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2 Das Haus Gottes ist keine Ruberhçhle – Ekklesiologie in den normativen Quellen der Karolingerzeit

Im Dokument Miriam Czock Gottes Haus (Seite 185-200)

2.1 Die herrscherlichen Kapitularien: Das Kirchengebude als Kultort und der Kultvollzug

Als ein Hçhepunkt in der Entwicklung des Konzeptes einer christlichen Ge-sellschaft gilt die karolingische Reform. Eines ihrer herausragenden Kennzei-chen ist ein niemals enden wollender Strom kçniglicher Gesetzgebung, die versucht, korrektes Verhalten zu fçrdern, um so die Gesellschaft zu einer wahrhaft christlichen zu erziehen. In den letzten Jahrzehnten hat die wissen-schaftliche Beschftigung mit der Reform auf ihre Wurzeln in merowingischen Vorstellungen hingewiesen.106Allerdings hat man gleichzeitig betont, dass die Idee der admonitio und correctio der Gesamtgesellschaft erst unter Karl dem Großen zur Blte gelangt sei.107 Der Eindruck besttigt sich auch bei einem Blick auf jene Normierungen, die das Kirchengebude betreffen.

Die frhesten Verlautbarungen der Karolinger zum Thema des heiligen Orts stammen aus der Zeit vor der bernahme des Kçnigtums und entsprangen den unter Bonifatius auf verschiedenen Synoden angestrengten Reformen. Der enge Zusammenhang von Synodalbeschluss und Kapitular hat dazu gefhrt, dass die Stcke sowohl im betreffenden Kapitularien- wie im Konzilienband der MGH enthalten sind.108Dennoch liegen die Konzilsbeschlsse in diesem Falle nicht als Kanones vor, sondern nur als durch den Herrscher – bzw. Hausmeier – pro-mulgierte Vorschriften. Demnach zeugen sie, obwohl sie Ausfluss kirchlicher Willensbekundung sind, von der herrscherlichen Initiative in Bezug auf kir-chenrechtliche Themen.109 Die Rechtsetzung in kirchenrechtlichen Fragen durch den Herrscher/Hausmeier ist dabei von Anfang an durch die seit mero-wingischer Zeit verbreitete Vorstellung geleitet, der Kçnig trage die Verant-wortung fr das Seelenheil des Volkes.110

106 Besonders deutlich ist dieser Gedanke in Bezug auf die Kapitularien herausgearbeitet worden beiBuck: Admonitio und Praedicatio, S. 239 – 273;Nelson: The Merovingian Church.

107 Zur karolingischen Reform gibt es eine Flut an Texten, hier sollen nur beispielhaft einige genannt werden, die sich vornehmlich mit correctio und emendatio beschftigen, z. B.

Walter Ullmann: The Carolingian Renaissance and the Idea of Kingship. London 1969;Buck: Admonitio und Praedicatio; Maykede Jong: Charlemagne’s Church. In:

Charlemagne. Empire and Society, hrsg. v. Joanna E. Story. New York/Manchester 2006, S. 103 – 135.

108 Zum Problem der Klassifikation sieheBuck: Admonitio und Praedicatio, S. 275 – 277.

109 Buck: Admonitio und Praedicatio, S. 275 – 277.

110 Zur kçniglichen Verantwortung fr das Seelenheil des Volkes siehe Staubach: ,Cultus divinus‘, S. 558. Zur Verbreitung dieses Gedankens im Mittelalter siehe Marita Blattmann: „Ein Unglck fr sein Volk“. Der Zusammenhang zwischen Fehlverhalten

