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Kooperation vs. kleinteilige Autarkie

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 44-49)

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Über eine Verflechtung von Beteiligungen konnte die RheinEnergie als mittelbare Toch-ter der Stadtwerke Köln zum Regionalver-sorger im südlichen Rheinland ausgebaut werden. Wie soll diese Struktur in Zukunft weiterentwickelt werden und welche Einflüsse hatten die Beschlüsse der Bundesregierung zur Energiewende auf die Ausarbeitung ihrer Kon-zeptionen? Von wem wird dieser strategische Denkprozess geführt?

Jürgen Roters:

Die Stadt Köln entfaltet allein aufgrund ihrer Größe eine gewisse Dominanz in der Region.

Doch wir haben auch gewachsene Struktu-ren, auf denen wir aufbauen können und bei denen wir das Prinzip Augenhöhe schon seit vielen Jahren praktizieren. Die Entwicklung der Unternehmen in kommunaler Hand muss einhergehen mit einer Verschränkung der beteiligten Kommunen.

Wenn die Bereitschaft vorhanden ist, auf unterschiedlichen Handlungsfeldern mit-einander zu kooperieren, dann bildet sich schnell Vertrauen. Wichtig ist, dass beide Seiten von einem gemeinsamen Interesse überzeugt sind.

Unsere Kooperationen wollen wir generell auf das gesamte Rheinland ausdehnen. Schon heute arbeiten wir mit den Kommunen im Umland eng zusammen. Probleme werden im

direkten Gespräch zwischen den Kommunalver-tretern gelöst. Die schwierige Haushaltssituation verpflichtet zur Zusammenarbeit und schweißt die beteiligten Kommunen fest zusammen. Alle Seiten sind darauf angewiesen, Synergiepoten-tiale noch stärker zu nutzen.

Für die RheinEnergie ist es wichtig, die eige-ne Rolle in der Region klar zu definieren, eieige-ne eigene Identität zu entwickeln und, darauf auf-bauend, Kooperationen zu etablieren. Ich denke, es ist uns in den vergangenen Jahren recht gut gelungen, die Bedenken kleinerer Partner abzu-bauen. Konsens ergibt

sich letztlich aus gemeinsamen Inte-ressen. Persönliche Befindlichkeiten dür-fen diesem gemein-samen Impuls nicht im Wege stehen. Mit dem Stadtwerke-Kon-zern haben wir eine Garantie, dass in den kommenden Jahren jährlich 60 Millionen Euro in den Stadt-haushalt abgeführt werden. Es bestehen Querverbünde zu den Städtischen Bädern und zu den Kölner Verkehrsbetrieben.

Nicht zuletzt deshalb stehen auch die Kölner fest zu ihren Stadtwerken.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Stadt Köln schaut sich also in ihrem regionalen Umfeld um und sorgt für Kom-munikation. So sollen Projekte identifiziert werden, bei denen die Erfolgsaussichten für eine Kooperation am größten sind. Ist das der Königsweg zur Etablierung regionaler Zusammenschlüsse und zur Nutzung von Synergiepotentialen oder sollten eventuelle Roundtable Interkommunale Kooperation

ROUNDTABLE-GESPRÄCH zU DEN POTENTIALEN INTERKOMMUNALER KOOPERATIONEN

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

Kooperationen allein auf sachlichen Poten-tialanalysen fußen?

Dr. Hermann Janning:

Wir müssen uns neben diesen beiden Alterna-tiven auch darum kümmern, welche Modelle von den Bürgern präferiert werden. Würde man sie danach befragen, ob ihre

Stadtwer-ke mit den Unternehmen der Nachbarstädte verschmelzen sollen, wäre die Antwort wohl recht eindeutig negativ. Bei einer Kooperation in einigen Geschäftsfeldern, etwa in Verwal-tung, IT, Netzservice oder Rechnungslegung, sähe es sicher anders aus. Mit einer gemein-samen Servicegesellschaft könnten vielfältige Effizienzpotentiale genutzt werden, ohne dass die Identität des Unternehmens verloren geht.

