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Der engagementpolitische Institutionalisierungsimpuls

6. Untersuchung

6.5. Reichenbach

6.5.1. Der engagementpolitische Institutionalisierungsimpuls

Der engagementpolitische Prozess in Reichenbach hat einen späten Anstoß gefunden. Seit 2009 gibt es eine Stabsstelle zur Koordinierung und Förderung des Bürgerengagements, dezidiert mit einer Ausrichtung auf die Themen Ehrenamt und Freiwilligenengagement189. Grund hierfür sind womöglich die Erfahrungen der Stadtverwaltung mit den lokalen Agenda-Prozessen in den späten 1990-er Jahren190, sicherlich aber auch eine weitgehend konservative Politische Kultur in einer ländlich geprägten Region191. Konkreter Anlass für die Einrichtung der Stabsstelle waren die Ergebnisse eines Bürgerforums, initiiert von der Stadtverwaltung, konkret durch das Büro des Oberbürgermeisters: 50-60 Bürgerinnen und Bürger wurden eingeladen, um über die Zukunft der Stadt zu sprechen. Eine Referentin des OB-Büro hierzu:

„Und die haben dann gesagt, was sie sich für die Zukunft der Stadt[…]wünschen. Und da kam dann raus: 'Wir wünschen uns eine hauptamtliche Stelle oder eine hauptamtliche Ansprechperson, die sich um die Freiwilligen und die Ehrenamtlichen kümmert'. Und das war schon immer vorher auch Thema, aber immer ohne Konzept. Und das wissen Sie selber, ohne Konzept können Sie weder bei politischen Gremien gewinnen, noch bei der Stadt, oder bei der Verwaltungsspitze.“[5.1: 7]

188Reichenbach ist eine Mittelstadt mit knapp 50 Tausend Einwohnern. Die Stadt liegt im ländlichen Raum und ist als Kreisstadt eine der prägenden Städte der eigenen Region.

189Die Stoßrichtung jener Initiative war von Anbeginn jedoch eine Konzeption, die dezidiert auf das Thema Ehrenamt und Freiwilligenengagement zielte und nicht etwa die Beteiligungsthemen in den Blick nimmt: "Bürgerbeteiligung, das war zunächst einmal in diesem Sinne nicht angedacht.

Wir hatten uns zunächst einmal dieses Bürgerengagement, das Freiwilligenkonzept im Focus gehabt. Das ganze Thema der Bürgerbeteiligung war da weniger im Focus. Aber wir haben gesagt: 'Menschen, die sich freiwillig engagieren, haben natürlich ein ganz anderes Verhältnis zu ihrer Kommune und zu ihrer Stadt[...]Und die Bürgerbeteiligung läuft ja momentan weniger da drüben[BE-Anlaufstelle], sondern eher hier'[OB-Büro]"

[5.1: 11f.].

190"Wir haben sonst negative Erfahrungen gemacht mit der Lokalen Agenda. Das war bei uns auch ein großer Prozess, wie überall[...]. Die Hauptzeit war noch, bevor ich hier angefangen habe, 1999. Aber ich habe auch noch so eine Agenda-Gruppe mit betreut, aber das war schwierig.

Und ich kann es auch nicht wirklich sagen, und die haben sich auch immer zerstritten und haben immer etwas wollen. Und wenn wir dann gesagt haben, dass das rechtlich nicht geht, dann waren die halt sauer[...]. Und dann haben die sich alle selbst aufgelöst. 'Aber schuld sind seither immer wir, und die Verwaltung hat die lokale Agenda zerstört'. Und insofern ist das ein Reizthema und dann war das einfach mal zehn Jahre nix. Und dann haben wir uns stärker auf die formelle Bürgerbeteiligung zurückgezogen, im Sinne von Planungsverfahren, haben aber auch Workshops gemacht, Planungszellen, gerade was die Bebauung des 'Lucke-Geländes' angeht, da kamen aber höchstens 16 Leute. Dann gab es auch mal einen großen Bürgerentscheid. Da ging es um den Verkauf von Wohnungen, wo die Stadt Anteile hatte. Das war eine große Sache. So wie Freiburg das einmal mit dem Bürgerentscheid abgelehnt hatte. Das ging bei uns durch. Und ansonsten haben wir eigentlich wenig solche Dinge 'Was heute modern ist', oder proklamiert wird, wenige solche Dinge gemacht." [5.1: 12ff.]

