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2 Literaturübersicht

2.6 Antimikrobielle Resistenz

Mikroorganismen können natürliche, sogenannte intrinsische Resistenzen aufweisen.

Diese sind vermutlich durch Anpassungsprozesse der Bakterien entstanden. Hierbei sind in der Regel die Wirkungsorte für bestimmte antimikrobielle Chemotherapeutika bei den Bakterien nicht vorhanden oder nicht zugängig. Die intrinsische Resistenz kann alle oder auch nur einige Spezies einer Gattung betreffen und muss nicht an eine Wirkstoffklasse gebunden sein (WRIGHT 2005). Eine intrinsische Resistenz ist zum Beispiel für Pseudomonas aeroginosa bekannt. Durch die geringe Membranpermeabilität der Zellmembran können Wirkstoffe mit einem bestimmten Molekulargewicht die Poren nicht passieren. Daher weist der Erreger für viele antimikrobielle Wirkstoffe eine Resistenz auf (NAKAE 1995; YONEYAMA u.

KATSUMATA 2006). Ein weiteres Bespiel ist bei gramnegativen Bakterien zu finden, deren äußere Membran keine Angriffsstelle für einige Wirkstoffe bietet, die wiederum bei grampositiven Bakterien eine Wirksamkeit zeigen (z.B. Penicilline) (WRIGHT 2005). Bei anderen Bakterien, die selbst antimikrobielle Substanzen produzieren, liegen spezielle Mechanismen vor, die dem Selbstschutz der Bakterien dienen. Als Beispiel dient hier die Gattung Streptomyces, die den Wirkstoff Erythromycin produziert. Um sich selbst vor dem Wirkstoff zu schützen, liegen unterschiedliche Mechanismen der verschiedenen Streptomyces spezies vor: eine modifizierte

Struktur des Zielproteins, an das der Wirkstoff bindet; die Produktion einer inaktiven Form des Wirkstoffes, die nicht zum Tod der Bakterienzelle führt und erst außerhalb der Zelle durch ein Enzym in die aktive Form des Wirkstoffes umgewandelt wird und die Produktion einer Effluxpumpe, die den Wirkstoff aus der Bakterienzelle ausschleusen kann. Ähnliche Mechanismen sind auch für den Wirkstoff Vancomycin bekannt, der ebenfalls von der Gattung Streptomyces produziert wird (STRELKAUSKAS et al. 2009).

2.6.2 Extrinsische (erworbene) Resistenz und Transfermechanismen

Durch den Einsatz von antimikrobiellen Wirkstoffen in Human- und Veterinärmedizin kommt es zu einer Selektion von resistenten Erregern, die unempfindlich gegenüber einem bestimmten antimikrobiellen Wirkstoff (oder mehreren) oder einer Wirkstoffklasse sind (SCHWARZ et al. 2001). Dabei kann eine Resistenzeigenschaft von den Bakterien erworben (z.B. durch den horizontalen Transfer von Resistenzgenen) oder entwickelt werden (z.B. über eine Selektion auf Mutationen in speziellen Abschnitten des Genoms). Eine erworbene Resistenz entsteht also durch eine Veränderung des bakteriellen Genoms (TENOVER 2001). Dabei können auftretende Mutationen im bakteriellen Genom (und somit auch die durch sie vermittelte Resistenzeigenschaft) bei der Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben werden. Beim horizontalen Transfer von Resistenzgenen zwischen Bakterien kann ein Austauschprozess hingegen auch zwischen unterschiedlichen Bakterienspezies oder -gattungen stattfinden. Begünstigend für diesen Transferprozess ist, dass Resistenzgene häufig auf mobilen genetischen Elementen wie z.B. Plasmiden und Transposons lokalisiert und somit mobil sind (TENOVER 2001; BENNETT 2008; BOCKSTAEL u. AERSCHOT 2009).

Die drei Mechanismen Konjugation, Transduktion und Transformation spielen für den Gentransfer eine besondere Rolle. Bei der Konjugation kommt es zu einer selbstständigen Übertragung von konjugativen Plasmiden oder Transposons aus einer Spenderzelle in eine Empfängerzelle. Für die Übertragung ist ein Transferkomplex notwendig, der z.B. auf konjugativen Plasmiden und Transposons

kodiert vorliegt (TENOVER 2006). Diese Übertragung kann auch zwischen zwei Bakterien unterschiedlicher Gattungen und Familien stattfinden und es können mehrere Resistenzgene gleichzeitig übertragen werden (DE LA CRUZ u. DAVIES 2000). Plasmide oder Transposons, die selbst nicht dazu im Stande sind, können teilweise den Transferapparat von konjugativen Plasmiden nutzen (GROHMANN et al. 2003). Bei der Transduktion findet die Übertragung von Resistenzgenen mit Hilfe von Bakteriophagen statt. Ein Plasmid der Wirtszelle wird hier bei der Vermehrung von Bakteriophagen versehentlich in die Phagenköpfe eingeschlossen und anschließend wird die DNA des Plasmids auf eine andere Bakterienzelle übertragen.