Der Leidensdruck wird größer werden und immer stärkere Impulse für Kooperationen setzen. Bislang waren Projekte der Zusam-menarbeit stets auf das besondere Enga-gement der Geschäftsführer und Manager zurückzuführen.

In den kommenden Jahren werden es noch viel stärker objektive Zwänge sein, die uns zum Schulterschluss zwingen. Angesichts der wach-senden Konkurrenz wird es immer schwieriger, die eigene Erzeugungsleistung zu vermarkten.

Auch die Kundenfluktuation wird sich erhöhen.

Im Ruhrgebiet kommt eine negative demografi-sche Entwicklung mit sinkenden Einwohner-zahlen und wachsender Überalterung hinzu.

Zusätzlich drängen zunehmend branchen-fremde Unternehmen in den Markt. Koopera-tion ist die naheliegende Antwort auf all diese Entwicklungen.

Entscheidende Voraussetzung für das Gelingen solcher Projekte sind die persönli-chen Befindlichkeiten. Wenn die beteiligten

Partner nicht willens sind, am Abend noch ein Bier miteinander zu trinken, wird es kaum gelingen, reibungslos zusammenzuarbeiten.

Wir haben im Land viele Erfolge vorweisen können. Vieles ist aber auch nicht gelungen.

So konnten die Potentiale von IT-Lösungen für die Optimierung des Geschäftsbetriebes nur unzureichend genutzt werden. Das

Stre-ben nach größtmög-licher Autarkie passt nicht mehr in die Zeit.

Rainer Plaßmann:

Die RheinEnergie hat die Kooperationen im Raum Köln gegen Ende der 90er Jahre gestartet. In den ers-ten Jahren der Libe-ralisierung dachten wir, dass kommunale Unternehmen unbe-dingt eine bestimmte kritische Größe auf-weisen müssten, um im Markt bestehen zu können. In diesen Tagen sehen wir, dass sich der Markt stark verändert, die einst für unangreifbar gehaltenen großen vier Energie-versorger ihre Geschäftspolitik neu definieren und kommunale Unternehmen eine zuneh-mend bedeutendere Rolle im Energiemarkt spielen. Doch auch die RheinEnergie muss neue Antworten finden – etwa auf die Dezent-ralisierung in der Erzeugung oder auf ein gestei-gertes Umweltbewusstsein der Kunden – und parallel dazu entsprechende Dienstleistungen und Absatzmöglichkeiten entwickeln. Smart Metering wird zu einer enormen Herausforde-rung für die Datenverarbeitung werden. Ver-mehrt drängen in diesem Zusammenhang auch Telekommunikationsspezialisten in den Markt.

Kleinere Stadtwerke können diese Herausfor-derungen nicht allein stemmen. Doch auch für viele größere kommunale Unternehmen ist eine stärkere Bündelung der Kräfte unabdingbar.

Dezentralisierung und Netze UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Akzeptanz für bestimmte Prozesse kann nur dann langfristig erhöht werden, wenn sie konkret definiert und erklärt wer-den. Smart Metering ist so eine abstrakte Bezeichnung, mit denen die Bürger bislang wenig Konkretes verbinden. Wie kann es gelingen, das Bewusstsein der Bürger für die Neuerungen im Energiemarkt zu

schär-fen, damit sie auch im Sinne einer Opti-mierung der eigenen Energiebilanz genutzt werden können?

Roters:

Ich beobachte schon heute eine gestiegene Sensibilität für alle Fragen, die mit Energie zusammenhängen. Mit dem Projekt smart city Cologne wollen wir den Bürgern die Potentia-le moderner IT-Lösungen nahebringen. Die RheinEnergie hat bislang circa 30.000 Smart Meter montiert. Damit kann schon jetzt eine gewisse Breitenwirkung erzielt werden. Nun müssen Erfahrungen gesammelt werden, wie mit den immensen Datenmengen am sinnvolls-ten umgegangenen werden kann. Im Herbst wollen wir eine Klimastraße einrichten, in der annähernd alle Möglichkeiten der Energieein-sparung und des sinnvollen Umgangs mit Res-sourcen realisiert werden. Auch davon erhoffen wir uns eine verstärkte öffentliche Diskussion um die konkrete Umsetzung energiepolitischer Vorgaben.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Regionalisierung kann die Antwort sein auf viele Fragestellungen zur Entwicklung des Energiemarktes. Realisieren lässt sich dies nur mit einer verstärkten interkommunalen Kooperation. Welche Impulse müssen auf welchen Ebenen gesetzt werden, um diese zweifellos bestehenden Potentiale noch besser zu nutzen?

