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Lösungsmenge eines linearen Gleichungssystems

Im Dokument Diskrete Strukturen Manuskript (Seite 159-166)

Zur effizienten Darstellung linearer Gleichungssysteme können Matrizen und die in Definition (15.9)(a) einge-führte Matrixmultiplikation verwandt werden: Ein lineares Gleichungssystem ausmGleichungen undn Unbe-kannten wie oben hängt nur von den gegebenen KoeffizientenAi,j und den Werten bi füri∈[1, m], j ∈[1, n]

ab. Mit Hilfe von Matrizen lässt es sich durch eine einzige Gleichung umschreiben:

Die gegebenen Daten des linearen Gleichungssystems lassen sich außerdem in der Matrix

zusammenfassen, dieerweiterte Koeffizientenmatrixdes linearen Gleichungssystems. Der präzise Zusammenhang zwischen Matrizen und linearen Gleichungssystemen wird in der nachfolgenden Definition festgehalten:

(16.2) Definition(Lösung eines linearen Gleichungssystems). Es seien ein kommutativer RingRundm, n∈N0

gegeben.

(a) Es seien A ∈ Rm×n und b ∈ Rm×1 gegeben. Die Lösungsmenge des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b

ist definiert als Sol(A, b) :={x∈Rn×1|Ax=b}.

Ein Element von Sol(A, b)wirdLösung des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenma-trix A b

genannt.

(b) Es sei A ∈Rm×n gegeben. Die Lösungsmenge Sol(A,0) des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A 0

wird auch Lösungsmenge des homogenen linearen Gleichungssystems (oder Lösungsraum des homogenen linearen Gleichungssystems) zur KoeffizientenmatrixAgenannt. Ein Element von Sol(A,0) wird auch Lösung des homogenen linearen Gleichungssystems zur Koeffizientenmatrix A genannt.

Die Lösungsmenge des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b

ist gegeben durch

so dass f zu einer surjektiven Abbildung f|Sol(A,b)Sol(A,0): Sol(A,0) → Sol(A, b) einschränkt. Die Injektivität von f impliziert ferner die Injektivität vonf|Sol(A,b)Sol(A,0). Insgesamt istf|Sol(A,b)Sol(A,0)eine Bijektion. Insbesondere ist

Sol(A, b) = Imf|Sol(A,b)Sol(A,0)=f(Sol(A,0)) =x+ Sol(A,0).

Für ein gegebenes inhomogenes lineares Gleichungssystem genügt es also, eine spezielle Lösung zu finden, sofern man die Lösungsmenge des zugehörigen homogenen linearen Gleichungssystems kennt. Aus theoretischer Sicht bietet ein homogenes lineares Gleichungssystem einige Vorteile, da die Lösungsmenge eines solchen einiges an Struktur aufweist:

(16.5) Proposition. Es seien ein kommutativer RingR,m, n∈N0 undA∈Rm×n gegeben.

(a) Fürx, x0∈Sol(A,0)ist auchx+x0∈Sol(A,0).

(b) Es ist0∈Sol(A,0).

(c) Füra∈R,x∈Sol(A,0) ist auchax∈Sol(A,0).

Beweis.

(a) Fürx, x0∈Sol(A,0)giltAx= 0undAx0= 0, also auch A(x+x0) =Ax+Ax0= 0 + 0 = 0

und damitx+x0∈Sol(A,0).

(b) WegenA0 = 0ist0∈Sol(A,0).

(c) Fürx∈Sol(A,0)giltAx= 0, also füra∈Rauch A(ax) =a(Ax) =a0 = 0

und damitax∈Sol(A,0).

Proposition (16.5) besagt, dass wir nicht nur in der Menge der SpaltenmatrizenRn×1rechnen (Spaltenmatrizen addieren und mit Skalaren multiplizieren) können, sondern bereits in der TeilmengeSol(A,0): Die Summe von Spaltenmatrizen in Sol(A,0) liegt wieder in Sol(A,0) (und nicht erst in der größeren Menge Rn×1), so dass wirSol(A,0)selbst mit dieser Addition betrachten können. Ähnlich für die Skalarmultiplikation. Die Lösungs-menge Sol(A,0)bekommt durch diese Addition und Skalarmultiplikation selbst eine Struktur. (49)

Zeilenstufenform

Zunächst studieren wir Matrizen, bei denen sich die Lösungen der zugehörigen linearen Gleichungssysteme sofort rekursiv ermitteln lassen.

