• Keine Ergebnisse gefunden

B. Zielsetzungen des KWG

II. Anlegerschutz

Neben dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes gehört der Gläubigerschutz zu den Hauptzwecken des KWG.256 Im Rahmen des Gläubigerschutzes ist zwischen dem Schutz des individuellen Anlegers und dem Schutz der Anleger in ihrer Gesamtheit zu unterscheiden.

Traditionell wurde in der Literatur die Ansicht vertreten, das KWG schütze die Gläubiger lediglich in ihrer Gesamtheit und diene damit dem Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft, nicht aber dem Schutz der einzelnen Gläubiger oder etwa dem Verbraucherschutz.257 Gläubigerschutz und Funktionsschutz bedingten sich

251 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.395

252 Fischer in: Schimansky/Bunte/Lwowski, 125 Rn. 9; Burghof/Rudolph, Bankenaufsicht, S. 4

253 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.396

254 Fischer in: Schimansky/Bunte/Lwowsky, Bankrechtshandbuch, § 125 Rn. 9

255 ausführlich dazu: Born in: Bankengeschichte, S. 97ff.

256 BVerfG 14, 197, 198; BGH WM 1979, 482ff.; BGH WM 1979, 934ff.

257 Fülbier in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, § 6 KWG Rn. 2; vgl. auch

Szagunn/Haug/Ergenzinger, § 6 KWG Rn. 13; Bähre/Schneider, KWG, § 6 KWG

gegenseitig, so dass sie als zwei Seiten einer Medaille begriffen werden könnten.258 Diese Ansicht wurde auch von der Rechtsprechung geteilt.259

1. Die „Wetterstein“ und „Herstatt“ Rechtsprechung des BGH

Abweichend hiervon bejahte der BGH 1979 in zwei Urteilen einen individuellen Anlegerschutz und billigte den Anlegern Amtshaftungsansprüche zu.260 Der BGH begründete seine Ansicht damit, dass sowohl nach dem Wortlaut als auch nach der Entstehungsgeschichte des KWG der Gläubigerschutz selbständig neben dem Funktionsschutz stehe.261 Einzelnen Normen des KWG, wie beispielsweise § 6 Abs. 1 i.V.m.

§ 10 Abs. 1, § 35 Abs. 2 Nr. 4 und 46 KWG komme daher eine drittschützende Wirkung zu.262 Die einlegerschützende Zweckbestimmung könne auch nicht mit der Erwägung verneint werden, der Staat wolle und könne mit den Mitteln seiner Bankenaufsicht dem einzelnen Bankkunden nicht die „Garantie“ für das ordnungsgemäße Geschäftsgebaren der aus freiem Entschluss gewählten Bank übernehmen, da dazu die im Gesetz vorgesehenen Kontrollmaßnahmen und Eingriffsmöglichkeiten nicht ausreichten, denn der Einleger dürfe erwarten, dass die vom Gesetz bereitgestellten Aufsichtmittel trotzt ihrer begrenzten Reichweite in Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe ermessensfehlerfrei gebraucht werden.263 Eine andere Auslegung entspräche schon im Grundsatz nicht mehr dem heutigen Verständnis des individuellen Rechtsgüterschutzes durch die Polizei- und Ordnungsbehörden, zu denen auch die staatliche Bankenaufsicht als Teil der Gewerbeaufsicht zu rechnen sei.264

2. Gegenansicht der Literatur

Anm. 4; Reischauer-Kleinhans, § 6 KWG 1, 17ff.; Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 249; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht Rn. 8.419