Dr. Janning:

Auch kleinere Unternehmen können am Markt reüssieren. Voraussetzung ist, dass sie ihre Stär-ken und Schwächen erStär-kennen und dementspre-chend agieren. Eine Stärke ist der enge Kontakt mit dem Bürger. Allerdings wäre das Unterneh-men schlecht beraten, einen eigenen Netzservice mit eigenen Ingenieuren aufzubauen. Aus mei-ner Sicht gibt es keine betriebsoptimale Größe für ein Stadtwerk. Große Stadtwerke machen in der Regel alles selbst – vom Notrufdienst bis hin zur Installation. Kleinere Stadtwerke kooperie-ren in viel stärkerem Maße mit dem örtlichen Handwerk. Hier war und ist es selbstverständ-lich, geeignete Partner für bestimmte Leistungen zu finden.

Dr. Sven-Joachim Otto:

Es gibt sehr unterschiedliche Unternehmens-kulturen. Manche sind sehr wach und offen, andere wiederum scheinen die Notwendigkeit von Kooperation nicht erkennen zu wollen.

Dies gilt für alle Größenklassen. Auch nach meiner Erfahrung können sich viele kleine und mittlere Unternehmen im Markt gut behaupten. Auf der anderen Seite haben sich Roundtable Interkommunale Kooperation

Dr. Hermann Janning

einige große Unternehmen in den vergangenen Jahren als wenig wandlungsfähig und inak-tiv erwiesen. Ich bin überzeugt davon, dass die Energiewende mehr Chancen als Risiken bereithält. Kommunen sind per se dezentral aufgestellt und können den Anforderungen einer viel mehr lokalen und regionalen Ener-gieerzeugung eher entsprechen. Doch es stellt sich auch die Frage nach der Zukunft der Energienetze. Wenn ich mir eine Solaranlage auf das Dach schrauben lasse, erhalte ich eine Einspeisevergütung von 19 Cent, während der Strompreis aktuell bei circa 25 Cent pro Kilowattstunde liegt. Wir kommen also in die Situation, in der die Produktionskosten für selbst erzeugten Strom mit den Bezugspreisen konkurrieren können. Gerade

Einfamilienhäu-ser werden deshalb in Zukunft weniger Strom abnehmen, als dies noch heute der Fall ist. Es bleibt ungeklärt, wer vor diesem Hintergrund die steigenden Infrastrukturkosten begleichen soll. In jedem Fall müssen die Verteilnetze auch Zweit- und Drittnutzungen zugeführt werden.

Dr. Janning:

Auch ich sehe in der Dezentralisierung eine Chance für unsere Stadtwerke. Denn es wird nicht ausreichen, auf jedes Einfamilienhaus eine Solaranlage zu setzen. In einer dezentrali-sierten Energiewelt können sich vielleicht alle Privathaushalte bis auf die Spitzenzeiten selbst versorgen. Allerdings muss in diesem Fall für eine geringe Menge an Energie die gesamte Infrastruktur vorgehalten werden. Wir benöti-gen die Netze schließlich auch für den komple-xen Bedarf unserer Industrie. Eine kleinteilige Autarkie wird sich zum Bumerang entwickeln.

Wir müssen eine vernünftige Mischung im

System schaffen, um allen Bedarfen angemes-sen gerecht werden zu können.

Der zwischenmenschliche Faktor UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wenn die subjektive Ebene der entscheidende Faktor bei der Etablierung interkommunaler Kooperationen ist, was passiert, wenn eine Zusammenarbeit trotz klarer Incentives an persönlichen Befindlichkeiten scheitert?

