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Der Prozeß innerhalb der IUCN

4. Die Entstehung der Biodiversitäts-Konvention

4.1 Erste Initiativen

4.1.1 Der Prozeß innerhalb der IUCN

Die IUCN (damals noch IUPN)74 wurde im Jahr 1948, in Folge einer von der UNESCO und der französischen Regierung organisierten internationalen Naturschutzkonferenz in Fontainebleau gegründet. Zu diesem frühen Zeitpunkt diskutierte man bereits über die Möglichkeiten eines globalen Naturschutzvertrages.

Die Diskussion setzte sich ein Jahr später bei der U N E S C O / IU P N In tern a tio n a l Technical C o n feren ce o n N a tu re P rotection in Lake Success, USA, fort, jedoch äußerten viele teilnehmende Delegationen die Befürchtung, daß ein globales Artenschutzabkommen an der Fülle unterschiedlicher Probleme in den verschiedenen Regionen der Erde und an der unterschiedlichen Gesetzgebung in den einzelnen Ländern scheitern müsse. Tenor der Konferenz war eher eine Fortführung des bestehenden naturschutzpolitischen Ansatzes, den Artenschutz auf regional oder sektoral begrenzte Verträge zu stützen. Die IUCN wurde zwar aufgefordert, an einem Konzept für ein globales Artenschutzabkommen zu arbeiten, allerdings wurde kein konkreter Auftrag gegeben und kein fester Zeitpunkt für die Umsetzung eines solchen Konzeptes ins Auge gefaßt.

Die IUCN gilt als eine Nichtregierungsorganisation (N o n -G o v em m e n ta l O rganization,

NGO), allerdings zählt sie neben verschiedenen Naturschutzinitiativen auch Staaten zu ihren Mitgliedern. Mit inzwischen (1994) rund 770 Mitgliedern aus 126 Ländern ist die IUCN, verglichen mit anderen Nichtregierungsorganisationen sehr groß und wird deswegen auch oft als Q u a si N o n G o vernm ental-O rganization ('Quango') bezeichnet.75 76 Obwohl sie selbst weder Mitglied des Systems der Vereinten Nationen, noch des

In tern a tio n a l C o u n cil o f S cien tific U nions16 ist, hält die IUCN enge Kontakte mit

74Die IUCN hieß von ihrer Gründung im Jahr 1948 bis zum Jahr 1956 noch International Union fo r the Protection o f Nature, IUPN.

75Vgl. Hierzu: Anatole F. K räftiger u.a. (Hrsg.): Widening Perspectives on Biodiversity. IUCN, Gland &

International Academy for the Environment, Geneva, 1994.

76Der International Council on Scientific Unions (ICSU) löste 1931 den International Research Council ab.

Dieser war während internationaler Konferenzen der Wissenschaftlergemeinde in Paris, 1918, und in Brüssel,

beiden Organisationen sowie mit einigen UN-Sonderorganisationen und regionalen Wirtschaftsorganisationen, einschließlich der Europäischen Union oder der

O rg a n itza tio n o f A fric a n U nity (OAU). Das übergeordnete Ziel der IUCN besteht - kurz gesagt - darin, den Schutz der Biosphäre zu fordern. Ihre besondere Aufmerksamkeit richtet sie dabei auf die qualitativ wie quantitativ negative Veränderung der natürlichen Lebensgrundlagen und die davon ausgehende Bedrohung für empfindliche Arten und Ökosysteme. So fördert die IUCN die Einrichtung von Nationalparks und Schutzgebieten, welche neben ihrer vorrangigen Zweckbestimmung, bedrohte Fauna und Flora zu schützen auch Erholungsgebiete für Besucher sind, deren Umweltbewußtsein schulen sollen und Raum für (umweit-) wissenschaftliche Arbeit bieten.

Als Nichtregierungsorganisation kann die IUCN oft schneller und zielgerichteter operieren als internationale Regierungsorganisationen. Die IUCN operiert über einen geschäftsführenden Ausschuß, ein Sekretariat und sechs Kommissionen, in denen über 5000 Experten an verschiedenen Themen auf dem Gebiet des Naturschutzes arbeiten.

