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2 Die Einwirkung der Religionspraxis auf die Verçrtlichung von Heiligkeit

Im Dokument Miriam Czock Gottes Haus (Seite 51-54)

Die Entfaltung einer Topographie des Heiligen ist weniger das Ergebnis der theologischen Diskussion, als vielmehr durch die religionspraktischen Ent-wicklungen in der Erinnerung an das Leben Christi und der Heiligen des 4.

Jahrhunderts vorangetrieben worden. Einfluss auf die Vernderungen hat maßgeblich die sogenannte konstantinische Wende genommen. Mit der Aner-kennung des Christentums setzte auch schnell dessen Integration in den Staat ein, die sich unter anderem in dem durch Konstantin befçrderten Bau von eigens dem Kult gewidmeten Gebuden spiegelt.58Dadurch wurde die Idee der Lokalisierbarkeit von Heiligkeit begnstigt, wobei der Weg zwischen zwei miteinander in Beziehung stehenden Phnomenen geebnet wurde: der Errich-tung von Kirchen und Pilgersttten an „historischen“ christlichen Sttten im Heiligen Land und dem Bau von Kirchen ber den Grbern der Mrtyrer.59Die Forschung hat zwei konkurrierende Modelle zur Wirkung des Phnomens auf die Entfaltung der Vorstellung vom Kirchengebude als heiligem Ort entfaltet.

So hat ein Teil der Forschung die Entstehung der lokalisierbaren Heiligkeit auf die Verehrung der Sttten im Heiligen Land zurckgefhrt.60 Eine Gegenmei-nung vertritt Robert A. Markus ; er geht davon aus, dass die Heiligkeit von Orten auf der Idee der heiligen Zeit basiert, die in der Verbindung mit der Mrtyrerverehrung entstand und eben nicht auf die Verehrung der Sttten im

58 Bereits zuvor gab es Orte, an denen der christliche Kult begangen wurde, jene befanden sich aber in Wohnhusern, die nicht allein fr kultische Zwecke bestimmt waren, siehe hierzu Caseau: Sacred Landscapes, S. 41. Zur Verdrngung der rçmischen Kulte und Tempel ebd., S. 29 – 40; BeatriceCaseau:POKELEIM KIHOIS. La dsacralisation des espaces et des objets religieux paens durant l’antiquit tardive. In: Le sacr et son inscription dans l’espace Byzance et en Occident. Etudes compares, hrsg. v. Michel Kaplan. Paris 2001, S. 61 – 123; Johannes Hahn: Tempelzerstçrung und Tempelreini-gung in der Sptantike. In: Kult, Konflikt und Versçhnung. Beitrge zur kultischen Shne in religiçsen, sozialen und politischen Auseinandersetzungen des antiken Mit-telmeerraumes, hrsg. v. Rainer Albertz. Bd. 2. Mnster 2001, S. 269 – 282; zum kon-stantinischen Bauprogramm: BarbaraWeber-Dellacroce/WinfriedWeber: „Dort, wo sich Gottes Volk versammelt“ – die Kirchenbauten konstantinischer Zeit. In: Imperator Caesar Flavius Constantinus, Konstantin der Große, hrsg. v. Alexander Demandt u. Josef Engemann. Darmstadt 2007, S. 244 – 257; zur zeitgençssischen Einschtzung des Bau-programms siehe Eusebius von Caesarea: De vita Constantini, S. 200 – 203, S. 368 – 373. Hier schildert Eusebius zwar die ußere Pracht der neuen Bauten, geht jedoch nicht auf deren Heiligkeit ein, siehe hierzu auch ebd., S. 80 – 85.

