaften beschrieben:

Eine Zweckzuweisung ist durch bestimmte Eigenschaften der enthaltenen Regelvariablen (1) charakterisiert:

 Die Regelvariablen weisen erstens einen bestimmten Grad der Zweckbindung auf, d. h. sie können sich auf eine eng definierte Verwendung (z. B. ein konkretes Projekt oder Maßnahmenbündel) oder auf eine weit definierte Verwendung (z. B. ein Ausgabenbereich wie Infrastrukturerhaltung oder -Betrieb) beziehen.341

 Die Regelvariablen können sich zweitens zum einen auf den Output der dezentralen Gebietskörperschaften beziehen, was z. B. Art (u. a. Schnittstellenstandards), Umfang (u. a.

räumliche Verteilungen, Kapazitäten) und Zeitpunkt (u. a. Investitionszeitpunkte und Verfügbarkeiten) sowie die Bepreisung oder die Vertriebskonditionen von Gütern betreffen

337 Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.1 für Aussagen zu Adaptern.

338 Zur Vermeidung unkoordinierter Entscheidungen kann es in diesen Fällen daher zweckmäßig sein, dass solches Wissen durch die zentrale Ebene erstellt und der dezentralen Ebene zur Verfügung gestellt wird.

339 Vgl. z. B. ZIMMERMANN /HENKE /BROER (2012, S. 225 f.). Zuweisungen ohne Zweckbindung, welche keine Lenkungswirkung aufweisen, werden in dieser Arbeit nicht betrachtet.

340 Vgl. z. B. ZIMMERMANN /HENKE /BROER (2012, S. 226).

341 Vgl. z. B. KLATT (2011, S. 111).

kann. Zum anderen können sie sich am Input orientieren, d. h. z. B. Vorgaben zu Merkmalen des Produktionssystems enthalten.342 Zudem sind Mischungen möglich.

Die Vorgabe der erlaubten Ausprägungen für diese Regelvariablen (2) kann zwei idealtypische Formen annehmen:

 Zum einen kann sie in Form konkreter Werte erfolgen, z. B. im Hinblick auf eine genaue Anzahl oder eine mögliche Bandbreite von aufzubauenden Punktinfrastrukturen (wie Ladesäulen).

 Zum anderen kann auch eine Methode vorgegeben werden, die durch die dezentralen Gebietskörperschaften für die Ermittlung von Werten zu verwenden ist um eine Zuwendung zu erhalten, z. B. zur Ermittlung der Dichte von Ladesäulen für Elektromobilität in Abhängigkeit bestimmter lokaler Gegebenheiten.

Zudem ist die an die Einhaltung der Ausprägungen der Regelvariablen gekoppelte Zahlung durch bestimmte Eigenschaften der Zahlung (3) gekennzeichnet:

 Sie kann eine Mitfinanzierung des Zahlungsempfängers enthalten. Dabei decken die Zahlungen der zentralen Gebietskörperschaft nur einen Teil der auf dezentraler Ebene anfallenden Investitions- und Betriebskosten ab. Die Zahlung kann als Fixbetrag oder als prozentualer Anteil erfolgen.

 Zudem kann das Gesamtvolumen an Finanzmitteln begrenzt sein, sodass knappe Mittel nach dem Windhundverfahren oder nach Prioritäten vergeben werden, oder es ist unbegrenzt.

 Der Umfang der Zahlungen kann zudem an die Finanzkraft der empfangenden Gebietskörperschaft gekoppelt sein; finanzschwache dezentrale Gebietskörperschaften erhalten dann höhere Zahlungen.

EX-POST-WIRKUNGEN VERSCHIEDENER AUSGESTALTUNGSOPTIONEN FÜR ZWECKZUWEISUNGEN343

Im Hinblick auf die dauerhaften Transaktionskosten gelten prinzipiell die gleichen Argumente wie bei kooperierenden Gebietskörperschaften auf einer Ebene im vorausgehenden Abschnitt 3.5.2.2.1, d. h.

sie sind abhängig von der Anzahl der involvierten Gebietskörperschaften sowie von der Heterogenität ihrer Zielsysteme. Eine Zweckzuweisung beruht jedoch nicht auf einer gegenseitigen Einigung, sondern auf einer durch einen Dritten erstellten und vorgegebenen Regelung – die jedoch durch die andere Seite akzeptiert werden muss.