(16.6) Definition (Zeilenstufenindizes, Zeilenstufenanzahl). Es seien ein kommutativer Ring R, m, n ∈ N0

undA∈Rm×n gegeben.

(a) Füri∈[1, m]heißt echi= echi(A) :=

(min{j∈[1, n]|Ai,j6= 0}, fallsAi,− 6= 0,

n+i, fallsAi,− = 0,

deri-te Zeilenstufenindex vonA.

(b) Es heißt

|{i∈[1, m]|Ai,−6= 0}|

dieZeilenstufenanzahl vonA.

(16.7) Beispiel. Es seiA∈R3×4gegeben durch

A=

0 3 0 −1

0 0 0 0

1 0 0 0

.

49In derLinearen Algebra werden Strukturen dieser Art, sogenannte (Unter-)Moduln (bzw. (Unter-)Vektorräume, falls Rein Körper ist), studiert; an der RWTH Aachen bspw. im Kurs Lineare Algebra für Informatiker (etwa 2. Semester im Studiengang B.Sc. Informatik).

(a) Die Zeilenstufenindizes vonA sind gegeben durch ech1= 2,

ech2= 6, ech3= 1.

(b) Die Zeilenstufenanzahl vonAist gleich2.

Beweis.

(16.8) Definition ((reduzierte) Zeilenstufenform). Es seien ein kommutativer Ring R, m, n ∈ N0 und A∈Rm×n gegeben.

(a) Wir sagen, dassAin Zeilenstufenform ist, falls echi<echi+1

für allei∈[1, m−1]gilt.

(b) Es sei r die Zeilenstufenanzahl von A. Wir sagen, dass A in reduzierter Zeilenstufenform ist, falls A in Zeilenstufenform ist und

A−,echi= ei für allei∈[1, r]gilt.

Eine MatrixAin Zeilenstufenform ist von folgender Gestalt, wobei die mit∗markierten Einträge beliebig sind undAi,echi6= 0 füri∈[1, r]und für einr∈[0, m]:

Eine MatrixAin reduzierter Zeilenstufenform ist von folgender Gestalt:

A=

(16.9) Beispiel.

in Zeilenstufenform, aber nicht in reduzierter Zeilenstufenform.

(c) ÜberRist die Matrix

In folgender Proposition geben wir eine rekursive Formel für die Lösungmenge eines linearen Gleichungssystems zu einer Matrix über einem Körper in Zeilenstufenform an.

(16.10) Proposition(Lösbarkeitskriterium und Lösungsbestimmung für lineare Gleichungssysteme über Kör-pern in Zeilenstufenform). Es seien ein Körper K,m, n∈N0,A ∈Km×n in Zeilenstufenform und b∈Km×1 gegeben. Ferner seir die Zeilenstufenanzahl vonA.

(a) Genau dann gibt es eine Lösung des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b , wenn die Zeilenstufenanzahl von A b

auch gleich rist.

(b) Es seirauch die Zeilenstufenanzahl von A b

. Dann ist die Lösungsmenge des linearen Gleichungssys-tems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b

gegeben durch Sol(A, b) ={x∈Kn×1|füri∈[1, r]istxechi =A−1i,ech

i(bi− X

j∈[echi+1,n]

Ai,jxj)}.

Beweis. Zunächst sei die Zeilenstufenanzahl von A b

ungleichr, so dass es ein i∈[r+ 1, m] mit Ai,− = 0

Nun sei umgekehrt die Zeilenstufenanzahl von A b

in Zeilenstufenform und füri∈[1, r]gilt echi( A b

) = echi(A).

Nun sei x ∈ Kn×1 gegeben. Genau dann ist x eine Lösung des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b

Somit istxgenau dann eine Lösung des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b , wenn

Ai,echixechi+ X

j∈[echi+1,n]

Ai,jxj =bi

füri∈[1, r]gilt. Diese Bedingung ist jedoch äquivalent dazu, dass xechi=A−1i,ech

i(bi− X

j∈[echi+1,n]

Ai,jxj)

füri∈[1, r]gilt. Nun ist dies aber eine rekursive Beschreibung vonx, folglich alsoSol(A, b)6=∅.

