• Keine Ergebnisse gefunden

4. Die Entstehung der Biodiversitäts-Konvention

4.3 Kontext und Akteure

Die Verortung der Interessen der Verhandlungsteilnehmer im Problemfeld Schutz biologischer Vielfalt gibt Einblick in die Bedingungen der Entscheidungsfindung in komplexen internationalen Konflikten. Die Konstellation der direkt und indirekt beteiligten Akteure in den Verhandlungsrunden ergab sich zunächst aus der Resolution 16/ 42 des UNEP-Verwaltungsrates, mit der das INC bestellt wurde. Wichtigste Akteure in den Verhandlungen für das Übereinkommen über die biologische Vielfalt waren demnach die Staaten bzw. Staatengruppen bzw. -Zusammenschlüsse wie die OECD, die ASEAN oder die EU, da sie allein die Entscheidungen über die angestrebte Vereinbarung treffen konnten. Neben den Staaten waren allerdings auch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Unterorgane der Vereinten Nationen sowie Repräsentanten des Vorbereitungsausschusses der UNCED-Konferenz an den Verhandlungen beteiligt. In ihrer Funktion als ’’kritische Beobachter” haben sie, wenn nicht direkt, so doch indirekt zur Entscheidungsfindung beigetragen. Einzelne internationale Organisationen, wie insbesondere die C o n su lta tive G ro u p on A g ric u ltu ra l R e sea rc h (CGIAR), ein weltweiter Verband von 18 Agrarforschungsinstituten, waren an den Verhandlungen besonders interessiert, da das Ergebnis entscheidende Auswirkungen auf ihre Arbeit haben konnte.

51

UNEP hatte als beaufsichtigendes Organ ebenfalls die Möglichkeit, auf den Verhandlungsprozeß Einfluß zu nehmen. In diesem Zusammenhang ist auch die Rolle von dessen Exekutivdirektor Mostafa K. Tolba besonders zu erwähnen, der die Schirmherrschaft übernommen hatte. Weiterhin wichtig als indirekt beteiligte Akteure, können die Vorsitzenden des INC und der zwei Unterarbeitsgruppen (W G I u. WG II) gelten. Die Vorstandsmitglieder hatten insofern besondere Einflußmöglichkeiten, als daß sie nicht nur die Verhandlungen leiteten, sondern auch zusätzlich notwendige Treffen einberufen und generell als Vermittler auftreten konnten. In den Stellungnahmen der Staatenvertreter im letzten INC-Bericht kommt mehrfach zum Ausdruck, wie wichtig die Führung der Verhandlungen war. Bei der Bestimmung der Vorstände ist sorgfältig auf eine ausgewogene geographische Verteilung der Posten geachtet worden, wie es inzwischen bei UN-Verhandlungen üblich ist. Der Botschafter Chiles in Kenia, Vincente Sanchez, hatte den Vorsitz im INC. Die WG I wurde von Joseph Muliro (Kenia) und dem stellvertretenden Vorsitzenden Pavel Suian (Rumänien) geleitet; den Vorsitz in der WG II hatte Veit Koester (Dänemark), stellvertretender Vorsitzender war A. Vaish (Indien).

Das INC stand allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen und ihren Sonderorganisationen offen; 101 Staaten nahmen diese Möglichkeit wahr, was als eine ausgesprochen hohe Repräsentanz gelten kann.

Inhaltlich bestand von Beginn der Verhandlungen an eine Polarisierung zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern, was auch der Text der Konvention selbst widerspiegelt (siehe Anhang). Diese polarisierte Akteurskonstellation ergab sich zunächst quasi natürlich aus der geologischen Ungleichverteilung der biologischen Vielfalt und wurde verstärkt durch die Verknüpfung des Themas Artenschutz mit handeis- und technologiepolitischen Fragen.

Die Analyse der Konflikte und des letztendlich erreichten Interessenausgleichs konzentriert sich im fogenden im wesentlichen auf diese zwei Hauptakteursgruppen, die Industrie- und die Entwicklungsländer. Die Entscheidung für diese vereinfachende Analysekonstellation ist zum einen dadurch gerechtfertigt, daß eine detailliertere Analyse der Interessen vieler der beteiligten Staaten den Rahmen dieser Darstellung überschreiten würde und beruht zum anderen darauf, daß in den Verhandlungen ein gewisses ‘Blockverhalten’ der staatlichen Akteure festzustellen war. Von den 101 Staaten, deren Vertreter im INC zusammentrafen, galten 77 als Entwicklungsländer, die in gesonderten Treffen ihre Position abstimmten. Auch außerhalb des engeren

Verhandlungsrahmens der Biodiversitäts-Konvention gab es in Hinblick auf die besvorstehende UNCED-Konferenz Absprachen der Entwicklungsländer, die sich erwartungsgemäß auch auf deren Position in den Verhandlungen über den Schutz der biologischen Vielfalt auswirkten. So lud Malaysias Umweltminister zum Beispiel im April 1992 zu einer Ministerkonferenz über Umwelt und Entwicklung nach Kuala Lumpur ein. Teilnehmer aus 53 Entwicklungsländern formulierten bei diesem Treffen ihre Strategie für die Rio-Konferenz in einem gemeinsamen Komunique. Hierin zeigen die Länder des Südens ihre Bereitschaft, den Konflikt mit den Industrieländern über eine globale Strategie zum Schutz der Umwelt durch Kompromisse zu entschärfen. In den Fragen, die ihre souveränen Rechte betreffen, wollten sie allerdings unnachgiebig bleiben.

Acht Anrainerstaaten der Amazonas-Regenwaldregion stimmten bei einer Zusammenkunft in Manaus ebenfalls eine gemeinsame Argumentationslinie für die UNCED-Konferenz ab. In der ‘Charta de Manaus’ einigten sich Regierungsvertreter aus Brasilien, Bolivien, Guyana, Kolumbien, Ecuador, Surinam, Peru und Venezuela darauf, stärkere Umweltschutzanstrengungen von finanzieller und technologischer Unterstützung aus dem Norden abhängig zu machen. Die acht Anrainer versprachen zwar, Amazonien entsprechend seiner Bedeutung als größtes zusammenhängendes Regenwaldgebiet der Erde zu erhalten, gaben aber auch ihrer Entschlossenheit Ausdruck, die dortigen natürlichen Ressourcen aktiv zu nutzen.

Die industrialisierten Länder des Nordens haben ebenfalls gemeinsame Ziele und Strategien in den Verhandlungen verfolgt, was sich insbesondere bei der Regelung des Technologietransfers im Zusammenhang mit Patentrechtsfragen zeigte.

Als Staatengruppe mit teilweise gechlossener Position kann man die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und die mittel- und osteuropäischen Staaten betrachten. Diese Ländergruppe vertrat eine relativ geschlossene Interessenposition in den Fragen des F inanzi erungsmechanismus.

Erwartungsgemäß waren die Länder innerhalb der zwei Hauptakteursgruppen bezüglich ihrer Interessen nicht homogen. So gab es z.B. einige Entwicklungsländer, die besonders insistierend die Anerkennung der Souveränität über ihre biologische Vielfalt forderten, wie etwa Brasilien oder Malaysia. In der Gruppe der Industrieländer nahmen z.B. die USA eine Sonderrolle ein, indem sie auf die besondere Berücksichtigung geistiger Eigentumsrechte beharrten und das endgültige

53

Übereinkommen schließlich aufgrund dieses Punktes, den sie vernachlässigt sahen, in Rio de Janeiro nicht unterzeichneten.84