Ein zunehmender (sich aus der Regelvariable ergebende) Grad der Zweckbindung erhöht die Treffsicherheit einer Zweckzuweisung, d. h. bei sehr speziellen Zielen der zentralen Gebietskörperschaft sollten auch sehr spezielle Regelvariablen gewählt werden, da es ansonsten zu einer Fehlsteuerung kommen kann.

342 In Abschnitt 3.2.2.1 wurde eine identische Struktur für die Klassen von Regelvariablen vorgestellt, die einer Regulierung zugrunde liegen können.

343 Zweckzuweisungen und verschiedene Wirkungen werden z. B. auch von THUM ET AL. (2004, S. 160 ff.) und ZIMMERMANN /HENKE /BROER (2012, S. 225 ff.) thematisiert.

Inwiefern sich eine Zweckzuweisung besser auf Output- oder auf Input-Parameter des Angebotes beziehen soll, hängt vor allem von den Zielen und dem Wissen der zentralen Gebietskörperschaft ab.

Im Allgemeinen stehen Output-Parameter, wie z. B. Schnittstellenstandards oder die räumliche Abdeckung von Infrastrukturen, im Vordergrund. Analog zu den Darstellungen in Abschnitt 3.2.2.1 kann es jedoch zweckmäßiger sein, Vorgaben im Hinblick auf den Input zu machen, wenn auf diese Weise geringere Transaktionskosten für das Monitoring und die Durchsetzung anfallen – wenn also eine bessere Kontrahierbarkeit gegeben ist – oder wenn die zentrale Ebene aufgrund von Wissensdefiziten gar keine zweckmäßigen Vorgaben über den Output machen kann.

Die Eignung alternativer Formen an Vorgaben der erlaubten Ausprägungen für die Regelvariablen (konkrete Werte versus vorgegebene Methode für die Ermittlung) hängt maßgeblich von der Verteilung des für die Ermittlung der Wirkungen notwendigen Wissens ab. Die in Abschnitt 3.5.2.1 dargestellten Annahmen implizieren z. B., dass eine Vorgabe konkreter Werte durch die zentrale Gebietskörperschaft, z. B. in Bezug auf die Wahl von Investitionszeitpunkten oder die räumliche Dichte von Infrastrukturen ungeeignet sein kann, da auf der zentralen Ebene nur wenig ortsbezogenes Wissen (u. a. bzgl. bestehender technischer Systeme und lokaler Nachfragen) vorhanden ist. Die Vorgabe einer Methode, welche durch die dezentralen Gebietskörperschaften anzuwenden ist, geht mit dem Vorteil einher, dass das bereits vorhandene ortsbezogene Wissen der dezentralen Gebietskörperschaften einbezogen werden kann. Dies kann z. B. auch bei der lokalen Feinplanung von Infrastrukturen (z. B. durch den Einbezug lokaler Austausch- oder Erneuerungszyklen benachbarter Infrastrukturen) oder bei der Bepreisung in Abhängigkeit der lokalen Opportunitätskosten zweckmäßig sein. Von Vorteil ist ebenfalls, dass die mitunter hohen Kosten für die Erstellung einer solchen ohnehin benötigten Methode – z. B. für die Ermittlung der benötigten Dichte an Übertragungsinfrastrukturen für VTS-Funk344 in Abhängigkeit verschiedener Randbedingungen der technischen Umgebung und der Nachfrage – nur einmal bei der zentralen Gebietskörperschaft anfallen bzw. dass diese Informationen aufgrund von Grenzkosten von Null unproblematisch mehrfach verwendet werden können. Nachteilig ist, dass sowohl die Korrektheit der durch die dezentralen Gebietskörperschaften verwendeten Inputdaten als auch die korrekte Anwendung einer Methode eine schlechte Beobachtbarkeit aufweisen können, was im Vergleich zur Vorgabe konkreter Werte mit höheren Transaktionskosten für das Monitoring einhergehen kann.345 Dies erhöht die Gefahr, dass die Ziele der zentralen Gebietskörperschaft aufgrund opportunistischen Verhaltens oder aufgrund von Wissensdefiziten seitens der dezentralen Gebietskörperschaften (fehlerhafte Anwendung oder nicht vorhandene Daten) ausgehebelt werden.