Der konstruktive Beweis von Proposition (16.10) liefert folgenden Algorithmus zur Bestimmung der Lösungs-menge eines linearen Gleichungssystems zu einer erweiterten Koeffizientenmatrix in Zeilenstufenform.

Die mit ∗ markierten Einträge sind beliebig und die mit markierten Einträge sind ungleich0. Die r Unbe-kannten an den -Spalten nennen wirabhängige Variablen, die anderen n−r Unbekannten nennen wirfreie Variablen. Zunächst bringen wir die freien Variablen auf die rechte Seite des linearen Gleichungssystems und ersetzen sie der Reihe nach durch „Parameter“ a1, . . . , an−r∈K. Danach lösen wir, von unten nach oben, nach den abhängigen Variablen auf; nach jedem dieser Schritte steht in der jeweils nächsten zu lösenden Gleichung genau eine abhängige Variable.

(16.11) Algorithmus.

• Eingabe:A∈Km×n in Zeilenstufenform,b∈Km×1für einen Körper Kund gewisse m, n∈N0

• Ausgabe:Sol(A, b)

• Verfahren:

function solref(A, b)

ermittle die ZeilenstufenanzahlrvonA;

if bi6= 0für eini∈[r+ 1, m] then

Die Lösungsmenge des linearen Gleichungssystems zur erweiterten Koeffizientenmatrix A b

ist gegeben durch

=

Da eine beliebige Matrix nicht in Zeilenstufenform ist, benötigen wir zum Lösen allgemeiner linearer Gleichungs-systeme eine Methode, um eine gegebene Matrix in eine geeignete Matrix in (reduzierter) Zeilenstufenform zu überführen. Hierbei bedeutet „geeignet“, dass die Lösungsmenge des linearen Gleichungssystems zur ursprüng-lichen Matrix gleich der Lösungsmenge des linearen Gleichungssystems zur Matrix in Zeilenstufenform sein sollte.

Um den Prozess des Überführens von Matrizen zu formalisieren, führen wir Operationen auf den Zeilen von Matrizen ein. Betrachten wir diese Zeilenoperationen simultan für alle(m×n)-Matrizen über einem kommu-tativen Ring R für gegebene m, n∈ N0, so erhalten wir also eine Abbildung Rm×n → Rm×n. Wir werden in Proposition (16.17) sehen, dass diese Operatoren die Lösungsmengen von linearen Gleichungssystemen invariant lassen.

(16.13) Definition ((elementare) Zeilenoperatoren). Es seien ein kommutativer RingR undm, n∈N0 gege-ben.

(a) Für k, l ∈ [1, m] ist der Vertauschungsoperator der k-ten und l-ten Zeile definiert als Abbildung swk,l:Rm×n →Rm×n gegeben durch definiert als Abbildungaddk,l,c:Rm×n →Rm×n gegeben durch

addk,l,c(A)i,−=

(Ak,−+cAl,− füri=k,

Ai,− füri∈[1, m]\ {k}

fürA∈Rm×n.

(c) Für k ∈ [1, m] und c ∈ R× ist der Multiplikationsoperator der k-ten Zeile um das c-fache definiert als Abbildung mulk,c:Rm×n→Rm×n gegeben durch

mulk,c(A)i,−=

(cAk,− füri=k,

Ai,− füri∈[1, m]\ {k}

fürA∈Rm×n.

(d) Einelementarer Zeilenoperator aufRm×n ist eine Abbildung ρ:Rm×n→Rm×n von der Formρ= swk,l für gewisse k, l∈[1, m]oderρ= addk,l,c für gewissek, l∈[1, m]mitk6=l undc∈Roderρ= mulk,c für gewisse k∈[1, m],c∈R×.

(e) EinZeilenoperator aufKm×nist eine Abbildungρ:Km×n→Km×n, welche ein (endliches) Kompositum von elementaren Zeilenoperatoren ist.

Wir betonen, dass wir für die Definition des Additionsoperators in (16.13)(b) stetsk6=l fordern, während dies für den Vertauschungsoperator in (16.13)(a) nicht zwingend vorgeschrieben wird: Im Fall k = l gilt mit der dort verwendeten Notation swk,l = idKm×n. Ebenso haben wir addk,l,c = idKm×n im Fall c = 0 in Definiti-on (16.13)(b) sowiemulk,c = idKm×n im Fallc= 1in Definition (16.13)(c).

Im Dokument Diskrete Strukturen Manuskript (Seite 159-166)