191Legt man die vergangenen Gemeinderatsergebnisse zugrunde [2014], so zeichnet sich das Bild einer bürgerlich geprägten Stadtgesellschaft mit konservativer Tendenz: Die CDU erreicht 30 Prozent, die SPD kommt auf 23 Prozent, die Grünen 19 Prozent, Freie Wähler 15 Prozent und die Linke erreicht 6 Prozent der Stimmen.

So kam es zur Ausarbeitung eines konzeptionellen Entwurfes (zum Zwecke der Einrichtung einer Stabsstelle) durch einen achtköpfigen Arbeitskreis aus Verwaltungsakteuren, Vertretern der Zivilgesellschaft und der lokalen Politik, in Kooperation mit der lokal ansässigen 'Dualen Hochschule'192. All dies geschah erstaunlicherweise ohne dass die Verwaltungsspitze oder der Gemeinderat zunächst von dem Vorhaben überzeugt gewesen wären193:

„Und dann ging es darum, den Oberbürgermeister davon zu überzeugen, und das war nicht ganz einfach. Und zwar deswegen, weil die Generation unser Oberbürgermeister ist 56 -sagt: 'Wenn ich mich irgendwo engagieren wollte, was er sowieso auch tut, dann würde ich nie auf die Idee kommen, aufs Rathaus zu gehen und zu fragen, was es denn gibt'. Und dann haben wir gesagt, all diese Beobachtungen, die ich eingangs erwähnt habe, ja? Haben es ihm dann nahe gebracht, dass heute nurmehr die wenigsten Leute noch so ticken wie er, ja?[...].

Und das hat er dann auch so akzeptiert und auch gut gefunden. Und hat sich dann auch selbst mit diesem Thema vertraut gemacht, und wir haben das Ganze in den Ausschuss gebracht.

Auch hier gab es diverse Vorbehalte, mit den gleichen Argumenten: 'Wer geht schon zur Stadt, wenn er sich engagieren will?'[…].Und auf jeden Fall ist dieses Ding dann einstimmig ins Leben gerufen worden, aber zunächst einmal befristet auf drei Jahre. Das war die Geschichte.

2009 haben wir es dann eingerichtet und 2011 hat man es entfristet.“[5.1: 10ff]

Der Impuls zur Einrichtung einer engagementpolitischen Stabsstelle kann also für Reichenbach weitgehend der Stadtverwaltung zugeschrieben werden, die damit einen bürgerschaftlichen Wunsch aufgriff und dessen Institutionalisierung über ein entsprechendes Konzept zur Einrichtung der Stabsstelle vorantrieb.

192 Dieser bestand aus Vertreterinnen und Vertreter des Gemeinderates, der Stadtverwaltung, der Wohlfahrtspflege und weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen: "Caritas, Non-Profit, Privatleute, Verwaltung. Verwaltung war ich, und dann haben wir das einfach gesammelt. Wir haben da fünf, sechs Sitzungen gehabt, wo wir das ein bisschen definiert haben: 'Was wollen wir, was sollen die leisten?' So wie man eben ein Konzept strickt. Und dann habe ich das Ding geschrieben, aufgrund dieser Diskussionsergebnisse[...].Und dadurch ist dann dieses Konzept entstanden.“ [5.1: 10]

193 Interessant ist die Haltung der Verwaltungsspitze, insbesondere wenn man sich die Bedeutsamkeit des Oberbürgermeisters für die Institutionalisierungsprozesse in den anderen untersuchten Kommunen in Erinnerung ruft. "[D]er Oberbürgermeister war sehr skeptisch. Weil[...]

