• Keine Ergebnisse gefunden

2. THEORETISCHER UND EMPIRISCHER HINTERGRUND DER STUDIE

2.1 P ARTNERSCHAFTSZUFRIEDENHEIT

2.1.3 Kommunikation und Partnerschaftszufriedenheit

2.1.3.1 Einfluss der Kommunikation auf die Partnerschaftsqualität

Bazrafshan behandelt im Rahmen dieses Gesamtforschungsprojektes (unveröffentlichte Dissertation, MHH) ausführlich den Einfluss der Kommunikation auf die Partnerschaftszufriedenheit und verweist auf Studien, die den möglichen Zusammenhang thematisieren (z. B. Gottman, Coan, Carrère & Swanson, 1998;

Weiss & Heyman, 1997). Erwähnenswert ist hier eine Studie von Rogge et al.

(2006), die das Kommunikationsverhalten von 85 Paaren vor ihrer Hochzeit beobachteten, um anschließend eine Prognose über die Partnerschaftsqualität nach 5 Jahren Eheleben zu treffen. Es stellte sich heraus, dass anhand von kommunikativen Kompetenzen eine Einteilung der Paare in glücklich-verheiratete und unglücklich-verheiratete möglich war. Im Rahmen eines präventiven Paarkommunikationstrainings mit 57 Paaren konnten ähnliche Ergebnisse dokumentiert werden. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wiesen jene Paare, die am Partnerschaftlichen Lernprogramm (EPL) teilgenommen hatten, infolge verbesserter kommunikativer Fertigkeiten eine stabilere Ehezufriedenheit und eine geringere Trennungs- und Scheidungsquote auf (Hahlweg et al. (1998). Auch Gottman et al.

(1994 und 1998) definierten die gestörte Kommunikation als zuverlässigen Prädiktor für negative Partnerschaftsverläufe oder Scheidungen.

In anderen Arbeiten zu dem Thema werden der Interaktionsqualität größere prädiktive Eigenschaften für Scheidungen eingeräumt als etwa Persönlichkeitsvariablen wie z.B. Alter, Attraktivität und Bildung oder soziodemographischen Faktoren wie z.B. Status, Einkommen, Glaubenszugehörigkeit (vgl. Karney und Bradbury, 1995). Aufgrund der im Vergleich mit anderen Prädiktoren der Paartrennung wesentlich höheren Effektstärke wird die Kommunikation neben der Partnerschaftszufriedenheit zu den bedeutendsten Bedingungen für den Partnerschaftserhalt gezählt (Bodenmann & Cina, 1999).

Wesentlich für das Verständnis ist dabei die Annahme, dass Kommunikation die Partnerschaftsqualität sowohl in positive als auch in negative Richtungen lenken kann.

Die negativen Auswirkungen einer geringen Partnerschaftszufriedenheit auf Körper und Psyche sind wiederum seit langer Zeit bekannt. Verglichen mit glücklichen

Paaren lassen sich bei unglücklichen 1,39-mal öfter schlechte Gesundheitszustände darlegen. Paare, die grundsätzlich nicht in der Lage sind, friedlich miteinander zu diskutieren, haben 1,23 mal häufiger gesundheitliche Probleme als Paare mit günstigen Diskussionsgewohnheiten (Ren, 1997).

2.1.3.2 Die vier apokalyptischen Reiter nach Gottman

Gottman (1998) beobachtete einen signifikanten Unterschied in der Interaktion zwischen zufriedenen und unzufriedenen Paare. Unzufriedene Paare tauschen gehäuft negative Interaktionen aus. Die Intensität der Destruktivität zeigt sich anhand von vier Kommunikationsmustern, den sogenannten vier apokalyptischen Reitern („the four horsemen of the apocalypse“, Gottman & Levenson, 1992):

1. verächtliche Kommunikation 2. defensive Kommunikation 3. provozierende Kommunikation

4. Rückzug und Gesprächsverweigerung

In der verächtlichen Kommunikation stehen Sarkasmus, Spott und Beleidigungen dem Partner gegenüber im Vordergrund. Die Verachtung spiegelt sich dabei sowohl auf verbaler, als auch auf nonverbaler Ebene wieder. Im Gegensatz dazu prägen Rechtfertigungen, Entschuldigungen und Abwehr das Bild der defensiven Kommunikation. Die eigentliche Problematik des Paares gerät in den Hintergrund.

Die sachbezogenen konstruktiven Diskussionen scheitern an Anklagen, Gegenanklagen und Ausflüchten. Bei der provokativen Kommunikation wird der Partner durch rhetorische Fragen in die Enge gedrängt. Es wird versucht, ihn durch spöttisches Nachäffen und grobe Taktlosigkeit zu demütigen.

