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7. Diskussion

7.1 Lysholm- und Tegner-Score

Die Ergebnisse in diesem ersten subjektiven Untersuchungsteil demonstrieren keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Patientengruppen. Dieses Resultat wur-de auch von wur-den folgenwur-den Autoren erreicht :

ERIKKSON et al.(2001) untersuchte in seiner Studie 164 Patienten, die mit beiden Operationsverfahren behandelt wurden nach 31 Monaten (24 bis 59). Beim Vergleich von Tegner- und Lysholm-Score konnten keine signifikanten Unterschiede festge-stellt werden.

MUNETA et al.(1998) stellt keine signifikanten Unterschiede im Lysholm-Score fest bei seinem Vergleich von 103 Patienten.

BRANDSSON et al.(2001) evaluierte die Resultate nach einer VKB-Rekonstruktion mit Patellarsehne bei 99 Patienten nach 2 bis 7 Jahren. Nach 2 Jahren erreichte die Gruppe 95 Punkte beim Lysholm-Score. Interessanterweise verringerte sich die Punktezahl auf 90 nach 4 und 7 Jahren.

CORRY et al. (1999) verglichen in ihrer Studie die Ergebnisse nach der VKB-Rekonstruktion mit dem Patellar- und Semitendinosussehnentransplantat. Der Zeit-punkt lag ein und zwei Jahre nach der Operation. 90 Patienten in jeder Gruppen wurden nachuntersucht. Die erreichte Lysholm - Punktzahl bei beiden Gruppen be-trug 95 Punkte.

Auch OTERO et al.(1993) konnte bei seinem Vergleich der beiden Patientengruppen keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich des Lysholm-Scores feststellen. In die-ser Studie sind allerdings unterschiedliche Fixationstechniken zur Anwendung ge-kommen.

PATEL et al.(2000) untersuchte in seiner Studie 32 Patienten nach VKB-Rekonstruktion mit der Patellarsehne nach 5 Jahre. Der mittlere Lysholm-Score be-trug 88,5 Punkte.

KARTUS et al.(1997) erhielt bei der Untersuchung 2 Jahre nach der Rekonstruktion Mit dem mittleren Drittel der Patellarsehne einen mittleren Lysholm-Score von 86.

Zu einem anderen Ergebnis kamen SPECCHIULLI et al. (1995). Sie verglichen in ihrer Arbeit ebenfalls die zwei Operationstechniken nach 8 Jahren. 45 Patienten be-fanden sich in der Patellargruppe und 30 Patienten in der Semitendinosusgruppe.

Erstere zeigten beim Lysholm- und beim Tegner-Score ein signifikant besseres Er-gebnis.

Beim Vergleich des prä- und des postoperativen Aktivitätsgrades (Tegner-Score) der beiden Gruppen konnte festgestellt werden, dass keine Gruppe ihren präoperativen Aktivitätsgrad nach der Operation wieder erreicht hat. Da beide Gruppen vom Trend her gleich Ergebnisse erreichen, kann hier nicht zwingend gefolgert werden, dass eine Operationstechnik zu besseren Ergebnissen führt.

7.2 Umfangsmessungen

Informationen über den Heilungsverlauf gibt auch die Umfangsmessung, da sie so-wohl den Rückgang der Weichteilschwellung als auch den Muskelzuwachs doku-mentiert. BÖRNERT und FRÖHNER (1994) konnten zeigen, dass 10 cm über dem medialen Kniegelenkspalt der M. vast. med. und 20 cm darüber der M. rect. fem. und der M. intermedius für die Umfangsmessung entscheidend sind.

In dieser Untersuchung zeigten sich am Messpunkt U3 (10 cm proximal des oberen Patellarrandes) signifikante Unterschiede zwischen betroffenem und nicht betroffe-nem Bein der Patellargruppe ( x1,57 cm, Sx0,6 cm). Die Semitendinosusgruppe zeigten an allen Messpunkten keine signifikanten Unterschiede. Es gab keine Anzei-chen einer Atrophie oder einer Schwellung, die durch Flüssigkeitsansammlung im Recessus suprapatellaris hervorgerufen wird. Am Messpunkt U3 zeigte sich ein ge-ringer Unterschied von x0,43 cm (Sx0,4 cm). Signifikant ist der Unterschied zwi-schen den beiden Gruppen am Messpunkt U3 (p<0,05).

