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Komplementarität der Schweizer Lehrerbildungsphasen

Im Dokument Schulentwicklung Silke Fischer (Seite 32-37)

Im Rahmen der Lehrerbildung5 können allgemein verschiedene berufs-biographische Phasen in Abhängigkeit des jeweiligen Professionsniveaus einer Lehrperson unterschieden werden. Das Erreichen von Professionali-tät bzw. eine Annäherung an diese wird hierbei als fortwährender Prozess verstanden, welcher sich über die gesamte Berufsbiographie von Lehr-kräften erstreckt (Neuweg, 2010, S. 36; Ortenburger, 2010, S. 29).

Die Ausübung des Lehrberufs ist zudem laut Oelkers (2003)

„ein rekurrenter Prozess der Weiterbildung. Berufsfähigkeit ist auf Dauer nur zu gewährleisten, wenn die Lehrpersonen sich fortlaufend qualifizieren“ (S. 199).

Das innerhalb der Erstausbildung erworbene Wissen erodiert infolgedes-sen und muss fortlaufend erweitert bzw. erneuert werden. Insofern darf die

„Lehrerbildung […] nicht auf Studium und Berufseinführung beschränkt bleiben.

Hinzukommen muss die ständige Weiterbildung während der Berufspraxis“

als eigenständiger Entwicklungsabschnitt im Gesamtgefüge der Lehrer-bildung (Mohr, 1975, S. 224).

5 Der Terminus Lehrerbildung wurde im Zusammenhang mit den verschieden Pha-sen der Lehreraus-, Fort- und Weiterbildung von Terhart (2000a) geprägt, da dieser im Gegensatz zum Begriff der Lehrerausbildung auch das Lernen im Beruf umfasst (S. 29).

Kolbeck (1991) führt ferner an, dass die unterschiedlichen Entwick-lungsphasen nicht isoliert und unabhängig voneinander zu betrachten sind, sondern als „aufeinander aufbauende und miteinander kooperieren-de Stufen kooperieren-der Lehrerbildung“ zu verstehen sind, die in organisatorischer, curricularer und personeller Hinsicht eng miteinander verbunden sind, so-wie jeweils spezifische Funktionen innerhalb der Lehrerbildung erfüllen (S. 69; Bildungskommission NRW, 1995, S. 308f).6 Diesem Postulat wird auch durch die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdi-rektoren, kurz EDK7 (2004a), in ihren Empfehlungen zur Weiterbildung von Lehrpersonen Nachdruck verliehen, indem diese den Kantonen in ihren Handreichungen nachdrücklich empfiehlt, die Lehrerbildung als

„kontinuierliches Zusammenspiel von Grundbildung, Berufseinführung, Zusatzausbildung und Weiterbildung“8 zu gestalten (Abs. 1, S. 1).9

Zusammenfassend lässt sich die Lehrerbildung im deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz), welche aus dem entsprechen-den historischen Kontext eines Landes resultiert, somit als eine Einheit von verschiedenen Entwicklungsperioden, darstellen (s. Busian & Pätzold, 2004; Hericks, 2004; Kohlbeck, 1991; Möller, 2006; Ortenburger, 2010;

Terhart, 2000b).

Eine Kategorisierung der Schweizer Lehrerbildung in diverse profes-sionsbezogene Bildungsabschnitte, wie dies beispielsweise in Deutschland der Fall ist, ist in der einschlägigen wissenschaftlichen Fachliteratur all-gemein jedoch nicht gängig. Dennoch lassen sich Beispiele einer solchen

6 S. hierzu auch das phasenübergreifende Gesamtkonzept der Lehrerbildung von Neuweg (2010).

7 Die EDK ist eine politische Behörde, die sich aus den 26 kantonalen Erziehungs-direktoren/innen zusammensetzt, welche ihre Arbeit auf nationaler Ebene im Be-reich Bildung und Kultur koordinieren. Die Zusammenarbeit der Behörde beruht auf rechtsverbindlichen, interkantonalen Konkordaten. Die EDK agiert subsidiär und nimmt Funktionen wahr, die nicht von den Regionen sowie Kantonen erfüllt werden können (s. auch <http://www.edk.ch>).

8 Eine Unterscheidung dieser Begrifflichkeiten erfolgt erst im folgenden Kapitel 1.4.1 Lehrerfort- und Lehrerweiterbildung.