258 Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 249

259 OLG Bremen, NJW 1953, 585f; OLG Hamburg, BB 1957, 950; OLG Köln, NJW 1977, 2213ff (Herstatt)

260 BGH Urteil vom 15.02.1979 („Wetterstein“); WM 1979, 482ff.; BGH Urteil vom 12.7.1979 („Herstatt“), WM 1979, 934ff.

261 BGH, WM 1979, 482, 483

262 BGH, WM 1979,482, 483, 485

263 BGH, WM 1979, 482, 483

264 BGH, WM 1979, 934, 934

Gegen die Urteile des BGH wurde vor allem eingewendet, ein individueller Anlegerschutz sei mit dem Grundgedanken des KWG nicht vereinbar, denn Ziel des Gesetzes sei lediglich ein Insolvenzschutz, jedoch keine Existenzgarantie für einzelne Kreditinstitute.265 Dies ergäbe sich sowohl aus dem Wortlaut, als auch aus den Motiven und der Entstehungsgeschichte des KWG.266 Die Rechtsprechung des BGH würde in ihrer Konsequenz eine solche Ausuferung der Aufsichtstätigkeit zur Folge haben, dass dies mit der Betätigungsfreiheit der Kreditinstitute in einem marktwirtschaftlichen System nicht vereinbar wäre.267 Sie laufe in letzter Konsequenz auf eine Staatsgarantie für Bankeinlagen hinaus und sei daher mit dem Wettbewerbsgedanken der freien Marktwirtschaft unvereinbar.268 Auch die vom BGH praktizierte Herleitung des individuellen Anlegerschutzes aus dem gewerbepolizeilichen Charakter des KWG und dem modernen Verständnis polizeilicher Schutzpflichten sei unzulässig, denn sie beachte die eigenständigen Zielsetzungen des KWG als spezielles Gesetz der Wirtschaftsaufsicht nicht.269 Das KWG enthalte berichtigende, beschränkende, wettbewerbsregelnde und sanktionierende Vorschriften, die es über die polizeiliche Gefahrenabwehr hinaushebe und es als Regulierung eines Sektors der Volkswirtschaft erscheinen lasse.270

3. Die Reaktion des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber reagierte auf die Urteile des BGH mit der Regelung des § 6 Abs. 3 a.F. KWG (nun § 4 Abs. 4 FinDAG), wonach die Aufsichtsbehörde ihre Tätigkeit ausschließlich im öffentlichen Interesse ausübt. Hierbei handele es sich nicht um eine Gesetzesänderung, sondern der Schutzzweck des KWG werde mit dieser Regelung lediglich verdeutlicht.271 Die Klarstellung erfolgte vor allem, um Amtshaftungsansprüche, die, wie man meinte, zu einer Ausuferung der staatlichen Haftung führen würden, zu vermeiden.272

265 Möschel, Wirtschaftsrecht der Banken, S. 249; Starke, WM 1979, 1402, 1409

266 Püttner, JZ 1982, 47, 49; kritisch auch Schwark, JZ 1979, 670, 673

267 Starke, WM 1979, 1402, 1409; Püttner, JZ 1982, 47, 49

268 Püttner, JZ 1982, 47, 49

269 Starke, WM 1979, 1402, 14011

270 Schwark, JZ 1979, 670 674

271 BT-Drs. 10/1441, S. 20

272 BT-Drs. 10/1441, S. 20

4. Heutige Rechtslage

Der Wille des Gesetzgebers, Staatshaftungsansprüche von Bankengläubigern auszuschließen, ergibt sich eindeutig aus der Entstehungsgeschichte, der Gesetzesbegründung und dem Wortlaut des § 4 Abs. 4 FinDAG. Den bankenaufsichtsrechtlichen Normen des KWG kommt damit keine drittschützende Wirkung zu, sie schützten die Anleger lediglich in ihrer Gesamtheit, nicht auch individuell.

Gegen die Norm des § 4 Abs. 4 FindDAG werden jedoch verfassungsrechtliche273 und insbesondere europarechtliche274 Bedenken vorgetragen. Der EuGH hat im Zusammenhang mit letzteren in einem Urteil aus dem Jahr 2004 festgestellt, dass die Regelung des § 4 Abs. 4 FinDAG mit bestimmten, grundlegenden Richtlinien zur Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts vereinbar ist.275

Der BGH legte mit Beschluss vom 16.05.2002 dem EuGH unter anderem folgende Frage im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens, Art. 234 EG, vor: „Verleihen die nachfolgend aufgeführten Bestimmungen276 von Richtlinien zur Harmonisierung des Rechts der Bankenaufsicht – einzeln, im Zusammenhang und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an – dem Sparer und Anleger Rechte in dem Sinne, dass die zuständigen Behörden des der Mitgliedstaaten Aufsichtsmaßnahmen, die ihnen durch diese

273 Eine ausführliche Darstellung findet sich bei Habscheid, Staatshaftung für fehlsame Bankenaufsicht, S. 119ff.

274 Schenke/Ruthig, NJW 1994, 2324, 2326

275 EuGH, Urteil vom 14.10.2004, RS C-222/02 (Paul u.a.)

276 genannt werden die Erste Richtlinie 77/780/EWG des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die

Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute, Art. 6 Abs. 1, Begründungserwägungen 4 und 12; die Richtlinie 89/299/EWG des Rates vom 17.04.1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, ABl. EG Nr. L 124/16 vom 5.5.1989, Art. 7 i.V.m. Art. 2 bis 6; die Zweite Richtlinie 89/646/EWG des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und

Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG, ABl. EG Nr. L 386/1, Art. 3, Art. 4-7, Art. 10 bis 17, Begründungserwägung 11; Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 zur Änderung der Richtlinien 77/780/EWG und 89/646/EWG betreffend Kreditinstitute, der Richtlinien 73/239/EWG und 92/49/EWG betreffend Schadenversicherungen, der Richtlinien 79/267/EWG und 92/96/EWG betreffend Lebensversicherungen, der Richtlinie 93/22/EWG betreffend Wertpapierfirmen sowie der Richtlinie 85/611/EWG betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) zwecks verstärkter Beaufsichtigung dieser Finanzunternehmen, Abl. EG Nr. L 168/7, Begründungserwägung 15

Richtlinien aufgegeben sind, im Interesse dieses Personenkreises wahrzunehmen und bei einem Fehlverhalten hierfür zu haften haben ...?“277 Der EuGH hat über die Vorlagefrage am 14.12.1004 dahingehend entschieden, dass die Richtlinienbestimmungen, die Gegenstand der Vorlagefrage waren, einer nationalen Vorschrift nicht entgegen stehen, nach der die nationale Behörde zur Aufsicht über die Kreditinstitute ihre Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.278

277 BGH, WM 2002, 1266

278 EuGH, Urteil vom 14.10.2004, RS C-222/02 (Paul u.a.)

3. Teil: Reichweite der Erlaubnispflicht

Das BAKred hat in einer Pressemitteilung vom 26. September 2000 alle Unternehmen, die beabsichtigen, börslich oder außerbörslich Stromterminkontrakte zu vermitteln, sowie alle Unternehmen, die an der Strombörse im Wege des Eigenhandels oder des Finanzkommissionsgeschäfts Stromterminkontrakte handeln wollen, aufgefordert, rechtzeitig die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis für diese Geschäfte zu beantragen.279

Der Genehmigungstatbestand des § 32 KWG ist als repressives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausgestaltet. Sämtliche Tätigkeiten, die in den Anwendungsbereich des § 32 KWG fallen, sind daher grundsätzlich verboten, es sei denn, sie werden von der Bundesanstalt ausdrücklich erlaubt. Werden Bankgeschäfte getätigt oder Finanzdienstleistungen betrieben, ohne dass die erforderliche Erlaubnis vorliegt, so macht sich das betreffende Unternehmen strafbar, vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 KWG.

Tätigkeiten im Zusammenhang mit Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen dagegen, die nicht unter den Tatbestand des § 32 KWG fallen, unterliegen lediglich der allgemeinen Gewebeaufsicht nach den Vorgaben der GewO.280

Im Hinblick auf die Strafbewährung des § 54 KWG sowie die erheblichen Anforderungen, die das Aufsichtsrecht an Institute im Sinne des § 1b KWG stellt, kommt der Frage, welche Tätigkeiten von der Erlaubnispflicht des § 32 KWG erfasst werden, wesentliche Bedeutung zu. Im vorliegenden Zusammenhang sind dies all diejenigen Geschäfte, die ein Unternehmen im Inland (Punkt A) gewerblich oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (Punkt B), tätigt und die als auf Energiederivate (Punkt C) bezogene Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen (Punkt D) zu qualifizieren sind. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Voraussetzungen eines Ausnahmetatbestands erfüllt sind (Punkt E).

279 BAKred, Pressemitteilung vom 26.09.2000

280 vgl. z.B. derzeit Eigengeschäfte, § 1 Abs. 3 Nr. 5 KWG sowie Anlageberatung, § 1 Abs. 3 Nr. 6 KWG, bezüglich letzterer ist allerdings mit Umsetzung der MiFID eine Gesetzesänderung zu erwarten, siehe dazu unten Punkt 3. Teil D.VI.