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2 Literaturübersicht

2.3 Klinische Grenzwerte (Breakpoints) und Epidemiologische Grenzwerte (ECOFFs) 17

Der Erfolg einer antimikrobiellen Therapie bakterieller Infektionen ist abhängig vom Einsatz eines geeigneten Wirkstoffs. Daher sollte der ursächliche Erreger isoliert und ein Empfindlichkeitstest durchgeführt werden. So kann ein geeigneter Wirkstoff ermittelt werden, gegen den keine phänotypische Resistenz des Erregers in-vitro vorliegt. Für eine Einstufung eines Erregers in die Kategorie „sensibel“, „intermediär“

oder „resistent“ ist das Vorliegen von (klinischen) Grenzwerten notwendig (KAHLMETER et al. 2003). Dabei gibt die Einstufung des Erregers als „sensibel“ an, dass eine Therapie höchstwahrscheinlich erfolgreich sein wird, wenn dieser Wirkstoff eingesetzt wird. Bei der Einstufung eines Wirkstoffes in „intermediär“ ist der therapeutische Erfolg unsicher und bei der Einstufung des Erregers als „resistent“

besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass sich kein therapeutischer Erfolg bei Einsatz dieses Wirkstoffes einstellt.

In den verschiedenen Richtlinien oder Standards werden Grenzwerte für die Beurteilung von Reihenverdünnungstests angegeben und zur Beurteilung von Ergebnissen der Agardiffusion werden Hemmhofdurchmesser als Kriterien bereitgestellt.

Eine Beurteilung der Ergebnisse von Empfindlichkeitstestungen kann prinzipiell nach klinischen Grenzwerten oder epidemiologischen Grenzwerten (sogenannten ECOFFs – epidemiological cut-off values) vorgenommen werden. In die klinischen Grenzwerte fließen Ergebnisse aus klinischen Studien, der Pharmakodynamik und Pharmakokinetik eines Wirkstoffes sowie die Wirkstoffverteilung im betreffenden Organsystem und die Dosierung des Wirkstoffes ein. Die Beurteilung des MHK-Wertes bezieht sich somit auf die vermutliche Wirksamkeit eines antimikrobiellen Wirkstoffes in-vivo, so dass der behandelnde Tierarzt die oben genannten Informationen (z.B. Tierart, Dosierung, betroffenes Organsystem) vor der Behandlung eines Patienten berücksichtigen muss und diese in die Auswertung einfließen (BYWATER et al. 2006). Der ECOFF ist dagegen der MHK-Wert eines antimikrobiellen Wirkstoffes, welcher die Wildtyp-Population der Bakterienspezies (MHK-Werte unterhalb des ECOFFs) von der Nicht-Wildtyp-Population (MHK-Werte gleich oder oberhalb des ECOFF-Wertes) abgrenzen soll. Hierbei wird angenommen, dass bei bi- bzw. multimodalen Verteilungen von MHK-Werten bei der Wildtyp-Population vermutlich keine Resistenzmechanismen vorhanden sind, während bei der Nicht-Wildtyp-Population Resistenzmechanismen vermutlich vorhanden sind.

Berücksichtigt für die Bestimmung eines ECOFFs werden dabei Bakterienisolate, die aus verschiedenen Quellen, Zeitintervallen und geographischen Regionen stammen.

Es handelt sich somit um einen Wert, der aufgrund der Verteilung von MHK-Werten in einer Bakterienpopulation ermittelt wurde und welcher z.B. für die Auswertung epidemiologischer Studien geeignet erscheint. Der ECOFF sollte aber nicht genutzt werden, um eine Beurteilung von MHK-Werten für die vermutliche Wirksamkeit eines antimikrobiellen Wirkstoffes beim therapeutischen Einsatz am Patienten in-vivo vorzunehmen, da viele Parameter bei der Ermittlung des ECOFFs nicht

berücksichtigt werden, welche aber für eine Abschätzung des Erfolges einer Therapie mit dem Wirkstoff von Bedeutung sind.

Das CLSI stellt für die Beurteilung der Empfindlichkeit eines Erregers und somit auch für die Zuordnung zu den Kategorien „sensibel“, „intermediär“ und „resistent“

klinische Grenzwerte zur Verfügung (SILLEY 2012). Die ECOFFs sind vor allem relevant, um feststellen zu können, ob eine bakterielle Subpopulation mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber einem Wirkstoff vorliegt, sie sind hingegen nicht sinnvoll um den Anteil klinisch resistenter Bakterienisolate darzustellen (SILLEY et al. 2011).

Für viele veterinärmedizinisch wichtige Erreger liegen zurzeit keine klinischen Grenzwerte vor. Dadurch ist eine Einteilung der Erreger aufgrund der ermittelten MHK-Werte in die Kategorien „sensibel“, „intermediär“ und „resistent“ für diese Erreger-Wirkstoff-Kombinationen nicht möglich (KIETZMANN 2004).

