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1 Das Kirchengebude und die Bedeutung der betenden Gemeinde

Im Dokument Miriam Czock Gottes Haus (Seite 40-51)

Obwohl die frhen christlichen Denker die Vorstellung eines heiligen Kultorts in Abgrenzung zur rçmischen und jdischen Religion ablehnten,12 formte sich frh eine Idee der Heiligkeit der Gemeinde aus, die nicht vollstndig vom Ort der Gemeindeversammlung abgelçst werden kann. Eine erste Phase der In-einssetzung von Gemeinde und Kirchengebude ist bereits im 2. Jahrhundert festzustellen: So erfuhr der Begriff ecclesia eine semantische Erweiterung von einem allein auf die Gemeinde bezogenen, auch fr das Kirchengebude ge-lufigen Begriff.13 Die Dichotomie von Gemeinde und Ort der Versammlung verkompliziert die Frage nach der rumlichen Komponente der Heiligkeit, da die Gemeinde hufig nicht ohne ihren Versammlungsraum zu denken ist. Es muss also gefragt werden, ob die rumliche Komponente bei den Kirchenvtern 10 Zum Prozess der Verçrtlichung der Heiligkeit siehe Markus: How on Earth Could

Places Become Holy?;Sotinel: Les lieux de cult.

11 Erstaunlicherweise wird das Asyl meistens nicht als Wurzel der Heiligkeit genannt, eine Ausnahme bildetSotinel: Les lieux de cult, S. 429 – 431.

12 Yasin: Saints and Church Spaces, S. 16 – 21.

13 Christine Mohrmann: Les dnominations de l’glise en tant qu’difice en grec et en latin au cours des premiers sicles chrtiens. In: Revue des sciences religieuses 36 (1962), S. 155 – 174. Zu diesem Phnomen und dem gesamten lexikalischen Bestand zur Be-zeichnung der Kirche sieheIogna-Prat: La maison dieu, S. 48 – 53.

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eine explizite Rolle spielte. Eine der klarsten Aussagen zu diesem Thema findet sich in den Stromata Clemens’ von Alexandria. Er lehnt mit Rckbezug auf die durch das Neue Testament verbreitete Ideen Gott sei allgegenwrtig und nur der Mensch kçnne Tempel Gottes sein, die Heiligkeit der Kirche explizit ab. So fragt er seine Leser, wie ein Werk von Baumeistern, Steinmetzen und Hand-werksarbeit heilig sein kçnne.14 Und fgt hinzu, dass die von menschlichen Handwerkern verfertigten Gçtterbilder und Tempel aus leblosem Stoff gemacht seien, so dass auch sie selbst leblos, stofflich und unheilig seien.15 Clemens drckt deutlich seine berzeugung aus, dass die Kirchenbauten keine Heiligkeit beanspruchen kçnnen und die Gemeinde vçllig unabhngig vom Raum die Wrde Gottes in sich aufnimmt. Wahrscheinlich gegen Ende des 2. Jahrhun-derts oder am Beginn des 3. JahrhunJahrhun-derts formuliert Minucius Felix Octavius eine hnliche Idee. Er lsst seinen Hauptcharakter in der Verteidigung des christlichen Glaubens zu einem Heiden sprechen:

Was fr einen Tempel soll ich ihm bauen, wenn die ganze Welt, die durch sein Werk gemacht ist, ihn nicht einfangen kann? Und soll ich, obwohl ich, als Mensch in großen Rumen lebe, die Macht einer so großen Majestt in einem Gebude ein-schließen? Wre es nicht besser, wenn er in unserem Geist geweiht ist, in den Tiefen unseres Herzen geheiligt?16

