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7. Diskussion

7.5 Die mehrgelenkige Kniebeuge (Squat) 182

Um zu bestimmen, welche Muskeln während eines Squats beansprucht und trainiert werden, wird die Muskelaktivität mit Hilfe des EMGs quantifiziert. Es gibt bis heute 16 Studien, die den dynamischen Squat elektromyographisch untersucht haben (BLAN-PIED et al.1999, DAHLKVIST et al.1982, ESCAMILLA et al.1998, 1997, HUNG et al.

1999, ISEAR et al.1997, MCCAW et al.1999, MIRZABEIGI et al. 1999, NINOS et al.

1997, SIGNORILE et al. 1995, 1994, STUART et al.1996, WILK et al.1996, WRE-TENBERG et al.1993, WRIGHT et al.1999). 11 dieser Studien nutzten ein externes Gewicht beim Squat und bei 5 wurde die Übung nur mit dem Körpergewicht durchge-führt. Die primär eingesetzten Muskeln bei einem Squat sind der Quadrizeps, die Hamstrings und der Gastrocnemius. Von Ko-Kontraktionen zur Stabilisation des Kniegelenkes gehen einige Autoren aus (DRAGANICH et al.1989, DURSELEN et al.1995, LI et al.1999, O`CONNOR et al.1993, OHKOSHI et al.1991, YASUDA et al.1987). Wie schon an anderer Stelle erwähnt, sind diese Untersuchungen an ge-sunden Probanden, meist Sportler, durchgeführt worden.

Die Resultate dieser Studie zeigen, dass sich die Muskelaktivitäten während der Squatbewegung ändern.

NINOS et al. (1997) berichten, dass M. vast. med. und M. vast. lat. ihre höchste Aktivität zwischen 60 und 500 Knieflexion erreichten. Die niedrigsten Aktivitäten gab es im Kniewinkelbereich zwischen 10 und 200.

OHKOSHI et al.(1991) demonstrierten höhere Muskelaktivitäten des Quadrizeps bei zunehmendem Kniewinkel.

WILK et al. (1996) fanden die höchsten Muskelaktivitäten bei einer Knieflexion von 88-1020.

ESCAMILLA et al.(1998) und WILK et al.1996 untersuchten die Muskelaktivitäten bei 10 gesunden Probanden. Die Quadrizepsaktivität stieg mit zunehmenden Kniewinkel progressiv an, und erreichte die höchsten Werte zwischen 80-900 Knieflexion. Ähnli-che Ergebnisse zeigen die Studien von ESCAMILLA et al.(1997), ISEAR et al.(1997), NINOS et al.(1997), SIGNORILE et al.(1994), STUART et al.(1996), WRETENBERG et al.(1993). Diese Quadrizepsaktivität bleibt annähernd konstant bei höherer Knie-flexion, wie andere Studien bestätigen (STUART et al.1996, WRETENBERG et al.1993,1996). Durch eine höhere Knieflexion kommt es demzufolge nicht zu einer Steigerung der Quadrizepsentwicklung. Diese beschriebenen Tendenzen der Mus-kelaktivitäten können durch die vorliegenden Resultate dieser Studie bestätigt wer-den. Bei zunehmenden Winkel steigen die Aktivitäten des M. vast. med. und des M.

vast. lat. und erreichen ihre Spitzenwerte im konzentrischen Winkelbereich von 90-600 sowohl auf der betroffenen als auch auf der nicht betroffenen Seite. Diese neu-romuskuläre Tendenzen gelten für alle drei Gruppen. Die allgemeine Annahme eini-ger Autoren (FREIWALD et al.1996, Laube at al.1997, Pfeifer et al. 1995), dass es nach einer VKB-Rekonstruktion zu einer Minderaktivierung des M. vast. med. des betroffenen Beines bei dynamischen Tests kommt, konnte nicht bestätigt werden. Im Gegenteil zeigten die betroffenen Beine der Semitendinosusgruppe und auch der Patellargruppe auf der betroffenen Seite höhere Aktivitäten des M. vast. med.. Somit ist für die VKB-Gruppen anzunehmen,dass diese beiden Muskeln in der Lage sind ihr

Kontrollgruppe zeigt.

ISEAR et al.(1997) untersuchte den Squat, der von 41 gesunden Probanden ohne Zusatzgewicht durchgeführt wurde. Auch in dieser Studie zeigten M. vast. med. und M. vast. lat. die höchste Aktivität in der konzentrischen Aufwärtsbewegung bei einem Kniewinkelbereich von 90-600. In diesem Bereich wurden von den Muskeln 68%

MVC und 63 % MVC erreicht. Mit zunehmendem Winkel stieg auch die Aktivität die-ser beiden Muskeln. Die Hamstring-Aktivität betrug nur 12 % MVC während der Squatbewegung.