Die geringen aber signifikant besseren Resultate bezüglich der Oberschenkelatro-phie in der Semitend.gruppe lassen annehmen, dass die Regeneration des M.quadriceps anscheinend in dieser Gruppe fortgeschrittener ist als in der Patellar-gruppe zum Zeitpunkt der Untersuchung.

Die Ursachen und Konsequenzen der bestehenden Oberschenkelatrophie bei den Patienten mit einer VKB-Rekonstruktion mit der Patellarsehne soll nachfolgend be-schrieben und diskutiert werden.

Neben der Zerstörung sensitiver und stabilisierender Eigenschaften des Ligaments sind umgebende Bereiche der unteren Extremität betroffen. Synergieeffekte zwi-schen Muskeln und Bändern haben grundlegende Bedeutung für die Gelenkintegri-tät. Muskeln können als eine Art Regulator verschiedene externe und interne Einflüs-se regulieren. Gut entwickelte Muskeln sorgen demzufolge für eine VerbesEinflüs-serung der Gelenkstabilität und reduzieren die Gefahr einer erneuten Verletzung (SOLO-MONOW et al.1989).

Grundsätzlich ist nach einer Ruptur des vorderen Kreuzbandes mit anschließender unterschiedlich langer Immobilisationsphase eine Atrophie der umgebenden Musku-latur verbunden (FREIWALD 1992). Besonders betroffen ist hiervon der M.quadriceps. Die messbare Atrophie kann sogar als noch grösser angenommen werden, da teilweise der Raum des subkutanen Gewebes zunimmt (APPELL 1994, HÄGGMARK 1982).

Vom Kraftverlust sind nicht gleichermaßen alle Muskelfasern betroffen. Primär sind rote atrophieempfindliche ST-Muskelfasern (slow-twitch = langsam kontrahierende Muskelfasern) sowohl in relativer als auch in absoluter Zahl von der Muskelatrophie tangiert, wobei jedoch ungeklärt ist, ob die Atrophie auf einen totalen Schwund der ST-Fasern oder auf eine Umwandlung der ST- in FT-Fasern (fast-twitch = schnell kontrahierende Muskelfasern) zurückzuführen sind. Ebenfalls konnte insgesamt ein verringerter Metabolismus der oxidativen sowie glykolytischen Stoffwechselvorgänge nachgewiesen werden ( APPELL 1990,1996, BAUGHER et al.1984, FREIWALD et al.1993, HÄGGMARK 1982).

Atrophie und Kraftverlust sind von bestimmten äußeren Einflüssen abhängig. Jünge-re Patienten sind weniger betroffen als älteJünge-re, postoperativ sind Männer stärker be-troffen als Frauen. Auch das Operationsverfahren hat Einfluss, wobei arthroskopisch versorgte VKB-Patienten den grössten postoperativen Kraftverlust und eine erhöhte Atrophie aufweisen. Insgesamt stellt sich heraus, dass Geschlecht und Operations-verfahren die stärksten Einflussfaktoren in bezug auf Atrophie und Kraftverlust sind (KEDIZORA 1993).

Aus dem therapeutischen Alltag ist bekannt, dass die Rehabilitationsphase nach stattgefundener orthopädischer Operation häufig einen sehr langen Zeitraum in An-spruch nimmt. Systematische Untersuchungen hierzu bestätigen diesen Erfahrungs-wert. In einer Studie mit Sportlern, die sich einer Knieoperation unterzogen hatten, fanden GRIMBY et al. (1980) noch 18 Monate nach der Operation (und 14 Monate nach voller Wiederaufnahme des sportlichen Trainings) noch Defizite von 10-20%

am M.quadriceps femoris, im Vergleich zur Gegenseite. In einer morphologischen Untersuchung zeigten sich nach einem sechsmonatigen kontrollierten physiothera-peutischen Trainingsprogramm noch geringere Volumendichten für Mitochondrien und Myofibrillen (LÜTHI et al.1989), und Kraft sowie Ausdauerleistungsfähigkeit der Muskeln hatten ebenfalls noch nicht wieder das Ursprungsniveau erreicht.