9 Kennzeichnend hierfür ist beispielsweise – auf kantonaler Ebene – die Etablierung von Grund-, Zusatzaus- und Weiterbildung innerhalb derselben Schweizer Lehrer-bildungsinstitution, für welche sich der originäre (Grund)-bildungsauftrag somit um den Bereich der Zusatzaus- und Weiterbildung erweitert (vgl. Pädagogische Hoch-schule Zürich (PHZH) (2010)).

Klassifizierung auch hier finden, wie auch die obige Einordnung der EDK in verschiedene Entwicklungsphasen nahelegt. Sloane (1994) bezeichnet im Zusammenhang mit den Reformbemühungen der Lehramtsausbildun-gen das schweizerische Berufsschullehramt beispielsweise als „einphasiges Modell“ eines Lehramtsstudiums (S. 363). Auch Kaiser (1970) beschreibt in seiner Untersuchung „Die Fortbildung [Anmerkung SF: Gemeint ist die Weiterbildung.] der Volksschullehrer in der Schweiz“ die Volksschullehrer-ausbildung als eine Einheit der LehrergrundVolksschullehrer-ausbildung und -weiterbildung mit den nachstehenden Phasen (S. 250):

Tabelle 1: Phasen der Lehrerbildung nach Kaiser (1970).

Phasen der Lehrerbildung nach Kaiser (1970)

1. Phase Grundausbildung im Seminar oder der Pädagogischen Hochschule (PH) 2. Phase Obligatorische Weiterbildung und Weiterführung der Grundausbildung für

Junglehrer

3. Phase Obligatorische und fakultative berufsbegleitende Weiterbildung (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kaiser, 1970, S. 250).

Um die Zielsetzung dieser Arbeit und die Bedeutung der einzelnen Ent-wicklungsphasen für den Leser zu verdeutlichen, wird an dieser Stelle eine bewusste Trennung der Schweizer Lehrerbildung in unterschiedliche Bildungsabschnitte als notwendig erachtet. Innerhalb dieser Arbeit wird zur besseren Einordnung des Untersuchungsgegenstandes, die Schweizer Lehrerbildung – in Anlehnung an Sloanes Grundidee eines einphasigen Lehramtsstudiums – als zweiphasig charakterisiert. Hierbei bildet die ers-te Phase das vollständige Lehramtsstudium samt Praxisaners-teilen in Form von gelenkten Schulpraktika, wogegen die zweite Phase ausschliesslich die Bildung von bereits berufstätigen Lehrpersonen umfasst. Alle folgenden Darstellungen dieser Arbeit beziehen sich auf diese letzte, zweite berufs-biographische Phase von Lehrpersonen, die gegen Ende dieses Kapitels be-schrieben wird. Folglich wird auf eine weitergehende Differenzierung der berufstätigen Lehrpersonen in Junglehrer, Novizen, und erfahrenen Lehr-kräfte, Experten, im Sinne von Kaiser (s. Tab. 1), welche auch durch die obige begriffliche Zuordnung der EDK suggeriert wird (s. Berufseingangs-phase), verzichtet. Bevor nun nachfolgend die zwei Phasen der Schweizer Lehrerbildung vorgestellt werden, soll.

Abbildung zwei soll einen Überblick über die verschiedenen Ent-wicklungsphasen bzw. die Grundstruktur der Schweizer Lehrerbildung vermitteln.

Lehrerbildung

Lehrerausbildung

1. Phase: Studium (wissenschafts- und praxisorientierte Abschnitte

2. Phase: Zusatzaus- und Weiterbildung

Abbildung 2: Grundstruktur der Schweizer Lehrerbildung.

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Ortenburger, 2010, S. 29).

Die erste Phase

Die erste Phase ist, ähnlich wie in Deutschland, durch die Absolvierung eines wissenschaftlichen Studiums an einer Universität, PH oder Fach-hochschule gekennzeichnet, wobei es der kantonalen Schulhoheit der fö-deralistischen organisierten Schweiz geschuldet ist, dass sich die Schul-landschaft und somit auch die Lehrerbildung in einigen Kantonen partiell unterscheiden.10 Aufgabe dieses Abschnittes ist die „wissenschaftliche

10 Mit der Reform der Lehrerbildung Anfang der 1990er Jahre wurde die Lehrerbil-dung gesamtschweizerisch einheitlich auf Hochschulebene verortet sowie auch die Ausbildungsstrukturen vereinheitlicht. Die berufspädagogischen Institute wurden im Zuge dessen in PHs transformiert. Heute existieren rund 18 Ausbildungsinstitutio-nen für Schweizer Lehrer (traditionell waren es über 150) zwischen deAusbildungsinstitutio-nen allerdings