In der vorliegenden Studie wurden höhere MVC Werte gemessen. Ein Grund dafür ist der Einsatz eines externen Gewichtes, das ISEAR et al.1997 nicht verwendeten.

ESCAMILLA et al.(1998) berichten in ihrer Studie, dass der M. vast. med. und der M.

vast. lat. 40-50 % mehr Aktivität zeigen als der M. rectus femoris, welches in Über-einstimmung mit ESCAMILLA et al.(1997), WRETENBERG et al.(1993,1996) und ISEAR et al.(1997) ist. Die geringere Aktivität des M. rectus femoris im Vergleich zu den beiden M. vastii hängt anscheinend mit seiner biartikulären Funktion als Hüftfle-xor und Knieextensor zusammen. Eine gesteigerte Aktivität des M. rectus femoris würde das Drehmoment des Hüftbeugers erhöhen mit einem zusätzlichen Anstieg des Drehmomentes des Hüftextensor, eingesetzt von Hamstrings, M. glutaeus max.

und M. add. magnus um die Hüfte zu strecken.

In den vorliegenden Resultaten zeigt der M. rectus. fem. im Vergleich zu den beiden Vastii eine deutlich geringere Aktivität vor allem in den beiden VKB-Gruppen, die zwischen 35 und 100% liegt. Der M. rectus femoris ist möglicherweise als Kniestrek-ker affektiver, wenn der Oberkörper sich in einer noch aufrechteren Position befindet, weil er sich dann in einer verlängerten Position befindet im Vergleich zu einer vorge-beugten Haltung in Hüftflexion. Der M. vast. med. und der M. vast. lat. produzieren fast die gleiche Aktivität, welches die Studien von ESCAMILLA et al.(1997), MIRZA-BEIGI et al. (1999), SIGNORILE et al.(1994) und WILK et al.(1996) ebenfalls zeigten.

Die Hamstring-Aktivität in den Untersuchungen von ESCAMILLA et al.(1997,1998) und WILK et al.(1996) war am höchsten während der Aufwärtsbewegung. Die höch-sten Werte wurden im Kniewinkelbereich von 50-700 erreicht und betrugen zwischen 30 und 80 % des MVCs. ESCAMILLA setzte 140-160 % des Körpergewichtes als externes Gewicht ein. Im Gegensatz dazu berichten ISEAR et al.1997, NINOS et al.1997 und STUART et al.1996 von Hamstringaktivitäten die 12% MVC, 15 % MVC und 20 % MVC erreichten in einem Kniewinkelbereich zwischen 10 und 600 Flexion.

Diese geringeren Muskelaktivitäten hängen mit der externen Last, die die Probanden während der Squatausführung benutzten zusammen. Die Probanden von ISEAR ge-brauchten keine externen Gewichte, NINOS lies die Probanden mir 25 % ihres Kör-pergewichtes als externes Gewicht durchführen und STUART mit 28 % des Körper-gewichtes. In dieser Studie erreichten Die Probanden der Kontrollgruppe ca. 35%

MVC.

Während der Aufwärtsbewegung kam es zu höheren Hamstringaktivitäten (ESCA-MILLA et al.1997,1998, ISEAR et al.1997, MCCAW et al.1999, NINOS et al.1997, STUART et al.1996). Aufgrund der Tatsache, dass die Hamstringmuskeln zweige-lenkig sind, ist es schwierig zu bestimmen, ob diese Muskeln während der

Abwärts-bewegung exzentrisch und konzentrisch in der AufwärtsAbwärts-bewegung arbeiten, wie all-gemein angenommen. Es ist wahrscheinlicher, dass sie während beider Bewe-gungsphasen isometrisch arbeiten, weil sie sich während der Abwärtsbewegung gleichzeitig am Knie verkürzen und an der Hüfte verlängern und in der Aufwärtsbe-wegung am Knie verlängern und an der Hüfte verkürzen. Würden sie wirklich exzen-trisch in der Abwärtsbewegung und konzenexzen-trisch in der Aufwärtsbewegung arbeiten, wie traditionell angenommen, dann stimmen die obengenannten Daten mit denen von KOMI et al.(1987) überein, die von einer verringerten Aktivität während der ex-zentrischen Phase und einer erhöhten Aktivität während der konex-zentrischen Phase berichten. Auf jeden Fall scheinen die Hamstrings ihre Länge während des Squats nicht zu ändern. In Übereinstimmung mit der Längen-Kraft-Relation in einem Ske-lettmuskel, erlaubt eine konstante Länge der Hamstrings eine effektivere Krafterzeu-gung während der gesamten SquatbeweKrafterzeu-gung.