Langdauernde Defizite, nach 12 Wochen rehabilitativen Trainings, können auch im Elektromyogramm beobachtet werden (ROSEMEYER und STÜRZ, 1977. In der Re-habilitationsphase erhobene Kraftverlaufskurven bei isometrischer Kontraktion deu-ten auf eine schlechte Rekrutierung der motorischen Einheideu-ten hin (APPELL et al.1990). Es kann also angenommen werden, dass die auftretende Muskelatrophie in der Rehabilitationsphase vor allem auf eine schlechte neuromuskuläre Zusammen-arbeit zurückzuführen sind.

CORRY et al. (1999) verglichen in ihrer Studie die Ergebnisse nach der VKB-Rekonstruktion mit dem Patellar- und Semitendinosussehnentransplantat. Der Zeit-punkt lag ein und zwei Jahre nach der Operation. 90 Patienten in jeder Gruppen wurden nachuntersucht. Bei der ebenfalls durchgeführten Oberschenkelumfangs-messung wurde ein Jahr postoperativ eine signifikant geringere Atrophie bei der Semitendinosusgruppe festgestellt. Nach zwei Jahren gab es keine Unterschiede mehr zwischen beiden Gruppen.

ERIKSSON et al.(1999) stellte in seiner Untersuchung fest, dass die Semitendino-sussehne ein starkes Regenerationspotential besitzt und das eine Muskelatrophie weniger stark ausgeprägt ist.

WISSMEYER et al. (1997) beschreiben ebenfalls die nach VKB-Operationen auftre-tenden Muskelatrophien am Oberschenkel als Störungen im neuromuskulären Re-gelkreis. Besonders der M.vastus med. ist betroffen, wie zahlreiche Studien belegen (LORENTZON et al.1989, MORISSEY 1989, SNYDER-MACKLER et al.1994, STO-KES et al.1984, TIBONE et al.1986). Trotz vielfältiger Trainingsprogrammen mit sy-stematischen Muskelaufbautraining sind die postoperativen Resultate oft unzurei-chend. Ursache sind zum einen die schmerzbedingte Schonung der Muskulatur und zum anderen die Hemmung der vollen Aktivierungsfähigkeit,

HIROKAWA et al.(1992) vermuten einen nach Bandverletzung entstehenden, natürli-chen Schutz- und Schmerzvermeidungsmechanismus beim Patienten. Sie haben nachgewiesen, dass eine isolierte Quadricepskontraktion zu einer erheblichen a-p Translation und damit zu einer schmerzhaften Belastung des vorderen Kreuzbandes führt. ARVIDSSON et al.(1986) zeigten, dass eine epidurale Analgesie am Tag nach der einer Knieoperation die Möglichkeit der Quadricepsaktivierung verbessern kann.

Es wird jedoch über fehlende Korrelation zwischen Schmerzen und Atrophie berich-tet, und Anhaltspunkte für eine Reflexinhibition sind beschrieben (SHAKESPEARE et al.1985, STOKES et al.1984). Ebenso konnte (ELMQVIST et al.1988, LORENT-ZON et al.1989) kein Zusammenhang zwischen dem Ausmass der Muskelatrophie und dem absoluten Kraftverlust nachgewiesen werden. Selbst wenn der Patient wie-der in wie-der Lage ist, Sport zu betreiben, bleibt oft diese Atrophie bestehen (BAUGHER et al.1984). Eine gleichzeitige Atrophie der anderen Anti-Gravitationsmuskulatur, wie zum Beispiel des M.triceps surae, was auf eine allgemeine Minderbenutzung hindeu-ten könnte, tritt kaum auf (GERBER et al.1985). Kontrovers sind auch die meishindeu-ten Untersuchungen zur Spezifität der Atrophie. Eine spezifische Atrophie der Typ I Muskelfasern, die typisch für eine Immobilisation und eine Minderbenutzung wären, konnte EDSTROM (1970) nachweisen. Andere Autoren fanden entweder eine Fa-seratrophie des Typs II (BAUGHER at al.1984, HULTEN et al.1981, IKEDA 1993, McNAIR et al.1993, STOKES et al.1984, YOUNG et al.1982) oder keine signifikanten Unterschiede (GERBER et al.1985, LORENTZON et al.1989).

