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Heiligkeit der Kirchengebude

Im Dokument Miriam Czock Gottes Haus (Seite 54-63)

Es gehçrt zu den auffallenden Zgen der Entwicklung der Vorstellung des Kirchengebudes als heiligem Ort, dass sie im Asylrecht entscheidend von staatlicher Seite mitgeprgt worden ist. Dem Asylrecht kann in der Sptantike wohl die Schlsselstellung zur Abgrenzung des Kirchengebudes als heiligem Raum zukommen; gleichzeitig kann an ihm rekonstruiert werden, wie die Idee des Kirchengebudes als heiliger Ort im 5. Jahrhundert langsam Konturen ge-wann. Die Gestaltung des Asyls von staatlicher Seite aus hat ein vitales Interesse daran, die rumliche Einschrnkung des Asyls vorzunehmen, stellt es doch einen Eingriff in die Rechtssphre des Kaisers dar. Demgemß wird es in den Rechtsquellen als Areal und damit als rumliches Gebilde konturiert. Folge-richtig erscheint die Asylgesetzgebung in der Forschung als ein wichtiges Ele-ment der Abgrenzung des heiligen Raumes. Wenn es eine Vorstellung des Kirchengebudes als fest umrissenes Asylareal gibt, dann ist zu fragen, inwiefern diese Idee auf einer dem Ort innewohnenden Heiligkeit basiert.

In den letzten Jahren haben sich einige grundlegende Studien der Ent-wicklung des christlichen Asyls in der rçmischen Zeit gewidmet, deshalb kann es hier bei einer nur auf die Frage nach dem Verstndnis der Kirche als heiligem Raum bezogenen Skizze der Entwicklung des sptantiken Asylrechts bleiben.71 Die Arbeiten zum Gegenstand sehen das kirchliche Asylrecht und infolgedessen auch das staatliche Asylrecht der Sptantike in gewisser Unabhngigkeit von lteren griechischen, rçmischen oder jdischen Einflssen.72Orientierte sich die christliche Asylgewhrung gerade in der Anfangszeit doch keineswegs in erster Linie an der Unantastbarkeit einer heiligen Sphre, sondern erwuchs aus der Verpflichtung der Bischçfe zur Hilfe und Frsprache fr die Asylsuchenden. Die Idee des Asyls beruhte damit auf der christlichen Forderung dermisericordiaund der Sndenvergebung. Deshalb war die Flucht in ein Kirchengebude nur eine 71 Ducloux: Ad ecclesiam confugere; Harald Siems :Zur Entwicklung des Kirchenasyls zwischen Sptantike und Mittelalter. In: Libertas. Grundrechtliche und rechtsstaatliche Gewhrungen in Antike und Gegenwart. Symposion aus Anlaß des 80. Geburtstages von Franz Wieacker, hrsg. v. Okko Behrends u. Malte Diesselhorst. Ebelsbach 1991, S. 139 – 186;Franke: Das Kirchenasyl;Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 295 – 300.

72 Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 295 – 300, S. 308 – 310.