Minucius Felix bringt damit die berzeugung auf den Punkt, Gott kçnne sich nicht in materiellen Bauten einfangen lassen, sondern habe seinen Ort in den Herzen der Glubigen.17 Wie leicht dem eigentlich spirituellen Konzept des Zusammenhangs der Anwesenheit Gottes und der Gemeinde auch eine rum-liche Dimension zugeschrieben werden kann, lsst sich beispielsweise anhand von Ausfhrungen Origenes’ ersehen. Obwohl er an vielen Stellen seines Werkes die Meinung vertritt, dass Gott berall anwesend, die Seele des Menschen Gottes wahrer Tempel und Gott unmçglich in von Menschenhand gemachten Dingen zu verehren sei,18 beschreibt er dennoch das Kirchengebude als einen Ort der Versammlung der Glubigen, der fr diese etwas Angenehmes habe, und geht ferner davon aus, dass sie dort von den Heerscharen der Engel und der Macht Gottes umgeben seien.19 Aus den berlegungen Origenes’ lsst sich 14 Clemens von Alexandria: Teppiche VII 5, 28, 1 – 7, S. 33 – 34 und VII 5, 29, 1 – 8,

S. 34 – 35. Vgl. hierzuYasin: Saints and Church Spaces, S. 18 f.

15 Clemens von Alexandria: Teppiche VII 5, 28, 4, S. 33 – 34.

16 Minucius Felix: Octavius, 32, 1 – 2, S. 30: (…)templum quod ei exstruam, cum totus hic mundus eius opere fabricatus eum capere non possit? et cum homo latius maneam, intra unam aediculam vim tantae maiestatis includam? nonne melius in nostra dedicandus est mente, in nostro immo consecrandus est pectore?

17 Yasin: Saints and Church Spaces, S. 17 f.

18 Yasin: Saints and Church Spaces, S. 19 f.

19 Origenes: Vom Gebet (De Oratione) 31, 5, S. 141. Vgl. hierzu: Yasin: Saints and Church Spaces, S. 35.

leicht das Dilemma bei der Suche nach dem heiligen Ort ersehen, erscheint es doch auf den ersten Blick mçglich, aus seiner Aussage eine Heiligkeit des Ortes herauszulesen. Sieht man jedoch genauer hin, wird deutlich, dass die Ver-knpfung der betenden Gemeinde mit der gçttlichen Anwesenheit am Kultort nicht die Heiligkeit des Ortes thematisiert. Vielmehr liegt die Relevanz des Ortes nur in der rumlichen Gebundenheit des menschlichen Handelns; Hei-ligkeit wird ausschließlich der versammelten Gemeinde zugesprochen. Die sptantiken Denker stellten unabhngig davon, ob sie in Griechisch oder Latein schrieben, zwar eine Beziehung zwischen der Gemeinde und ihrem Versamm-lungsort fest, dennoch imaginierten sie vor allem in Ablehnung der lteren paganen Vorstellungen das Kirchengebude nicht als Wohnort Gottes.20 Ein weiteres deutliches Beispiel hierfr ist die Kirchweihpredigt Zenons von Verona.

Auch er nutzte seine Predigt, um die Analogie von Kirchengebude und Seele auszuloten. Er vertrat die Auffassung, heidnische Tempel, die ohne den recht-mßigen und ergebenen Kult seien, wrden von Gott weder als gengend noch als notwendig fr seine Ehre empfunden, da er die ganze Welt gemacht habe.

Außerdem betonte er, einer spiritualistischen Auffassung folgend, dass so wie fr leblose Gçtzenbilder ihnen hnliche Tempel passen, fr den lebendigen Gott auch lebendige Tempel notwendig seien.21

Die von Zenon und vielen anderen aufgegriffene paulinische Idee des Tempels Gottes als menschliche Seele ermçglichte ein Spiel mit den verschie-denen Ebenen des Tempelbegriffs. Die Dialektik des Begriffs „Tempel“ stand im Zentrum der berlegungen zum Kirchengebude: Die Identifikation des Menschen mit dem Tempel erhebt das Kirchengebude ber den heidnischen Tempel gerade dadurch, dass nicht das „tote“ Gebude, sondern die lebendigen Seelen der Menschen Trger Gottes sind. Deshalb beschrieben die Kirchenvter das Kirchengebude in Abgrenzung zum Tempel auch nicht als inhrent heilig, 20 Vgl.Yasin: Saints and Church Spaces, S. 20.

