• Keine Ergebnisse gefunden

1.1. Kardiomyopathie in Folge eines zirrhotischen Leberumbaus

1.1.2. Zirrhotische Kardiomyopathie (Cirrhotic cardiomyopathy, CCM)

1.1.2.1. Kenntnisstand bei Erwachsenen

Schon im Jahr 1953 beobachteten Kowalski et al. kardiale Veränderungen bei Patienten mit alkoholtoxisch bedingter Leberzirrhose. Damals konnte ein erhöhter kardialer Auswurf in Ruhe sowie eine erhöhte QT-Zeit bei einem Drittel der Patienten festgestellt werden. Zudem fiel ein verminderter peripherer Widerstand auf. (1)

Die Theorie eines hyperdynamen Kreislaufes bei zirrhotischen Lebererkrankungen durch portale Hypertension wurde entwickelt.

1989 wurde die zirrhotische Kardiomyopathie als Begriff erstmals von Lee erwähnt. Da die diagnostischen Möglichkeiten in der echokardiographischen Untersuchung noch nicht derart fortgeschritten waren, wertete Lee hauptsächlich klinische und (tier-)experimentelle Studien aus und kam zu dem Schluss, dass die alkoholtoxisch bedingte Kardiomyopathie und die zirrhotische Kardiomyopathie „eine gemeinsame Ursache teilen“. Bekannt war bereits die Reversibilität der Kardiomyopathie nach Lebertransplantation, unklar war jedoch, ob eine nicht-alkoholisch bedingte Zirrhose mit einer Kardiomyopathie assoziiert ist. (2)

Bei der durch Alkohol bedingten Leberzirrhose und der primär biliären Zirrhose wurde zuvor die elektrokardiographisch messbare QTc-Zeit-Verlängerung über Jahrzehnte über eine alkohol-induzierte Myokardtoxizität und/oder eine autonome Neuropathie erklärt. (3)

Die zirrhotische Kardiomyopathie als klinische Entität ist in mehreren Studien sowohl aus dem pädiatrischen Feld als auch der Erwachsenenmedizin erst im letzten Jahrzehnt ausführlicher untersucht worden.

Erwachsene Patienten mit einer zirrhotischen Erkrankung der Leber präsentierten im Vergleich zu den Kardiomyopathien durch chronischen Alkoholkonsum, die mit Dilatation und verminderter systolischer Funktion einhergehen, kardiale Veränderungen mit echokardiographisch nachgewiesener relevanter Zunahme der linksventrikulären Masse mit latenter diastolischer Dysfunktion sowie eine elektrokardiographisch feststellbare QT-Zeit-Verlängerung. (4,5)

Mittels Radionuklidventrikulographie mit ergometrischer Belastung und anderen kardiovaskulären Reflextests konnte sowohl bei Patienten mit alkoholbedingter als auch mit Leberzirrhose anderer

Genese eine inadäquate kardiale Antwort auf Belastung festgestellt werden. Der Anstieg des kardialen Auswurfs war durch verminderte chrono- (maximale Herzfrequenz von 120.5±6) wie auch inotrope Antwort (ausbleibende Zunahme der Ejektionsfraktion) unter maximaler Belastung (im Mittel nur 96% Zunahme des kardialen Auswurfs in beiden Gruppen, primär über die Zunahme des enddiastolischen Volumens, somit verminderte Kontraktionsreserve) im Vergleich zu gesunden Probanden vermindert (Zunahme des kardialen Auswurfs bis 300%). (6)

In der Zwischenzeit wurden mehrere Fälle von kardialen Komplikationen im Sinne von Dekompensationen und neu diagnostizierter manifester Herzinsuffizienz nach TIPSS-Anlage oder chirurgischer portokavaler Shuntanlage beobachtet. (7)

Eine französische Studie untersuchte das Outcome nach diesen Eingriffen: die 2-Jahres-Überlebensrate der Patienten, bei denen eine derartige Shuntanlage durchgeführt wurde, war im Vergleich zur Parazentesegruppe signifikant niedriger (Überlebensrate 29±13% vs. 56±17%, p<0,05). (8)

Weiterhin war die meist subklinisch und nur durch verschiedene Stressstimuli zu beobachtende Kardiomyopathie in Ermangelung einfach reproduzierbarer nicht-invasiver Diagnostik nur schwer zu erfassen. (9,10)