Die vierte Form der destruktiven Kommunikation - Rückzug und Gesprächsverweigerung - kommt primär auf nonverbaler Ebene zum Ausdruck.

Durch Meiden von Blickkontakt, körperliches Abwenden und Reaktionslosigkeit entsteht der Eindruck, der Partner ist ausschließlich körperlich anwesend. Auf Fragen folgen weder verbale noch nonverbale Rückmeldungen.

Anhand der Auftretenshäufigkeit dieser vier Kommunikationsmerkmale gelang es Gottman, Prognosen über den Partnerschaftsverlauf zu machen: In 92,7 % der Fälle waren seine Vorhersagen über Partnerschaftsstabilität und Scheidung korrekt (Gottman & Levenson, 1999). Weitere Untersuchungen, darunter eine

2. THEORETISCHER UND EMPIRISCHER HINTERGRUND DER STUDIE

Längsschnittuntersuchung über die eheliche Kommunikation und Partnerschaftszufriedenheit (Gottman & Krokoff, 1989) und ein Vergleich von zufriedenen, klinischen und geschiedenen Paaren (Christensen & Shenk, 1991) konnten ebenfalls diese Kommunikationsmuster als dysfunktional demaskieren.

2.1.3.3 Das Balance-Modell nach Gottman

Weitere Aspekte der Kommunikation zeigte Gottman mit seiner Theorie der Balance auf (Gottman, 1993 und 1994; Gottman et al., 1998). Diese korrigiert zwei bis dahin vorherrschende Annahmen:

1. Innerhalb der Kommunikation ist die Häufigkeit von positiven und negativen Interaktionen einer der stärksten Einflussfaktoren auf die Partnerschaftsqualität und –stabilität.

2. Es existiert eine ideale Paardefinition, die im Rahmen der Paartherapie angestrebt werden soll.

Gottman formulierte, dass nicht die Häufigkeit positiver und negativer Interaktionen entscheidend sei, sondern vielmehr deren Verhältnis. Treten innerhalb einer Dyade Positivität und Negativität im Verhältnis 5:1 auf, darf ein günstiger Partnerschaftsverlauf angenommen werden. Ein Paar darf also negative Kommunikation ausüben und trotzdem als „glücklich“ eingestuft werden, solange es in der Lage ist, die Negativität durch Positivität aufzufangen und auszugleichen.

Wenn das Gleichgewicht jedoch zu Gunsten negativer Interaktionen verschoben ist, ist mit einem ungünstigen Partnerschaftsverlauf zu rechnen.

Er distanziert sich von der Definition des idealen Paares und differenziert stattdessen zwischen fünf Paartypen: impulsiv, wertschätzend, vermeidende, hostil und hostil-losgelöst (Bodenmann, 2004).

1. Impulsives Paar: Viel Zuwendung, Liebe, Begeisterungsfähigkeit und Leidenschaft, aber auch Lust zum Streiten. Lebendige, dynamische Partnerschaft (Positivität : Negativität = 5:1)

2. Wertschätzendes Paar: Viel Wohlwollen, Empathie, Wertschätzung, faire Konfliktlösung und Bemühen um Einbezug des Partners. Wenig Leidenschaft.

(Positivität : Negativität = 5:1)

3. Vermeidendes Paar: Wenig Konflikte, geringe Neigung zu Streitigkeiten, geringer affektiver Austausch. Distanzierte und ruhige Partnerschaft. (Positivität : Negativität

= 5:1)

4. Hostiles Paar: Hohes Konfliktniveau mit häufigen Verletzungen und dysfunktionaler Kommunikation, eskalierende Streitgespräche. (Verhältnis zwischen Positivität und Negativität in Richtung häufigere Negativität verlagert).

5. Hostil-losgelöst: Nüchtern distanzierte Paare mit wenig gemeinsamen Momenten, die zudem von Negativität überschattet sind, emotionale Loslösung bei gleichzeitig hoher negativer Emotionalität. (gestörtes Verhältnis zwischen Positivität und Negativität in Richtung hohe Negativität).

Innerhalb dieser Typologie können die impulsiven, wertschätzenden und vermeidenden Paare trotz zum Teil erheblicher Merkmalsunterschiede jeweils eine gute partnerschaftliche Qualität und Stabilität vorweisen. Im Gegensatz zu den anderen zwei Paartypen, den hostilen und den hostil-gelösten Paare, werden diesen drei Paartypen gute Prognosen hinsichtlich ihrer Partnerschaftsverläufe zugesprochen (Bazrafshan, unveröffentlichte Dissertation, MHH).

