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Bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte elektronischer

C. Bedingungen des Stromhandels

IV. Elektronische Handelssysteme

2. Bankaufsichtsrechtliche Gesichtspunkte elektronischer

Unabhängig von einer Einordnung eines ATS als multilaterales System und MTF im Sinne der Richtlinie, kann sich der Betrieb bestimmter, multilateraler wie auch bilateraler Handelssysteme als Tätigkeit eines Instituts im Sinne des § 1 Abs. 1b KWG darstellen, wodurch gegebenenfalls bereits nach derzeitiger Rechtslage eine Erlaubnispflicht gemäß § 32 KWG ausgelöst wird.183 Maßgeblich ist die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Systems. Die folgende Darstellung

178 U.S. Securities and Exchange Commission

179 Ausführlich zum Hintergrund und Inhalt dieser Regulierungsmaßnahme:

Spindler/Hüther, RIW 2002, 649ff.

180 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 21.4.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABl. EG Nr. 145/1

181 gemäß der Legaldefinition des Art. 4 Abs. 1 Nr. 15 MiFID sind MTF „ein von einer Wertpapierfirma oder einem Marktbetreiber betriebenes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von

Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammen führt, die zu einem Vertrag gemäß den Bestimmungen des Titels II führt.“

182 ausführlich dazu Seiz, AG 2004, 497ff.

183 ausführlich zum Verhältnis der börsengesetzlichen Genehmigung zur Erlaubnis nach § 32 KWG: Hammen, WM 2001,929, 932ff.

konzentriert sich daher auf eine Einteilung der ATS anhand der aus bankaufsichtsrechtlicher Sicht maßgeblichen Kriterien. Relevant ist in diesem Zusammenhang vor allem die Unterscheidung danach, wer Vertragspartei wird und wie der Vertragsschluss zustande kommt.184 Die für den Strommarkt relevanten ATS lassen sich einteilen in Inseratsysteme (Bulletin Boards, BB), Elektronische Kommunikationssysteme (Elektronic Communication Networks, ECN) und Proprietäre Transaktionssysteme (Proprietary Transaktion Systems, PTS).185

a. Inseratsysteme

Inseratsysteme sind mit einem elektronischen Schwarzen Brett vergleichbar, sie geben Interessenten die Möglichkeit, Angebote einzustellen. Die Kontaktdaten eines Anbieters können genutzt werden, um außerhalb des Systems in Vertragsverhandlungen mit diesem zu treten.186 Der Vertrag kommt nicht mit dem System, sondern zwischen den Parteien direkt zustande. Zu unterscheiden ist zwischen passiven, teilaktiven und aktiven Bulletin Boards.

Passive Bulletin Boards sind dadurch gekennzeichnet, dass die Parteien das Geschäft ohne Mitwirkung des Systems abschließen.187 Insoweit unterscheidet sich das System nicht von der Anzeige in einer Zeitung oder anderen konventionellen Medien.188 Das Bulletin Board erhöht zwar die Wahrscheinlichkeit eines Geschäftsabschlusse, in dem es den Nutzern eine Vielzahl möglicher Vertragspartner nennt, es fördert aber nicht den Vertragsschluss selbst, da es die Interessenten weder in der Auswahl der Vertragpartner, noch in der Kommunikation über die Vertragbedingungen unterstützt. Die Kontaktdaten möglicher Vertragspartner sind für jeden

184 weitere, hier nicht behandelte Aspekte betreffen die Produktarten, die

Preisbildung, den Zugang zu Clearing Systemen , Vorgaben für Informations- und Wohlverhaltenspflichten etc. vgl. dazu Wastl/Schlitt, WM 2001, 1702ff.; Cohn, ZBB 2002, 365ff.