21 Zenon von Verona: Tractatus, II 6 (I 14) De aedificatione domus dei a Salomone, S. 168, c. II. 3 – 4:Sed haec saecularia sine legitimo ac deuoto cultore nec sufficientia nec necessaria honori suo protestatur deus, hactenus dicens: Caelum mihi thronus et terra sup-pedaneum pedum meorum. Quam mihi aedificabitis domum? Aut quis locus ad requiem mihi? Omnia enim ista fecit manus mea(…) 4.Reprobat ergo tam inmensum, tam insigne, tam opulens templum, quia in eo uerum non erat templum. Etenim hominum conciliabulum est contextio ista parietum, fidelis autem populus dei templum, apostolo dicente: Vos estis templum dei et spiritus dei habitat in vobis. Et uerum est, nam sicut idolis insensatis similia templa conveniunt, ita uiuenti deo uiua templa sunt necessaria. Zur Interpretation der Predigt Zenons siehe ClaireSotinel:Locus orationis oudomus dei? Le tmoignage de Znon de Vrone sur l’volution des glises (tractatus II, 6). In: Studia patristica 29 (1997), S. 141 – 147. Ein frheres Beispiel fr die Idee, das Herz der Glubigen wre der Sitz Gottes, findet sich bei Lactantius: Divinarum Institutionum IV, 13, 26: (…)ecclesia, quae est uerum templum dei, quod non in parietibus est, sed in corde ac fide hominum(…).

Fr weitere Beispiele sieheMarkus: The End of Ancient Christianity, S. 264.

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sondern als Funktionsort; Bedeutung kam dem Kirchengebude nicht deswegen zu, weil Gott dort wohnt, sondern weil es als Ort des Kultes – bzw. des Gebetes – ein Raum ist, in dem sich die „lebendigen Tempel“ versammeln. Die Vor-stellung bringt Hilarius von Poitiers auf den Punkt, wenn er sich gegen die Idee wendet, Gott kçnne auf einem Berg oder in einem Tempel angebetet werden, da Gottesverehrung nur im Geiste stattfinden kçnne, weil Gott ein unendliches geistiges Wesen sei.22

Die enge Verbindung der sich im Gebet an Gott wendenden Gemeinde mit der rumlichen Dimension des Kirchengebudes und damit die Betonung seiner Funktionalitt ist nicht nur Thema in den Schriften der Kirchenvter, sondern begegnet auch in den verschiedenen Benennungen des Kirchengebudes. Das Verhltnis der Gemeinde zum Ort wird deutlich reflektiert in der Bezeichnung als Haus des Gebetes (locus/domus orationis).23Die Begrifflichkeit verçrtlicht die Kommunikationssituation des Menschen mit Gott. So wie die Verbindung des Kirchengebudes mit der betenden Gemeinde in der Begrifflichkeit „Haus des Gebets“ zutage tritt, wird auch die Verbindung Gottes mit dem Kirchengebude sprachlich in der Wendung Haus Gottes (domus Dei) gefasst.24 Damit ist das Repertoire der Bedeutungsfelder von ecclesia bzw. domus Dei noch nicht aus-geschçpft, da die Begriffe eingebunden in biblisch-hermeneutische Deutungs-muster Inhalte anlagern, die ber die Bedeutung „Gemeinde“ oder „Wohnort Gottes“ hinausgehen: Die Varianzbreite umschließt hierbei die Seele jedes einzelnen Glubigen, den Tempel des Alten Testaments wie das himmlische Jerusalem.25In der Sptantike entwickelte sich so ein Bezeichnungsspektrum fr das Kirchengebude, dessen Bedeutung mehrdimensional war. Die Begriffe ec-clesia, domus Deiunddomus orationisdeckten ein weites semantisches Feld ab;