Genau wie NINOS et al.(1997) konnte auch in dieser Untersuchung keine signifikan-ten Unterschiede in den Hamstringaktivitäsignifikan-ten während der Squatbewegung gefunden werden. Die Quadrizeps / Hamstring Ko-Kontraktion wird von einigen Autoren be-schrieben (BRASK et al.1984, DECARLO et al.1992, OHKOSHI et al.1991, SCHULDT et al.1983). Einige Autoren vertreten die Meinung, dass durch die Kon-traktion der Hamstrings den anterior tibialen Translationskräften, hervorgerufen durch den Quadrizeps, entgegengewirkt wird (OHKOSHI et al.1991, PALMITIER et al.1991, RENSTROM et al.1986, YACK et al.1993). LUTZ et al.1990 vertreten jedoch die Meinung, dass die Muskelaktivität der Hamstrings, die während eines Squats ent-steht, nicht dafür ausreicht um die auftretenden vorderen Scherkräfte zu reduzieren.

GRYZLO et al.(1994) stellten in ihrer Untersuchung fest, dass die höchsten Aktivitä-ten des M. vast. med. und des M. vast. lat. in der Aufwärtsphase des Squats auftrat (Ausführung ohne Zusatzgewicht). Signifikante Unterschiede zeigten beide Muskel nicht. Der M. rect. fem. war am meisten in der Halteposition bei 900 aktiv. Zu jeder Phase des Squats waren die drei abgeleiteten Quadrizepsmuskeln signifikant höher aktiv als die Hamstrings, welche in allen Phasen der Bewegung keine Aktivitätsun-terschiede zeigten. Die Autoren zogen aus ihrer Untersuchung aufgrund der niedri-gen Hamstringaktivität den Schluss, dass eine Ko-Kontraktion fehlt und somit der Squat bei VKB-Verletzungen vorsichtig eingesetzt werden sollte.

Um die Wichtigkeit der Hamstrings während eines Squats näher zu betrachten, wur-de die Studie von WICKIEWICZ et al.(1983) näher betrachtet. Sie zeigten eine 40 % geringere Querschnittsfläche als die der Quadrizeps. Deshalb müssen die Ham-strings, um die großen Quadrizepskräfte auszugleichen, signifikant mehr EMG-Aktivität als die Quadrizeps demonstrieren. Die Studie von ISEAR et al.(1997) zeigte eine fünffach geringere Hamstringaktivität als die Quadrizepsaktivität. Demzufolge ist die Annahme, dass die Ko-Kontraktion mit einer ausreichenden Hamstringaktivität, die Kniestabilität unterstützt, in Frage zu stellen.

Die genannten Autoren berichten einstimmig von niedrigen Hamstringaktivitäten bei der Squatausführung, die bei gesunden Probanden festgestellt wurden. Diese Fest-stellung ist kritisch zu betrachten. In keiner Studie wurde ein Vergleich dominantes Bein versus nicht dominantes Bein durchgeführt. Ebenfalls wurden keine Probanden mit Knieverletzungen (vorderes Kreuzband) elektromyographisch untersucht.

Die vorliegenden EMG-Daten zeigen bei allen drei Gruppen Unterschiede in den Muskelaktivitäten der Hamstrings beim Vergleich betroffener mit nicht betroffener

den, dass das durch die VKB-Rekonstruktion beeinflusste Bein, bzw. das nicht domi-nante Bein der Kontrollgruppe, durch eine verstärkte Hamstringsaktivität unterstützt wird, wie es schon bei den Sprungtests der Fall war. Eine Ko-Kontraktion scheint bei dieser Squatbewegung vorhanden zu sein und spielt neben anderen Faktoren wie Kompressionskräfte (z.B. axiale Last) und Gelenkgeometrie eine Rolle in der Kniege-lenkstabilität.

7.6 Ganganalyse

STEUER (1998) verglich in seiner Ganganalyse 31 VKB-Patienten mit 91 gesunden Probanden und benutzte die gleichen Parameter. Das Gangmuster aller bisher un-tersuchten VKB-Patienten zeigte pathologische Veränderungen im Vergleich zur ge-sunden Kontrollgruppe. Dies zeigt sich besonders bei den auftretenden Vertikalkräf-ten, wenn die Ferse den Boden berührt oder wenn der Fußballen weggedrückt wird.

Eine Asymmetrie des Gangmusters der VKB-Patienten wird dadurch bestätigt, dass die maximale vertikale Kraft während der Standphase auf der verletzten Seite zu ei-nem späteren Zeitpunkt erreicht wird. Aufgrund dieser Tatsache und wegen der ge-ringeren maximalen Kraft, zeigten die VKB-Patienten einen sehr schwachen Kraftan-stieg auf der verletzten Seite. Ferner zeigten die VKB-Patienten eine deutlich redu-zierte Bremskraft zum Zeitpunkt des Fersenaufsatzes. Das Vertikalkraftminimum auf der betroffenen Seite unterschied sich signifikant von der nicht betroffenen Seite. Der Autor schloss daraus, dass ein reduzierter Hüft-, Knie-, Sprunggelenkwinkel während der Standphase die Ursache sein könnte. Ebenfalls waren in seiner Studie die Bremskräfte der betroffenen Seite, also wenn die Ferse auf den Boden traf, signifi-kant reduziert.