3 Staatliche Maßnahmen zum Schutz der Kirche 43

Form des kirchlichen Schutzes und kirchlicher Hilfe, daneben war auch jeder geschtzt, der in irgendeiner Weise Beistand durch die kirchlichen Institutionen bekam.73 Der Anspruch, die Intervention zugunsten von Asylsuchenden unab-hngig von der Kirchenflucht zu gewhren, wurde beispielsweise im 7. Kanon des Konzils von Sardica (343) deutlich formuliert.74 Neben diesem Kanon lsst sich keine weitere kirchenrechtliche Ausformung des Asylrechts feststellen, erst im Konzil von Orange (441) findet sich wieder eine das Asyl betreffende Be-stimmung, die dann eindeutig auf die Kirche als Ort des Asyls verweist.75 Die Position der Kirche kann fr die Anfangszeit also nur aus erzhlendem Quel-lenmaterial erschlossen werden. Auf die schon oft untersuchten Texte muss hier nicht weiter eingegangen werden, denn es interessiert in unserem Zusammen-hang nur, dass sie sich mit dem Asyl zuvorderst aus der Perspektive der christlichen Pflicht zur Hilfe befassen.76In den Kontext der Ablçsung des Asyls als primr rumliche Vorstellung gehçrt wohl auch ein Befund Gerhard Frankes, der darauf hingewiesen hat, dass sich bei den lateinischen Kirchen-vtern eine auffllige Abwendung vom Begriff des asylum beobachten lsst.77 Stattdessen werde die Asylsuche hufig mit der Formel ad ecclesiam confugere umschrieben, eine Formel, die sich nicht nur auf die Flucht in das Kirchen-gebude bezog. So stellt Gerhard Franke fest: „sie [die Formel ad ecclesiam confugere] bewegt sich an einigen Stellen auf spiritueller Ebene und reflektiert dabei definitiv keine kirchliche Sakralarchitektur.“78Trotz der rumlich-offenen Idee der bischçflichen Interzession verband sich mit ihr im Laufe der Zeit eine rumlich gebundene Asylsphre auf dem Areal der Bischofskirchen.79

Das Kirchenasyl war nicht von Beginn an in die staatliche Rechtsordnung eingebunden, vielmehr stand es lange Zeit im Gegensatz zur staatlichen Ver-brechensverfolgung.80 Dementsprechend zçgerlich fand der Staat zu dessen Billigung. Beobachten lsst sich der Prozess der schrittweisen Anerkennung an 73 Ducloux: Ad ecclesiam confugere; Christian Traulsen: Barmherzigkeit und Buße.

Zum christlichen Gehalt des sptantiken Kirchenasyls. In: Zeitschrift der Savigny-Stif-tung fr Rechtsgeschichte, Kanonistische Abt. 93 (2007), S. 128 – 153, hier S. 138;

Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 273 – 277.

74 Traulsen: Barmherzigkeit und Buße, S. 138 f.

75 Concilium Arausicanum A. 441, Concilia Galliae, A. 314-A. 506, S. 79.

76 Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 270 – 277.

77 Franke: Das Kirchenasyl, S. 411 f.

78 Franke: Das Kirchenasyl, S. 408, siehe dort auch S. 408 – 441. Er verweist darauf, dass die Begrifflichkeiten, mit denen die Asylflucht beschrieben wird, sich in aller Regel an bereits in heidnischer Zeit gelufige Formulierungen anlehnte, siehe ebd., S. 303, S. 400. So drfte „ad ecclesiam confugere“ sein Vorbild in der Formulierung „ad statum confugere“ haben.

79 Ducloux: Ad ecclesiam confugere, S. 59, S. 86 – 103; Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 314.

80 Ducloux: Ad ecclesiam confugere, S. 62; Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 277 – 283.

der Formulierung der im 4. Jahrhundert verfassten Gesetzestexte: Jene enthalten kein allgemeines, positiv gefasstes Recht auf Asyl; sie bemhten sich vielmehr, den Anspruch darauf einzuschrnken.81 Eine Vernderung trat erst zu Beginn des 5. Jahrhunderts ein; so beschrieb im Jahr 419 eine Konstitution von Ra-venna das Asyl im Kirchengebude erstmals in positiver Weise.82 Grundstzlich nimmt jene den Raumaspekt auf, wenn er auch nicht im Vordergrund steht. Die Gewhrung des Asyls begrndet die Konstitution nicht mit der Heiligkeit des Kirchengebudes, sondern der Humanitt der gesetzgebenden Herrscher Ho-norius und Theodosius. Gleichzeitig verbrgt sie einen den eigentlichen Kir-chenraum berschreitenden Schutzraum, indem sie die Ausweitung der Hei-ligkeit der kirchlichen Verehrungswrdigkeit auf 50 Fuß vor die Kirchentren vornimmt. Die Ausdehnung des Asylraums ber das Kirchengebude hinaus liegt primr in dem Wunsch begrndet, es dem Asylanten zu ermçglichen, das Licht des Tages zu erblicken.83Das Kirchengebude wurde unantastbar, da die Kaiser festlegten, dass derjenige ein Sakrileg begeht, der einen Asylanten aus dem Asyl holt. Durch die Kennzeichnung des Verbrechens als Sakrileg reiht man den Asylbruch in die Religionsvergehen ein.84 Dennoch ist die rumliche Heiligkeit nicht von einem Tabu her gedacht, das dem Ort inhrent wre, sondern von der Haltung des Menschen abhngig, ist es doch die kirchliche Verehrungswrdigkeit, die ausschlaggebend fr die Regelung ist.85 Dieser