2.4 Bordetella bronchiseptica

2.4.1 Taxonomie, Morphologie und Merkmale der Gattung

Erstmals wurde der Erreger 1910 bei einem Hund mit Atemwegserkrankung entdeckt und wenig später das Vorkommen bei anderen Säugetieren beschrieben (FERRY 1910, 1912a, b). Der Erreger wurde erst 1940 mit Atemwegserkrankungen beim Schwein in Zusammenhang gebracht und später als Mitverursacher der Erkrankung Rhinitis athrophicans entdeckt (PHILLIPS 1943; SWITZER 1956).

Bei Bordetella bronchiseptica handelt es sich um aerobe gramnegative Stäbchen der Gattung Bordetella aus der Ordnung/Familie Alcaligenaceae. Sie sind nicht sporenbildend, durch die Ausbildung einer peritrich angeordneten Begeißelung beweglich (Abbildung 6) und weisen eine Größe von etwa 0,5-0,5 x 0,2-2,0 µm auf.

Abb. 6:

Abbildung 6: Schematische Darstellung der peritrichen Begeißelungsform bei B. bronchiseptica

2.4.2 Epidemiologie und Bedeutung von B. bronchiseptica

Der Erreger B. bronchiseptica besiedelt die Schleimhaut des oberen Respirationstraktes und weist ein breites Wirtsspektrum auf. Dies kann zu Infektionen bei verschiedenen Säugetieren und Vögeln führen und auch bei immunsupprimierten Menschen kann der Erreger eine Infektion auslösen (GOODNOW 1980). Der Erreger wird häufig von Schweinen mit Atemwegserkrankungen oder Rhinitis athrophicans isoliert, gleichwohl auch nicht offensichtlich erkrankte Tiere den Erreger tragen können (BACKSTROM et al. 1988; PALZER et al. 2008; ZHAO et al. 2011;

HORIGUCHI 2012). Eine Infektion mit B. bronchiseptica prädisponiert Schweine für Infektionen mit weiteren Erregern wie z.B. Pasteurella (P.) multocida, H. parasuis, Streptococcus suis und verschiedene virale Erreger (z.B. PRRSV) (HARRIS u.

SWITZER 1968; GILES et al. 1980; DUGAL et al. 1992; BROCKMEIER et al. 2001;

BROCKMEIER 2004). Beim Hund ist B. bronchiseptica an der multifaktoriellen Atemwegserkrankung des Zwingerhustenkomplexes beteiligt (MCCANDLISH et al.

1976; MCCANDLISH et al. 1978; CHALKER et al. 2003; SCHULZ et al. 2014). Bei der Katze ist B. bronchiseptica sekundär am Katzenschnupfenkomplex beteiligt, kann aber auch als Primärerreger auftreten (GASKELL u. GASKELL 1997; BINNS et al.

1999; FOLEY et al. 2002). Des Weiteren wurden Infektionen des Atemtraktes bei Kaninchen und Pferden beschrieben (DEEB et al. 1990; GARCIA-CANTU et al.

2000). B. bronchiseptica-Infektionen des Menschen wurden bisher hauptsächlich bei immungeschwächten Patienten beschrieben (WOOLFREY 1991; VIEJO et al. 2002;

BOSE et al. 2008; GARCÍA-DE-LA-FUENTE et al. 2015).

Eine Übertragung des Erregers erfolgt hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion zwischen Tieren einer Art, wobei auch eine Übertragung zwischen verschiedenen Tierarten oder vom Tier auf den Menschen möglich ist. Die Übertragung aus der Umwelt oder durch stark kontaminierte Gegenstände wird ebenfalls diskutiert, da der Erreger relativ lange außerhalb des Wirtes überleben kann (SPEAKMAN et al. 1999).

2.4.3 Infektionen mit B. bronchiseptica

Eine B. bronchiseptica-Infektion beim Schwein kann bei Tieren jeden Alters auftreten, meist infizieren sich aber schon Saugferkel beim Muttertier. Da der Erreger für einige Monate im Tier persistiert, stellen diese Tiere eine Quelle für Neuinfektionen anderer Tiere dar. Eine erworbene Immunität durch Antikörper aus dem Kolostrum kann die Ferkel vor Pneumonien oder schweren Läsionen schützen, dennoch kann die Infektion nicht verhindert werden. Die Infektion ist selbstlimitierend und transient, wenn keine anderen Erreger beteiligt sind (FENWICK 2013).

Die Inkubationszeit beträgt etwa 2-3 Tage und die klinischen Symptome reichen von einer leichten Rhinitis über Husten bis hin zu schweren Bronchopneumonien. Die Schwere der Symptome ist abhängig vom Alter des Tieres, dem Immunstatus und möglichen Infektionen mit anderen Erregern. Bei einer Co-Infektion mit toxinproduzierenden P. multocida-Stämmen kann das Krankheitsbild der progressiven Rhinitis atrophicans auftreten, welche auch als „Schnüffelkrankheit“

bezeichnet wird. Diese Erkrankung führt zu schweren Atemwegsinfektionen und ruft eine Deformation und Atrophie der Nasenmuscheln hervor (DE JONG u. NIELSEN 1990). Zur Prophylaxe gibt es einen inaktivierten Kombinationsimpfstoff, der B.bronchiseptica und P. multocida umfasst und einen Immunschutz für etwa sechs Monate bietet.