Ein ansteigender Umfang einer Mitfinanzierung in eine Zweckzuweisung ermöglicht es, die Ziele (wie z. B. Kosteneffizienz) und das Wissen der dezentralen Gebietskörperschaften zunehmend in die

344 Vgl. Abschnitt 4.3.2.

345 Vgl. Abschnitt 3.2.2.1 zum Stellenwert der Beobachtbarkeit im Hinblick auf die Transaktionskosten bei der Anwendung einer Regel. Alternativ könnte die Anwendung der Methode – unter Verwendung der dezentral zugelieferten Daten – auch durch die zentrale Gebietskörperschaft erfolgen.

dezentralen Entscheidungen einzubinden.346 Anderseits wird einer dezentralen Gebietskörperschaft auf diese Weise ein höheres Kostenrisiko übertragen, was aufgrund der annahmegemäß höheren Kosten der Risikoübernahme zu vergleichsweise höheren Gesamtkosten führt. Zudem kann ein ansteigender Umfang einer Mitfinanzierung in Verbindung mit einem umfangreichen Bestand (teil-)substitutiver Bestandselemente dazu führen, dass dezentrale Gebietskörperschaften nicht im Sinne der zentralen Gebietskörperschaft entscheiden. Zudem wirken Zweckzuweisungen mit Mitfinanzierung umso schwächer, je knapper die Finanzmittel bei einer dezentralen Gebietskörperschaft sind. Vice versa ist die Wirkung bei finanzstarken Gebietskörperschaften besonders stark.347 Dieser Effekt kann jedoch abgeschwächt werden, indem die Höhe der Zuweisung an die Finanzkraft des Empfängers gekoppelt wird. Eine zu starke Kopplung an die Finanzkraft könnte allerdings auch dynamische Anreize zu einer Verbesserung der Finanzlage in finanzschwachen Gebietskörperschaften abschwächen. Bei einer Mitfinanzierung weist ein prozentualer Anteil im Vergleich mit einem Fixbetrag den Vorteil auf, dass keine Überdeckung der Kosten und daher keine damit einhergehende Fehlallokation von Mitteln aus Sicht des Zuwendungsgebers möglich ist. Da bei einem Fixbetrag sämtliche (Kosten-)Risiken bzw. Schwankungen durch die dezentrale Gebietskörperschaft zu tragen sind, geht im Vergleich eine prozentuale Beteiligung mit weniger Risiko auf der dezentralen Ebene und daher c. p. auch mit geringeren Kosten der Risikoübernahme einher.

IMPLEMENTIERUNGSKOSTEN IN ABHÄNGIGKEIT VERSCHIEDENER AUSGESTALTUNGSOPTIONEN FÜR ZWECKZUWEISUNGEN

Annahmegemäß verfügt die zentrale Gebietskörperschaft über weniger ortsbezogenes Wissen als die dezentralen Gebietskörperschaften, d. h. die Produktionskosten für den Aufbau wären höher, wenn es – z. B. für die Vorgabe von Output-Parametern – durch die zentrale Gebietskörperschaft aufzubauen wäre.348 Sofern die Möglichkeit des Wissensaufbaus sogar eng an die Durchführung sonstiger lokaler Aufgaben gebunden ist, die durch die zentrale Gebietskörperschaft jedoch gar nicht durchgeführt werden, können diese Kosten sogar prohibitiv hoch sein – in diesem Fall stellt eine Zweckzuweisung unter Umständen gar kein geeignetes Instrument dar.

Der Aufbau ortsunabhängigen Methodenwissens, welches für die Ermittlung zweckmäßiger Ausprägungen von Output-Parametern benötigt wird (z. B. ausreichende Dichte von Ladesäulen in Abhängigkeit lokaler Gegebenheiten), muss ebenfalls erfolgen und daher als Kosten der Implementierung berücksichtigt werden. Aufgrund des annahmegemäß umfangreicheren ortsunabhängigen Wissens (z. B. bzgl. neuer Technologien) auf zentraler Ebene fallen – über den bereits genannten Aspekt der Mehrfachnutzung – c. p. niedrigere Implementierungskosten für den Aufbau dieses Wissens an, wenn eine Zweckzuweisung die Vorgabe einer solchen Methode durch die zentrale Gebietskörperschaft beinhaltet.

346 Im Vergleich mit einer Zweckzuweisung ohne Mitfinanzierung (die vom Zuweisungsempfänger in der Regel immer in Anspruch genommen wird) können z. B. Informationen über die Bedeutung der geförderten Maßnahme für den Zuweisungsempfänger gewonnen werden; vgl. BECKERS ET AL. (2007, S. 146 f.).