Ge-81 Siems :Zur Entwicklung des Kirchenasyls, S. 142; ausfhrlicherDucloux: Ad ecclesiam confugere;Traulsen: Das sakrale Asyl.

82 Diese erste positive Anerkennung des Rechts auf Asyl im rçmischen Recht ist im gal-lischen Bereich nicht durch den Codex Theodosianus berliefert, sondern durch die Constitutiones Sirmondianae, siehe Constitutiones Sirmondianae 13, S. 917. Zur Kon-stitution und ihrem Inhalt siehe Ducloux: Ad ecclesiam confugere, S. 206 – 211;

Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 287 f. In der merowingischen Zeit ist die Begrenzung des Asyls ber das eigentliche Kirchengebude hinaus weiterhin blich. Zum Asyl im Werk Gregors von ToursDucloux: Ad ecclesiam confugere, S. 209 f.; mehr Beispiele – wie das Edikt Childeberts I. und Chlothars I. – finden sich bei NancyGauthier: Atria et portiques dans les glises de Gaule d’aprs les sources textuelles. In: Avant-nefs et espaces d’accueil dans l’glise entre le IVe et le XIIe sicle, hrsg. v. Christian Sapin. Paris 2002, S. 30 – 36.

83 Constitutiones Sirmondianae 13, S. 917: Convenit, nostris praescita temporibus ut iusti-tiam inflectat humanitas. Nam cum plerique vim fortunae saevientis aufugerint adque ecclesiasticae defensionis munimen elegerint, patiuntur inclusi non minorem quam vitavere custodiam: nullis enim temporibus in luce vestibuli eis aperitur egressus. Adque ideo quin-quaginta passibus ultra basilicae fores ecclesiasticae venerationis sanctitas inhaerebit. Ex quo loco quisque tenuerit exeuntem sacrilegii crimen incurrat.

84 Zum Sakrileg als Religionsvergehen siehe Esders: Rechtsdenken und Traditionsbe-wusstsein, S. 323 f.; MichaelGlatthaar: Bonifatius und das Sakrileg. Zur politischen Dimension eines Rechtsbegriffs. Frankfurt a.M. u. a. 2004, S. 1 – 41.

85 Dies hat auch Traulsen : Das sakrale Asyl, S. 301, aufgezeigt: „Das Wort reverentia ebenso die Wendungecclesiasticae venerationis sanctitas(Heiligkeit/Unverletzlichkeit der 3 Staatliche Maßnahmen zum Schutz der Kirche 45

setzgebung folgten einige weitere, doch nicht alle beschftigen sich mit der rtlichkeit des Asyls, so dass im Rahmen der hier verfolgten Fragestellung nur diejenigen behandelt werden, in denen sich auch rumliche Konzeptionen des Asyls wiederfinden. Die wohl einflussreichste und sehr viel ausfhrlichere Konstitution erließen die Kaiser Theodosius und Valentinian im Jahr 432 in der Osthlfte des Reiches als Reaktion auf die Kirchenflucht einiger Sklaven in die Hagia Sophia, die mit dem Tod eines Klerikers und der Selbsttçtung der Sklaven endete.86Einflussreich ist im Westen eine lateinische Zusammenfassung der Konstitution geworden, die durch die Aufnahme in denCodex Theodosianus verbrgt ist.87 In diesem Gesetzestext erstreckt sich das Asyl auf den gesamten Kirchengebudekomplex und macht ihn dadurch zu einer staatlich verankerten Schutzzone mit einer sakralen Dimension.88 Sprachlich zeigt sie sich in der Verwendung der Bezeichnung des Kirchengebudes mit dem Terminus „Tempel Gottes“ (dei templum) und in der interpretatio mit dem Begriff des heiligen Ortes (locus sanctus).89 Auch in derinterpretatioist die Sakralitt nicht in erster kirchlichen Wrde) in CSirm 13 beruhen auf einem anderen Blickwinkel: Nicht das Tabu, nicht die von der Gottheit drohende Strafe klingt hier an, sondern die dem Menschen gebhrende Haltung.“

