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King Kong (2005)

Im Dokument Ende des neuseeländischen Kinos? (Seite 180-183)

3. De-/Entlokalisierung der neuseeländischen location und dessen Bedeutung für die Frage nach filmgeografischer

3.5 Analyse: V. und VII. Simulationsstufe

3.5.4 King Kong (2005)

Bei Peter Jacksons King Kong handelt es sich im Gegensatz zu den bisher analysierten Fil-men um einen Film der 7. Simulationsstufe. Während die Hobbit-Trilogie bereits einen hohen An-teil digitaler Landschaften aufbot, kommt King Kong quasi ohne locations aus, wie Production De-signer Grant Major anführt: „Everything shot on this movie, bar one or two minor instances, has been studio-based […] there are no locations, other than the Opera House and Civic Theater“ (Wa-ke 2010: 31). Diese Rück(Wa-kehr zu alten Hollywood-Studio-Traditionen geht einher mit einem gleich-zeitigen Sprung nach vorne in puncto CGI: mit über 2500 effect shots und damit sowohl die eige-nen Lord of the Rings-Filme als auch Star Wars Episode III (2005) übertreffend, wird King Kong

als Meilenstein in der Geschichte der Visual Effects angesehen.86 Letztlich handelt es sich bei King Kong um einen Hybriden aus 6. und 7. Simulationsstufe: Zum einen ist der digital generierte Handlungsort New York zwar nicht im realen New York gedreht worden, aber dennoch mit dem realen New York assoziierbar (6. Simulationsstufe), zum anderen ist Skull Island ebenfalls digital generiert, darüber hinaus aber auch fiktiv und somit nicht ohne weiteres mit einer realen Geografie assoziierbar (7. Simulationsstufe).87

Wieso aber kamen für die Darstellung Skull Islands keine neuseeländischen Landschaften mehr zum Einsatz? Immerhin hatte Neuseeland seine Tauglichkeit zur Simulation vormoderner Welten in der Vergangenheit vielfach unter Beweis gestellt? Nicht nur Fantasywelten, sondern auch archaische Regionen, wo sich die Aufzucht von Dinosauriern „anbot“ (The Lost World:

Jurassic Park [1997]) wurden (auch) auf Neuseeland gedreht. Auf Skull Island treiben neben dem Riesengorilla ebenfalls Dinosaurier ihr Unwesen, sodass die vielerorts prähistorisch wirkende Landschaft Neuseelands damit gut harmoniert hätte. Der Grund, warum dennoch weder neusee-ländische noch irgendwelche anderen realen locations mehr zum Einsatz kamen, lässt sich in den mittlerweile weit fortgeschrittenen Möglichkeiten digitaler Landschaftsgenerierung finden. Offen-bar genügten neuseeländische locations Peter Jacksons Anforderungen an die Hypersublimität und Fantastik von Skull Island nicht, sodass er auf die nahezu unbegrenzten Darstellungsmöglichkeiten von CGI (in Kombination mit Miniaturmodellen) zurückgriff. So äußert sich Jackson im Hinblick auf die Unterschiede zwischen dem Original von 1933 und seinem Remake: „What I want to do is see what would happen if Willis O’Brien, the guy who did this stuff in 1933, had at that time the gadgets that we have today. And he also said, ‚I’d like people to say, ‚I knew New Zealand had some fantastic locations, but, wow, where did you find Skull Island?“ (Wake 2010: 31). Jackson wollte folglich durch CGI eine „Steigerung“ zu den ohnehin schon „fantastischen“ neuseeländischen locations erreichen. Diese Steigerungsabsicht ist ein Beleg für den im Methodikteil besprochenen

„Zwang zur Gigantomanie“, wie Hoberg es nennt (1999: 218), wodurch ein „anästhetisiertes“ Pub-likum immer von Neuem sensorisch überwältigt und zum Staunen angeregt werden soll, was wie-derum den kommerziellen Erfolg solcher Filme garantieren soll.

Die Filmemacher strebten bei der Konstruktion von Skull Island perzeptiven Realismus an, gleichzeitig sollte der Film aber auch eine ästhetische Hommage an das Original darstellen. Durch

86 So z. B. auf www.filmsite.org/visualeffects20.html, wo King Kong unter die „Greatest Visual and Special Effects (F/X) – Milestones in Film 2003-2005“ eingeordnet wird.

87 Es gibt aber durchaus Sonderfälle, in denen selbst eine digital generierte, fiktive Landschaft mit einer realen Geografie assoziiert werden kann, wie bei der Analyse von Avatar demonstriert werden wird.

diesen intertextuellen Bezug hat die Landschaft einen leicht „malerischen“ Charakter, den Peter Jackson an Gustave Dorés expressionistischen Stil angelehnt hat. Jackson argumentiert, dass der Einsatz realer locations hierbei für seine kreative Vision sogar hinderlich gewesen wäre:

[…] the 1933 jungles are very stylized, very much based on Gustave Doré’s artwork. Things close to you are silhouetted and dark, and as they go further away they get progressively flatter and brighter and foggier. I just couldn’t imagine doing King Kong without some-how doing that, and it would be impossible to do it on location. You couldn’t control the elements. That look is artificial, there’s a certain art-directed style to it, and it has to be done in a very technically controllable way (Wake 2010: 31).

