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Kommunale Engagementpolitik und der Wandel lokaler Governance

6. Untersuchung

6.1. Hochdorf

6.1.5. Kommunale Engagementpolitik und der Wandel lokaler Governance

Die Engagementpolitik der Stadt Hochdorf entwickelt sich seit den frühen 1990-er Jahren überaus erfolgreich und kontinuierlich. Entscheidend hierfür ist eine "Mixtur" verschiedener Umstände. Zu nennen sind die folgenden Punkte:

 In Hochdorf traf zu einem sehr frühen Zeitpunkt der engagementpolitischen Debatte eine engagierte und selbstbewusste Bürgerschaft auf eine offene Verwaltung. Damit kam es in Hochdorf ganz offenbar zu einer gegenseitigen Befruchtung eines tatsächlich

"bürgerschaftlichen" Engagements, eines Oberbürgermeisters und einer Kommunalverwaltung, die sich offen gezeigt hat, sich sehr engagiert jener Thematik anzunehmen.

 Das gesamte Rathaus (angeführt von der Verwaltungsspitze und mitgetragen durch den Gemeinderat) hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten der Engagementpolitik als zentralem Entwicklungsfeld kommunaler Verwaltungspolitik angenommen und diese Entwicklung in einen hervorragend funktionierenden Prozess überführt. In Folge dessen hat sich das bürgerschaftliche Engagement zu einem Querschnittsthema kommunaler Verwaltung entwickelt, so dass für die Kommune Hochdorf von einem verwaltungspolitischen

"Engagement-Mainstreaming" gesprochen werden kann.

 Dies war nur möglich, weil es seit jeher in der Stadt eine überaus engagierte Bürgerschaft gab und gibt. Als ehemalige freie Reichsstadt kann mit der politischen Kulturforschung auf die Hintergründe jener politisch-kulturellen Dimension der städtischen Engagementlandschaft geblickt werden (Wehling 2002), fraglos aber ist es auch der Wohlständigkeit eines (überaus bürgerlichen) Gemeinwesens geschuldet, dass die kommunale Engagementpolitik hier mit einem überaus fruchtbaren Boden korrespondiert104.

103"[W]ir haben ja hier vor Ort eine Bürgerstiftung, die in ihren Statuten hat: es geht um Projekte, die bürgerschaftliche Projekte sind, die gilt es zu fördern in den Stiftungs- und Verwendungszwecken[...].Es gibt etwas Anderes, eine Agenda-Gruppe, die zur Zeit aber nicht tätig ist, 'Corporate Citizenship', und zwar geht es dabei darum Brücken zu schlagen zwischen Unternehmen vor Ort und sozialen Einrichtungen[...].Im Moment schlummert das und schläft, wir haben das im Moment nicht weitergeführt, und verfolgt.[...]Ansonsten gibt es Projektbereiche, wo die Wirtschaft mit drin ist, aber dann eher so als finanzieller Sponsor, vielmehr als dass sie sich mit Personalressourcen einbringen, oder mit Sachmitteln oder so [...].Also das wissen wir, [das ist] sicherlich noch eine Baustelle, die wir bearbeiten müssen." [1.0:182 f.]

104Betrachtet man sich die Wahlergebnisse der vergangenen Kommunalwahl (bis zu einerfiktivenfünf-Prozent-Hürde), so fällt auf, dass die Stadtbevölkerung mit einer knappen Mehrheit von 25,08 Prozent für die SPD votiert hat, gefolgt von der CDU mit 23,79 Prozent, den Freien Wählern mit 20,62 Prozent, den Grünen mit 18,65 Prozent und schließlich den Linken mit 5,34 Prozent. Dieses Ergebnis zeugt von einer großen

 Die Stabsstelle für Bürgerengagement spielt in dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle. Sie fand durch die Verwaltung und Politik in ihrer Arbeit stets Unterstützung und Bestätigung, dennoch hat sie selbst maßgeblich dazu beigetragen, dass die Engagementpolitik in der Stadt heute einen so zentralen Stellenwert einnimmt. Die Stabsstellenleitung hat ihre Stelle in den 1990-er Jahren angetreten und arbeitet noch heute am selben Thema, wenn auch in weit verantwortlicherer Position. Ihrem Engagement, in den Folgejahren von einem weiteren Kollegen unterstützt, ist es zu verdanken, dass der oben dargestellte engagementpolitische Prozess eine Nachhaltigkeit entwickeln konnte, die erst ermöglichte, die vielen Aktivitäten und institutionellen Prozesse auf den Weg zu bringen. Dies wäre jedoch, neben der personellen Ausstattung, auch nicht ohne ein entsprechendes Budget und eine hierfür notwendige Überzeugung der Verwaltungsspitze möglich gewesen, die den engagementpolitischen Weg der Kommunalverwaltung nicht nur mittrug, sondern stets förderte.