Schon der erste Beleg fr die Reformbestrebungen durch die Karolinger enthlt auch das Kirchengebude betreffende Normen. Hierbei handelt es sich um ein Kapitular Karlmanns, das die Kanones des im Jahr 742 auf Betreiben Bonifatius’ hin zusammengetretenen sogenannten Concilium Germanicum wiedergibt.111 Den Aussagen Bonifatius’ folgend galt das Konzil lange Zeit als Wiederaufnahme einer fr ca. 80 Jahre eingeschlafenen Konzilsttigkeit. Der Logik der Wiederaufnahme der Konzilsttigkeit folgt auch die Zielsetzung der Synode, sie solle dazu dienen, das Gesetz Gottes und die Disziplin der Kirche wiederherzustellen, welche unter den vorangegangenen Herrschern verfallen war.112Obwohl die Forschung nicht der Auffassung ist, dass die Konzilsttigkeit, wie Bonifatius behauptet, fr 80 Jahre vçllig zum Erliegen gekommen war, erkennt sie das reformerische Potential der Synode an.113 Bedenkt man die missionarische Ttigkeit des Bonifatius, nimmt es nicht Wunder, dass sich ein Kapitel des aus diesem Konzil hervorgegangenen Kapitulars mit der Unter-drckung des Heidentums beschftigt. Unter anderem verbietet es „dummen Menschen“, heidnische Riten in der Umgebung der Kirchen im Namen der Mrtyrer und der Bekenner abzuhalten, da sie damit Gott und seine Heiligen erzrnen wrden. Wie ein Großteil der Konzilsbeschlsse bewegt sich diese Vorschrift im Rahmen der kanonischen Gesetzgebung der merowingischen Zeit, da sie den Gedanken aufgreift, dass bei der Kirche an Feiertagen nur dem Kult angemessene Feiern stattfinden sollen.114

Indizien fr die besondere Stellung der Kirchen enthlt auch ein Kapitular Pippins d. J. aus dem Jahre 744, das ebenfalls aus der durch Bonifatius ange-stoßenen Reformttigkeit hervorging.115Neben der Ermahnung, keine Unzucht zu treiben und kein falsches Zeugnis abzulegen, verbietet das 4. Kapitel des Kapitulars das Schwçren eines Meineids in der Kirche. Damit wird jener das des Kçnigs und Volkswohl in den Quellen des 7.–12. Jahrhunderts. In: Frhmittelal-terliche Studien 30 (1996), S. 80 – 102.

111 Zu den Vernderungen am Textbestand desGermanicumim Kapitular Pippins d. J., die deutlich auf den kçniglichen Willen verweisen, sieheBuck: Admonitio und Praedicatio, S. 280 f.

112 Die Absichten und Grnde fr seine Synodalttigkeit ußert Bonifatius in einem Brief an Papst Zacharias, siehe MGH Epp. I, Bonifatii et Lulli epistolae 50, S. 299.

113 de Jong: Charlemagne’s Church, S. 108 f.

114 MGH Capit. I, 10. Karlmanni Principis Capitulare 742. April 21, c. 5, S. 25: (…)quas stulti homines iuxta ecclesias ritu pagano faciunt sub nomine sanctorum martyrum vel confessorum, Deum et suos sanctos ad iracundiam provocantes(…). Aufschlussreich fr die merowingische Konzilsgesetzgebung zu diesem Thema ist vor allem das zwischen 647 und 653 abgehaltene Konzil von Chalon-sur-Sane, siehe Concilium Cabilonense A.

647 – 653, c. 19, Concilia Galliae A. 511-A. 695, S. 307. Im Unterschied zur karolin-gischen hat die merowingische Gesetzgebung die Veranstaltung von Festen bei der Kirche noch nicht explizit als heidnisch gekennzeichnet.

115 Zum Konzil von Soissons siehe WilfriedHartmann: Die Synoden der Karolingerzeit im Frankenreich und in Italien. Paderborn u. a. 1989, S. 56 – 59.

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erste Mal zum Thema der frnkischen Gesetzgebung. In den Bußbchern ist eine parallele Regelung hingegen schon um 700 bezeugt.116Der Gesamtkontext des Kapitels legt nahe, dass es vornehmlich um die Implementierung eines christlichen Lebenswandels ging. Die Kirche als Raum spielt allenfalls eine sekundre Rolle, wobei die Nennung des Ortes der Eidesleistung dennoch auf dessen Wert hinweist.