Dr. Janning:

Wenn sechs von sieben Unternehmen zusam-mengehen wollen und fest von den Potentialen einer Kooperation überzeugt sind, dann wird auch der siebte nicht hintanstehen wollen. Und wenn zwei Stadtwerke-chefs überhaupt nicht miteinander können, dann werden mögli-cherweise die kommu-nalen Eigentümer eine Entscheidung treffen und die Geschäfts-führer im Zweifelsfall auswechseln.

Dr. Otto:

Es hat in der Region auch gescheiterte Kooperationen gege-ben. Die Gründe lagen nach unseren Erfahrungen nicht in technischen Zusam-menhängen sondern basierten auf zwischen-menschlichen Friktionen. Dies betraf nicht nur die kommunalpolitische Ebene, sondern auch die der Geschäftsführer der Unternehmen. Mit einer sachlichen Debatte ließe sich vieles berei-nigen. Auch wir Berater sind in der Pflicht, für einen stetigen Austausch zwischen den Partnern zu sorgen. Von uns wird immer stärker erwartet, dass wir für die von uns erarbeiteten Vorschläge auch geradestehen.

Ulrich Götte:

Waren es nicht vor allem jene Projekte, die eine möglichst vollständige Fusion anstrebten, die letztlich an gegenseitigen Animositäten scheiter-ten? Es ist aus meiner Hinsicht deutlich sinnvol-ler, die Unabhängigkeit nach außen zu wahren, aber im Backoffice zusammenzuarbeiten.

Dr. Janning:

Dem stimme ich ausdrücklich zu. Mehr als die Hälfte der Aufwände eines Stadtwerks fällt dort an, wo es der Bürger nicht merkt. Für den

Bürger ändert sich nichts an der Qualität der Dienstleistungen, wenn benachbarte Stadtwerke etwa in der Verwaltung oder im Netzmanage-ment kooperieren.

Plaßmann:

Unsere Konzerngesellschaften haben aus ihren Kooperationen und auch aus den dabei gemach-ten Fehlern lernen können. So ist es unabding-bar, die Potentiale der Partner zu nutzen und auf Augenhöhe zu agieren. Die kommunale Politik, die ja ihrerseits in vielfältiger Weise mit den benachbarten Gebietskörperschaften zusam-menarbeitet, spielt eine ganz wichtige Rolle für das Gelingen kommunaler Kooperationen.

Dennoch sollte die Politik nicht die Arbeit der Geschäftsführer verrichten und z. B. eigenstän-dig Kooperationen initiieren. Wichtig ist bei allen Kooperationspartnern ein gutes Zusam-menspiel von Politik und Geschäftsführung, um gegenseitiges Verständnis und Einigkeit über die Ziele der Kooperation herzustellen.

Roters:

Bezüglich der Kompetenzen von Politik und Geschäftsführung liegen unsere Auffassungen sehr nah beieinander. Das operative Geschäft liegt natürlich bei der Geschäftsführung. Eine strategische Positionierung sollte allerdings mit der Politik, mit den Eigentümervertretern, abge-stimmt werden. Letztlich steht die Geschäfts-führung in der Verantwortung, befriedigende Ergebnisse einzufahren. Politik setzt die Rah-menbedingungen und formuliert langfristige Zielorientierungen.

Aktuell haben wir es geschafft, die Häfen von Köln und Düsseldorf zu fusionieren. Hier hat eine Kombination aus klaren Vorarbeiten der Geschäftsführung und des Vorstandes sowie einer angemessenen politischen Begleitung seitens der Oberbürgermeister zum Erfolg geführt. Es gibt also auch noch Erfolgsge-schichten – und dass sogar zwischen Köln und Düsseldorf.

Roundtable Interkommunale Kooperation

Die Entwicklung der Unternehmen in kommunaler Hand muss ein-hergehen mit einer Verschränkung der beteiligten Kommunen. Wenn die Bereitschaft vorhanden ist, auf unterschiedlichen Handlungsfeldern miteinander zu kooperieren, dann

bildet sich schnell Vertrauen.