Die Transformation wird in-vitro zur Übertragung von Plasmid-DNA in eine neue Empfängerzelle verwendet und kann auch in-vivo durch Aufnahme von DNA absterbender oder bereits abgestorbener Bakterien stattfinden (GRIFFITHS et al.

2000).

Eine Übertragung von Resistenzgenen ist häufig zwischen Bakterien leicht möglich, da diese Gene sehr oft auf Plasmiden, Transposons, Genkassetten oder weiteren mobilen genetischen Elementen vorliegen. Plasmide sind extrachromosomale, doppelsträngige und meist ringförmige DNA-Moleküle, die sich selbstständig innerhalb der Bakterienzellen vermehren können. Plasmide tragen häufig DNA-Abschnitte mit Resistenzgenen (ACTIS et al. 1999). Bei den Transposons handelt es sich um doppelsträngige DNA-Abschnitte, die ihre Lokalisation im Genom durch Transposition verändern können. Sie sind nicht in der Lage, sich eigenständig zu vermehren und können mehrere Resistenzgene tragen (BENNETT 2008).

Genkassetten sind kleine mobile Elemente, die ein Resistenzgen tragen und eine Rekombinationsstelle besitzen. Sie können sich nicht selbstständig replizieren und sind nicht zur eigenständigen Transposition befähigt. Stattdessen befinden sie sich oftmals an einem definierten Ort in einem Integron. Ihre Mobilität wird durch Rekombinationsprozesse erzielt, wofür die Integrase eines Empfängerintegrons genutzt wird (BENNETT 1999; HALL 2012).

2.6.3 Resistenzmechanismen

Bakterien entwickeln und nutzen unterschiedliche Strategien, um der bakteriostatischen oder bakteriziden Wirkung eines antimikrobiellen Chemotherapeutikums zu entgehen. Einige Bakterien besitzen Gene, deren Genprodukte ein Antibiotikum inaktivieren können, bevor es den Wirkungsort erreicht (enzymatische Inaktivierung). So können beispielsweise bestimmte Bakterien β-Laktamasen produzieren, die den β-Laktamring u.a. von Penicillinen, Cephalosporinen, Carbapenemen zerstören (FRERE 1995; WILKE et al. 2005).

Andere Bakterien besitzen Gene, welche Effluxpumpen kodieren. Diese können die intrazelluläre Konzentration eines Wirkstoffes in der Bakterienzelle reduzieren. Diese Effluxpumpen schleusen Antibiotika, welche in ihr Substratspektum gehören, aus der Bakterienzelle aus. Dabei gibt es einige Effluxsysteme, die ein enges Substratspektrum aufweisen (z.B. ausschließlich Tetrazycline), aber auch sogenannte „Multidrug-Transporter“, zu deren Substratspektrum eine Vielzahl von antimikrobiellen Substanzen und Bioziden zählen (HANSEN et al. 1993; RENSCH et al. 2014). Eine Reduktion der Wirkstoffkonzentration in der Bakterienzelle kann auch durch reduzierten Influx (z.B durch die Verminderung von Porinen in der bakteriellen Zellwand) erzielt werden. Weitere Resistenzmechanismen sind Veränderungen der Bindungsstelle für den antimikrobiellen Wirkstoff z.B. durch Mutationen in Genen, das Ersetzen empfindlicher Zielstrukturen durch resistente, chemische Modifikationen oder den Schutz der Zielstrukturen (SILVER 2003; RACHAKONDA u. CARTEE 2004; LANGTON et al. 2005; YONEYAMA u. KATSUMATA 2006).

2.6.4 Relevanz und Kontrolle der Antibiotikaresistenz

Bei einigen veterinärmedizinisch relevanten Bakterien kommen höhere Prozentsätze an phänotypischen Resistenzen gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen vor (AARESTRUP 2005; BVL 2014). Eine Verbesserung der Tiergesundheit durch geeignete Tierhaltungsbedingungen und Vorbeugung von Infektionen können den Einsatz von antimikrobiellen Substanzen verringern (VAN DEN BOGAARD u.

STOBBERINGH 1999). Dennoch ist es derzeit in Fachkreisen anerkannt, dass

antimikrobielle Wirkstoffe zur Aufrechterhaltung des Gesundheitsstatus von Tieren unverzichtbar sind. In Deutschland wird durch die Herausgabe der Antibiotika-Leitlinien von der Bundestierärztekammer (BTK) eine Empfehlung bezüglich der richtigen Vorgehensweise beim Einsatz von antimikrobiellen Wirkstoffen für den Tierarzt gegeben, um einen sorgfältigen Umgang mit diesen wichtigen Wirkstoffen zu gewährleisten. In diesen Leitlinien wird ausdrücklich auf die Einbeziehung von mikrobiologischer Diagnostik zur Bestimmung des(r) beteiligten Erreger(s) und auf Empfindlichkeitstestungen hingewiesen (BUNDESTIERÄRZTEKAMMER 2015).

Durch nachvollziehbare diagnostische Maßnahmen ist somit die Notwendigkeit eines Einsatzes von antimikrobiellen Wirkstoffen zu belegen. Dennoch liegen für einige Erreger derzeit keine Richtlinien oder Vorschriften vor, die eine standardisierte Empfindlichkeitsprüfung ermöglichen.