diese Inkonsistenz verschaffte einen Spielraum, im jeweiligen Kontext Ge-wichtungen vorzunehmen, die zwar meist spiritualistischen Sinngebungen un-22 Hilarius von Poitiers: De trinitate II 31, S. 67: Ergo quia Deus inuisibilis inconprae-hensibilis inmensus est, ait dominus uenisse tempus ut non in monte uel in templo Deus sit adorandus: quia Spiritus Deus est, et Spiritus nec circumscribitur nec tenetur, qui per naturae suae uirtutem ubique est neque usquam abest, in omnibus omnes exuberans(…). Hilarius geht aber nicht nur von der Uneinschließbarkeit Gottes in einem Tempel aus, sondern formuliert in einem anderen Text auch den Gedanken, dass der Mensch der Tempel Gottes sei, siehe Hilarius von Poitiers: Tractatus in psalmum CXXVI, 6 – 8, S. 617 – 619.

hnliche Denkmuster spiegeln sich Jahrhunderte spter noch in den Predigten Caesarius’

von Arles: Sermones, Bd. 2, 229, S. 905; 227, S. 897; 228, S. 901.

23 Sotinel:Locus orationis, S. 146.

24 Zum breiten semantischen Feld vondomus, das auch die soziale Ordnung beinhaltet, siehe EmilienLamirande: Art. „Domus, domus dei“. In: Augustinus-Lexikon, hrsg. v.

Cornelius Mayer. Bd. 2. Basel 1996, Sp. 602 – 605.

25 Zur begrifflichen Facette des himmlischen Jerusalem siehe AndreaSpatafora: From the

„Temple of God“ to God as Temple. A Biblical Theological Study of the Temple in the Book of Revelation. Rom 1997;Horie: Perceptions of Ecclesia, S. 23.

terlagen, dennoch gleichzeitig einen Denkrahmen fr die Verçrtlichung Gottes enthalten konnten. Bei der Suche nach den Vorstellungen des heiligen Raumes muss also immer aus dem Kontext geschlossen werden, welche Sinndimension des Begriffs vorliegt. Wie sehr selbst im 4. Jahrhundert noch die spiritualistische Anwendung der Begrifflichkeiten im Zentrum der Rhetorik stand, verdeutli-chen die Schriften Augustinus’. Er operiert in seinen Texten vornehmlich mit der paulinischen Tradition und betont immer wieder, der Mensch selbst sei das Haus Gottes (domus Dei).26

Die dichotome Beziehung zwischen Gemeinde und Kirchengebude, die im Denken der Kirchenvter so prsent war, fand auch Widerhall in einem in der Sptantike verbreiteten Denkmodell, das das Kirchengebude in seiner archi-tektonischen Gestalt zu einer Metapher fr die Gemeinde machte. Das be-kannteste und wohl frheste Beispiel dieser Form der Ekphrasis findet in einer Kirchweihpredigt Eusebius’ von Caesarea Ausdruck, die er anlsslich der Ein-weihung der Kathedrale von Tyrus 315 hielt.27 Wie wenig man sich zu dieser Zeit mit der Heiligkeit des Raumes beschftigte, wird schon aus der Tatsache deutlich, dass Eusebius die Dedikation der Kathedrale von Tyrus mit keinem speziell auf das Kirchengebude ausgerichteten Ritus verband. Zu ihrer Ein-weihung reichte – wie bis weit ber die Sptantike hinaus – die erstmalige Feier der Eucharistie in der Kirche.28 In seiner Predigt entfaltete Eusebius einen vielschichtigen Diskurs ber die Kirche, der – beeinflusst durch die Beendigung der Christenverfolgung – getragen wird durch das Einrcken der Kirche als Institution und des Kirchenbaus in das heilsgeschichtliche Geschehen. Zu Be-ginn seiner Rede wendete er sich an Paulinus, den Bischof von Tyrus und Errichter der neuen Kirche. Um dessen Verdienst am Kirchenbau zu beschrei-ben, griff er auf das Alte Testament zurck und fragte, ob man Paulinus als einen neuen Beseleel, der das gçttliche Zelt errichtete, oder Salomon, den Kçnig des neuen und viel besseren Jerusalem, oder einen Zorobabel benennen solle, der dem Tempel Gottes noch weit grçßere Herrlichkeit verlieh. Damit fhrte er im Rckgriff auf das Alte Testament in das Thema seiner Predigt ein, die sich ganz um die Instandsetzung des Tempels des Herrn dreht. Zentrales Thema der 26 Zur den Vorstellungen Augustinus’ sieheRatzinger: Volk und Haus Gottes, S. 175;