Von besonderer Bedeutung innerhalb der karolingischen Gesetzgebung in Bezug auf das Kirchengebude ist eine Bestimmung Pippins fr Aquitanien aus dem Jahre 768. Darin erhebt er die Forderung, dass verlassene Kirchen wieder errichtet werden sollen, und zwar durch die Bischçfe, die bte oder jene Laien, die daraus ein beneficium beziehen.117Die Regelung kann zwar ganz allgemein auf das Kirchengut bezogen gewesen sein, dennoch kann daraus, dass hier nicht von entfremdeten, sondern verlassenen Kirchen die Rede ist, wohl gefolgert werden, dass auch das Kirchengebude in den Wiederaufbau einbezogen werden sollte. Das besondere Augenmerk der karolingischen Kçnige in Bezug auf den unter anderem auch materiellen Erhalt der Kirchen sollte sich in der Folgezeit immer wieder in entsprechenden Bestimmungen niederschlagen. Bleiben die Beschlsse unter den frhen Karolingern auf diese Schlaglichter beschrnkt, erweiterte sich das Spektrum der Normen unter Karl dem Großen unter der Beibehaltung der schon entwickelten Themen fort. Bereits in seinem ersten – in seiner Echtheit nicht unumstrittenen118 – Kapitular nach der bernahme der Herrschaft aus dem Jahr 769 griff Karl der Große auf die das Kirchengebude betreffenden Beschlsse des Concilium Germanicum aus dem Jahr 742 zu-rck.119Parallel zu letzterem verbot auch er dem Kult unangemessene Riten bei der Kirche. Folglich bewegte sich Karl der Große zu Beginn seiner gesetzge-116 MGH Capit. I, 12. Pippini principis capitulare Suessionense 744. Mart. 2, c. 4, S. 29:

Similiter decrevimus, ut laici homines legitimi vivant et diversis fornicationis non faciant et periurias in ecclesia non consentiant et falsi testimoniis non dicant et ecclesiam Dei in omni necessitate conservent. Das erste Mal ist das Verbot des Meineids in der Kirche im Bußbuch Theodors von Canterbury nachweisbar, siehe Die Canones Theodori Can-tuariensis und ihre berlieferungsformen, U I 4, 1, S. 297:Qui periurium facit in ecclesia XI annos peniteat.

117 MGH Capit. I, 18. Pippini Capitulare Aquitanicum, c. 1., S. 42:Ut illas ecclesias Dei qui deserti sunt restaurentur tam episcopi quam abbates vel illi laici homines qui exinde beneficium habent.

118 Die Echtheit des ersten Kapitulars galt lange als umstritten. In jngerer Zeit hat Gerhard Schmitz: Die Waffe der Flschung zum Schutz der Bedrngten? Bemerkungen zu ge-flschten Konzils- und Kapitularientexten. In: Flschungen im Mittelalter. Bd. 2: Ge-flschte Rechtstexte. Der bestrafte Flscher. Hannover 1988, S. 79 – 110, hier S. 82 – 94 (dort auch die ltere Literatur), die Echtheit nochmals wahrscheinlich machen kçnnen.

Zur Interpretation des ersten Kapitulars Karls und seiner Bedeutung fr die Reform siehe Buck: Admonitio und Praedicatio, S. 292 – 297.

