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4 Materialien und Methoden

6.5 Kombination des Sterilisierungssystems mit Geschlechterseparationssystemen

transgenbasierten SIT dar. Die Wirksamkeit der SIT steigt für viele Schadspezies, wenn weibliche Insekten abgetrennt und ausschließlich männliche Insekten freigesetzt werden. Daher wurde in dieser Arbeit die Kompatibilität des Sterilisierungssystems zu einem bereits beschriebenen System supprimierbarer weiblich-spezifischer Letalität untersucht (siehe Kap. 5.2.7 und Abb. 3.4; Heinrich &

Scott, 2000). Diese Kombination erwies sich bei vier untersuchten FSLEL-Stämmen als nicht möglich. Eine offensichtliche Ursache dafür ist, daß FSLEL-Stämme selbst bei einer Tc-Konzentration von 100 µg/ml im parentalen Futter nach Übertragung auf Tc-freies Futter keine bzw. kaum Nachkommen hervorbrachten (siehe Tab. 5.6). Gerade niedrige parentale Tc-Konzentrationen sind aber vermutlich notwendig, damit das weiblich-spezifisch in larvalen Stadien (Heinrich & Scott, 2000) exprimierte tTA-Protein nicht inhibiert wird. In diesem Kapitel sollen zwei weitere Ansätze zur Abtötung von Insektenweibchen im Hinblick auf deren Kombinationsmöglichkeit mit dem Sterilisierungssystem dieser Arbeit diskutiert werden.

6.5.1 Kombination des Sterilisierungssystems mit einem klassisch genetischen Geschlechterseparationssystem

Für die Mittelmeerfruchtfliege konnte ein Separationssystem konstruiert werden, das weibliche Embryonen abtötet und somit ausschließlich männliche Fruchtfliegen entstehen läßt (Franz et al., 1994; Hendrichs et al., 1995; Robinson, 2002a). Dieses System beruht auf chromosomalen Translokationen, welche mittels klassisch genetischer Methoden generiert wurden (zur genaueren Beschreibung siehe Abb. 6.2A und Robinson et al., 1999).

Der Translokationsstamm ist konditional letal für weibliche Embryonen: Unter restriktiven Bedingungen - der Anwendung eines Hitzeschockprotokolls - überleben ausschließlich (>99.9%;

Hendrichs et al., 1995) männliche Insektenlarven, die nachfolgend herangezüchtet, im Puppenstadium sterilisiert und freigesetzt werden (Abb. 6.2B). Im Jahre 2001 wurden 60% der weltweit produzierten sterilen Mittelmeerfruchtfliegen über dieses System separiert (sog. „male only strains“; http://www-ididas.iaea.org/ididas/start.htm).

Unter ökonomischen Gesichtspunkten besonders vorteilhaft ist, daß die weiblich-spezifische Letalität bereits im Embryonalstadium eintritt, so daß die kostenintensive Fütterung weiblicher Larven entfällt. Als nachteilig erwiesen sich folgende Eigenschaften (Robinson et al., 1999; Robinson, 2002a): Erstens ist aufgrund der Translokationsgenetik die Fertilität des Stammes auch unter permissiven Bedingungen um 50% reduziert. Zweitens zeigen insbesondere Weibchen des Translokationsstammes eine verminderte Fitness. Drittens ist dieses System speziesspezifisch und die Einzelkomponenten können nicht direkt auf andere Schadinsekten übertragen werden. Vergleichbare Separationssysteme für weitere Fruchtfliegenschädlinge existieren bislang nicht oder befinden sich im Anfangsstadium der Entwicklung (Meats et al., 2002). Viertens, und am bedeutsamsten, ist die

Stabilität des Translokationsstammes im großtechnischen Produktionsmaßstab nicht hinreichend gewährleistet. Rekombinationsereignisse mit der Folge der Reversion des gezüchteten Merkmals treten mit einer Frequenz von 10-3 - 10-4 auf (G. Franz, pers. Mitteilung; Caceres, 2002). Revertanten setzen sich rasant im Translokationsstamm durch und lassen diesen zusammenbrechen. Eine kontinuierliche Produktion im Maßstab von 107 - 108 Insektenpuppen pro Woche wurde erst nach Einführung eines Qualitätssicherungssystems möglich, das die manuelle Identifizierung und Entfernung von Revertanten beinhaltet (Fisher & Caceres, 2000; Caceres, 2002).

Eine Kombination dieses Separationssystems mit dem transgenbasierten Sterilisierungssystem erscheint prinzipiell als möglich, obwohl beide Systeme in der embryonalen Entwicklungsphase wirken. Da das Separationssystem physikalische Bedingungen (Hitzeschock), das transgenbasierte Sterilisierungssystem jedoch chemische Bedingungen (Tc) zur Unterscheidung permissiver und restriktiver Zustände verwendet, sollten sich beide Systeme in ihrer Wirkung nicht beeinflussen. Dazu müßte allerdings überprüft werden, wie sich Hitzeschockbedingungen auf die Charakteristika supprimierbar embryospezifisch letaler Stämme auswirken.

adulte Kolonie

Abb. 6.2: Klassisch genetisches Geschlechterseparationssystem für die Mittelmeerfruchtfliege.