Deshalb wurde nicht nur aus pragmatischen, sondern auch aus kreativen Gründen CGI eingesetzt, das nach Ansicht der Filmemacher im Gegensatz zu locations kein Kreativitätshindernis darstellt.

Trotz der Stilisierung sollte die Welt aber dennoch „real“ wirken und maximal immersiv sein. Um dies zu bewerkstelligen behandelte Jackson Skull Island nicht als eine Fiktion, sondern als real exis-tierenden Ort, wie Director of Photography Alex Funke anmerkt: „[…] this is no fantasy. As far as Peter is concerned, Skull Island is a real place […]“ (Wake 2010: 140). Somit verfolgt Jackson eine ähnliche Authentisierungsstrategie wie schon bei Lord of the Rings, wo er der Filmcrew gegenüber ebenfalls die Anweisung gab, Mittelerde wie eine reale, historische Welt (ähnlich wie Troja) zu be-handeln. Dieser Authentizitätseffekt sollte durch Paratexte wie dem pseudohistorischen Buch The World of Kong. A Natural History of Skull Island weiter verstärkt werden. Hierbei wird für King Kong-Fans, die noch tiefer in die Welt von Skull Island eintauchen wollen, eine „Historie“ der Insel konstruiert.

Ironischerweise ist das filmische Skull Island aber letztendlich außerordentlich irreal, da im Gegensatz zu Lord of the Rings eben keine realen locations mehr eingesetzt wurden, die ein Film-tourist besuchen könnte. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass King Kong keinen Filmtouris-mus nach Neuseeland ausgelöst hat,88 obwohl aus vielen Rezensionen eine starke Faszination für Skull Island ersichtlich wird und die Filmwelt trotz ihrer Digitalität als authentisch erachtet wird, wie die Rezension von „dunmore_ego“ illustriert:

Once upon Skull Island, the movie ratchets into the stratosphere, in sequences where we realize that, due to his pedigree, Jackson is the only person who could have remade *King Kong* with any semblance of majestic authenticity. In fact, the whole Skull Island interlude

88 Ob King Kong Filmtourismus nach New York ausgelöst hat, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht festgestellt werden.

is so rife with arterially-bursting CGI that "breathtaking" or "awe-inspiring" are not only understatements, they are sins against humanity (27. December 2005).

Dem pathetischen Sprachstil des Rezensenten nach zu urteilen ist sowohl die Authentisierungsstra-tegie als auch das Ziel der Filmemacher, Zuschauer durch hypersublime CGI sensorisch zu über-wältigen, zumindest für einen Teil der Zuschauerschaft gelungen und belegt eindrücklich, dass ein großer Teil der Zuschauer den Einsatz realer locations nicht als unbedingt notwendig erachtet.

Zweifelsohne gibt es auch negative Rezensionen wie die von „jholmstrom-1“, wo eine „orgy of CGI-effects with no end in sight“ (25. Dezember 2005) beklagt wird und eine suspension of disbelief als nicht möglich erachtet wird. Allerdings zeigt der kommerzielle Erfolg des Films und die gute Bewertung in Internetforen wie IMDb und Rottentomatoes, dass die große Mehrheit der Zu-schauer CGI durchaus als authentisch akzeptieren kann.

Aufgrund der fehlenden locations hat King Kong trotz der Begeisterung vieler Zuschauer für Skull Island keinen Filmtourismus ausgelöst, wobei Jackson im Jahr 2010 in den Universal Stu-dios eine „King Kong 360 3-D“-Tour einrichten ließ, nachdem die frühere King Kong-Attraktion 2008 bei einem Brand zerstört wurde (Goldberg, 2010). Hierbei handelt es sich aber um Filmstu-dio-Tourismus, der beinahe ebenso virtuell ist wie das Filmerlebnis selbst, da die Besucher nicht mehr wie noch bei der abgebrannten Attraktion eine physische King Kong-Figur zu sehen bekom-men, sondern stattdessen einen knapp 3minütigen 3D-Film sehen, während sie in einem Gefährt sitzen. Hierbei handelt es sich folglich um eine ganz andere Art von Filmtourismus als beim Lord of the Rings-Tourismus in Neuseeland. In besonderen Fällen kann jedoch auch ein Film der

7. Simulationsstufe Filmtourismus auslösen, wie der als nächstes zu analysierende Film Avatar zei-gen wird.

Im Dokument Ende des neuseeländischen Kinos? (Seite 180-183)