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E. Ausnahmevorschriften

I. Freistellungen nach § 2 KWG

1. Das Konzernprivileg

Das so genannte Konzernprivileg bestimmt in § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG für Bankgeschäfte und in § 2 Abs. 6 Nr. 5 KWG für Finanzdienstleistungen, dass Unternehmen, die ausschließlich mit bzw. für ihre Mutterunternehmen und Tochter- oder Schwesterunternehmen Geschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen, nicht als Institute gelten.719 Hintergrund dieser Regelung ist, dass bei Geschäften innerhalb eines Konzerns kein öffentliches Interesse an der Beaufsichtigung besteht, denn Belange geschäftlich unerfahrener Dritter werden nicht berührt.720

Unternehmen, die das Konzernprivileg für sich in Anspruch nehmen können, sind von der Anwendung des KWG vollständig freigestellt.721 Dies gilt auch für die Genehmigungspflicht nach § 32 KWG.

Ein Unternehmen, dass in den Genuss dieser Privilegierung kommen will, muss drei Voraussetzungen erfüllen: es muss die Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen ausschließlich mit einem bzw. für eines der mit ihm in bestimmter Weise verbundenen Unternehmen tätigen, dieses muss in Bezug auf die Dienstleistung Vertragspartner sein und es muss in der Weise mit ihm verbunden sein, dass es Mutter-, Tochter- oder Schwesterunternehmen im Sinne der Vorschrift ist.

a. Ausschließliches Handeln für konzernverbundene Unternehmen

Ausschließlich für sein Mutter-, Tochter- oder Schwesterunternehmen handelt lediglich ein Unternehmen, das Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen nur für in dieser Weise konzernverbundene Unternehmen tätigt. Erbringt es auch nur ein weiteres Bankgeschäft oder eine weitere Finanzdienstleistung für oder mit einem nicht konzernverbundenen Unternehmen, so unterliegt nicht nur dieses Geschäft der Aufsichtspflicht, sondern seine Geschäfte werden insgesamt

719 ausführlich zum Konzernprivileg: Kollmann, WM 1998, 1569ff.

720 BT-Drs. 13/7142 S. 70 f.; Beck/Samm § 2 KWG Rn. 61; Diese Begründung ist nicht unumstritten, vgl. Zerwas/Hanten, ZBB 2000, 44, 50; Fülbier in:

Boos/Fischer/Schulte/Mattler, § 2 KWG Rn. 22

721 Eine Ausnahme bildet der Katalog der verbotenen Geschäfte nach § 3 KWG

aufsichtspflichtig.722 Ein Energieversorgungsunternehmen beispielsweise, das eine Handelstochter gründet und mit diesem Tochterunternehmen Kaufverträge über Finanzinstrumente abschließt, um die Risiken aus seinen Energielieferverträgen zu minimieren, kann dies aufgrund des Konzernprivileg ohne Erlaubnis der BaFin tun. Vermittelt die Handelstochter aber zusätzlich an ein drittes, nicht konzernverbundenes Unternehmen ein Finanzinstrument, so ist sie verpflichtet, eine Genehmigung nach § 32 KWG zu beantragen. Auch sämtliche mit dem Mutterunternehmen geschlossenen Verträge unterliegen nun der Aufsicht der BaFin, was unter anderem zur Folge hat, dass sie gemäß §§ 10, 10a KWG mit Eigenmitteln unterlegt werden müssen.

b. Die Wahl der Vertragspartner

Das Konzernprivileg begünstigt lediglich Geschäfte, die mit bzw. für Mutter-, Tochter- oder Schwesterunternehmen als Vertragspartner geschlossen werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6 Nr. 5 KWG auf zweiseitige Geschäfte beschränkt, denn gerade die Finanzdienstleistungen aber auch das Finanzkommissionsgeschäft sind wesentlich durch die Beteiligung einer dritten Partei charakterisiert. Entscheidend für die Anwendung des Konzerprivilegs ist, dass die Geschäfte „mit“ bzw. „für“ das verbundene Unternehmen getätigt werden. Betrachtet man lediglich das Finanzkommissionsgeschäft, so erscheint es auf den ersten Blick schwierig, zu entscheiden, ob es das Deckungsgeschäft oder der Kommissionsvertrag ist, auf den sich das Wort „mit“ in § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG bezieht.