119 Zur bernahme aus dem Concilium Germanicum siehe Buck : Admonitio und Prae-dicatio, S. 292.

berischen Ttigkeit noch im Rahmen der kanonischen Gesetzgebung mero-wingischer Zeit. Allerdings enthlt das durch Karl promulgierte Kapitel eine Begrndung, die ber die ltere Tradition hinausgeht. Betont die Version der Bestimmung von 742 nur, dass die unangemessene Feier der Riten den Zorn der Heiligen wachrufen wrde, begrndet der Text von 769 den Zorn explizit mit dem Fehlverhalten: Anstatt durch Wohlverhalten das Erbarmen der Heiligen hervorzurufen und damit ihre Hilfe zu erlangen, wie es eigentlich durch den Kult geschehen sollte, wecke man den Zorn der Heiligen und habe deshalb mit Strafe zu rechnen.120Die dem Gedanken zugrunde liegende Kausalkette, in der Wohlverhalten Gnade und Fehlverhalten Strafen nach sich ziehen, kann als prgend fr das Reformwerk Karls gelten.

Neben dem Verbot des heidnischen Treibens bei der Kirche erfolgte 769 eine weitere Regelung, die sich mit der Bedeutung des Weihevorgangs als Heiligungsritus beschftigt. In ihr klingt der Zusammenhang zwischen Weihe und Nutzung der Kirche als Kultort an. So verordnet Karl der Große, dass Priester die Messe nur an Orten feiern sollen, die Gott geweiht seien. Eine Ausnahme des Verbots gilt nur fr die Reise, aber selbst auf jener drfe der Priester die Messe nicht an einem ungeweihten Ort lesen, denn der Gottesdienst soll nur an einem Tabernakel und einer steinernen Mensa,121 die von einem Bischof geweiht worden waren, gefeiert werden. Derjenige, der dessen unge-achtet eine Messe feiere, gefhrde seinen Weihegrad.122 Schon vor dem ersten nachweisbaren vollentwickelten Kirchweihritus beschftigt sich das Kapitular also mit der Notwendigkeit der Heiligung des Messortes.123Deutlich geht aus der Regelung hervor, dass es nicht mehr der Kultvollzug ist, der heiligt, sondern ein ihm vorausgegangenes Ritual, das die Anwesenheit Gottes garantieren soll.

Dem Kultvollzug fllt in diesem Rahmen nur noch eine die Heiligkeit verste-tigende Rolle zu. Gerade da sich die Bestimmung nicht allein auf den Kir-chenraum bezieht, illustriert sie die besondere Bedeutung der bischçflichen Heiligung des Messortes. Die Vorschrift engt die Zahl der Orte ein, an denen heilige Handlungen in Form der Messe stattfinden kçnnen, trgt aber gleich-120 MGH Capit. I, 19. Karoli Magni Capitulare Primum, c. 6., S. 45: (…) quas stulti homines iuxta ecclesias ritu pagano faciunt sub nomine sanctorum martyrum vel confessorum Domini, qui potius quam ad misericordiam sanctos suos ad iracundiam provocant.

121 Die Anweisung, dass nur Altre aus Stein geweiht werden sollen, findet sich bereits in merowingischer Zeit: Concilum Epaonense A. 517, Concilia Galliae A. 511-A. 695, c.

26, S.30.Eine karolingische Parallele ist MGH Capit. I, 47. Capitula excerpta de canone 806 vel post?, c. 16, S. 133:De altaria non consecranda nisi lapidea.

122 MGH Capit. I, 19. Karoli M. Capitulare Primum 769, c. 14, S. 46:Nullus sacerdos nisi in locis Deo dicatis, vel in itinere positus in tabernaculis et mensis lapideis ab epsicopo[sic!]

consecratis, missas celebrare praesumat. Quod si praesumserit, gradus sui periculo subiacebit.

123 Der erste vollentwickelte Kirchweihritus ist wohl in den Jahren 768 – 781 entstanden, sieheBenz: Zur Geschichte der rçmischen Kirchweihe, S. 92 f.