Auch Hunde jeden Alters sind für eine B. bronchiseptica-Infektion empfänglich und sie wird besonders dort beobachtet, wo viele Hunde auf engem Raum zusammen gehalten werden. Charakteristischerweise fallen die Tiere durch einen trockenen bellenden Husten auf, in schweren Fällen kann aber auch eine Pneumonie oder der Tod des Tieres beobachtet werden. Die Erkrankung, welche auch als Zwingerhusten

oder canine infektiöse Tracheobronchitis bezeichnet wird, wird meist durch eine Virusinfektion ausgelöst und kann anschließend zu einer mehrere Monate persistierenden Besiedlung mit B. bronchiseptica führen, welche im Normalfall selbstlimitierend ist (MCCANDLISH et al. 1976; MCCANDLISH et al. 1978;

SPEAKMAN et al. 2000; CHALKER et al. 2003; STEINFELD et al. 2012; FENWICK 2013).

B. bronchiseptica ist zudem am „Katzenschnupfenkomplex“ beteiligt, bei dem es sich um einen Krankheitskomplex der oberen Atemwege handelt (SPEAKMAN et al.

1997; FOLEY et al. 2002; EGBERINK et al. 2009). Der Erreger kann bei der Katze auch primär zu Infektionen des oberen Respirationstraktes führen. Es werden milde Symptome einer Atemwegserkrankung, wie Niesen oder Nasenausfluss bis hin zu schweren Fällen von Bronchopneumonien beschrieben. Besonders bei Katzenwelpen kann der Erreger zu schwerwiegenden Symptomen führen. In Haushalten mit mehreren Katzen oder in Tierheimen wird eine höhere Seroprävalenz des Erregers beschrieben. Nach Abklingen der Infektion kann der Erreger noch einige Wochen ausgeschieden werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die Ausscheidung mit Faktoren wie Stress verbunden ist und der Erreger nicht in jeder Phase nachgewiesen werden kann (HELPS et al. 2005).

Ferner werden auch durch B. bronchiseptica verursachte Atemwegserkrankungen beim Pferd sowie bei Kaninchen und Nagetieren beschrieben (DEEB et al. 1990;

SPEAKMAN et al. 1997).

Durch das Auftreten von immer mehr Fällen beim Menschen wird dem Erreger inzwischen eine höhere Bedeutung zugeschrieben. Nicht in allen Fällen kann ein direkter Kontakt zu Haustieren nachgewiesen werden und es wurden zudem auch nosokomiale Übertragungen beschrieben (HUEBNER et al. 2006; BOSE et al. 2008;

GARCÍA-DE-LA-FUENTE et al. 2015).

B. bronchiseptica kann beim Menschen zu Atemwegsinfektionen führen und auch eine systemische Infektion ist möglich (WOOLFREY 1991; VIEJO et al. 2002; BOSE et al. 2008; GARCÍA-DE-LA-FUENTE et al. 2015).

2.4.4 Kultivierung, Wachstum, Erregernachweis und Typisierung von B. bronchiseptica

Bei B. bronchiseptica handelt es sich um strikt aerobe Bakterien, die auf Blutagar bei 35 - 37 °C innerhalb von 1 - 3 Tagen grau-weiße Kolonien bilden und durch eine nicht konsistente Hämolyse gekennzeichnet sind. Sie beziehen ihre Energie aus der Oxidation von Aminosäuren und können keine Kohlenhydrate als Energiequelle nutzen. Die Bakterien sind Oxidase und Katalase positiv, produzieren Urease und reduzieren Nitrat. Citrat wird als Kohlenstoffquelle verwendet (PICKETT u.

GREENWOOD 1986; WOOLFREY 1991).

Um die Verwandtschaft verschiedener Isolate zu untersuchen, werden molekularbiologische Methoden wie die Makrorestriktionsanalyse oder MLST- (Multilocus sequence typing) Verfahren zur Typisierung genutzt (SHIN et al. 2007).

Da keine Methode zur Serotypisierung von B. bronchiseptica-Isolaten verfügbar und die Kultivierung des Erregers wenig sensitiv ist, wurde zum Nachweis von B. bronchiseptica eine speziesspezifische PCR entwickelt, die das strukturelle Flagellin Gen (flaA) detektiert. Dieses Gen kann zur Differenzierung der Art genutzt werden, da in der Gattung Bordetella nur B. bronchiseptica Flagellen oder Geißeln besitzt (HOZBOR et al. 1999).