Schon 1971 beschrieben CZIPOTT et al., dass die nach Meniskus- oder Bandverlet-zung aufgetretene Quadricepsatrophie vor allem auf neurogene Ursachen zurückzu- führen ist, ebenso vermuten CORRIGAN et al. (1992) die Atrophie als eine reflexbe-dingte Anpassung zur Verbesserung der propriozeptiven Funktion des Knies.

Eine Veränderung der Quadricepsaktivität durch Einflüsse aus dem ZNS oder aus den veränderten Gelenkafferenzen vermuten auch LORENTZEN et al.(1989) und SPENCER et al.(1984). Eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes führt somit zu einer verminderten Aktivierung und Synchronisation der motorischen Einheiten, was wie-derum zu einer reduzierten mechanischen Leistung führt.

ARANGIO et al.(1997) untersuchte die Oberschenkelatrophie bei Patienten mit Ilioti-bialband (N=28), Semitendinosussehne (N=3) und Patellarsehne (N=2) nach 48,7 +/-6,91 Monaten und stellte beim Vergleich mit dem nicht betroffenen Bein einen Unter-schied von 1,8 % fest.

Ein Grund der unterschiedlichen Ergebnisse ist der, dass die untersuchten Gruppen in den einzelnen Studien nur sehr bedingt miteinander vergleichbar sind. Grundle-gende Faktoren, wie Art der Verletzung, Art der Behandlung, Art der Untersuchung und vor allem der Zeitpunkt der Untersuchungszeitpunkt sind in den Studien unter-schiedlich. Wird die Atrophie des Oberschenkels zu einem relativ frühen Zeitpunkt nach der Operation gemessen, ist die Atrophie vor allem auf eine Atrophie der lang-sameren Typ I Fasern (entspr. Immobilisation, Schmerz). Fast alle Muskelatrophien, die noch nach längerer Zeit bestehen, sind Typ II Fasern (entspr. Reflexinhibition) (MORISSEY 1989).

MCHUGH et al. (1998), die ein Kraftdefizit von bis zu 33 % der Knieextensoren fest-stellten fest-stellten in ihren Ausführungen fest, dass die Kraft der Knieextensoren kein Messparameter für die funktionelle Wiederherstellung ist. Patienten könnten volle funktionelle Fähigkeiten besitzen, trotz einer verbliebenden Schwäche der Knieex-tensoren. Jedoch haben diese Patienten ein erhöhtes Risiko zukünftiger patellofemo-rale Schmerzen (SACHS et al.1989).

ELMQVIST et al. (1988) veröffentlichten die Ergebnisse von einer bei 11 Probanden derselben Untersuchung zusätzlich durchgeführten elektromyographischen Mes-sung, bei der die Oberflächenelektromyogramme vom M. vast. med., M. rect. fem.

und M. vast. lat. während der isokinetischen Maximalkraftmessung abgeleitet wur-den. Ziel der Untersuchung war es, die These einer veränderten Muskelaktivierung durch Erhebung von neuromuskulären Parametern zu belegen. Dabei zeigte sich bei der Maximalkraftmessung eine signifikant geringere integrierte elektrische Aktivität des M. rectus femoris der betroffenen Seite bei allen Versuchsbedingungen und bei fehlenden morphologischen Veränderungen des Muskels. Dies erklären die Untersu-cher als Beweis für die Hypothese einer veränderten Aktivierung der motorischen Einheiten. Den reduzierten Drehmomentoutput führen die Autoren auf den hohen Typ-II-Faseranteil der M. rectus fem. und dessen Beeinträchtigung durch die verlet-zungsbedingte Minderaktivität zurück. Eine weitere Begründung wird unter Bezug-nahme auf die Arbeiten von FREEMAN et al.(1967) und SOLOMONOW et al. (1987) in einem veränderten Informationsfluss aus dem verletzten Kniegelenk und einer da-durch bedingten Fehlaktivierung der Muskulatur gesehen.