Repsher: The Rite of Church Dedication, S. 27 – 29. So nutzt Augustinus auch den Begriff der domus dei selten, siehe hierzu Lamirande: Art. „Domus, domus dei“, Sp. 602.

27 Repsher: The Rite of Church Dedication, S. 19 f.;Forneck: Die Feier der Dedicatio ecclesiae, S. 8 f.

28 Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, III 1-X, IV 71, S. 395 – 445. Zur Kirchweihe des Eusebius und der Bedeutung der ersten Nutzung siehe Neuheuser: Mundum consecrare, S. 267 f.; Forneck : Die Feier der Dedicatio ecclesiae, S. 8 f.;

Horie: Perceptions of Ecclesia, S. 1 f. Zur Auswertung seiner Ekklesiologie vgl. Iogna-Prat: La maison dieu, S. 59 – 63.

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Predigt ist der Wiederaufbau der christlichen Gemeinde nach der Verfolgung;

das materielle Kirchengebude streifen Eusebius’ berlegungen hingegen nur kurz. Auch Eusebius’ berlegungen kreisen letztendlich um das paulinische Modell. So beschreibt er auch den Aufbau der Kirche durch Paulinus aus dieser Perspektive; Paulinus nimmt den Aufbau der Kirche aus den Steinen der Glubigen vor. Die Predigt hat gleichzeitig eine historische Dimension, denn die Gemeinde beruht auf dem Fundament der Apostel und Propheten, deren Eckstein Jesus Christus ist.29 Damit bindet er die Gemeinde von Tyrus in die heilsgeschichtliche Entwicklung mit ein. Die Beschreibung Eusebius’ bezieht sich nicht auf das materielle Kirchengebude, sondern – um seinen eigenen Worten zu folgen – auf einen lebendigen Tempel des lebendigen Gottes.30 Eusebius bewegt sich hiermit ganz auf der Ebene der spiritualisierten Auffassung des Tempels.31

Die große Bedeutung von Symbolisierungskonzepten fr das Nachdenken ber den Kirchenbau reflektiert sich auch in Eusebius’ Nachdenken darber, wie das Sichtbare das Unsichtbare spiegele. Hier bringt er das Kirchengebude in seiner realen materiellen Gestalt ins Spiel. Die Errichtung des Kirchengebudes ist ihm Ausdruck der nach der Christenverfolgung aufblhenden Wiederbele-bung des Glaubens.32 Der Zusammenhang zwischen Sichtbarem und Unsicht-barem wird noch deutlicher, wenn er die Brunnen des neuen Kirchenbaus beschreibt: sie sind Symbol der heiligen Reinigung. Gleichzeitig scheinen sie den Glubigen auch reale Reinigung erlaubt zu haben.33 Dass Eusebius’ Deu-tung trotz der massiven Spiritualisierung seiner Gegenstnde mçglicherweise eine lokalisierbare Heiligkeit nicht vçllig ausschloss, ergibt sich aus seiner Be-schreibung des Altars. Der Altar ist ihm als Mittelpunkt des Ensembles das Allerheiligste, zu dem ein hçlzerner Lettner den Zugang verwehrt.34Der Lettner soll die Menge davon abhalten, den Altarraum zu betreten. Eine weitere Be-grndung findet sich bei Eusebius nicht. Im Zutrittsverbot spiegelt sich mçg-licherweise der Versuch, die Gemeinde zu hierarchisieren, denn Eusebius’ spi-ritualisierende Ekphrasis der Kirche nimmt deutlich eine Hierarchisierung an, in der verschiedene Gruppen von Glubigen jeweils einem bestimmten Teil der

29 Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, IV, 21, S. 411.

