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M OLEKULARE E PIDEMIOLOGIE AKTUELLER DEUTSCHER I SOLATE

5 DISKUSSION

5.4 M OLEKULARE E PIDEMIOLOGIE AKTUELLER DEUTSCHER I SOLATE

Zur Untersuchung der Diversität bzw. der Identität von PRRSV-Isolaten wurden hauptsächlich phylogenetische Analysen, meist mit Nukleotidsequenzen des ORF5 und ORF7, durchgeführt (PESCH et al., 2005; PESENTE et al., 2006; STADEJEK et al., 2006).

Ein Ziel dieser Arbeit war festzustellen, ob und inwieweit sich nach einer PRRSV-Infektion die Isolate nach Ablauf einer bestimmten Zeit in einer Herde voneinander unterscheiden.

Dazu wurden 35 Herden ausgewählt und nach einem bis zwei Jahren erneut untersucht. Zu beiden Zeitpunkten erfolgte neben der Virusisolierung und Typisierung auch die Erfassung herdenspezifischer Daten. Darüber hinaus sollte geklärt werden, ob sich innerhalb des EU-Genotyps ein typisches deutsches Cluster bildet.

5.4.1 Genetische Typisierung aktueller PRRSV-Isolate aus 35 Herden (ORF5-Sequenzen)

35 Herden wurden aufgrund ihrer Bestandsstruktur (Kombi und Ferkelerzeuger) für eine erneute Probennahme nach ein bis zwei Jahren ausgewählt, um den zwischenzeitlichen Eintrag neuer Isolate zu bewerten. Die Untersuchung wurde auf diese Bestände beschränkt, da das Risiko eines Eintrages neuer PRRSV-Isolate in Mastbestände mit wechselnden Herkunftsbeständen offensichtlich ist.

Die PRRSV-Isolate aus Nord-West-Deutschland wurden in die zwei bisher am häufigsten vorkommenden PRRSV-Genotypen EU und NA gruppiert. Der Vergleich der Nukleotid- und Aminosäureaustausche im ORF5 der EU-Typ-Isolate, die zwischen 2004 bis 2007 nachgewiesen wurden, mit den Referenzstämmen Lelystad und Porcilis®PRRS, ergab für keinen der Cluster eine deutliche Zunahme der Heterogenität der Isolate. Die Nukleotididentitäten im ORF5 variierten zwischen 83,6 und 100 % im ersten und zwischen 83,7 bis 100 % im zweiten Untersuchungszeitraum. Dies bedeutet, dass sich die Isolate des EU-Genotyps in diesem Genomabschnitt zwar sehr deutlich unterscheiden, es aber innerhalb des Untersuchungszeitraumes von 2004 bis 2007 zu keinen nennenswerten Mutationen der Nukleotidsequenzen gekommen ist, da der Zeitraum zu kuz war. Ein möglicher Grund für die geringen Veränderungen zwischen den Isolaten beider Untersuchungszeitpunkte, könnte damit erklärt werden, dass während der zweiten Probenentnahme (2006 / 2007) weniger PRRSV-Isolate nachgewiesen werden konnten und somit nur 64 Sequenzen für einen Vergleich zur Verfügung standen. Für den geringen Nachweis von PRRSV während der zweiten Probenentnahme könnte möglicherweise der Entnahmezeitpunkt in den Beständen verantwortlich sein. Die Probenentnahmen erfolgten zum Teil in den Sommermonaten, während der die Überlebensfähigkeit von PRRSV aufgrund von Hitze und Sonnenstrahlung eingeschränkt ist (MEREDITH, 1995; ZIMMERMAN, 2006). Weiterhin wurden bei der zweiten Probenentnahme in 50 % der Fälle Isolate des NA-Genotyps nachgewiesen. Deren Nukleotididentität lag mit einer Ausnahme (H-16-2) zwischen 98,0 und 100 % zum NA-Impfstamm Ingelvac®MLV und spielten somit phylogenetisch keine Rolle.

In der zweiten Untersuchung 2006 / 2007 konnte in 18 Herden kein Virus mehr nachgewiesen werden. Dies könnte auf eine Umstellung des Herdenmanagements zurückzuführen sein z. B.

Diskussion

der Anwendung eines anderen Impfstoffes (KÜMMERLEN et al., 2005). In einigen dieser Herden, die zuvor einen akuten PRRSV-Ausbruch zeigten, wurde der Impfstoff gewechselt bzw. wurde erst dann ein Impfstoff eingesetzt. Dass ein Rückgang des Nachweises von PRRSV-Isolaten in Zusammenhang mit einem Wechsel des PRRS-Impfstoffes steht, ist allerdings vorsichtig zu interpretieren, da es sich bei diesen Untersuchungen nur um Momentaufnahmen des aktuellen PRRSV-Status einer Herde handelte. Zudem vermag eine Vakzination gegen das PRRSV eine Infektion nicht zu verhindern (CANO et al., 2007b).