SOLOMONOW et al.(1987) konnten die synergistische Funktion von vorderem Kreuzband und ischiocruraler Muskulatur bzw. die reflektorische Aufrechterhaltung der Gelenkstabilität in Versuchen an Mensch und Tier nachweisen. Im Tierversuch belasteten sie das vordere Kreuzband am geöffneten Kniegelenk anästhesierter Kat-zen durch einen definierten Zug mit 26lbs mit Hilfe einer Drahtschlinge und leiteten gleichzeitig die Muskelaktivitäten des M. rectus. fem. und der ischiocruralen Muskula-tur ab. Es zeigte sich eine deutliche reflektorische Hemmung von einzelnen Spikes während des Zugs. Damit zeigten SOLOMONOW et al. (1987) den direkten Nach-weis eines Reflexbogens zwischen Kreuzband und Knieflexoren.

MCNAIR et al. (1991) fanden in seiner Untersuchung zur Bestimmung mechanischer Latenzen der ischiocruralen Muskulatur bei Patienten mit arthroskopisch gesichertem kompletten Riss des vorderen Kreuzbandes ein um 11 % niedrigeres Drehmoment der Kniestrecker im betroffenen Bein bei gleicher Kraft der ischiocruralen Muskulatur.

RUTHERFORD et al.(1990) untersuchten Kraft und Grösse des M. quadriceps femo-ris bei 7 Patienten, die alle eine 1 bis 5 Jahre zurückliegende Verletzung der unteren Extremitäten erlitten hatten. Dabei wurden isometrische Kraftmessungen sowie Be-stimmungen der Muskelquerschnittsflächen mit Hilfe der Computertomographie durchgeführt. Die erhobenen Werte für die betroffene Extremität waren im Vergleich zum unverletzten Bein signifikant verringert.. Die Muskelkraft war um 31 % geringer, die Muskelquerschnittsfläche um 20 % und das Muskelkraft/Flächenverhältnis um 13,6 %. Die im Vergleich zu den Unterschieden der Muskelquerschnittsfläche grö-sseren Defizite bei der Muskelkraft führen die Autoren auf einen grögrö-sseren Anteil von Fett- und Bindegewebe in der Muskulatur der betroffenen Seite zurück.

Die beschriebenen Untersuchungen zeigen deutliche Kraft- bzw. Drehmomentdefizi-te noch Jahre nach Operations- oder Verletzungsereignissen am Kniegelenk. Als Ursachen dafür werden einerseits eine reduzierte körperliche Aktivität nach einer er-littenen Verletzung und eine ungenügende Rehabilitation verantwortlich gemacht.

Andererseits werden die persistenten Defizite häufig mit einer nicht näher beschrie-benen reduzierten Aktivierbarkeit der Muskulatur erklärt (LORENTZON et al.1989, ELMQVIST et al.1988), ohne dass ein Bezug zu den bekannten kurzfristigen neuro-muskulären Folgen hergestellt wird. Teilweise führen die aufgedeckten langfristigen Defizite zu der Folgerung, dass eine Wiederherstellung der vollen muskulären Funk-tion nach Verletzungen oder OperaFunk-tionen nur eingeschränkt möglich ist. Beispiele für eine weitestgehende volle Wiederherstellung finden sich in der Literatur nur verein-zelt (RUTHERFORD et al. 1990). Offen ist ebenfalls die Frage, wie groß der Einfluss der in der Immobilisationsphase erlittenen strukturellen Veränderungen der Muskula-tur auf die langfristigen Wiederherstellbarkeit der vollen Muskelfunktion ist (KANNUS et al.1992).

Bei den durchgeführten Kraftmessungen in dieser Untersuchung konnten keine signi-fikanten Kraftdefizite bei der Patellargruppe, sowohl bei den Knieextensoren als auch bei den Knieflexoren festgestellt werden.

Die Patienten der Semitend.gruppe zeigten ebenfalls keine Kraftdefizite der Knieex-tensoren, jedoch ein Kraftdefizit von 16,03 % bei den Knieflexoren des betroffenen Beines. Demzufolge kann die Annahme eines noch nach 14 Monaten vorhandenen Kraftdefizit nur für die Knieflexoren der Semitendinosusgruppe bestätigt werden.