er ging davon aus: 'Das Ehrenamt funktioniert doch wunderbar, die Vereine, alles: Wir brauchen doch so eine Stelle gar nicht.' Er konnte sich – glaube[ich]– auch gar nichts darunter vorstellen. Und das hat drei Jahre gedauert; bis wir dann immer wieder vorgesprochen haben, immer wieder Themen eingebracht haben, da ist ja dann ein Forum entstanden. Und dann haben wir natürlich auch immer wieder Unterstützung gehabt, von Bürgerinnen und Bürgern, die das dann auch so gesehen haben, und damit ist dann eben diese Stelle[...]eingerichtet worden."[5.3: 12] In Interview mit dem OB-Büro zur Rolle des OB:"Also das ist nicht unser Verdienst. Aber dass es dann ermöglicht wurde, das haben wir unserem Oberbürgermeister zu verdanken, der da schon eine unheimliche Offenheit[an den Tag legt].Er war kritisch [...], aber mit dem ist es halt toll: Das bessere Argument gewinnt.[...]." [5.1: 42] Ganz ähnlich ein Gemeinderat: "Also ich war am Anfang auch skeptisch. Ich dachte, das ist ein Haufen Geld. Erst eine, dann zwei hauptamtliche Kräfte: 'Ja bringt das denn was? Rechnet sich das?' Und das ist richtig gut jetzt. Und früher, wenn dann eine Generation aufgehört hat, dann ist auch das Projekt gestorben. Wenn es für das Projekt keine Nachwuchsleute gegeben hat. Und das ist jetzt – da habe ich den Eindruck – das ist jetzt gefühlsmäßig. Man hört bei weitem nicht mehr so viele Klagen von Leuten. Die haben jetzt eine Anlaufstelle hier. Und das ist sinnvoll angelegtes Geld."[5.2: 29]

6.5.2.Die Stabsstelle: Selbstverständnis, Aufgaben und Aktivitäten

6.5.2.1. Verortung und Ausstattung

Physisch verortet sich die Anlaufstelle in einem nebenstehenden Bau vor dem Rathaus. In diesem Haus finden Veranstaltungen der Volkshochschule statt und die Stabsstelle hat dort ihre Verwaltungs- und Beratungsräume. Dort arbeitet von hauptamtlicher Seite eine Stabsstellen-Leitung, gemeinsam mit einer Verwaltungsfachkraft in Teilzeit, deren Arbeit weiterhin von einer studentischen Hilfskraft unterstützt wird, ebenfalls mit einem Stellenanteil von 50 Prozent194, so dass in der Summe von beinahe zwei vollen Stellen für die Stabsstellenarbeit ausgegangen werden kann.

Die räumliche Trennung der Anlaufstelle vom eigentlichen Rathaus korrespondiert mit einem institutionellen Selbstverständnis, demzufolge sich die Stabsstelle als (weitreichend eigenständiges) Bindeglied zwischen Verwaltung und Bürgerschaft versteht und sich immer wieder kommunikativ von der Zugehörigkeit zur Verwaltung abgrenzt195. Die Anlaufstelle legt großen Wert darauf, als Institution abseits des Rathauses wahrgenommen zu werden, worauf die folgende Interviewsequenz mit der Stabsstellenleitung verweist:

[BK:] "Sie sind Teil der Verwaltung, oder?"

[IP:] "Nein,"

[BK:] "Auch nicht offiziell?"

[IP:] "Doch, natürlich offiziell, ja, klar!"

[BK:] "Aber sie verstehen sich nicht als solche?"

[IP:] "Nein" [5.0: 51]

Die Stabsstelle in Reichenbach versteht sich als eigenständige Institution innerhalb der Stadt und sieht es als ihre dezidierte Aufgabe, sich als solche auch markant zu profilieren; dies Bemühen gelingt in bemerkenswerter Weise196.

194Die Stabsstellen-Leitung, befragt nach dem Umfang der Stabsstellen-Ausstattung: "Eine 80% Stelle und eine 50 % Stelle und dann noch eine Studentin, die halbtags da ist" [5.0.27].