86 Traulsen :Barmherzigkeit und Buße, S. 142;Traulsen: Das sakrale Asyl, S. 289.

87 Fr den lateinischen Text siehe Cod. Theod. 9, 45, 4, S. 520. Bekannt war die betref-fende Bestimmung in Gallien nicht nur durch die berlieferung desCodex Theodosianus, sondern auch durch die Aufnahme in die Lex Romana Visigothorum, siehe Lex Rom.

Vis. 9, 34, S. 208 – 211 (De his, qui ad ecclesias confugiunt). Zur berlieferung desCodex Theodosianus in Gallien siehe Ian Wood: The Code in Merovingian Gaul. In: The Theodosian Code. Studies in the Imperial Law in Late Antiquity, hrsg. v. Jill Harris u.

dems. London 1993, S. 161 – 177; DetlefLiebs: Die im sptantiken Gallien verfgbaren Rechtstexte. Literaturschicksale in der Provinz zwischen dem 3. und 9. Jahrhundert. In:

Recht im frhmittelalterlichen Gallien: Sptantike Tradition und germanische Wert-vorstellungen, hrsg. v. Harald Siems. Kçln/Weimar/Wien 1995, S. 1 – 28, hier S. 4. Eine Interpretation von Cod. Theod. 9, 45, 4 unternimmt Ducloux: Ad ecclesiam confu-gere, S. 218 – 236. Zur Aufnahme in den Codex Justinianus und dessen Nachwirkung siehe Siems :Zur Entwicklung des Kirchenasyls, S. 151 – 154, dort auch S. 161 f. zum Asylrecht derLex Romana Visigothorum.Es existiert auch eine sehr viel lngere Version als der Ausschnitt, der im Codex Theodosianus prsentiert wird. berliefert ist sie als Konzilkanon des Konzils von Ephesos und ist nicht in die westliche Tradition einge-gangen. Zu der griechischen Fassung des Textes siehe Franke: Das Kirchenasyl, S.443 – 448; Traulsen : Barmherzigkeit und Buße, S. 142 – 153. Der ausfhrlichere Text nimmt eine andere Gewichtung des Raums vor als die berlieferung des Codex Theodosianus, die Asylgewhrung wird dort wesentlicher aus der Unantastbarkeit der gçttlichen Sphre abgeleitet.

88 Franke: Das Kirchenasyl, S.525.

89 Cod. Theod. 9, 45, 4, S. 520 – 524:Pateant summi dei templa timentibus: nec sola altaria et oratorium templi circumiectum, qui ecclesias quadripertito intrinsecus parietum saeptu concludit, ad tuitionem confugientium sancimus esse proposita, sed usque ad extremas fores ecclesiae, quas oratum gestiens populus primas ingreditur, confugientibus aram salutis esse praecipimus, ut inter templi quem parietum describsimus cinctum et post loca publica ianuas

Linie rumlich-materiell gedacht, sondern entspringt vorrangig der Vereh-rungswrdigkeit der Religion. Die Bestimmung verbietet dem Asylanten, am allerheiligsten (sacrosanctus) Altar zu essen und zu schlafen, und gebietet ihm außerdem, unbewaffnet zu sein. Die Maßnahmen begrndet der Text jedoch nicht mit der Notwendigkeit einer Reinhaltung des heiligen Ortes, sondern mit der Ehrerbietung vor der Religiositt. Ferner soll der Asylant, der sich weigert, den Bereich des Altars zu verlassen oder seine Waffen abzulegen, sein Anrecht auf Asyl verlieren. Die Verweigerung des Asyls sei deshalb legitim, da die der Religion gebhrende Ehrerbietung ber der Humanitt stehe.90 Die Formulie-rung verdient Beachtung: Nicht die materielle Heiligkeit ist ausschlaggebend fr die Formulierung des Verbots, sondern die der Religion gebhrende Ehrerbie-tung. Hieran verdeutlicht sich der schmale Grat zwischen dem Versuch, die Kirche als Ort des Glaubens zu erhalten, und der Pflicht, Asyl zu gewhren.