Die vorliegende Untersuchung bestätigt somit nur teilweise die in der Literatur getrof-fene Aussage von deutlichen Kraftverluste nach Phasen der Immobilisation. Aller-dings trifft dies hier nur für einen Zeitraum zu, in dem die Rehabilitation der einzelnen Patienten längst abgeschlossenen waren.

Studien zu Kraftdefiziten nach Verletzungen und Operationen am Kniegelenk (WILLS et al.1982, HALKJER-KRISTENSEN et al.1985, SCHARF et al.1992, VELDHUIZEN et al.1993) beschäftigen sich alle mit Kraftdefiziten in einem kurzen Zeitraum nach Operations- bzw. Verletzungsereignissen und sind daher mit den vorliegenden Er-gebnissen nur eingeschränkt vergleichbar. In diesen Untersuchungen wurde vor al-lem die, auch in typischen Immobilisationsstudien (APPELL 1986, BOOTH 1979,1982) hinreichend untersuchte, immobilisationsbedingte Muskelatrophie für das Kraftdefizit verantwortlich gemacht.

Für den Vergleich zu den vorliegenden Untersuchungsergebnissen relevanter sind allerdings die beschriebenen Untersuchungen zu langfristigen Auswirkungen verlet-zungs- oder operationsbedingter Immobilisation. Dort werden als Hauptursachen für die bestehengebliebenen Kraft- bzw.Drehmomentsdefizite einerseits Muskelatro-phien verantwortlich gemacht (SETO et al.1988, DVIR et al.1989, RUTHERFORD et al.1990), andererseits wird die Möglichkeit einer insuffizienten Muskelaktivierung dis-kutiert (ELMQVIST et al.1988, LORENTZON 1989, SNYDER-MACKLER et al.1994, NEWHAM et al.1989, HURLEY et al.1992).

Die Ergebnisse dieser Untersuchung stehen im Widerspruch zu den Erkenntnissen von ARVIDSSON et al. 1981, SETO et al. 1988, DVIR et al. 1988, ELMQVIST et al.

den Patienten mit der VKB-Rekonstruktion mit der Patellarsehne keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der isometrischen Maximalkraft und der Muskelaktivität festgestellt werden, obwohl signifikante Unterschiede bei den Umfangsmessungen festgestellt werden konnten. Dies lässt auf eine volle Aktivierungsfähigkeit der Knie-extensoren und der Knieflexoren schliessen. Anders verhält es sich bei den Patien-ten aus der SemiPatien-tendinosusgruppe. Sie zeigPatien-ten zwar ebenfalls keine signifikanPatien-ten Kraftdefizite und unterschiedliche Muskelaktivitäten bei den Knieextensoren, welches die Studien von GORADIA et al.2001 und CARTER et al.1999 teilweise bestätigen, demonstrierten aber ein Defizit der Kniefloren von 16,03 % . CLARK et al.(1998) und MARDER et al.(1991) kamen mit 8% und 17% zu vergleichbaren Ergebnissen.

Aufgrund der Tatsache, dass die Muskelaktivitäten der Hamstrings des betroffenen und nicht betroffenen keine Unterschiede zeigten, kann nicht die Theorie eines hemmungsbedingten Kraftdefizits in Betracht kommen.

Die wahrscheinliche Ursache für das Kraftdefizit der Knieflexoren ist eine langfristig bestehengebliebene Muskelatrophie, die durch die Umfangsmessungen jedoch nicht bestätigt werden können. Dieser Widerspruch zeigte sich auch bei der Patellargrup-pe, die trotz signifikant geringerem Oberschenkelumfang keine Kraftdefizite oder un-terschiedliche Muskelaktivierungen demonstrierte. Es zeigt sich somit, dass Um-fangsmessungen aufgrund der methodenimmanenten Schwächen sehr vorsichtig interpretiert werden müssen und andere Methoden zur Messung des Oberschenkel-umfanges eingesetzt werden sollten (spektroskopische und tomographische Verfah-ren).

Die funktionelle Konsequenz dieses festgestellten Kraftdefizit der Knieflexoren der Patienten nach VKB-Rekonstruktion mit der Semitendinosussehne ist zu diskutieren.