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zeitig dem Umstand Rechnung, dass der Gottesdienst eben nicht nur in Kir-chengebuden stattfand – war es doch anscheinend im Krieg und auf der Reise blich, den Gottesdienst unter freiem Himmel zu feiern. Notwendig fr die Messe war jedoch immer ein geweihter Altar.124 Dem Gedanken gemß, dass alleine die Kirche der rechte Ort des Kultes sei, erging im Jahre 789 an Priester das Verbot, Messen in ihren Husern abzuhalten.125Auch diese Regelung betont die Notwendigkeit eines dem Kult gemßen Ortes. Indem das Kirchengebude zum einzigen Ort des Kultes und die Weihe zur Voraussetzung fr den Got-tesdienst erklrt wurde, strkte man zugleich die Stellung der Bischçfe, da nur diese befhigt waren, die Kirche zu weihen. Das Weiherecht des Bischofs galt nicht nur fr die Kirche, sondern gleichermaßen fr den Altar; so sollte es Priestern erlaubt sein, den zerstçrten Altar wiederzuerbauen und vom Bischof erneut weihen zu lassen.126

Nicht nur die liturgische Wandlung des Raumes zur Kultsttte, sondern auch seine materielle Gestalt waren immer wieder Thema der Kapitularien Karls des Großen. Zum einen stehen seine Kapitularien damit in der Tradition der Kapitularien seines Vaters Pippin, zum anderen erweiterten sie aber deren Re-gelungen. Besonders eindrcklich dafr ist das Zeugnis der zur Zeit Karls des Großen abgehaltenen Frankfurter Synode von 794. Auf ihr legten die Teil-nehmer fest, dass die Kirchengebude und -dcher durch diejenigen verbessert und restauriert werden sollen, die daran ein beneficium haben. Dabei sollte wohl nicht nur dem natrlichen Verfall, sondern ebenso dem Diebstahl von Material aus dem Kirchengebude entgegengewirkt werden, fgt die Bestim-mung an die Forderung nach Restauration doch an, dass Holz, Steine oder Dachziegel, die dem Kirchengebude entwendet und in Husern verbaut 124 Einige Beispiele fr die Messfeier außerhalb der Kirche bringt Braun: Der christliche Altar, S. 73 – 75; zu den die Tragaltre betreffenden Regelungen und zu ihrem Gebrauch siehe ebd. S. 75 – 86. Zu den grundlegend theologischen Vorstellungen sowie dem den Tragaltar umgebenden Raum siehePalazzo: L’espace rituel.

125 MGH Capit. I, 23. Duplex legationis edictum 789 m. Martio 23., c. 25, S. 64: (…)et non invitent presbyteros ad domus suas ad missam faciendam.Die Bestimmung ist ebenfalls in den von Boretius noch als herrscherliches Kapitular ediertenCapitula a sacerdotibus propositaenthalten, siehe MGH Capit I, 36. Capitula a sacerdotibus proposita 802, c. 9, S. 106. Inzwischen gilt es als Bischofskapitular Gaehrbalds von Lttich, siehe Capitula episcoporum I, S. 3, Anm. 7.

126 MGH Capit. I, 114. Capitula e conciliorum canonibus collecta 801, c. 5, S. 232: De ecclesia quae antea sacrata fuit, et pro qualibet occasione aut incendio altare eius fuit destructum, licentiam habeat pontifex in eadem iterum altare construere. Quod si pontifex aut pro senectute aut pro egritudine ad ipsum locum ambulare minime potuerit, tunc ille presbiter aut qualiscumque custos per consilium plebis ad suum pontificem altare deferat ad sacrandum; et ipse presbiter per auctoritatem pontificis sui in loco constituto ordinare debeat.

Et si eclesia[sic!]noviter aedificata fuerit, nullus episcopus habeat licentiam, sicut superius legitur, presbiterum transmittere, sed ipse pontifex pergat virtutes, conlocare vel altaria sac-rare.

wurden, der Kirche zurckgegeben werden sollen.127 Der Erhalt der Kirchen-gebude wurde demnach nicht nur aufgrund von natrlichen Verfallserschei-nungen als notwendig angemahnt, sondern auch, weil Materialien aus ihm zum Hausbau verwendet wurden.