Lediglich die Virusausscheidung und die klinischen Symptome können vermindert werden (OPRIESSNIG et al., 2007; CANO et al., 2007a). Ein weiterer möglicher Grund für den fehlenden Nachweis von PRRSV in 18 Herden könnte sich aus dem Stichprobenumfang ergeben, da lediglich zehn Tiere aus drei Altersstufen pro Herde beprobt wurden. So bedeutet ein negatives PRRSV-Ergebnis nicht zwangsläufig die PRRSV-Freiheit des betreffenden Bestandes.

Während die NA-Typ-Isolate aus der ersten Probennahme mit einer Nukleotididentität von

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98 % mit dem NA-Impfstamm Ingelvac®PRRS in das Referenzstamm-Cluster gruppiert werden konnten, wurden bei der zweiten Probenahme drei NA-Typ-Isolate aus einer Herde mit einer Nukleotididentität < 98 % im ORF5 nachgewiesen (H-16-2). Dies bedeutet, dass es in diesem Genomabschnitt zu meheren Mutationen gekommen ist und bestätigt damit frühere Untersuchungen, bei denen eine hohe Mutationsrate von PRRSV-Isolaten festgestellt wurde.

In dieser früheren Studie wurden für PRRSV-Isolate 5,8 x 10-3 Mutationen pro Genort und Jahr nachgewiesen (FORSBERG et al., 2000). Die hier untersuchten NA-Isolate wiesen sowohl auf Nukleotid- als auch Aminosäureebene mehrere Mutationen im ORF5 auf. Der Nachweis der NA-Typ-Isolate war nach einer vorherigen Impfung möglich, erfolgte aber auch in Herden, die ihre Impfung vor längerer Zeit umgestellt hatten. Es kann davon ausgegangen werden, dass Isolate dieses Genotyps i. d. R. vom Ingelvac®PRRS MLV abstammen. Das ist damit zu erklären, dass NA-Wildtyp-Isolate bisher in Europa nicht vorkommen und auch nicht nachgewiesen wurden (STORGAARD et al., 1999; NIELSEN et al., 2001). Es ist bekannt, dass Impfvirus und v. a. der NA-Impfstamm in Schweinebeständen persistieren und in andere Bestände übertragen werden kann. Die relativ lange Persistenz in geimpften Schweinen und die Neigung zu Mutationen (WILLS et al., 1997; ALLENDE et al., 2000;

FORSBERG et al., 2001; GOLDBERG et al., 2003; MARTELLI et al., 2007) scheinen eine

Anpassung und ubiquitäre Verbreitung des PRRSV zu erleichtern. Bisherige Untersuchungen in Europa beschränkten sich hinsichtlich der Heterogenität des PRRSV vorwiegend auf Analysen des ORF5 der EU-Typ-Isolate, da man annahm, dass es sich bei sämtlichen in Europa vorkommenden NA-Typ-Isolaten um NA-Impfstämme handelte. Bisher gibt es nur aus Dänemark Untersuchungen über das Vorkommen von Impfstamm-Revertanten (Rückkehr zur Pathogenität) des PRRS-Virus (STORGAARD et al., 1999; NIELSEN et al., 2001).

Sequenzvergleiche des variablen ORF5 ergaben, dass die meisten deutschen NA-Typ-Isolate hier zu 98,0 bis 100 % identisch mit der Sequenz des Ingelvac®PRRS MLV waren. Die Isolate aus Herde H-16 waren auf Nukleotidebene dagegen nur zu 96,7 % identisch mit der Sequenz des NA-Impfstammes. Im Allgemeinen wird angenommen, dass eine > 98 % Nukleotididentität auf identische Isolate hinweist (COLLINS et al., 1998). Entsprechend würde es sich bei den Isolaten aus Herde 16-2 um NA-Wildtyp-Isolate handeln. Da der Nachweis der Isolate aber mit einer vorangegangenen Impfung mit Ingelvac®PRRS MLV in Zusammenhang stand, kann vermutet werden, dass es sich hierbei um einen mutierten Impfstamm handelt. Seit der Einführung der attenuierten NA-Lebendvakzine 1996 wurden in Deutschland bisher keine nennenswerten Veränderungen der Nukleotidsequenz des NA-Impfstammes festgestellt. Aufgrund des Selektionsdruckes und der hohen Mutationsrate von PRRSV würde aber die Entstehung neuer NA-Genotyp-Virus Populationen in Deutschland nicht überraschen.