Ein etwas anderes Bild ergibt sich allerdings, wenn man dieinterpretatiodes Gesetzes mit einbezieht, denn in jener findet sich eine mit der Reinerhaltung des Asylortes und damit wohl auch mit dessen Heiligkeit verbundene Erklrung.

In derinterpretatioverndert sich der Akzent dahingehend, dass der Bereich um den Altar herum gemieden werden muss, und zwar nicht nur aus einem reli-giçsen Gefhl heraus, sondern gleichzeitig, damit er nicht verschmutzt (polluere) wird. Grundmotiv ist erneut die Verehrungswrdigkeit des Ortes, der hier gleichzeitig als heiliger Ort oder als Gott geweihter Ort erscheint, hinzu tritt aber eine strker rumliche Vorstellung von Heiligkeit, da es nun der Ort ist, der durch die Verschmutzung betroffen ist.91 Nicht dem ganzen Kirchengebude primas ecclesiae quidquid fuerit interiacens sive in cellulis sive in domibus hortulis balneis areis atque porticibus, confugas interioris templi vice tueatur.(…)Hanc autem spatii lati-tudinem ideo indulgemus, ne in ipso dei templo et sacrosanctis altaribus confugientium quemquam manere vel vescere, cubare vel pernoctare liceat: ipsis hoc clericis religionis causa vetantibus, ipsis, qui confugiunt, pietatis ratione servantibus.Interpretatio:Ecclesiae ac loca deo dicata reos, qui ibidem timore conpulsi refugerint ita tueantur, ut nullus locis sanctis ad direptionem reorum vim ac manus afferre preasumat[sic!] (…).

90 Der Asylsuchende darf nach derinterpretatiodieses Gesetzes sogar mit Waffengewalt aus der Kirche gefhrt werden, falls er sich weigert, die Waffen abzulegen. Gleichzeitig wird in der interpretatio die Todesstrafe fr die unautorisierte Vertreibung eines Asylanten angeordnet, siehe Cod. Theod. 9, 45, 4, S. 524: Quod si deponere arma noluerint et sacerdoti vel clericis non crediderint, sciant se armatorum viribus extrahendos.

91 Cod. Theod. 9, 45, 4, S. 524: Interpretatio.Ecclesiae ac loca deo dicata reos, qui ibidem timore conpulsi refugerint ita tueantur, ut nullus locis sanctis ad direptionem reorum vim ac manus afferre praesumat: sed quidquit spatii vel in porticibus vel in atriis vel in domibus vel in areis ad ecclesiam adiacentibus pertinet, velut interiora templi praecipimus custodiri, ut reos timoris necessitas non constringat circa altaria manere et loca veneratione digna polluere.

DetlefLiebskonnte wahrscheinlich machen, dass die Interpretationes im 5. Jahrhundert in einer narbonnesischen Rechtsschule entstanden sind: Detlef Liebs: Rçmische Juris-prudenz in Gallien (2. bis 8. Jh.). Berlin 2002, S. 166 – 176. Zur Entstehung und Datierung der Interpretationen des Codex Theodosianus siehe außerdem Wieacker, Franz: Lateinische Kommentare zum Codex Theodosianus: Untersuchungen zum 3 Staatliche Maßnahmen zum Schutz der Kirche 47

kam also sakrosankter Charakter zu, sondern hçchstens dem Altar. Die Ge-setzgebung desCodex Theodosianusmacht deutlich, dass der Raum vor allem in seiner Ausdehnung eine Rolle spielt, da es per se notwendig ist, den Asylort zu begrenzen, um seine schtzende Wirksamkeit entfalten zu kçnnen.