Die Kirche steht folglich nicht nur als Organisation unter kçniglichem Schutz,128 vielmehr sind die materiellen Grundlagen des Kultes in ihn mit einbezogen. Neben den explizit auf die Kirchengebude bezogenen Aussagen finden sich hufiger recht allgemein gefasste Bestimmungen zum Schutz des Patrimoniums der Kirchen, d. h. des Kirchengutes.129 Indirekt hngen auch diese Regelungen mit dem Kirchengebude zusammen, kam ihm doch ein Teil der Einnahmen aus dem Kirchengut zugute.130 Diejenigen Kapitel, die sich ausdrcklich mit dem Kirchengebude beschftigen, zeugen davon, dass das Kirchengebude ein hervorgehobener Teil des Kirchengutes war. Außerdem belegen sie eine besondere Verantwortung wie auch ein spezielles Interesse des Kçnigs an den Kirchen.

Wissen wir bei vielen Normen nicht, wie ihre Kontrolle und Umsetzung aussehen sollte, geben die Bestimmungen zur Ausstattung des Kultortes Auf-schluss darber, wer jene Aufgaben bernehmen sollte. Einige der Kapitularien, die sich diesem Thema widmen, sind von der Forschung als Ausfertigungen fr missi dominici identifiziert worden. Damit wenden sie sich direkt an diejenigen, die die kçniglichen Bestimmungen vor Ort bekannt machten und ihre Imple-mentierung berwachen sollten.131 Neben den missi waren auch die Bischçfe

127 MGH Capit I, 28. Synodus Franconofurtensis 794 mense Junio, c. 26, S. 76:Ut domus ecclesiarum et tegumenta ab eis fiant emendata vel restaurata qui beneficia exinde habent. Et ubi repertum fuerit per veraces homines, quod lignamen et petras sive tegulas, qui in domus ecclesiarum fuerint et modo in domo sua habeat, omnia in ecclesia fiant restaurate unde abstracte fuerunt.

128 Brunner: Deutsche Rechtsgeschichte, S. 46 – 73, bes. S. 50 f.

129 Glatthaar: Bonifatius und das Sakrileg, S. 1 – 41. Zur Bedeutung der Kultvorsorge im Rahmen der karolingischencorrectiosieheStaubach: ,Cultus divinus‘.

130 Z.B. MGH Capit. episc. II, Hinkmar von Reims II, c. 16, S. 49 f. Zu den Einnahmen der Kirchen und ihrer Verteilung siehe auch JosefSemmler: Zehntgebot und Pfarrter-mination in karolingischer Zeit. In: Aus Kirche und Reich. Studien zu Theologie, Politik und Recht im Mittelalter. Festschrift fr Friedrich Kempf, hrsg. v. Hubert Mordek.

Sigmaringen 1983, S. 33 – 44.

131 Z.B. MGH Capit. I, 49. Capitula de causis diversis 807?, c. 4, S. 136:Volumus itaque atque praecipimus, ut missi nostri per singulos pagos praevidere studeant omnia beneficia quae nostri et aliorum homines habere videntur, quomodo restaurata sint post annuncia-tionem nostram sive destructa. Primum de ecclesiis, quomodo structae aut destructae sint in tectis, in maceriis sive parietibus sive in pavimentis necnon in pictura etiam in luminariis sive officiis. Siehe außerdem MGH Capit. I, 43. Capitulare missorum in Theodonis villa datum primum, mere ecclesiasticum, c. 8, S. 121; MGH Capit. I, 46. Capitulare mis-sorum Niumagae datum 806 m. Martio, c. 3, S. 131; MGH Capit. I, 62. Capitulare

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dazu aufgerufen, die Durchsetzung der Normen zu kontrollieren.132Zwar lsst sich durch die Aufforderungen nicht belegen, wie die Praxis der Implementie-rung der Normen aussah, doch ist deutlich, dass man zu einer breiten Be-kanntmachung der Beschlsse gewillt war.