Die Isolate des EU-Genotyps aus der zweiten Entnahme (2006 / 2007) bildeten keine neuen Cluster. Die Clusterbildung der aktuellen EU-Typ-Isolate wurde in der zweiten Untersuchung nicht bestätigt, da die Isolate aus der ersten Probennahme nicht wieder isoliert bzw. nicht mehr gefunden werden konnten. Stattdessen wurde bei der zweiten Untersuchung in der Herde H-02 sowohl als auch NA-Typ-Isolate nachgewiesen. Die Isolate des EU-Genotyps der ersten und zweiten Untersuchung unterschieden sich sowohl auf Nukleotid- als auch Aminosäureebene. Dieses zeigt, dass neue Isolate in die Herde eingeführt wurden. Dass die Impfung zwischen 2004 und 2007 vom NA-Impfstamm Ingelvac®PRRS auf den EU-Impfstamm Porcilis®PRRS umgestellt wurde, und trotzdem ein NA-Impfstamm nachgewiesen wurde, zeigt, dass der NA-Lebendimpfstoff über einen längeren Zeitpunkt in einer Herde persistieren kann (CHRISTOPHER-HENNINGS et al., 1995; STORGAARD et al., 1999; ALLENDE et al., 2000; LAROCHELLE et al., 2003; LABARQUE et al., 2003;

Diskussion

MARTELLI et al., 2007). In einigen Herden (n = 7) wurden Isolate aus verschiedenen Clustern nachgewiesen. Dieses wurde durch eine Bootstrap-Analyse unterstützt (FELSENSTEIN, 1992). Bei dieser phylogenetischen Analyse des ORF5 sind sowohl hohe als auch niedrige Bootstrap-Werte zu erkennen, wobei die niedrigen Werte hauptsächlich durch zu ähnliche Sequenzen entstanden sind.

Ergebnisse aus früheren Untersuchungen bestätigen, dass in persistent infizierten Herden verschiedene Isolate nebeneinander zirkulieren können (DEE et al., 2001; LAROCHELLE et al., 2003; MATEU et al., 2003). Das Vorkommen von verschiedenen PRRSV-Isolaten zum gleichen Zeitpunkt in einer Herde stellt ein erhöhtes Risiko für Rekombinationen dar (WESLEY et al., 1999; NIELSEN et al., 2001). Von Bedeutung sind Mutationen der Nukleotidsequenz, die sich auf die Aminosäuresequenz auswirken. Die Mutationen aktueller PRRSV-Isolate betreffen dabei primär die hochvariablen Bereiche des GP5, welche immunologisch relevant sind (PLAGEMANN, 2004). Das Auftreten von variablen und konservierten Bereichen im ORF5 wurde bereits für PRRSV-Isolate des NA-Genotyps mehrfach beschrieben (MENG et al., 1995; ANDREYEV et al., 1997). Anhand des Vergleichs der aktuellen EU-Typ-Isolate mit dem EU-Impfstamm Porcilis®PRRS und dem EU-Referenzstamm Lelystad konnten vier variable Bereiche definiert werden, bei denen es vermehrt zu Aminosäureaustauschen kam. Diese lagen zwischen den Positionen 4 - 32, 57 - 71, 100 - 125 und 173 - 175 und wechselten sich mit Abschnitten ab, die weniger variabel waren. Das Auftreten von Mutationen an bestimmten Stellen kann die Folge einer negativen oder positiven Selektion sein. Immunologisch relevant sind besonders die positiven Selektionen, denn sie bestimmen die Spezifität von Ak und damit deren Bindungsfähigkeit (DOMINGO et al., 1998).

5.4.2 Genetische Typisierung der PRRSV-Isolate (ORF7-Sequenzen)

Phylogenetische Untersuchungen an 50 Sequenzen des ORF7 wurden durchgeführt, um festzustellen, ob die Analyse dieses konservierten open reading frame die Clusterbildung im ORF5 unterstützt. Die genetische Typisierung der Nukleotidsequenzen des ORF7 konnte die Clusterbildung des ORF5 zum Großteil bestätigen. Das ORF7 ist konservierter als das ORF5

(MARDASSI et al., 1994; MARDASSI et al., 1995). Ingesamt waren im ORF7 weniger Substitutionen in der Nukleotidsequenz als im ORF5 nachzuweisen. Eine geringere Variabilität des ORF7 wurde schon in früheren Untersuchungen in Frankreich bestätigt, wo 15 EU-Typ-Isolate auf ihre Variabilität hin untersucht wurden (LE GALL et al., 1998). Die Ergebnisse dieser Arbeit widersprechen den Ergebnissen einer anderen, neueren Untersuchung aus Italien, in der eine hohe Variabilität der Nukleotid- und Aminosäuresequenzen auch innerhalb des ORF7 nachgewiesen wurde (PESENTE et al., 2006). Die phylogenetische Analyse der 50 deutschen Isolate im ORF7 konnte die Gruppierung der EU-Typ-Isolate in die fünf Cluster bestätigen, wobei das Cluster 5 genau wie im ORF5, von den Isolaten der Herde H-02 aus dem ersten Probenentnahmezeitraum 2004 / 2005 gebildet wurde.

Die phylogenetische Analyse der ORF7-Nukleotidsequenzen der NA-Genotyp-Isolate spiegelt die hohe Identität dieser Sequenzen wieder. Dass die Isolate der Herde 16 (H-16-2c/d/e) in das Cluster der mit dem Vakzinestamm verwendeten NA-Genotyp-Isolate fallen, ist ein Hinweis darauf, dass es sich bei diesen Isolaten um Mutanten des NA-Impfstammes Ingelvac® PRRS MLV handelt.