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Das Verhandlungsergebnis

4. Die Entstehung der Biodiversitäts-Konvention

4.5 Das Verhandlungsergebnis

Da der Regelungsinhalt des Übereinkommens und die Verankerung institutioneller Mechanismen im fünften Kapitel dargelegt werden sollen, sei hier nur kurz das Ergebnis der Verhandlungen als Kompromis zwischen den Hauptakteursgruppen vorangestellt. Nach elftägiger, abschließender Verhandlungsrunde in Nairobi wurde am 22. Mai 1992 der endgültige Text des Übereinkommens über die biologische Vielfalt verabschiedet. Gleichzeitig nahm das INC vier Resolutionen an: Resolution 1 und 2 beziehen sich auf die Finanzierungsweise und die internationale Zusammenarbeit für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens, Resolution greift das Verhältnis der Konvention zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft auf und Resolution 4 dient schließlich der Anerkennung der Gastfreundschaft Kenias während der Verhandlungen.

Ab dem 5. Juni 1992 lag die Konvention bei der Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) zur Unterzeichnung auf und wurde von 156 Staaten und der Europäischen Gemeinschaft signiert. Der Entschluß der USA, die Konvention zunächst nicht mitzutragen,102 sorgte für einiges Aufsehen, hatte sich doch die amerikanische Regierung in den Verhandlungen zunächst als ‘Wortführer’ der Industrieländer dargestellt.103

101Nairobi Final Act of the Conference for the Agreed Adoption, NA.92-8314, Nairobi, 1992, S.15.

102Eine eingehende politikwissenschaftliche Untersuchung der Haltung der Bush-Administration in Bezug auf das Übereinkommen über die biologische Vielfalt hat Kristin Rosendal vorgehommen. Vgl.: Kristin Rosendal:

Implications of the US ‘No’ in Rio. In: Vincente Sanchez/ Calestous Juma: a.a.O., S. 87-103.

103Unter der Clinton-Regierung unterzeichneten die USA die Konvention schließlich im Juni 1993 und ratifizierten sie im Dezember 1993. Gleichzeitig wurde eine interpretierende Stellungnahme (interpretative Statement) abgegeben, welche die Bedenken der USA bezüglich der Bestimmungen der Konvention über die Rechte geistigen Eigentums, den Technologietransfer und den Finanzierungsmechanismus offenlegt. Vgl.: US- Department of State Dispatch: Ratification Sought for the Convention on Biological Diversity. Statement before the Senate on Foreign Relations Committee, Washington, DC, April 12, 1994. Published by the Bureau of Public Affairs, Volume 5, Number 16, 18. April. 1994.

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Der umfassende Ansatz des Übereinkommens kommt in der Präambel zum Ausdruck.

Dort wird interessanterweise bereits im ersten Absatz der intrinsische Wert biologischer Vielfalt hervorgehoben. Neben diesem Eigenwert wird der Nutzen der Biodiversität in ökologischer, genetischer, sozialer, wirtschaftlicher, wissenschaftlicher erzieherischer, kultureller und ästhetischer Hinsicht sowie ihre Erholungsfunktion betont. In Anbetracht all dieser Gründe wird der Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer Bestandteile zum gemeinsamen Anliegen der Menschheit (‘common concern of humankind’) erklärt.104 Damit hegt der Schutz der biologischen Vielfalt der Erde ausdrücklich in der Verantwortung nicht nur der immittelbar vom Artensterben betroffenen, sondern aller Staaten.

Die intensiv geführte Auseinandersetzung, ob hier ‘common concern’ oder das moralisch höher stehende Prinzip der ‘common heritage’ stehen sollte, wurde in diesem Fall zugunsten der schwächeren Position entschieden. Die Entwicklungsländer sahen darin jedoch die Chance, aufgrund der im Rahmen des common concem- Prinzips möglich gewordenen Eigentumsrechte die Ausbeutung der genetischen Ressourcen zu regulieren, für fremde Nutzung entschädigt zu werden und letztlich auch den Schutz der biologischen Vielfalt besser regulieren zu können. Erschreckend ist in diesem Konflikt einerseits die klare Priorität aller Beteiligten, die wirtschaftliche Nutzung vor den Schutz zu stellen und andererseits die Arroganz, mit der (implizit) die mögliche Etablierung eines auf das ‘common heritage’-Prinzips gegründeten und damit dem Gedanken der Allemende verpflichteten Regimes für nicht realisierbar erklärt wurde.

Der erreichte Kompromiß zwischen den Hauptakteursgruppen kommt in Artikel 1 über die Ziele zum Ausdruck. Das Übereinkommen verfolgt im wesentlichen drei Ziele:

-die Erhaltung der biologischen Vielfalt,

-die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und

-die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile.

Um diese Ziele zu erreichen, einigten sich die Vertragsparteien auf handlungsleitende Prinzipien:

104Zum Konzept des common concern of humankind vgl. insbes.: Frank Biermann: Saving the Atmosphere.

International Law, Developing Countries and Air Pollution. Frankfurt a.M., 1995, S. 13-15.

-den angemessenen Zugang zu den genetischen Ressourcen,

-die angemessene Weitergabe von einschlägigen Technologien sowie -eine angemessene Finanzierung.

Der Vertragstext besteht aus zwei inhaltlich verschiedenen Teilen, hn ersten Teil geht es um die Fragen des Schutzes biologischer Vielfalt, um die Regelung des Zugangs zu den genetischen Ressourcen, um den Technologietransfer und den Finanzierungsmechanismus (Art. 1-27). Im zweiten Teil werden die institutionellen Strukturen für für die künftige Arbeit der Konvention geklärt (Art.23-42).

Bestehende naturschutzpolitische Abkommen, von denen einige in Kapitel 3.2 behandelt wurden, bleiben von der Konvention unberührt. Art. 22 schränkt dies allerdings dahingehend ein, daß die Wahrnehmung der Rechte aus den bestehenden Abkommen die biologische Vielfalt nicht ernsthaft schädigen oder bedrohen darf.

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt versucht der in den letzten Jahren entstandenen komplexen Problem- und Interessenstruktur, in der ökonomische und ökologische Aspekte eng miteinander verbunden sind, gerecht zu werden. Insofern ist es nicht verwunderlich, daß das Übereinkommen ‘nur’ einen allgemeinen Rahmen absteckt. Die entscheidende Ebene ist diejenige der diesen Rahmen ausfüllenden Protokolle und Anlagen sowie konkreter zwischenstaatlicher Abkommen. Die Einigung der Staaten auf dieser Ebene ist durch den vorangegangenen Prozeß der Konventionsentstehung leichter und schneller möglich. Insgesamt kann diese Kombination, die u.a. von Benedick auf dem Feld des internationalen Klimaschutzes entwickelt worden war, auch hier konstruktiv genutzt werden.

hn folgenden Kapitel wird das Regime für den Erhalt der biologischen Vielfalt unter zwei Aspekten vorgestellt: Zunächst geht es um den Regelungsinhalt der Konvention, also um die konkreten Verpflichtungen der Vertragsparteien. Daran anschließend richtet sich der Blick auf die Arbeitsweise der Konvention, wobei die Wichtigkeit der Protokoll-Ebene nocheinmal deutlich wird.

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