59 Taylor: Christians and Holy Places, S. 295 – 342; Iogna-Prat: La maison dieu, S. 40 ff.

60 MacCormack: Loca sancta; Jonathan Z. Smith: To Take Place. Toward Theory in Ritual. Chicago/London 1987, S. 88 – 95.

Heiligen Land zurckgefhrt werden kçnne.61 Es scheint besonders fr den Westen plausibel anzunehmen, dass die rituelle Erinnerung an die Heiligen an ihren Grbern strker auf die Entwicklung der Vorstellung der Lokalisierbarkeit von Heiligkeit eingewirkt hat als die Verehrung der Wirksttten Christi im Heiligen Land. Denn erst die Heiligenverehrung erlaubte eine Verbreitung des Phnomens ber das Heilige Land hinaus, auch wenn sich mçglicherweise die eine aus der anderen Vorstellung speiste. Die Zentralitt des sptantiken Hei-ligenkults fr die Sakralisierung von Rumen haben vor allem PeterBrownund Robert A. Markus betont.62 Sie beschreiben die Entwicklung des heiligen Raumes aus der Heiligenverehrung als komplexen Vorgang, der im Grunde nicht vom Raum ausging. Der Heiligung des Raumes war die Heiligung der Zeit durch die Kommemorationsfeiern am Todestag der Mrtyrer vorausge-gangen. Die Vorstellung der heiligen Zeit verband sich schließlich mit der Idee, dass auch die Grber der Heiligen heilig seien, und produzierte damit die Vorstellung des heiligen Ortes.63Anfnglich beschrnkte sich die Verehrung der Heiligen allein auf den ursprnglichen Ort ihres Begrbnisses. Erst das Auf-kommen der Reliquienelevation und -translation am Ende des 4. Jahrhunderts ermçglichte es, Heilige unabhngig von ihrer originren Grabsttte erneut zu bestatten. Die erste bekannte Reliquieneinbringung im Westen nahm 385 Ambrosius von Mailand vor.64 ber die hinter der Deposition stehenden Mo-tive unterrichtet uns einer seiner Briefe. Ambrosius’ Ausfhrungen kreisen in erster Linie um die Bedeutung der Heiligen als Vorbilder fr die Gemeinde.

Dabei hebt er zwar den engen Zusammenhang von Grab und Altar hervor, stellt jedoch an keiner Stelle eine Beziehung zwischen der Deposition der Reliquien und der Heiligkeit des Kirchengebudes her.65Auch wenn die Sakralisierung des Raumes keine aktive Absicht Ambrosius’ war, vernderte die von ihm ange-stoßene Praxis das christliche Raumgefge enorm: Die Mçglichkeit, die Reli-quien an einen vom Bischof gewhlten Ort zu berfhren, erlaubte, die

Ver-61 Markus: The End of Ancient Christianity, S. 262.

62 Markus: The End of Ancient Christianity, S. 139 – 155; Brown: The Cult of the Saints; siehe nun auchYasin: Saints and Church Spaces.

63 Markus: How on Earth, S. 265.

64 Im Osten sind Reliquieneinbringungen bereits frher vorgenommen worden. So wurde Babylas durch Gallus (351 – 354) von Antiochia nach Daphne transferiert und Gebeine von Timotheus und Andreas sowie Lukas bereits im Jahr 356 bzw. 357 nach Konstan-tinopel gebracht, siehe hierzuMango: Constantine’s Mausoleum. Zur Tradition in Rom siehe Steffen Diefenbach: Rçmische Erinnerungsrume. Heiligenmemoria und kol-lektive Identitten im Rom des 3. bis 5. Jahrhunderts n. Chr. Berlin/New York 2007, S. 359 – 379. Zu den ideellen Entwicklungen des Reliquienkultes in der Sptantike siehe Andreas Hartmann: Zwischen Relikt und Reliquien. Objektbezogene Erinnerungs-praktiken in antiken Gesellschaften. Berlin 2010.