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Jürgen Roters

Oberbürgermeister der Stadt Köln

Rainer Plaßmann

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

Augenhöhe trotz

Größenunterschieden?

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Erste Voraussetzung ist also eine realistische und sachliche Betrachtung der bestehenden Potentiale. Nicht minder wichtig ist offenbar, die richtigen Leute zusammenzubringen.

Ein komplexes Gefüge von Verantwortlich-keiten gehört zu den Spezifika kommunaler

Unternehmen. Kann dieses oftmals negativ beurteilte Attribut kommunaler Unterneh-men in diesem ZusamUnterneh-menhang auch zum Vorteil gereichen?

Roters:

Die Erfordernisse einer stärkeren Kooperation sollten noch stärker auch in der Politik kom-muniziert werden. Ziel muss es sein, alle Betei-ligten für eine stärkere Zusammenarbeit zu motivieren.

Dr. Otto:

Die Diskussion um eine Rekommunalisierung entfaltet mittlerweile eine Eigendynamik, die nicht immer hilf-reich ist. Kritisch ist aus unserer Sicht, dass der inhärente Trend zu kleinteiligen, autarken Lösungen vielerorts auch von den Bera-tungsunternehmen vorangetrieben wurde.

In solchen Fällen müssen wir uns nicht wundern, wenn das Bundeskartellamt oder die

Bundesnetzagen-tur wachsende kommunale Verantwortung eher zögerlich oder gar kritisch begleiten. Die Kom-munen sollten Acht geben, sich durch derartige Projekte nicht ins eigene Fleisch zu schneiden.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wie schafft man es bei der Etablierung inter-kommunaler Kooperationen Augenhöhe her-zustellen, obwohl die einzelnen kommunalen Partner im Hinblick auf Kundenstamm und Wirtschaftskraft eben nicht auf der gleichen Ebene agieren?

Dr. Janning:

Es gibt kein Patentrezept. Ein entscheidendes Kriterium ist die Standortfrage der neu zu bil-denden Gesellschaften. Hier kann es hilfreich sein, wenn sich die kleineren Partner unter-einander auf einen Standort einigen. Daneben geht es um die Besetzung politischer Gremien im Aufsichtsrat, im Management und in Arbeit-nehmervertretungen. Gerade die Arbeitnehmer müssen möglichst frühzeitig für eine Koope-ration gewonnen werden. Letztlich muss der kleinere Partner Verständnis dafür entwickeln, dass er in einer Konstellation mit einem deut-lich größeren Unternehmen keine vollständige Gleichwertigkeit erzielen wird. Andererseits muss sichergestellt sein, dass alle Seiten an der Strategiebildung und Entscheidungsfindung angemessen beteiligt, Ideen und Einwände Roundtable Interkommunale Kooperation

AUS DEM VORTRAG VON DR. SVEN-JOACHIM OTTO

Kommunalwirtschaft unterlag in den vergan-genen Jahren erheblichen Wandlungsprozes-sen. Das Dogma „privat vor Staat“ dominierte nicht nur in Nordrhein-Westfalen lange Zeit die gemeinderechtlichen Leitlinien im Hinblick auf die kommunale Wirtschaft. Das Gesetz zur Re-vitalisierung des Gemeindewirtschaftsrechts bildet diesbezüglich eine Zäsur, weil es die Rahmenbedingungen für öffentliche Unter-nehmen entscheidend verbessert. Nordrhein-Westfalen hat Vorgaben entwickelt, an denen sich auch andere Bundesländer orientieren können und sollten. Ein weiteres Entwicklungs-kriterium für die kommunalen Unternehmen wird sein, wie die Erneuerbaren Energien in das Marktumfeld integriert werden können.

Daneben muss auch die Frage geklärt werden, was mit neu errichteten konventionellen Kraft-werken geschehen soll. Ein weiterer aktueller Trend hängt zusammen mit den vielerorts aus-laufenden Konzessionsverträgen, die in den vergangenen Jahren ein Mehr an kommunaler Verantwortung bewirkt haben.