2.1.3.4 Kommunikative Merkmale von unzufriedenen Paaren

Interaktionen in unzufriedenen Partnerschaften lassen nach Bodenmann (2004) häufig folgende Charakteristika erkennen: (1) häufige Negativität und geringe Positivität, (2) häufige Antizipierbarkeit des negativen Verhaltens, (3) vermehrte Konfliktbereitschaft und größere Wahrscheinlichkeit der Konflikteskalation, (4) fehlerhafte Entschlüsselungen gesendeter/ erhaltener Botschaften, (5) lange Konfliktdauer und (6) geringerer Gehalt an emotionalen Informationen (Selbstöffnung).

Eher das Maß verbal, paraverbal und nonverbal geäußerter Negativität und weniger den Inhalt der Interaktion sah Hahlweg (1991) als Instrument zur Differenzierung zufriedener und unzufriedener Paare. Diese Negativität spiegelt sich in folgenden Eigenschaften wieder (Bodenmann, 2004, S. 53):

1. Häufige Verallgemeinerungen und Generalisierungen („immer“, „nie“,

„überall)

2. Häufige Charakterzuschreibungen („Du bist…“) 3. Häufige Du-Botschaften (Kritik, Vorwürfe)

2. THEORETISCHER UND EMPIRISCHER HINTERGRUND DER STUDIE

4. Häufiges Abschweifen vom Thema in die Vergangenheit (Aufwärmen von alten Geschichten und Schuldzuweisungen)

5. Beharren auf der eigenen Sicht und mangelndes Eingehen auf den Partner

6. Hohe Emotionalität (schneller Sprechrhythmus, lautes Sprechen, drohende Gebärden)

Neben der ausgeprägten Negativität kennzeichnen sich unzufriedene Paare auch simultan durch eine äußerst geringe Positivität. Nicht nur der Austausch von Empathie und Verständnis ist auf ein Minimales reduziert; auch das Bemühen um eine Gesprächsauflockerung durch humorvolle Bemerkungen oder durch Einlenken in Konfliktsituationen ist kaum noch zu vernehmen (Schaap, 1984).

Eine geringe Positivität ist an das Vorhandensein folgender Merkmale gebunden (Bodenmann, Verhaltenstherapie mit Paaren, 2004):

1. Geringes Interesse am Partner und reduzierte Empathie 2. Seltene Zustimmung

3. Wenig Komplimente und Lob 4. Geringe Anerkennung

5. Seltene Liebesbezeugungen und Zärtlichkeiten

6. Spärliches positives Verstärkungsverhalten (Mhm, ja, gut) 7. Kaum Wärme und Zuneigung in der Haltung und der Stimme

In einer Studie mit frisch verheirateten Paaren konnte nachgewiesen werden, dass anhand geringer Positivität in Konfliktgesprächen Vorhersagen sowohl über eine stabile Unzufriedenheit des Paares, als auch über eine Trennung möglich waren.

Paare, die hingegen auf Positivität zurückgriffen, um eine Eskalation des Streitgesprächs zu vermeiden, zeigten langfristig Stabilität und Zufriedenheit (Gottman & Levenson, 1992). Phillips (1975) nannte zusätzlich die Dauer der Konfliktaustragung als wesentliches Unterscheidungskriterium für zufriedene und unzufriedene Paare. Seiner Studie nach findet sich bei unzufriedenen Paaren eine Konfliktdauer von 180 Stunden im Jahr, wohingegen zufriedene Paare jährlich lediglich 16 Stunden mit Streiten zubringen. Dieses Phänomen könnte seine Begründung darin finden, dass unzufriedene Partnerschaften eine hohe Fehlerquote bezüglich gesendeter Botschaften und empfangener Nachrichten aufweisen (Gottman, Notarius, Markman, Benk, Yoppi und Rubin, 1976).

Nicht weniger von Bedeutung für die Qualität der partnerschaftlichen Interaktion ist die Selbstöffnung. Dieser Begriff greift dabei den inhaltlichen Aspekt der Kommunikation auf und ist als Preisgabe emotional bedeutsamer Informationen zu verstehen. Diese Emotionen können Freude, Lob und Stolz widerspiegeln (positive Selbstöffnung), oder aber Wut, Angst und Selbstzweifel offenbaren (negative Selbstöffnung). Der Zusammenhang zwischen emotionaler Selbstöffnung und Partnerschaftszufriedenheit offenbart sich in dem notwendigen Maß an Vertrauen und Intimität zum Austausch innerer Gefühle. Zugleich bewirkt die emotionale Selbstöffnung eine Stärkung des Vertrauens in den Partner (z. B. Antill & Cotten, 1987). „Die emotionale Selbstöffnung spielt eine herausragende Rolle für das Verständnis der Partnerschaftszufriedenheit.“ (Bodenmann, Verhaltenstherapie mit Paaren, 2004, S.65).