Das Asylrecht setzt aus der Notwendigkeit einer Normierung der Vagheit und Konturenlosigkeit der theologischen Modelle einen genau begrenzten Raum entgegen. Erst das Anliegen der Herrscher, den Asylraum rechtlich ein-zuhegen, um seine Rechtssphre zu schtzen, macht es notwendig, die Schutzzone zu begrenzen und ihre Heiligkeit mitzudenken. Die Schutzfunktion des Asyls zwingt zur Strukturierung des Raums. Der Gedanke einer verrum-lichten Heiligkeit bleibt allerdings noch recht unscharf. Indes hat es anscheinend in der Sptantike keine intensive Auseinandersetzung mit einem spezifisch auf den Ort der Liturgie bezogenen Schutz gegeben, denn die Gesetzgebungsin-itiativen zu diesem Thema bleiben in sptrçmischer Tradition selten. Kern der Bemhungen ist eher, die Kirche zu einer unantastbaren Institution zu machen.

Abgesehen von der Asylgesetzgebung findet sich im Codex Theodosianus nur eine Maßnahme, mit der der Ort des Kultus selbst geschtzt werden sollte.92Die betreffende Regelung untersagt jedwedes Vergehen gegen den Kultus, den Ort des Kultus, den Bischof sowie die Kleriker und kennzeichnet die nicht weiter spezifizierten Delikte als Sakrileg. Verfgt wurde also, dass der Ort des Kultus als Teil der kirchlichen Institution zu schtzen war. Das Kirchengebude ist in Aufbau und berlieferungswert der Interpretationen zum Codex Theodosianus, in:

Symbolae Friburgenses in honorem Ottonis Lenel, Leipzig 1931, S. 259 – 328, dort bes.

S. 297 zu den Textklassen, in denen die Interpretatio zu Cod. Theod. 9, 45, 4 enthalten ist.

92 Das Gesetz wurde ursprnglich 398 oder 409 in Mailand fr die Provinz Afrika erlassen:

Codex Theodosianus XVI 2, 31, S. 845. Diese Bestimmung wird durch dieLex Romana Visigothorumnicht tradiert, findet sich jedoch in denConstitutiones Sirmondianaewieder.

Hier zitiert nach der Version derConstitutiones Sirmondianae 14, in: Codex Theodosi-anus, Vol. I, S. 918 – 919: (…) ut, si quisquam in hoc genus sacrilegii proruperit, ut in ecclesias catholicas irruens sacerdotibus et ministris vel ipsi cultui locoque aliquid importet iniuriae, quod geretur, litteris ordinum, magistratuum et curatoris et notoriis apparitorum, quos stationarios appellant, deferatur in notitiam potestatum, ita ut vocabula eorum, qui agnosci potuerint, declarentur. Eine weitere Bestimmung verbietet es Frauen, die als Ausdruck des Glaubens entgegen der gçttlichen Gesetze die Haare abgeschnitten haben, die Kirche zu betreten. Sollte der Bischof dieses ungesetzliche Verhalten erlauben, soll er aus seinem Amt enthoben werden. Bei dieser Regelung scheint es sich allerdings um eine Frage des rechten Glaubens und nicht um die Verunreinigung der Kirche zu handeln, siehe Codex Theodosianus, XVL 2, 27, 1, S. 843 – 44:Feminae, quae crinem suum contra divinas humanasque leges instinctu persuasae professionis abscinderint, ab ecclesiae foribus arceantur. Non illis fas sit sacrata adire mysteria neque ullis supplicationibus mereatur veneranda omnibus altaria frequentare; adeo quidem, ut episcopus, tonso capite feminam si introire permiserit, deiectus loco etiam ipse cum huiusmodi contuberniis arceatur, ac non modo si fieri suaserit, verum etiam si hoc ab aliquibus exigi, factum denique esse quacumque ratione conpererit, nihil sibi intellegat opitulari.

dieser Bestimmung nicht weiter definiert, es ist einfach unter die zur Ausfh-rung des Kultus notwendigen Objekte eingereiht. Demnach wurde der gesetz-liche Schutz wohl primr aus funktionalen berlegungen heraus verliehen.