Die Resultate von STEUER (1998) zeigten deutlich mehr Veränderungen des Gang-bildes bei Patienten nach VKB-Rekonstruktionen. Über Zeitpunkt der Operation, O-perationstechnik und Rehabilitation sind keine Angaben gemacht worden.

DEVITO et al.(1998) gibt an, dass ein normales, physiologisches Gangbild, wenn überhaupt, erst nach 6 Monaten wieder erreicht wird. TIMONEY et al.1993 berichten von VKB-Patienten nach Patellarsehnen-Rekonstruktion, die mit einem 64% niedri-gerem Knieextensions-Drehmoment in der mittleren Standphase im Vergleich zu ei-ner gesunden Kontrollgruppe gegangen sind.

SCHMALZ et al.(1998) untersuchten Patienten nach einer VKB-Rekonstruktion mit dem mittleren Drittel der Patellarsehne 1 Jahr postoperativ und verglichen sie mit einer Gruppe von konservativ behandelten Patienten nach VKB-Ruptur. Im Gegen-satz zu der konservativ behandelten Gruppe zeigten die operativ versorgten Patien-ten keine signifikanPatien-ten Veränderungen der erhobenen kinematischen Parameter.

BULGHERONI et al.(1997) untersuchte 15 Patienten nach VKB-Rekonstruktion, 10 unbehandelte Patienten nach VKB-Ruptur und 5 gesunde Probanden. Es wurden kinematische Daten (Kistler Kraftmessplatte) von Hüfte, Knie und Sprunggelenk so-wie EMG-Daten des M. vast. lat., M. vast. med., M. rectus. fem., M. biceps fem. und des M. semitendinosus aufgenommen und ausgewertet.

Die Kniewinkelwerte der Patienten nach VKB-Rekonstruktion erreichten ein normales Flexions-Bewegungsmuster im operierten Bein während der Standphase. Die Analy-se der Gelenkmomente zeigte in der Sagitalebene die Wiederherstellung des Knie-flexionsmomentes während Landung und Vorschwung In der Frontalebene zeigte sich eine Wiederherstellung des normalen Bewegungsmusters für die Hüft und Knie Adduktion-Abduktionsmomente während der gesamten Standphase. Die Untersu-chung der Bodenreaktionskräfte zeigte eine Wiederherstellung der Eigenschaften von den frontalen Merkmalen. Die elektromyographische Auswertung ergab normale Bewegungsmuster im Vergleich zu den unbehandelten Patienten. In dieser Studie zeigten Gangparameter der VKB-Patienten fast normale Bewegungsmuster.

Die bisher erwähnten Studien zeigen kein einheitliches Bild in den Resultaten, die bei Ganganalysen mit VKB-Patienten erzielt worden sind. In der vorliegenden Studie sind asymmetrische Gangmuster bei den Patienten der Patellargruppe aufgedeckt worden. Ein Grund für das veränderte Gangbild dieser Patientengruppe könnte das Resultat einer reduzierten Quadrizepsaktivität und einer erhöhten Aktivität der ischio-cruralen Muskulatur sein, wie einige EMG-Ganganalysen (BRANCH et al.1989, ELMQUIST et al.1988, GRABINER et al.1993, SINKJAER et al.1991) berichten. Die-se Autoren gehen von einer reduzierten Quadrizepskraft aus. DieDie-se Adaptationen sorgen anscheinend für einen erhöhten Schutz für das operierte Kniegelenk (BA-RATTA et al.1988, GRABINER et al.1993, SOLOMONOW et al.1987). Veränderte Kraftverhältnisse und neuromuskuläre Adaptationen können auch für die Patienten der Patellargruppe nicht ausgeschlossen werden. Inwieweit sich durch diese Verän-derungen Knieproblematiken bei diesen Patienten ergeben, wird sich in der Zukunft zeigen.

Mit der Bestimmung der Bodenreaktionskräfte lässt sich das Gangverhalten analysie-ren und kontrollieanalysie-ren. Die individuellen Phasen des Ganges sollten auch über die Rehabilitation hinaus mit spezifischen Übungen trainiert werden, so dass das physio-logische Gangmuster so schnell möglich erreicht wird. Die scheint besonders für Sportler wichtig, denn ein unphysiologischer Gang erhöht das Risiko weiterer Schä-den des Kniegelenkes.