Alle drei Jahre trifft sich die Generalversammlung der IUCN, um die Aktivitäten in den verschiedenen Bereichen abzustimmen und Aktionsprioritäten zu identifizieren. In diesem Rahmen finden auch Expertentreffen statt, auf denen spezielle Probleme diskutiert werden. Zusätzlich werden in unregelmäßigen Zeitabständen regionale Konferenzen abgehalten. Schon 1949 war die Species S u rviv a l C o m m issio n gegründet worden, die sich um den Schutz bedrohter Arten der Wildnis kümmert. Unter ihrer Schirmherrschaft wird der Zustand seltener und bedrohter Fauna und Flora erforscht und das R e d D a ta B o o k on E n d a n g e re d S p ecies (Rote Liste) sowie das A m b e r B o o k o f D e p le te d S p ecies geführt.

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle auf die Aufgabenbereiche der anderen fünf Kommissionen der IUCN aufzuführen - ihre Namen weisen jedoch auf das jeweilige Tätigkeitsfeld hin: C o m m issio n on Education', C om m ission on Ecology', In tern a tio n a l C o m m issio n on N a tio n a l Parks', C o m m issio n on L a n dscape P la n n in g , und schließlich die C o m m issio n on E n viro n m en ta l Policy, L a w a n d A d m in istra tio n (C E P LA ), welche 1990 in die C o m m issio n on E n viro n m en ta l L aw (C EE) umbenannt wurde. Die Gründung der letztgenannten Kommission zeigt die Einsicht, daß effektiver Schutz der Biosphäre - neben naturwissenschaftlichem und technischem Wissen und

1919, errichtet worden. Der International Research Council umfaßte drei Gesellschaften zur Chemie, Astronomie und Geophysik. Inzwischen existieren unter der Schirmherrschaft des ICSU sehr viele verschiedene staatliche und nicht-staatliche Organisationen und Komitees.

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Forschungsaufwand - auch die Einbeziehung der sozialen, politischen und rechtlichen Dimension von Umweltproblemen erfordert, - weniger allerdings die der ökonomischen Dimension, was m.E. auch eine Schwäche der IUCN darstellt.

In Hinblick auf den Entstehungsprozeß der Biodiversitäts-Konvention ist zunächst interessant, daß die IUCN in ihrer Arbeit wert darauf legt, die administrativen Strukturen der Umweltpolitik im Auge zu behalten und sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene auf eine Verbesserung der Arbeitsweise der Verwaltungen hinzuwirken. Durch ihren engen Kontakt zu Regierungen und Organisationen war es der IUCN nicht zuletzt deshalb möglich, das Thema des globalen Artenschutzes in den internationalen politischen Entscheidungsprozeß einzubringen; ihre diesbezüglichen Ideen also auf die diplomatische Ebene zu heben.

Mit Hinweis auf die oben erwähnten vorhergehenden Schritte in Richtung eines umfassenden Ansatzes im Artenschutz ist das Jahr 1981 von besonderer Bedeutung.

Während der 15. Generalversammlung der IUCN im Jahr 1981 im neuseeländischen Christchurch hatte der In tern a tio n a l C o u n cil on E n viro n m en ta l L a w (ICEL)77 das Thema einer globalen Artenschutzkonvention aufgegriffen und das ICN-Sekretariat beauftragt, eine vorbereitende Studie über die Notwendigkeit und die möglichen Inhalte einer globalen Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt zu erarbeiten.

Auf dem Weltkongreß über Nationalparks in Bali 1982 faßten die Juristen der ICEL einen umfassenden Plan zur ‘Verwaltung’ der biologischen Vielfalt ins Auge. Sie forderten die politisch Verantwortlichen dazu auf, die bestehenden Grundsätze zu überdenken, zu erweitern und auf Gebiete zu übertragen, die außerhalb der ausgewiesenen Schutzzonen lagen und forderten einen weltweiten Vertrag, der die genetischen Ressourcen der Wildnis in der Zukunft schützen sollte. Bei der 16.

Generalversammlung der IUCN in Madrid 1984 waren die Überlegungen von Christchurch inzwischen zu einem festen Vorhaben gereift. Die Generalversammlung übernahm die Resolution 16/ 24, die zur Grundlage für einen Entwurf eines weltweiten Abkommens zum Schutze der biologischen Vielfalt wurde. Die Rechtsexperten der

77Der International Council on Environmental Law ist ein internationaler Zusammenschluß von etwa 300 Rechtsexperten- und einigen wenigen Organisationen - auf dem Gebiet des Umwelt- und Ressourcenschutzes.