Im sptantiken Gallien findet sich neben dem im Codex Theodosianus enthaltenen Gesetz in den pseudo-paulinischen Sentenzen ein Edikt, welches Sakrilegien gegen den Ort des Kultes genauer spezifiziert und unter dem Titel

„De Sacrilegis“ [sic!]93 unter anderem den Raub aus Kirchen abhandelt. Die pseudo-paulinischen Sentenzen sind in derLex Romana Visigothorumberliefert und wahrscheinlich um 460 in Narbonne entstanden.94 Sie legen fest, dass derjenige, der in einer Bande, um zu plndern und Beute zu machen, bei Nacht in den Tempel eingedrungen war, den wilden Tieren vorgeworfen werden sollte.

Diejenigen, die eine solche Tat bei Tage begangen hatten, sollten, wenn sie besseren Standes waren, deportiert werden, wenn sie niedrigeren Standes waren, zur Bergwerksstrafe verurteilt werden.

Die von den pseudo-paulinischen Sentenzen aufgenommene Bestimmung bezieht sich ursprnglich auf die Tempel, eine dem Rechtssatz beigefgte in-terpretatiobertrgt ihn auf Kirchen. Diese Vorgehensweise ist ein Indiz fr das Interesse, den ehemals dem heidnischen Tempel geltenden Schutz auf die Kir-chen zu berschreiben und damit rçmisch-heidnische Traditionen in christliche zu berfhren.

Durch die Aufnahme der Bestimmungen in denCodex Theodosianusund die pseudo-paulinischen Sentenzen wurde das Kirchengebude als Ort des Kultes in die kaiserliche Rechtssphre eingeordnet und Vergehen gegen ihn durch den Staat verfolgt. Kirchengebude sind also bereits seit der Sptantike nicht nur Gegenstand des kirchlichen Rechts, sondern unterliegen der Rechtsgewalt des Kaisers.

Sucht man in der Sptantike die Vorstellung des Kirchengebudes als hei-ligem Ort zu greifen, so wird deutlich, dass sich die Diskurse ber das Kir-chengebude ganz unterschiedlich gestalten, je nachdem, auf welche Funkti-onsebene man den Blick richtet. Die Kirchenvter konzentrieren sich eindeutig auf die Gemeinde und kaum auf den kultischen Raum. So entsteht eine To-pographie des Heiligen, die jedoch nicht enger mit der Kategorie des Kir-chenraums als heiligem Raum verknpft ist, vielmehr liegt die Heiligkeit in der Gemeinde. Der Versuch, das Assoziationsgeflecht um das Konzept des Kir-93 Pauli Sententiarum V, XXI, 1, in: Lex Romana Visigothorum, S. 434: Sententia:Qui noctu manu facta ac depopulandi gratia templum irrumpunt, bestiis obiiciuntur; si vero per

Sucht man in der Sptantike die Vorstellung des Kirchengebudes als hei-ligem Ort zu greifen, so wird deutlich, dass sich die Diskurse ber das Kir-chengebude ganz unterschiedlich gestalten, je nachdem, auf welche Funkti-onsebene man den Blick richtet. Die Kirchenvter konzentrieren sich eindeutig auf die Gemeinde und kaum auf den kultischen Raum. So entsteht eine To-pographie des Heiligen, die jedoch nicht enger mit der Kategorie des Kir-chenraums als heiligem Raum verknpft ist, vielmehr liegt die Heiligkeit in der Gemeinde. Der Versuch, das Assoziationsgeflecht um das Konzept des Kir-93 Pauli Sententiarum V, XXI, 1, in: Lex Romana Visigothorum, S. 434: Sententia:Qui noctu manu facta ac depopulandi gratia templum irrumpunt, bestiis obiiciuntur; si vero per

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