195"Ich glaube die Lage des Hauses, im Vergleich zum Rathaus[das Büro steht neben dem Rathaus]drückt dies genau aus. [...]Also auf der einen Seite habe ich meine ganzen Engagement-Partner, so gefühlt, mit denen habe ich immer Kontakt über diese Freiwilligen-Agentur. Und im Rathaus die Stabsstelle[des Oberbürgermeisters]." [5.0: 75] Diese Abgrenzung jedoch scheint viel weniger einer mangelnden Identifikation mit der eigenen Verwaltung geschuldet, als dass dies auf die Imagepflege und eigenständige Positionierung als engagementpolitischer Akteur zielt.

196Tatsächlich unterscheidet sich die Stabsstelle von den meisten der anderen untersuchten Anlaufstellen für Bürgerengagement, insbesondere, wenn man sich das höchst instrumentelle und Outcome-orientierte Arbeitsverständnis, den Kommunikationsmodus und die Kooperationen mit Wirtschaftsakteuren der Stabsstelle in Reichenbach vor Augen führt.

6.5.2.2. Aktivitäten und Projekte

Die folgenden Themenfelder wurden im Interview von der Stabsstellenleitung als Kernaktivitäten der eigenen Arbeit benannt:

 Im Rahmen eines 'Bürger-Mentoren-Kurses' werden interessierte Bürgerinnen und Bürger geschult, um eigene Engagement-Projekte zu realisieren. Reichenbach geht dabei einen innovativen Weg, indem diese Schulungen gewissermaßen zu Coaching-Veranstaltungen umgewidmet werden, die mittels konkreter Projekte Realisierung finden. Die grundlegende Idee zu den Bürgermentoren führt auf ein Landesprojekt zum Thema zurück, das die Maßnahme auch finanziell unterstützt (vgl. auch Fallbeispiel Neustadt).

 Die Freiwilligenagentur ist eine bürgerschaftlich getragene Anlaufstelle für engagementwillige Bürgerinnen und Bürger. Sie vermittelt an Engagement interessierte Bürgerinnen und Bürger entsprechend ihrer Interessen in Organisationen. Zum Untersuchungszeitpunkt wurde diese gerade in eine gemeinsame Trägerschaft mit der Caritas überführt, diese löste die zuvor von der Caritas in Eigenregie geführte Agentur ab197.

 Ein sogenannter 'Fachtag' dient der Vernetzung spezifischer Akteure zu einem engagementpolitisch relevanten Thema, dessen weitere Realisierung im Kontext eines sogenannten 'Generationenforums' auf Projektebene überführt und diskutiert wird.

 'Bürger, Engagement und Verwaltung' beschreibt ein Reformprojekt der Stabsstelle, in dem es darum geht, die verwaltungsinternen Institutionen in Bezug auf die Themen Engagement und Koproduktion zu sensibilisieren198und auf die koproduktive Arbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern vorzubereiten.

Die Aufgabendefinition, wie sie die Stabsstellenleitung ihrer Arbeit zugrunde legt, resultiert aus dem engagementpolitischen Konzept der Kommune (vgl.9.5.3, S.293) und bestimmt sich über vier Ziele: 1.

Engagementpotenziale erschließen, 2. eine generationengerechte Stadt gestalten, 3. Presse- und

197Die gemeinsame Zusammenarbeit wurde auf Rückfrage inzwischen [Stand August 2015] wieder aufgelöst, so dass sich für Reichenbach hieraus grundlegende Ableitungen in Bezug auf die Kooperation zwischen Stadtverwaltung und Wohlfahrtsstaatliche Träger ziehen lassen.

198"[D]a hatten wir vergangenes Jahr den Auftakt-Workshop mit den Dezernenten, den Fachbereichsleitungen und der Koordinierungs-Stelle[...].