In Hochdorf hat sich das bürgerschaftliche Engagement in den vergangenen beiden Jahrzehnten zu einem zentralen kommunalen Politikfeld entwickelt. Die Aktivitäten der Stabsstelle sind dabei in der Bürgerschaft auf äußerst große Resonanz gestoßen, so dass es zu einer sich gegenseitig bedingenden Entwicklung gekommen ist: Das Engagementpotenzial und -interesse der Bürgerschaft (auf der einen Seite) und die Initiativen und Ideen der Stadtverwaltung (auf der anderen Seite) haben dazu geführt, dass sich das bürgerschaftliche Engagement in der Stadt bestmöglich zu entwickeln vermochte105. Alle geführten Interviews deuten darauf hin, dass bürgerschaftliches Engagement als Leitkonzept in hohem Maße mit den politischen Vorstellungen der Stadtverwaltung wie auch der eigenen Bürgerschaft korrespondiert. Der Enquete-Bericht des Deutschen Bundestages hat 2002 für die kommunale Ebene 'Entwicklungsperspektiven und Handlungsempfehlungen' formuliert. (Deutscher Bundestag 2002: 164-167) Führt man sich diese vor Augen, so findet man weite Teile durch die Verwaltungspolitik der vergangenen beiden Jahrzehnte in Hochdorf realisiert. Die Integration der Themenfelder Beteiligung und

Bandbreite politischer Kultur, jedoch mit einer Tendenz zu sozialdemokratischen, grünen und bürgerlichen Orientierungen. Auch die geschichtliche Entwicklung als ehemals freie Reichsstadt führt dazu, dass sich die Bürgerschaft selbst über die Maßen für das eigene Gemeinwesen einsetzt.

105"In jeder Beziehung [hat sich das Thema der Engagementförderung] entwickelt. Also es wird stärker wahrgenommen, aber auch breiter ausgebaut, also es gibt immer neue Themenfelder die ehrenamtlich oder bürgerschaftlich angegangen worden sind. Also das war ein Prozess, Schritt um Schritt. Also so wie man dann auch Infrastruktur schaffen konnte, indem man Räumlichkeiten hatte[...].Und dadurch ist dann eben auch die öffentliche Wahrnehmung Zug um Zug gewachsen. Und durch[...]den Bürgerservice, der sich kümmert, Tätigkeitsfelder aufzutun und Kartei führt, um Engagement-Interessierte dahin zu vermitteln, wo Bedarf besteht, das hat man durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit immer stärker in die Wahrnehmung gebracht, sowohl der Bevölkerung insgesamt, als auch der Kommunalpolitik."[1.1:5] 20 Jahre nach den ersten engagementpolitischen Gehversuchen kommt es zur Beauftragung des OB-Büros zur Zukunftssicherung der Thematik 'bürgerschaftliches Engagement' durch die Verwaltungsspitze: "Also ganz konkret haben wir seit 1 1/2 Jahren den Auftrag bekommen, das Thema bürgerschaftliches Engagement zukunftsfähig zu halten und haben da also einen konkreten Projektauftrag: Also zu schauen: Wo steht das bürgerschaftliche Engagement heute und was muss auch getan werden, welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, was müssen die einzelnen Akteure tun? Welche Entwicklungen gibt es da? Also was muss getan werden, dass das bürgerschaftliche Engagement auch weiterhin so gut funktioniert, wie es im Moment ist. Und er hat da diesen Projektauftrag gegeben an die Stabsstelle, an unser Büro, also meine Kollegin und mich, und wir haben da noch ein paar Kollegen aus der Verwaltung dazu geholt und und einfach ein paar Gedanken gemacht. Und verschiedene, konkrete, kleinere Maßnahmen sind jetzt entstanden. Zum Beispiel, dass wir Leitlinien für das bürgerschaftliche Engagement entwickelt haben, dass wir diese Leitlinien und Ziele auch konkret herunterbrechen werden. Wir machen das alles auch in einem Beteiligungsverfahren, also wir beziehen die Engagierten da auch mit ein. Dann gibt es aber noch andere Themen, die daraus ausgeflossen sind: Es gibt eine Befragung unter den Engagierten, die wir jetzt gemacht haben. Und das ist alles so rund um das Thema: 'Zukunftsfähigkeit des bürgerschaftlichen Engagements.'"

[1.1:5]

Engagement durch die Engagementpolitik der Stadt und die Arbeit der Stabsstelle ist als besonders zukunftsweisend herauszustellen106.

106"Also es ist einfach so, und ich denke schon, dass sich die Verwaltung geöffnet hat.[...]Gut, ich bin jetzt noch nicht so lange da, zehn Jahre, aber auch da hat sich schon viel getan. Wie das jetzt im Vorfeld war, kann ich jetzt schwer beurteilen. Aber als ich angefangen habe, war in der Verwaltung noch so ein bisschen, dass der Bürger nicht auf Augenhöhe war, sondern manches Mal auch noch so ein bisschen als Bittsteller angesehen wurde. Und das hat sich auf jeden Fall verändert. Und auch innerhalb der Verwaltung hat sich jetzt durch diesen Leitlinienprozess auch nochmals eine Arbeitsgruppe gebildet, die auch aus unterschiedlichen Ämtern besetzt ist. Und die auch noch in Ämter reicht, die nur teilweise mit Engagement zu tun haben. Aber da haben wir festgestellt, dass es da ganz gut ist, sich auch auf diesem Felde auszutauschen und hier auch Verknüpfungsmöglichkeiten herzustellen und auch einfach Verständnis zu schaffen. Weil es ist ja auch nicht immer einfach, mit Ehrenamtlichen zu arbeiten, manche sind manches Mal ja vielleicht auch ein wenig anstrengend. Und da ist dann auch der Umgang wichtig, wie man miteinander umgeht." [1.1:9 f.]