347 Vgl. Z.B.ZIMMERMANN /HENKE /BROER (2012, S. 225).

348 Vgl. z. B. OSTROM /SCHROEDER /WYNNE (1993, S. 121).

Analog zu Abschnitt 3.5.2.2.1 fallen weitere Investitionskosten für die durch die o. g. Entscheidungen hinsichtlich Art und Umfang determinierten Gebrauchsgüter (hier speziell Gebietsgüter) an, die – in Abhängigkeit der ggf. bereits vorhandenen Gebrauchsgüter – komplett neu beschafft werden müssen.

Sofern die Inhalte der einer Zuweisung zugrunde liegenden Regel keine hohe Komplexität aufweisen, sind die für das Design der Regel anfallenden Transaktionskosten als gering einzustufen.

EX-ANTE-ENTSCHEIDUNGEN ÜBER DIE BETEILIGUNG AM ANGEBOT EINSCHLIEßLICH BESTÄNDIGKEIT

Die Realisierung einer Zweckzuweisung hängt maßgeblich davon ab, dass sich die zentrale Gebietskörperschaft dazu entscheidet, eine entsprechende Regel zu schaffen. Gemäß den Darstellungen in Abschnitt 2.3.2.3.2 wird sie dazu die Wirkungen verschiedener Optionen antizipieren, wobei sie auf umfangreiches Beteiligungsabwägungswissen angewiesen ist. Im Falle von Zweckzuweisungen ist nicht eindeutig, ob dieses Wissen dort überhaupt vorliegt: Einerseits existieren Hinweise darauf, dass auch spezialisierte, ökonomisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Zweckzuweisungen nicht uneingeschränkt mit verschiedenen empirischen Befunden übereinstimmen, d. h. dieses Wissen ist – zumindest partiell – unzulänglich.349 Anderseits besitzen zentrale Gebietskörperschaften ggf. darüber hinausgehendes Wissen, welches dort im Rahmen eines langjährigen und wiederholten Einsatzes von Zweckzuweisungen im Kontext verschiedener Maßnahmen aufgebaut wurde, sodass zumindest in „erfahrenen“ föderalistischen Systemen bereits umfangreiches Beteiligungsabwägungswissen vorhanden sein könnte. Im Falle neuartiger und durch spezifische Eigenschaften gekennzeichnete Technologien könnte ein solches Wissen allerdings noch nicht in ausreichendem Maße vorliegen, weswegen in diesem Falle der noch erforderliche Aufbau von technologiespezifischem Beteiligungsabwägungswissen zu beachten wäre.

Eine spezielle Folge von durch die zentrale Gebietskörperschaft fehlerhaft abgeschätzten Wirkungen von Zweckzuweisungen kommt in sogenannten Mitnahmeeffekten zum Ausdruck.350 Diese treten auf, wenn sich eine zentrale Gebietskörperschaft für Zuwendungen entscheidet, obwohl eine dezentrale Gebietskörperschaft auch ohne die Zuweisung ein Angebot im mit der Zuwendung intendierten Sinne erstellt, also die gleiche Absicht verfolgt hätte. Die dezentrale Gebietskörperschaft wird die Zuweisung in diesem Falle „mitnehmen“ und die ursprünglich vorgesehenen eigenen finanziellen Mittel anderweitig verwenden. Außerdem fallen für die Umsetzung der Zweckzuweisung unnötigerweise Transaktionskosten an.

Daneben werden die Ex-ante-Entscheidungen insbesondere durch die Einschätzungen der Implementierungskosten (Wechselkosten) sowie durch die Wirkungen auf die Beständigkeit eines Angebotes beeinflusst.351 Sofern zentrale Zweckzuweisungen nicht auf einer sehr hohen Regelebene verankert sind, gehen sie mit einer geringen politischen Selbstbindung einher352, was eine vergleichsweise geringe Beständigkeit bedeutet.

349 Vgl. z. B. THUM ET AL.(2004, S. 163 f.) zu Details sowie zu einigen Erklärungsansätzen.

350 Vgl. z. B. GRAMLICH /GALPER (1973).

351 Vgl. Abschnitt 2.3.2.3.2.

352 Vgl. z. B. KLATT (2011, S. 79 f.).

Im Dokument Implementierung komplexer Systemgüter (Seite 117-137)