185 Dornau, Alternative Handelssystem in den USA und in Europa, S. 22f.; Merkt, Gutachten zum 64. Deutschen Juristentag, S. 44; Zenke/Mangelmann, ME 1/2002, 24ff.; Hagena in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten Rn. 1027ff.; Groß, Kapitalmarktrecht, Vorbem. BörsG Rn. 11

186 Spindler, WM 2002, 1325, 1337; Groß, Kapitalmarktrecht, Einführung zum Börsengesetz Rn. 11a

187 Dornau, Alternative Handelssystem in den USA und in Europa, S. 23

188 Puderbach/Zenke in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn. 149

Besucher der Plattform einsehbar, es liegt allein in der Entscheidung der Nutzer, aktiv zu werden und den Kontakt herzustellen.189

Von den passiven Inseratsystemen unterscheiden sich die teilaktiven dadurch, dass sie die Identität der Anbieter nicht von vornherein bekannt geben, sondern diese zunächst anonym bleiben.190 Die Kontaktdaten sind nicht unmittelbar auf der Internetseite veröffentlicht, sondern werden von dem System verwaltet und müssen von diesem erfragt werden.191 Der Kontakt kommt also nur mit Hilfe des Systems zustande. Verhandlung und Geschäftsabschluss erfolgen dann jedoch außerhalb des Systems.192 In aktiven Inseratsystemen kommt das Geschäft im System zustande, dieses ersetzt die Willenserklärungen der Parteien.193 Aktive Inseratsysteme werden auch als Hit-and-Take Systeme bezeichnet.194 Die unmittelbare Annahme eines Angebots setzt voraus, dass dieses klar definierte Bedingungen enthält. Aktive Bulletin Boards eignen sich aus diesem Grund vor allem für den Ver- und Ankauf von standardisierten Produkten.195 Um Angebote einzustellen oder diese anzunehmen, muss sich der Kunde zuvor im System registrieren lassen.196

b. Elektronische Kommunikationssysteme

Im Bereich des Wertpapierhandels ermöglichen ECN nach deutschem Verständnis197 den Handel zwischen einem Emissionshaus und Finanzintermediären.198 Das System vermittelt also nicht Angebot und Nachfrage zwischen verschiedenen Teilnehmern, sondern die Geschäfte

189 Spindler, WM 2002, 1325, 1337

190 Spindler, WM 2002, 1325, 1337

191 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 23

192 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 23;

Zenke/Mangelmann, ME 1/2002, 24, 25

193 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 23

194 Spindler, WM 2002, 1325, 1327

195 vgl. Börsensachverständigenkommission S. 6

196 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 23

197 Im amerikanischen Sprachgebrauch bezeichnen ECN Handelssysteme, die den Proprietären Transaktionssystemen nach deutschem Verständnis entsprechen, vgl.

Merkt, Gutachten zum 64. Deutschen Juristentag, S. 44; Groß, Kapitalmarktrecht , Vorbem. BörsG Rn. 11a; zur amerikanischen Regelung siehe Spindler/Hüther RIW 2002, 661, 654

198 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 23; die Börsensachverständigenkommission bezeichnet die ECN als

„Kontrahentensysteme“, vgl. Börsensachverständigenkommission, Empfehlungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme, S. 6

kommen immer mit demselben Vertragspartner zustande.199 Im Energiemarkt liegt der Schwerpunkt des Handels durch ECN derzeit auf Geschäften zwischen den Handelsabteilungen großer Energieversorgungsunternehmen einerseits und Unternehmen, die über keine ausgeprägte eigene Energiehandelskompetenz verfügen, andererseits.200

ECN sind dadurch gekennzeichnet, dass sämtliche an dem System beteiligte Parteien, also Teilnehmer, Emittent(en) und Systembetreiber, untereinander durch Rahmenverträge verbunden sind. Die Rahmenverträge, die der Systembetreiber mit dem Kunden bzw.