Wenn mit der Gründung von Kleinst-Netz-gesellschaften vorhandene effiziente

kom-munale Netzstrukturen zerschlagen werden, dann gefährdet die kommunale Wirtschaft ihre neu gewonnenen Entfaltungsspielräume.

Der „Charme“ einer solchen Kannibalisierung liegt für kleinere Kommunen darin, das Netz herauslösen und die Energieversorgung aut-ark gestalten zu können. Effizienter als solch engmaschige Strukturen zu schaffen, wäre es allerdings, den Weg stärkerer Kooperation zu gehen und über strategische Partnerschaften nachzudenken.

Erfolgsfaktoren einer kommunalen Koope-ration sind das genaue Wissen um die Rah-menbedingungen und ein klares Projekt- und Konfliktmanagement. Kooperation heißt aber auch, auf Besitzstände zu verzichten. Wenn eine größere Stadt mit den umliegenden Kommunen kooperieren will, muss sie etwa auch eine Verlegung des Geschäftssitzes einer Tochtergesellschaft ins Umland in Erwägung ziehen. Voraussetzung für das Gelingen aller neuen Projekte ist eine frühzeitige Einbindung der Bürger. Generell liegt das größte Risiko in der Psychologie der beteiligten Menschen.

Um gemeinsam schlagkräftige Einheiten zu

schaffen, muss althergebrachtes Kirchturm-denken sukzessive überwunden werden. Dazu müssen alle Seiten ein geeignetes Modell der Beteiligung erarbeiten. Dabei sollte die Kapi-talbeteiligung unterschieden werden von der Gewinnverteilung und auch vom Stimmrecht.

Daneben können in den Konsortialverträgen auch Nebenabreden getroffen werden. Wenn strategische Partnerschaften dauerhaft er-folgreich sein sollen, müssen Mechanismen gefunden werden, strukturbedingte Ungleich-gewichte auszugleichen. Allgemein ist es leichter, in polyzentrischen Regionen zu einem Ausgleich zu gelangen, als dort, wo ein Partner die anderen deutlich überragt.

Der Bedarf an Kooperationen wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Die Mar-gen der Stadtwerke gehen zurück und die Verkehrsverluste steigen. So wachsen der Kostendruck und damit auch die Motivation, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Smart Metering ist ein solch zukunftsträchtiger Ge-schäftszweig, aus dem intelligente und inno-vative Zweit- und Drittangebote erwachsen können.

Ulrich Götte

ernst genommen werden. Gegenseitiges Ver-ständnis für die andere Seite ist die wichtigste Voraussetzung für eine langfristig gedeihliche Zusammenarbeit.

Roters:

Zusätzlich sollten auch die Risiken diskutiert werden, die aus kleinen Insellösungen für die Zukunft erwachsen. Langfristig verbinden sich mit Modellen der Energieautarkie und der Zer-faserung der Netze auch erhebliche Nachteile.

Wenn diese Risiken klar und objektiv diskutiert würden, wäre eine größere Nachdenklichkeit eine begrüßenswerte Folge.

Dr. Otto:

Es ist relativ einfach. Der größere Partner muss ehrlich verstandene Demut zeigen. Es sind manchmal auch kleine Gesten, die dem kleine-ren Partner verdeutlichen, dass er ernst genom-men wird.

Roters:

Große Kommunen sind auf ihr Umland ange-wiesen – etwa bei Gewerbeflächen oder auch in der Logistik. Eine über die Stadtgrenzen hinaus gehende räumliche Planung ist heute

selbstverständlich. Auch in der Energie-erzeugung – etwa durch Wind – sind wir auf das Umland angewiesen. Die Abhängigkeit besteht aber auch andersherum und ist des-halb durchaus geeignet, benachbarte Partner zusammenzuschweißen.