Und es war ein halber Nachmittag, und es geht um die Frage, 'was fördert, was hemmt das Engagement' usw., das war der Auftakt.[...]Was mach ich jetzt mit den Ergebnissen? Die waren natürlich gemischt und ich habe mich jetzt im Prinzip auf den Weg gemacht und habe gesagt, ich schaue mir jetzt einfach einmal einen Fachbereich an. Eigentlich ist es die Frage, die der Oberbürgermeister ganz gut formuliert hat, während des Workshops, und dem werden wir nachgehen müssen: Was macht die Frau [Stabsstellenleiterin], dass die Leute bei ihr Spaß haben? Und warum regen sich die Leute bei uns[Kommunalverwaltung/ Rathaus]auf?[...]Da habe ich mir ja einfach gesagt, ich schau mir einen Fachbereich an, habe eine Befragung[...]gemacht, eine Aktivierende: Mit wie vielen Freiwilligen arbeiten sie zusammen? Wie viele Vereine in ihrem Fachbereich angesiedelt? Weil alle Vereine sind bei uns einen Fachbereich fachlich zugeordnet. Jeder Verein hat einen Ansprechpartner im Rathaus [...]. Also bin ich in den Fachbereich gegangen, den Fachbereich Kultur, weil der am meisten Interesse hatte. Also ich habe einmal in der Dezernenten- und Fachbereichsleiter-Sitzung gesagt, was ich hier mache und so und die acht Schritte zum Gelingen beim Engagement vorgestellt, die haben wir im Rahmen des ersten Fachtages aufgestellt, 'Gelingendes Engagement in acht Schritten', das finden Sie auf der Homepage.[...]Schritt eins ist: Die Organisation muss das Engagement wollen. Und wenn ich mir die Runde der Fachbereichsleiter angesehen habe, dann merkt man, bei dem die meisten Fragen kommen und wer Interesse hat an dem Thema, und das war der Kulturmensch und zudem habe ich dann gesagt, können wir einmal zusammen starten? Genau, und das haben wir jetzt gemacht.[BK:]Mit welchem Ziel?[IP:]Das Ziel war, erstens eine Bestandsaufnahme zu machen, zweitens zu schauen, welche Perspektiven es in diesem Fachbereich gibt. und das dritte Ziel für mich ist so eine Art 'Training on the Job' mit den Geschäftsbereichsleiter zu haben.[BK:] Eine der Fragen ist ja immer, wie ist die Förderpolitik von Seiten der Stadt auf die Vereine hin. Da gibt es ja ganz unterschiedliche Praktiken [...] und das haben sie jetzt mit der Kultur einmal durch exerziert?[...] [IP:]Ja, genau[BK:] Und das ist jetzt ein Prozess, mit dem sie schauen, wie geht denn Verwaltung mit Bürgerengagement um? [IP:] Und die Frage ist natürlich, welche Potenziale gibt es noch weiter in diesem Fachbereich,[um]den Fachbereich also über Bürgerengagement anzureichern! Also ich denke dass Dinge in der Stadt vor allen Dingen dann gut funktionieren, wenn sie sowohl bürgerschaftlich als auch von der Kommune getragen werden, wenn es also so eine Art Tandem gibt."[5.0: 37]

Öffentlichkeitsarbeit betreiben und 4. Netzwerke schaffen. Diese Ziele benennt auch die verantwortliche Stabsstellenleitung im Interview explizit und leitet hieraus instrumentelle Maßnahmen und engagementpolitische Operationen ab, wie sie obenstehend benannt wurden199, ergänzt um ein neues Projekt mit dem Titel 'Bürgerhaus', für das umfängliche Förderung durch eine Stiftung eingeworben wurde. (vgl.6.5.4, S.183 ff.) Die benannten Maßnahmen sieht die Stabsstellenleitung jeweilig miteinander verschränkt und aufeinander aufbauend200: Während auf dem Fachtag die großen Linien der kommunalen Engagementdebatte diskutiert würden, wäre dessen Resonanzraum das Generationenforum als Netzwerkmodul, in dem sich die verschiedenen zivilgesellschaftlichen Akteure und Organisationen der Kommune vertreten fänden, um sich regelmäßig über die Aufgaben und Projekte in der Stadt auszutauschen. Auf Projektebene schließlich würden die konkreten Maßnahmen diskutiert und angestoßen [vgl. Interview 5.0 Abs. 35ff.].