Deutlich wird die Regelung jedoch, sobald man als Vergleich die Parallelvorschrift für Finanzdienstleistungen, § 2 Abs. 6 Nr. 5 KWG, heranzieht. Normiert ist dort die Finanzdienstleistung, die „für“ das verbundene Unternehmen erbracht wird, maßgeblich sind also die Vertragparteien der Dienstleistung, nicht die des Deckungsgeschäfts.723 Allgemein lässt sich also formulieren, dass Voraussetzung für die

722 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht im Zusammenhang mit Stromhandelsaktivitäten, Punkt IV.1.

723 vgl. Kollmann, WM 1998, 1569, 1573

Anwendung des Konzernprivilegs ist, dass die verbundenen Unternehmen als Auftraggeber- und Auftragnehmer bzw. Anbieter und Nachfrager der Dienstleistung auftreten.724

Übertragen auf das Finanzkommissionsgeschäft bedeutet dies, dass es sich bei Kommissionär und Kommittent um konzernverbundene Unternehmen handeln muss. Die Finanzinstrumente können also durchaus auch von Dritten bezogen werden. Wenn im oben genannten Beispiel die Handelstochter ein Finanzkommissionsgeschäft tätigt, so kann sie, ohne der Aufsicht zu unterliegen, die Stromderivate von einem Dritten Unternehmen, das nicht dem Konzern angehört, im eigenen Namen erwerben, muss dies aber für die Rechnung des Mutterunternehmens oder eines anderen konzernverbunden Unternehmens tun.725

Wird die Tochter als Eigenhändler im Sinne des § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4 KWG tätig, so ist die Frage, ob sie sich auf das Konzernprivileg berufen kann, nur schwer zu entscheiden, da sie im einen Namen und für eigenen Rechnung tätig wird. Maßgeblich ist bei diesen Geschäften, wer der Auftraggeber ist, in wessen Interesse die Handelstochter also tätig wird.

c. Verbundene Unternehmen im Sinne der Vorschrift

§ 2 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 6 Nr. 5 KWG bestimmt, dass lediglich derjenige sich auf das Konzernprivileg berufen kann, der ausschließlich mit einem Mutterunternehmen und einem Tochter- oder Schwesterunternehmen Bankgeschäfte tätigt bzw. für ein auf diese Weise konzernverbundenes Unternehmen Finanzdienstleistungen erbringt.

Welche Unternehmen hier in Betracht kommen, ergibt sich aus § 1 Abs. 6 und 7 KWG. Mutterunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 6 KWG ist ein Unternehmen, dass Mutterunternehmen im Sinne des § 290 HGB ist, oder das einen beherrschenden Einfluss im Sinne des § 17 AktG ausüben kann.

Dementsprechend ist ein Tochterunternehmen gemäß § 1 Abs. 7 S. 1 KWG ein Unternehmen, das Tochterunternehmen im Sinne des § 290 HGB ist, oder auf das ein beherrschender Einfluss ausgeübt wird.

724 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht im Zusammenhang mit

Stromhandelsaktivitäten, Punkt IV.1.; Beck/Samm, § 2 KWG Rn. 61a; Fülbier in:

Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 2 KWG Rn. 26

725 BaFin, Hinweise zur Erlaubnispflicht im Zusammenhang mit Stromhandelsaktivitäten, Punkt IV.1.; Beck/Samm, § 2 KWG Rn. 61a

Schwesterunternehmen im Sinne der Vorschrift sind Unternehmen, die ein gemeinsames Mutterunternehmen haben, § 1 Abs. 7 S. 2 KWG. Der so umschriebene Konzernbegriff des KWG ist recht weit, er umfasst Elemente sowohl der handelsrechtlichen als auch der aktienrechtlichen Definition.726