Die außerordentliche Bedeutung des Kirchengebudes sowie dessen Aus-stattung fr den Kult und die daraus abgeleiteten Forderungen werden zu Zeiten Karls des Großen nicht nur zum Thema der normativen Quellen, sie finden auch in einer Flle anderer Zeugnisse Niederschlag. In diesem Zusammenhang ist ein Brief Erzbischof Leitrads von Lyon, den er zwischen 809 und 812 Karl dem Großen schrieb, besonders aufschlussreich. In diesem Brief schildert Leitrad nmlich seine Verantwortung fr die Kirchenbauten. Seit seiner Amts-einsetzung durch Karl – so berichtet Leitrad – habe er unermdlich daran gearbeitet, den Zustand seiner Diçzese zu verbessern. Notwendig war seine Initiative, da die Diçzese bei seinem Amtsantritt im Inneren sowie im ußeren zerfallen gewesen sei. Das Innere und das ußere stellen in Leitrads Brief Ka-tegorien zur Erfassung der materiellen und spirituellen Grundlage des Kultes dar: So seien priesterliche Pflichten sowie die Kirchengebude als auch der Kult vernachlssigt worden.133Daher habe er seine Energie nicht nur auf die Reform der Liturgie gerichtet, sondern auch auf die Restaurierung der Kirchen. Leitrad verhlt sich folglich gemß den normativen Forderungen der Kapitularien: Er bemht sich um die innere Reform des Glaubens und widmet sich zugleich den Kirchenbauten. Der enge Zusammenhang von Politik, Architektur und Theo-logie, der sich in normativen Forderungen der Kapitularien wie im Briefe Leitrads niederschlgt, lsst sich ebenfalls fr das Werk und die Bauttigkeit Angilberts von Saint-Riquier nachweisen.134 Weiterhin bezeugen bis heute er-haltene Bauwerke – wie beispielsweise die Klosterkirche von Mstair – diese Wechselbeziehung.135 Die reiche Ausstattung der karolingischen Kirchen ist missorum Aquisgranense primum 809, c. 1, S. 150; MGH Capit. I, 63. Capitulare missorum Aquisgranense alterum 809, c. 1, S. 152.

132 Siehe MGH Capit. I, 42. Capitula ecclesiastica ad Salz data 803 – 804, c. 1, S. 119:Ut ecclesiae Dei bene constructae et restauratae fiant, et episcopi unusquisque infra suam parrochiam exinde bonam habeat providentiam, tam de officio et luminaria[sic!]quamque de reliqua restauratione.Schon Pippin hatte die Bischçfe, bte und Beneficiumsinhaber dazu aufgerufen, vernachlssigte Kirchen zu restaurieren, siehe MGH Capit. I, 18.

Pippini Capitulare Aquitanicum 768, c. 1, S. 42.

133 MGH Epp. II, Leitrad archiepiscopus Lugdunensis, Epp. 30, S. 542: Erat enim tunc supradicta ecclesia in multis rebus destituta interius exteriusque, tam in officiis quam in aedificiis vel in caeteris ecclesiasticis ministeriis.

134 Susan A.Rabe: Faith, Art, and Politics at Saint-Riquier. The Symbolic Vision of An-gilbert. Philadelphia 1995, S. XIII, S. 138 – 147; siehe dort auch zur architektonischen Ikonographie: S. 111 – 137.

135 Zur architektonischen Ausgestaltung siehe z. B. JrgenGoll/MatthiasExner/Susanne Hirsch: Mstair. Die mittelalterlichen Wandbilder in der Klosterkirche. Zrich 2007.

berdies durch pragmatisches Schriftgut, wie zum Beispiel Inventarverzeich-nisse, belegt.136

Neben der Sorge um das Kirchengebude in seiner architektonischen

Neben der Sorge um das Kirchengebude in seiner architektonischen

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