Emittenten abschließt, regeln die Teilnahmebedingungen des Systems, wie beispielsweise den Systemzugang, die Wartung und Handhabung des Systems und die Höhe der Entgelte.201 Die zwischen den Teilnehmern abgeschlossenen Rahmenverträge regeln die Modalitäten des Geschäftsabschlusses.

Neben den Rahmenverträgen sind Verträge über konkrete Geschäftsabschlüsse erforderlich. Diese kommen zwischen den Teilnehmern und dem Emissionshaus zustande. Das ECN selbst wird nicht Vertragspartner, sondern stellt lediglich die Möglichkeiten für eine auf den konkreten Vertragsabschluss abzielende Kommunikation zwischen den Teilnehmern und dem Emissionshaus zur Verfügung.202

Aus aufsichtsrechtlicher Sicht sind zwei Arten der ECN zu unterscheiden:

Die Systeme, die sich darauf beschränken, die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu ermöglichen (Grundfunktion) und diejenigen, bei denen die Annahme des konkreten Geschäfts durch das System selbst erfolgt (erweiterte Funktion).203

In der Grundfunktion des Systems werden die zum konkreten Geschäftsabschluss führenden Willenserklärungen direkt von den Händlern

199 Börsensachverständigenkommission, Empfehlungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme, S. 6; Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 26; Merkt, Gutachten zum 64. Deutschen Juristentag, S. 44 (Fußnote 144) Groß, Kapitalmarktrecht, Vorbem. BörsG Rn. 11a; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 17.118, 17.121

200 Seiferth/Kirstein/Limberg, ME 2002, 24, 25

201 Puderbach/Zenke, in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn 161

202 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 23;

Puderbach/Zenke, in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn 161

203 Puderbach/Zenke in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn 163f.;

vgl. auch Zenke/Mangelmann, ME 2002, 24, 26

des Emittenten abgegeben.204 Das System übernimmt lediglich eine Botenfunktion und übermittelt und protokolliert die zum Vertragsschluss führenden Schritte: invitatio ad offerendum, Angebot, Bestätigung.205 Wird das ECN in seiner erweiterten Funktion betrieben, so gibt das System die zum Vertragsschluss führende Willenserklärung ab, es wird also in offener Stellvertretung für den Emittenten tätig.206

c. Proprietäre Transaktionssysteme

Im Unterschied zu den elektronischen Kommunikationssystemen sind die Teilnehmer einer proprietären Handelsplattform nicht durch Rahmenverträge miteinander verbunden, die Vertragspartner bleiben vielmehr anonym. PTS stellen eine technische Plattform zur Verfügung, die es einer Vielzahl von Beteiligten ermöglicht, nach zuvor festgelegten Regeln zu handeln.207 Das System führt dabei Angebot und Nachfrage unmittelbar, d.h. im System, zum Ausgleich („Matching“).208 Zu unterscheiden ist zwischen Systemen mit reiner Matchingfunktion, in denen das Geschäft zwar nur mit Hilfe des Systems zustande kommt, die Parteien aber die zum Vertragsschluss führenden Willenserklärungen selbst abgeben, und Systemen, in denen der Systembetreiber als zentraler Counterpart auftritt.209

204 Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 26

205 Puderbach/Zenke in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn 163;

Zenke/Mangelmann, ME 2002, 24, 26

206 Puderbach/Zenke in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn 165;

Zenke/Mangelmann, ME 2002, 24, 26

207 Börsensachverständigenkommission, Empfehlungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme, S. 4; Dornau, Alternative Handelssysteme in den USA und in Europa, S. 24; Zur Entwicklung von PTS vgl. Schwark, WM 1997, 293, 299f.

208 vgl. Börsensachverständigenkommission, Empfehlungen zur Regulierung alternativer Handelssysteme, S. 4f.; Spindler, WM 2002, 1325, 1327

209 Puderbach/Zenke in: Zenke/Ellwanger, Handel mit Energiederivaten, Rn. 170

2. Teil: Rechtliche Grundlagen der Aufsicht