Die Knieflexoren werden sowohl exzentrisch zur Stabilisation des Kniegelenkes ein-gesetzt (Ko-Kontraktion während konzentrischer Kontraktionen der Knieextensoren) (RAUNEST et al. 1996, SOLOMONOW et al.1987) als auch zur Beinverlangsamung.

Durch die eingeschränkte Fähigkeit der Knieflexoren das Kniegelenk während funk-tionellen Aktivitäten dynamisch zu stabilisieren erhöht sich das Risiko einer Transplantatruptur oder einer anderen Verletzung. Ausserdem kann die Wiederauf-nahme präoperativer sportlicher Aktivitäten beeinträchtigt werden. Auf der Grundlage der biartikulären Natur der Knieflexoren, gibt es Implikationen für die Fähigkeit Hüf-textensormomente zu erzeugen, basierend auf den Defiziten der Knieflexoren. Wei-tere Studien sind hierzu nötig. Postoperative Rehabilitationsprotokolle sollten zukünf-tig modifiziert werden.

Die Bedeutung der Hamstring-Muskulatur für die Kompensation vorderer Laxität bei Kreuzbandpatienten untersuchten LIU et al.(2000). In ihrem Modell werden 56 % der maximalen Hamstringkraft benötigt, um eine anteriore tibiale Translation von 11,8 mm entgegenzuwirken und auf ein normales Mass zu reduzieren.

MORE et al. (1993) kommen zu ähnlichen Ergebnissen und unterstreichen die Be-deutung der Hamstrings als Protagonisten alltäglicher und sportlicher Aktivitäten.

Es stellt sich die Frage der regenerativen Fähigkeiten der Muskulatur. Diese Frage wird in der Literatur unterschiedlich diskutiert. BOOTH et al. (1979) untersuchten die

Regeneration des M.soleus in Immobilisations- und Remobilisationsversuchen mit Ratten. Der nach einer 90-tätigen Immobilisation reduzierte Muskelproteingehalt er-reichte bereits nach 14-tätiger Remobilisation das Ausgangsniveau, die maximale isometrische Kraft benötigte dazu allerdings 120 Tage. BOOTH et al.(1979) bezeich-nen die immobilisierte Muskulatur als voll regenerationsfähig. Eine unvollständige Regeneration noch 26 Wochen nach Beginn der Remobilisation wird hingegen von LÜTHI et al.(1989) beschrieben. Demnach erreichten bei 41 Patienten mit rekonstru-iertem VKB trotz intensiver Rehabilitationsmaßnahmen zu diesem Zeitpunkt weder die Mitochondriendichte noch das absolute und relative Volumen der Myofibrillen den Ausgangswert vor der Operation. Genaue Angaben und Daten zur Rehabilitation feh-len in dieser Veröffentlichung, so dass eine Beurteilung schwer fällt. Die Arbeiten von APPELL (1990) und KANNUS et al.(1992) stellen beide deutlich die hohe regenerati-ve Kapazität der immobilisierten Muskulatur heraus, können aber nicht beantworten, ob letztlich eine vollständige Regeneration möglich ist. KANNUS et al.(1992) stellen fest, dass unbeantwortet sei, welche langfristigen Folgen die deutlichen strukturellen Veränderungen des Muskelgewebes, z.B. Binde- und Fettgewebeeinlagerungen, bergen und ob diese letztlich reversibel sind oder nicht.

Das Heilungspotential der Patellarsehne nach VKB-Rekonstruktion ist untersucht worden (BURKS et al.1990, MEISTERLING et al.1993, O`BRIAN et al.1989). Ob-wohl die Patellarsehne keinen richtigen Sehnenmantel hat, wird sie von Paratenon umhüllt. Eine Studie zeigt den histologischen Beweis für die Heilung mit hypertro-phen Sehengewebe nach 8 Monaten (BERG et al.1992).

Das Heilungspotential der Patellarsehne nach VKB-Rekonstruktion ist untersucht worden (BURKS et al.1990, MEISTERLING et al.1993, O`BRIAN et al.1989). Ob-wohl die Patellarsehne keinen richtigen Sehnenmantel hat, wird sie von Paratenon umhüllt. Eine Studie zeigt den histologischen Beweis für die Heilung mit hypertro-phen Sehengewebe nach 8 Monaten (BERG et al.1992).