Die Mitglieder des ICEL werden gewählt und repräsentieren die verschiedenen Regionen der Erde. ICEL ist Mitglied der IUCN und beim Environmental Law Centre in Bonn untergebracht. Weiterhin hat ICEL

Konsultativstatus im Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) und kann so auch Einfluß auf internationale Entscheidungsprozesse nehmen. (Diese Informationen beruhen z.T. auf einem Gespräch mit Torsten Wäsch, Documentation Officer des ELC in Bonn.)

IUCN (IU C N E n viro n m en ta l L a w C entre ELC)78 begann mit Hilfe von ICEL einen Vertragsentwurf vorzubereiten, der später dem Rat der IUCN vorgelegt wurde.

Genville Lucas, damals Vorsitzender der IUCN Species Commission79 stellte fest, das

‘Genetische Vielfalt’ (‘genetic diversity’) nicht unbedingt ein passender Begriff für den Titel des Übereinkommens sei und schlug statt dessen ‘Biologische Vielfalt’

(‘biological diversity’) Die Entwurfsarbeit setzte sich unter weitreichender fachkundiger Beratung von Mitgliedern und Kommissionen von ICEL und IUCN fort.

Der Konventionsentwurf sollte während der 17. Generalversammlung in San Jose, Costa Rica, vorgestellt werden.

Während der Entwurf einer Konvention der IUCN Gestalt annahm, beendete auch die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung ihre Forschungsarbeit. Zu dem Problem des Verlusts an biologischer Vielfalt wird hier klar Stellung genommen:

’T h e first priority is to establish the problem o f dissappearing species and theratened ecosystems on political agendas as a major resource issue. The W orld Charter for Nature, adopted by the UN in October 1982, was an important step towards this objective. Governments should investigate the prospect o f agreeing to a ‘Species Convention’, similar in spirit and scope to the Law o f the Sea Treaty and other international conventions reflecting principles o f ‘universal resources’”.80

In Folge der 17. IUCN-Generalversammlung in San Jose, Costa Rica, 1988, präsentierte die federführende Commission on Environmental Law (damals noch CEPLA) einen entsprechenden Vertragsentwurf. In einem Bericht über die Ergebnisse der Generalversammlung wird die Essenz des Entwurfes wie folgt zusammengefaßt:

’T h e workshop dealing with the draft convention prepared under the auspecies o f CEPLA concidered the three main aspects o f the draft: access to genetic material, substantative obligations related to biodiversity conservation, and funding. All participants agreed that the cornerstone o f the proposed agreement is a funding mechanism aimed at assisting countries with m ajor biodiversity to conserve their heritage for their own and the world community’s benefit.”81

78Das ELC (IUCN Environmental Law Centre) mit Sitz in Bonn wird von Francoise Burenne-Guilmin als Vorsitzende und Lothar Gundling als Projektkoordinator geleitet. ELC ist ein Netzwerk von über 150 Experten in 60 Ländern. Zusammen mit der IUCN Commission on Environmental Law organisiert ELC das 1970 ins Leben gerufene Environmental Lwa Programme. (Vgl. zu den Tätigkeiten des ELC und der CEL im Rahmen des Environmental Law Programme: Environmental Law Programme, Annual Rport 1993. IUCN, Marz 1994.) Das ELC dient der CEL als Sekretariat und koordiniert alle Aktivitäten, unabhängig davon, ob sie von der CEL oder dem ELC ausgehen.

79Die IUCN Species Survival Commission ist eine von sechs Kommissionen der IUCN, in denen insgesamt über 5000 Experten zu verschiedenen Themen in Projektgruppen arbeiten.

80World Commission on Environment and Development: Our Common Future. Oxford, 1987; deutsch: Unsere gemeinsame Zukunft. Greven, 1987.

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Die IUCN Generalversammlung 1988 beschloß, den Vertragsentwurf sowohl Regierungen als auch Nichtregierungsorganisationen zur Stellungnahme vorzulegen.

Der erste Entwurf wurde jedoch noch mehrmals überarbeitet und schließlich im Juni 1989 fertiggestellt. Darin sind drei zentrale Prinzipien aufgefiihrt, die den Kern einer weltweiten Konvention bilden sollten:

a) die allgemeine Verpflichtung aller Staaten, die biologische Vielfalt zu schützen,

b) das Prinzip des freien Zugangs zu den genetischen Ressourcen und c) das Prinzip, daß die Kosten des Schutzes der biologischen Vielfalt von

allen Staaten getragen werden sollten.