30 Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, IV, 22, S. 411.

31 Das stimmt berein mit anderen Aussagen Eusebius’, in denen er die Heiligkeit von Orten eindeutig ablehnt. Insgesamt zur Haltung Eusebius’ siehe Walker: Holy City, Holy Places.

32 Z.B. Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, IV 28 – 36, S. 417 – 421.

33 Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, IV, 40, S. 423.

34 Den Altar als Ort lokalisierbarer Heiligkeit zu kennzeichnen, war in der Sptantike blich, so finden sich beispielsweise in der Asylgesetzgebung viele Vorschriften, die seine Heiligkeit hervorheben; vgl. z. B. Cod. Theod. 9, 45, 4, S. 520 – 524.

Kirchenarchitektur zugewiesen werden und der Altar Christi Stelle einnimmt.35 Letztlich ist so die Vorstellung von der Heiligkeit des Altars eine spiritualisierte, auch wenn sich in der Beschreibung des realen Altars eine Materialisierung des Heiligen andeutet. Wie stark die Idee materieller Heiligkeit auf Ablehnung stieß, fhrt Eusebius selbst vor Augen, indem er betont, dass die Schçnheit des Kirchenbaus nur diejenigen berhre, die ihr Augenmerk allein auf die ußeren Dinge richteten. Wichtiger als das ußere – so betont Eusebius – seien die geistigen Vorbilder und gotteswrdigen Musterbilder dieser Dinge: Nicht die Erneuerung des Kirchenbaus als Monument ist von zentraler Bedeutung, son-dern die Erneuerung des gçttlichen und vernnftigen Baus der Seelen der Glubigen.36Eusebius bewegt sich mit seiner Predigt also ganz im Rahmen der spiritualistischen Auffassung des Kirchenbaus, wobei der reale Kirchenbau immer wieder zum Bezugspunkt seiner Ausfhrungen wird. hnliche Inter-pretationsmuster fanden auch im Westen weite Verbreitung.37

Die hier gesammelten Ausfhrungen ber die Kirche wie auch die direkt auf das materielle Kirchengebude bezogenen Aussagen bezeugen, dass sich der Diskurs in der Sptantike keineswegs um das Kirchengebude als heiligen Ort drehte. Dennoch ist sie die erste Phase der Entfaltung einer Denkfigur, die auf ganz verschiedenen Ebenen das Kirchengebude zum Gegenstand hat, allerdings dessen materiellen Ort nicht als heilig mitdenkt. Zwar kommt das Kirchenge-bude durch die Spiegelbildlichkeit von KirchengeKirchenge-bude und Gemeinde in den Blick, die Idee, dass Gott in der Kirche wohnt, und damit die Vorstellung der Heiligkeit des Kultortes findet innerhalb des theologischen Rahmens in der Sptantike allerdings noch kaum bis keinen Niederschlag. Die Heiligkeit wurde nicht lokalisiert gedacht, obwohl sie mit einem Ort assoziiert wurde. In dieser Konzeption wohnt Heiligkeit einzig und alleine der sozialen Formation der Gemeinde inne. Die im Diskurs deutliche Ablehnung der Heiligkeit des Ortes ist von ClaireSotinelals Abwehr einer zunehmend topozentrischen Denkweise erklrt worden, die ihren Ursprung mçglicherweise in der „Paganisierung“ des Christentums habe.38 Zwar mag dies durchaus ein Faktor gewesen sein, es ist allerdings zu erwgen, welchen Einfluss die unterschiedlichen biblischen Posi-tionen hatten, die die Diskussion geprgt haben. Eine verstrkte Tendenz zum heiligen Ort kann durchaus nicht nur auf eine „Paganisierung“, sondern auch auf einen Bedeutungszuwachs des Alten Testaments, das heilige Sttten durchaus gekannt hat, hindeuten. Vor allem aber ist der Einfluss der Religi-onspraxis zu bercksichtigen, die – teils in Abhngigkeit von paganen Vorstel-35 Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, IV, 63 – 68, S. 439 – 441.