Wie keine weitere der untersuchten Stabsstellen arbeitet (vor allen Dingen aber argumentiert) die Stabsstellenleitung in Reichenbach instrumentell, in keiner anderen der untersuchten Kommunen fand sich eine ähnlich betriebswirtschaftlich-planerische Perspektive. Ein solches Arbeitsverständnis hängt eng mit der Personalie zusammen, die Stabsstellenleitung ist einerseits pädagogisch, andererseits aber auch betriebswirtschaftlich qualifiziert. Dies bringt einerseits eine enorme Frische in einen Verwaltungskontext und in ein Themenfeld, das sich in den allermeisten anderen Städten weitgehend einem Verwaltungsduktus unterworfen findet, dem es zuweilen auch an Innovationen fehlt. Zugleich jedoch stellt sich die Frage danach, inwieweit die hohe Bedeutung des engagementpolitischen Marketing und der Kommunikation mit der Wirklichkeit zivilgesellschaftlicher Selbstbestimmung und -organisation in Übereinstimmung gebracht werden soll und kann.

Es verwundert nur wenig, dass die professionelle Kommunikation für die Stabsstelle eine entscheidende Bedeutung hat. Für die Kommunikation der eigenen Inhalte wurde eine Kommunikationsagentur engagiert; ein Vorgehen, das in keiner der anderen Städte so zu finden war201:

"Genau, wir haben eine Agentur. Die die Kommunikation macht. Die hat auch den Namen entwickelt, gemeinsam mit mir. Der Auftritt der Koordinierungsstelle hat im Prinzip drei Adjektive: 'Selbstbewusst, emotional und aktivierend', die ich für mich gesetzt habe. Ich wollte eine emotionale, aktivierende und selbstbewusste Ansprache."[5.0: 26]

199"Die zentralen Projekte, das sind für mich: Der Bürger-Mentoren-Kurs, die Freiwilligenagentur, der Fachtag, das Generationenforum, das Projekt 'Bürger Engagement & Verwaltung' und jetzt neu: Das Bürgerhaus." [5.0: 35]

200"Ich habe ja diese drei Ebenen: Strategie oben, Projektebene in der Mitte und unten das Agenturgeschäft, also Beratung, Betreuung, Vermittlung und Qualifizierung von Freiwilligen, also auf Ebene des jeweiligen Freiwilligen. Auf der zweiten Ebene haben wir die Projektebene, und eben die strategische Vernetzung findet im Fachtag statt. Da wird ein Thema strategisch behandelt.[BK:]Das ist der jetzt ihr Denkmodell, das gewissermaßen oben drüber steht. Aber können sie das auch herunter brechen? bzw. in der Praxis damit arbeiten?[IP:]Das macht kein Problem, das ist ja von oben und unten immer durchlässig." [5.0: 11f.]

201Fraglos arbeiten auch die weiteren Stabsstellen mit Agenturen zusammen, wenn es beispielsweise darum geht Broschüren zu entwickeln, etc.

pp. In vorliegendem Falle jedoch geht es darum, dass eine Agentur für die gesamte Corporate Identity der Stabsstelle mitverantwortlich zeichnet.

Die professionelle Kommunikation verweist auf ein Selbstverständnis, demzufolge sich die Anlaufstelle als innerstädtische Marke versteht, keinesfalls als Verwaltungseinheit gesehen werden will und sich als Solitär innerhalb der administrativen Struktur des Rathauses verortet. Hiervon profitiert fraglos nicht nur die Stabsstelle als Institution, sondern auch der Stellenwert, der dem Thema Engagement und Ehrenamt innerhalb der Stadtgesellschaft zugewiesen wird202.