65 Ambrosius von Mailand: De obitu, bes. S. 134 – 135.

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ehrung vom Grab unabhngig zu bestimmen und so die Entwicklung einer Heiligentopographie zu lenken.66

Zwar fçrderte die Heiligenverehrung den rituellen Fokus auf den Ort, an dem der Heilige seine Ruhesttte gefunden hatte, dennoch verband sich damit nicht automatisch die Vorstellung einer eigenstndigen Heiligkeit des Kir-chengebudes. Heiligkeit verankerte sich çrtlich in der Kirche nur aufgrund der Wirkung der in ihr ruhenden Gebeine des Heiligen.67 Zudem wurde die Re-liquieneinbringung nicht zu einer allgemeinen Praxis. So war sie auch bis in das 8. Jahrhundert hinein nicht konstitutiv fr die Nutzung der Kirche.68

Weder die Verehrung der Sttten im Heiligen Land noch die von Reliquien fhrt in der Sptantike zu der Vorstellung einer selbstndigen Heiligkeit des Kirchengebudes. Die Heiligkeit des Kirchengebudes bestand allenfalls in der Ableitung aus anderen sakralisierenden Phnomenen: dem Reliquiengrab, der liturgischen Feier und dem Heil der christlichen Gemeinschaft.69 Die Auf-richtung der Heiligkeit geschieht durch die Perpetuierung des Kultes um die besonderen Toten, ohne dass eine Begrenzung des Raumes vorgenommen wurde. Deshalb kann aus dem Reliquienkult nicht einfach eine differenzierte Vorstellung einer sich çrtlich manifestierenden Heiligkeit abgeleitet werden, die durch das Kirchengebude begrenzt ist. Die Profilierung des Raumes war trotz dieser ersten Schritte noch nicht weit gediehen, so erfuhr sie auch noch keine Formalisierung, wie sie sich im konkreten Sakralisierungsakt der Kirchweihe seit dem 8. Jahrhundert herausbildet.

Unbestreitbar liegt zwar bereits in der Sptantike ein ritueller Fokus auf dem Kirchengebude, der sich vor allem auf der Basis der Theorie MirceaEliades als Vorstellung von der Heiligkeit des Ortes interpretieren lsst.70 Die ableh-66 Brown: The Cult of the Saints, S.21 – 39. Zur Praxis der Erhebung und Umbettung der Gebeine siehe Uta Kleine:Res sacraodersacrilegium? Grabçffnungen, Gebeintransfer und Kçrperzerteilung in normativen und hagiographischen Zeugnissen des frheren Mittelalters. In: Inszenierungen des Todes – Hinrichtung, Martyrium, Schndung, hrsg.

v. Linda-Marie Gnther u. Michael Oberweis. Bochum 2006, S. 83 – 116.

67 Markus: How on Earth Could Places Become Holy?, S. 271.

68 Festgelegt wurde die Notwendigkeit, eine Reliquie bei der Weihe in die Kirche einzu-bringen, erst auf dem zweiten Konzil von Nica 787, siehe Concilium Nicaenum II, c. 7, S. 144 f., S. 145:Quotquot ergo venerabilia templa consecrata sunt absque sanctis reliquiis martyrum, definimus in eis reliquiarum una cum solita oratione fieri positionem. Et si a praesenti tempore inventus fuerit episcopus absque lipsanis consecrare templum, deponatur; ut ille qui ecclesiasticas traditiones transgreditur.

69 Zur Heiligung von Orten als Ableitung von anderen Phnomenen siehe Hamilton/

Spicer :Defining the Holy, S. 2 – 6; zur Heiligung durch das Heiligengrab siehe Mar-kus: How on Earth Could Places Become Holy? Zur Entwicklung der Vorstellung des heiligen Ortes als Spiegel der heiligen Glaubensgemeinschaft siehe Deichmann: Vom Tempel zur Kirche. Weit ber den sptantiken Befund hinaus beschftigt sich Iogna-Prat: La maison dieu, mit der „Baumetaphorik“.

70 Yasin: Saints and Church Spaces, bes. S. 15 f., S. 21, S. 286 – 291.

nende Haltung der Kirchenvter gegenber der Idee, das Kirchengebude sei der Sitz Gottes, macht jedoch deutlich, dass die Heiligkeit des Ortes whrend der Sptantike keine dem Christentum eigene Sinnformation war.

3 Staatliche Maßnahmen zum Schutz der Kirche und das

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