A) Männliche Insekten tragen eine reziproke Translokation eines autosomalen Fragmentes auf das Y-Chromosom: T(Y;A). Das translozierte Fragment enthält die wildtypischen Allele eines essentiellen Gens (+) und eines Phänotypenmarkergens (+). Das Markergen (wp (white pupae), verleiht braune (+) bzw. weiße (wp) Puppenfarbe) wird zur Unterscheidung männlicher und weiblicher Puppen im Rahmen von Qualitätskontroll-maßnahmen des Systems eingesetzt. Ein rezessiv temperatursensitives Allel, tsl, des essentiellen Gens wird zur Abtötung der Weibchen verwendet: Weibchen sind bzgl. tsl homozygot und sterben unter restriktiven Bedingungen im Embryonalstadium. Männchen hingegen überleben diese Bedingungen aufgrund der Wildtypkopie auf dem translozierten Fragment. Modifiziert nach Robinson et al. (1999).

B) Flußdiagramm der Anwendung des Separationssystems im Rahmen der SIT. Unter restriktiven Bedingungen werden weibliche Embryonen abgetötet. Männliche Puppen werden durch γ-Strahlen sterilisiert und als Adulte freigesetzt. Modifiziert nach Hendrichs et al. (1995).

90 Diskussion

6.5.2 Kombination des Sterilisierungssystems mit einem transgenbasierten Maskulinisierungssystem

Ebenfalls für die Mittelmeerfruchtfliege ist ein System beschrieben worden, das über Modulation der Geschlechtsdeterminationskaskade weibliche Insekten in männliche transformiert (Pane et al., 2002). In der Kaskade übernimmt der Spleißfaktor CcTRA (Ceratitis capitata Transformer) die Funktion eines binären genetischen Schalters: Im „ON-Zustand“ stimuliert CcTRA rückkoppelnd seine eigene Synthese und definiert weibliches Zellschicksal. Im „OFF-Zustand“

hingegen resultiert männliches Zellschicksal (zur genaueren Beschreibung siehe Abb. 6.3).

Abb. 6.3: Modell der Geschlechtsdeterminationskaskade in Ceratitis capitata.

Maternale Cctra mRNA wird in Embryonen deponiert. Im weiblichen XX-Embryo (A) wird maternales Transkript zu funktionellem CcTRA translatiert. CcTRA fungiert als Spleißfaktor zygotisch transkribierter Cctra prä-mRNA, so daß neues funktionelles CcTRA produziert wird (Autoaktivierung der Proteinbiosynthese).

CcTRA bewirkt zudem das Spleißen von Ccdsx (Ceratitis capitata doublesex) prä-mRNA, und die weiblich-spezifisch produzierte CcDSXF-Isoform ist an der Induktion weiblicher Entwicklungsvorgänge beteiligt. Im XY-Embryo hingegen (B) wird der Y-chromosomal kodierte m-(maleness)-Faktor exprimiert und das M-Protein inhibiert auf bislang nicht geklärte Weise die Biosynthese funktionellen CcTRA-Proteins. Somit findet keine CcTRA-Autostimulation und auch kein weiblich-spezifisches Spleißen der Ccdsx prä-mRNA statt. Die CcDSXM-Isoform induziert männliche Entwicklungsvorgänge. Nach Pane et al., 2002.

Die Funktion eines Gens kann mittels der RNAi-(RNA-Interferenz)-Technik sowohl nach Injektion als auch nach transgenvermittelter Synthese von dsRNA ausgeschaltet werden (Kennerdell

& Carthew, 1998; Fortier & Belote, 2000; Lam & Thummel, 2000). Pane et al. (2002) injizierten

dsRNA des Cctra-Transkriptes in Ceratitis-Embryonen und beobachteten, daß sich zu 85% (n=272) männliche Fruchtfliegen entwickelten. Das Ausschalten der Cctra-Genfunktion verschob somit das erwartete 1:1 Verhältnis stark in Richtung Männchen. Karyotypische XX Männchen (wildtypische Ceratitis-Männchen sind heterogametisch, Weibchen homogametisch) erwiesen sich zudem als fertil.

Offenbar kodiert das Y-Chromosom in Ceratitis keine zur männlichen Fertilität notwendigen Genfunktionen.

Von diesem RNAi-Ansatz ausgehend, könnte ein Maskulinisierungssystem konstruiert werden, das auf einem Transgen zur Synthese von dsRNA des Cctra-Transkriptes beruht. Dieses System würde möglicherweise effizient Weibchen in Männchen umwandeln. Dazu müßte ein Element zur Konditionalität integriert werden (z.B. ein temperatursensitiv aktiver Promotor), so daß restriktive Bedingungen zur Maskulinisierung und permissive Bedingungen zur Zucht angewendet werden können. Ein solches hitzeschockinduzierbares Maskulinisierungssystem sollte analog zu dem klassisch genetischen Separationssystem mit dem in dieser Arbeit vorgestellten transgenbasierten Sterilisierungssystem kombinierbar sein.

6.6 Das Enhancernachweissystem zur Identifizierung adäquater Enhancer in