Dr. Otto:

Die letzten kommunalen Neugliederungen lie-gen in vielen westdeutschen Bundesländern 40 Jahre und länger zurück. In Baden-Württemberg bestehen derzeit mehr als 1.100 selbstständige

DIE TEILNEHMER DER DISKUSSIONSRUNDE (IN NAMENSAlPHABETIScHER REIHENFOlGE)

ˆ Götte, Ulrich, Partner/Wirtschaftsprüfer, PricewaterhouseCoopers AG

ˆ Janning, Dr., Hermann, Vorsitzender VKU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, Vorstandsvorsitzender Stadtwerke Duisburg AG

ˆ Otto, Dr., Sven-Joachim, Partner PricewarerhouseCoopers AG

ˆ Plaßmann, Rainer, Personalleiter und Leiter der Stabsstelle Daseinsvorsorge der Stadtwerke Köln GmbH

ˆ Roters, Jürgen, Oberbürgermeister der Stadt Köln

Roundtable Interkommunale Kooperation

Kommunen. In Nordrhein-Westfalen sind es trotz einer um ein Drittel höheren Einwohnerzahl nur 400. Insofern wird die nächste kommunale Neu-gliederung in NRW vermutlich auf sich warten lassen. In diesem Wissen sollten interkommunale Kooperationen umso stärker angeschoben werden, solange sie noch den Charme der Freiwilligkeit in sich tragen. Auch die übergeordneten politischen Ebenen erwarten, dass sich die Kommunen rational verhalten. Der von der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen angestoßene Stärkungs-pakt Stadtfinanzen hält hier meines Erachtens viele Impulse bereit. Hier wird ein Vertrag zwischen der Kommunalaufsicht und der Stadt geschlossen und ein Korridor defi-niert, innerhalb dessen sich die kommunalen Finanzen verbessern müssen. Erfolgt dies nicht, kann die Kom-munalaufsicht sehr viel schneller in die kom-munale Selbstverwal-tung eingreifen, als dies bisher der Fall war. Dies wird der Katalysator für viele kommunale Kooperationen sein, was sich schon jetzt in der politischen Agen-da vieler Kommunen niederschlägt.

Erhebliche

Kooperationspotentiale UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Unter der Überschrift Kommunalisierung erleben wir zwei Tendenzen: Das erste ist die Schaffung größerer regionaler Verbünde. Das zweite sind interkommunale Kooperationen nach den Modellen Trianel, Thüga und Steag.

Sind diese Entwicklungen miteinander ver-woben oder muss man sich für eine der bei-den Alternativen entscheibei-den?

Roters:

Jede Region muss ihren eigenen Weg finden.

Die Entscheidung wird im Zweifelsfall eher von konkreten Rahmenbedingungen determiniert, als von dem einen oder anderen bundesweiten Trend. Wir haben im Sinne einer regionalen Partnerschaft bereits einen gewissen Standard erreicht und wollen diese regionale Integration weiter ausbauen.

Dr. Janning:

Ein Erfolgsschema hierfür gibt es nicht. Wich-tig ist, dass man den worst case eines Alleinblei-bens immer im Kopf behält, um Kooperationen nicht an den ersten Hindernissen scheitern zu lassen. Dabei hilft es, sich die Perspektive der kommenden fünf bis zehn Jahre vor Augen zu halten.

Die Möglichkeiten der Kooperation sind in der Tat sehr unterschiedlich ausgeprägt. Unter den Stadtwerken wurde nach meiner Auffas-sung allenfalls ein Viertel dessen realisiert, was möglich und sinnvoll ist.

Plaßmann:

Angesichts der enormen Herausforderungen z.B. in der IT wird sich die RheinEnergie wahr-scheinlich nicht nur zwischen den zwei genann-ten Alternativen entscheiden, sondern auch völlig neue Formen der Kooperation entwickeln müssen.

Götte:

Ich halte es für essentiell, Projektionen zu erstellen, wie die Stadtwerke-Landschaft in fünf bis zehn Jahren aussehen wird. Mögli-cherweise muss der Kostendruck noch größer werden, damit sinnvolle Kooperationen auch verwirklicht werden. n

Die Diskussionsrunde wurde dokumentiert von Falk Schäfer www.pwc.de

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Dr. Sven-Joachim Otto

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