Grundlegung […], wobei bereits eine Reflexion auf das spätere Berufsfeld und seine Probleme erfolgen soll“ (Terhart, 2000a, S. 23). Hierbei geht es gemäss Ortenburger (2010) vornehmlich um den Erwerb der „fachli-chen Qualifikation in den zukünftigen Unterrichtsfächern“ (S. 41). Da-rüber hinaus wird das schweizerische Lehramtsstudium, abgesehen von der fachlichen Ausbildung in i.d.R. zwei Unterrichtsfächern,11 zusätz-lich auch durch interdisziplinäre Studienanteile sowie erziehungswis-senschaftliche und fachdidaktische Fachinhalte komplettiert, in welchen auch Bezüge zu Forschung und Entwicklung des studierten Berufsfeldes hergestellt werden (EDK, o.J., o.S.).12 Neben diesem eher theoretisch ge-prägten Ausbildungsabschnitt an der Hochschule, sind aber auch berufs-bezogene Studienabschnitte in Form von Pflichtpraktika innerhalb der jeweiligen Zielstufe in die Lehrerbildung integriert, welche gleichzeitig oder in Folge an des Fachstudium in Voll- oder Teilzeit besucht werden können (Dauer in Vollzeit: Zwei Semester). Unter der Annahme, dass das deutsche Referendariat und diese praxisorientierten Ausbildungsan-teile annähernd kongruent sind, fällt jener praxisbezogenen Komponente der Lehrerbildung „die Aufgabe der Erarbeitung und Einübung von un-mittelbarer beruflicher Handlungskompetenz und erster Routinisierung zu“ (Terhart, 2000a, S. 23). Den (erfolgreichen) Abschluss dieser ers-ten Phase und somit auch der beruflichen Erstausbildung, die in Vollzeit ca. elf bis zwölf Semester dauert, bildet in der Schweiz der Erhalt eines Lehrdiploms samt akademischer Titel in Abhängigkeit vom jeweiligen Studiengang (Bachelor oder Master).

beträchtliche Unterschiede bestehen (s. Bildungsbericht Schweiz, 2010, S. 229). In der Deutschschweiz kann beispielsweise die Ausbildung zum Berufsfachschullehrer an der Universität Zürich und an der Pädagogischen Hochschule Zürich absolviert werden. Darüber hinaus bietet auch das EHB (Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung) in Zollikofen und Zürich sowie die PHSG (Pädagogische Hoch-schule des Kantons St. Gallen) in Rorschach diese Ausbildung an. Je nach besuchter Institution variiert z.B. die Anzahl der Ausbildungstage pro Woche. Weitere Informa-tionen sowie Unterschiedlichkeiten lassen sich unter <http://www.berufsberatung.ch/

dyn/6010.aspx?id_funktion=3041&id_branch=250#education> (Stand 09. Novem-ber 2011) bzw. den Internetseiten der jeweiligen Institution entnehmen.

11 Eine Ausnahme bildet das Lehrdiplom für Maturitätsschulen, welches auch mit nur einem Unterrichtsfach (Monofachstudium) abgeschlossen werden kann. Die Be-dingungen hierfür finden sich unter <http://www.berufsberatung.ch/dyn/1326.as-px?id=3107#d151>, Stand 09. November 2011.

12 Die Ausbildung zum Berufsfachschullehrer wird noch zusätzlich durch berufspäda-gogische Studieninhalte ergänzt.

Die zweite Phase

Als zweite Phase der Schweizer Lehrerbildung begründet sich die Bildung von im Amte stehenden Lehrpersonen, welche sich vom Eintritt in die schulische Praxis über die gesamte Berufsspanne einer Lehrkraft hinweg erstreckt und folglich als längster Bildungsabschnitt innerhalb der Leh-rerbildung tituliert werden kann. Intention dieser Phase ist nach Hericks (2004) die „Entwicklung und Aufrechterhaltung von beruflicher Kompe-tenz zur Förderung selbstständigen beruflichen Lernens“ (S. 302). Dieser Abschnitt beinhalte auch die Berufseingangsphase,

„die eine besonders zentrale Bedeutung für die Herausbildung beruflicher Haltungen und Kompetenzen hat: Das im Studium […] Erlernte muss nun in der Berufspraxis vertieft werden […]“ (Busian & Pätzold, 2004, S. 6).

Im Dokument Schulentwicklung Silke Fischer (Seite 32-37)