36 Eusebius von Caesarea: Historia ecclesiastica X, IV, 26, S. 413 – 415 und X, IV, 55, S. 433.

37 Fr einen berblick sieheIogna-Prat: La maison dieu.

38 Sotinel:Locus orationis, S. 147.

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lungen und Altem Testament, teils auf vçllig neuen Wegen – zur Verçrtlichung des Heiligen tendierte.39

Befragt man den theologischen Diskurs zur Religionspraxis, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Obwohl die Kirchenvter eine Heiligkeit des Raumes rundheraus ablehnten, lassen sich bei ihnen dennoch auf das Verhalten im Kirchengebude bezogene Vorschriften entdecken. Die Reglementierung von Verhaltensweisen gilt gerade in der Religionssoziologie als definitorisch fr das Heilige, da das Heilige einer Kraftdimension entspricht, die durch den Umgang mit ihr definiert wird. Infolgedessen betont die Forschung hufig Ausschließ-lichkeit als Faktor fr die Heiligkeit von Objekten: Das heilige Objekt definiert sich gerade dadurch, dass der Zugang zu ihm beschrnkt ist, sowie darber, wer es handhaben darf und wie es gehandhabt wird. Umso verwunderlicher ist, dass die Rolle der Verhaltensregulierung im Bezug auf die Entwicklung der Vor-stellung der Heiligkeit des Kirchengebudes in der Sptantike in der Forschung bisher kaum Raum einnimmt. In jngerer Zeit hat Ann Marie Yasin auf die Relevanz von Aussagen zum Verhalten im Kirchengebude im Rahmen der sozialen Konstruktion des Raumes hingewiesen.40 Sie hat allerdings nur die Kirchenvterliteratur und nicht die Kanones, die fr das Mittelalter wirk-mchtig wurden, untersucht. Die Untersuchung der Kanones soll hier

Befragt man den theologischen Diskurs zur Religionspraxis, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Obwohl die Kirchenvter eine Heiligkeit des Raumes rundheraus ablehnten, lassen sich bei ihnen dennoch auf das Verhalten im Kirchengebude bezogene Vorschriften entdecken. Die Reglementierung von Verhaltensweisen gilt gerade in der Religionssoziologie als definitorisch fr das Heilige, da das Heilige einer Kraftdimension entspricht, die durch den Umgang mit ihr definiert wird. Infolgedessen betont die Forschung hufig Ausschließ-lichkeit als Faktor fr die Heiligkeit von Objekten: Das heilige Objekt definiert sich gerade dadurch, dass der Zugang zu ihm beschrnkt ist, sowie darber, wer es handhaben darf und wie es gehandhabt wird. Umso verwunderlicher ist, dass die Rolle der Verhaltensregulierung im Bezug auf die Entwicklung der Vor-stellung der Heiligkeit des Kirchengebudes in der Sptantike in der Forschung bisher kaum Raum einnimmt. In jngerer Zeit hat Ann Marie Yasin auf die Relevanz von Aussagen zum Verhalten im Kirchengebude im Rahmen der sozialen Konstruktion des Raumes hingewiesen.40 Sie hat allerdings nur die Kirchenvterliteratur und nicht die Kanones, die fr das Mittelalter wirk-mchtig wurden, untersucht. Die Untersuchung der Kanones soll hier

Im Dokument Miriam Czock Gottes Haus (Seite 40-51)