Es folgten Studien, um die Pathophysiologie und die Zusammenhänge der Veränderungen auf laborexperimenteller Ebene zu ergründen. (11,12,13) (s. Kap.1.2.1+1.2.2)

In den weiteren klinischen Studien fanden sich bei Patienten mit Lebererkrankungen im Endstadium durch zirrhotischen Leberumbau im Vergleich zur Normalbevölkerung kardiale Veränderungen mit führender diastolischer Dysfunktion, etwa verlängerte Dezelerationszeit des frühdiastolischen Einstroms bei je 30 Patienten mit alkoholbedingter bzw. nicht-alkoholbedingter Leberzirrhose (235.03 ±44.23 ms und 255.87 ±46.16 ms) im Vergleich zur Kontrollgruppe (185.83

±25.04 ms; p<0,05). Andere echokardiographisch messbare Unterschiede wie E/A-Verhältnis, Ejektionsfraktion, Herzwanddicken und ventrikuläre Diameter endsystolisch und enddiastolisch zeigten keine signifikanten Unterschiede. (14)

Einleitung 4 Ähnliche Ergebnisse bei der Betrachtung der QTc-Zeit bei Patienten mit alkoholtoxisch-bedingter Zirrhose und Zirrhose durch chronische Hepatitis konnten in weiteren Studien beobachtet werden, etwa korrelierte die QTc-Zeit direkt mit der Schwere der zirrhotischen Erkrankung (von Child-Pugh A bis C) und dem Lebervenen-Druckgradienten (transfemoral über kurze Ballonkatheterokklusion einer Lebervene gemessen), in dieser Studie mit relativ kleinen Patientenzahlen konnten keine signifikanten Unterschiede echokardiographisch (tendenziell etwas größere LVIDd in Child-Klasse B+C, aber keine Dilatation) festgestellt werden. (5)

Im Jahr 2011 wurden 179 Patienten mit Leberzirrhose vor Lebertransplantation mit einer 99m-Tc-Sestamibi-Myokardperfusionsszintigraphie untersucht, Patienten mit Herzschenkelblock, pathologischer Perfusion oder reduzierter Ejektionsfraktion (LVEF<50%) wurden ausgeschlossen.

Es konnten szintigraphisch keine Unterschiede des LV-Volumens, der linksventrikulären Muskelmasse, der Ejektionsfraktion (EF), und der Dyssynchronizitätsindizes im Vergleich zu den Normwerten gesunder Probanden beobachtet werden. Auch zeigte sich keine Abhängigkeit zum MELD-Score. (15)

KLINISCHE BEDEUTUNG DER ZIRRHOTISCHEN KARDIOMYOPATHIE,

PROGNOSERELEVANTE KOMORBIDITÄT ODER SUBKLINISCHE ERSCHEINUNG?

In einer Studie mit Auswertung der Autopsieergebnisse von 133 Patienten mit Leberzirrhose, die auf der Warteliste zur Organtransplantation standen, fanden sich makroskopisch anatomische kardiale Veränderungen (macroscopic anatomical cardiac abnormalities-MACA), hier am häufigsten Kardiomegalie (Gewicht >300g) und ventrikuläre Hypertrophie in 43% der Fälle. (16) Studien am erwachsenen Patienten haben gezeigt, dass im Falle einer CCM besonders unter Belastung eine systolische Herzinsuffizienz durch inadäquaten Anstieg des kardialen Auswurfs beobachtet werden kann. Die linksventrikuläre systolische Funktion ist in Ruhe erhalten. (17) Bei Operationen wie etwa großen abdominalchirurgischen Eingriffen mit erheblicher plötzlicher Kreislaufbelastung (z.B. Lebertransplantationen), einer parenteralen Flüssigkeitszufuhr mit Infusion größerer Volumina, bei TIPSS-Anlage, Beginn einer medikamentösen Therapie mit Auswirkung auf die kardiale Funktion (z.B. durch Betablocker) wurden kardiale Dekompensationen beschrieben.

(18,19)

Aber auch bei chronischen Volumenbelastungen, wie z.B. nach operativer Anlage eines proximalen arteriovenösen Shunts, etwa einer hohen AV-Fistel mit zu erwartend hohen Flussvolumina („hyperdynamer Shunt“) kann es schneller zu einer kardialen Belastung kommen.

In den vergangenen Jahren fielen infolge der Standardisierung der prä- und postoperativen klinischen Untersuchungen vor und nach Lebertransplantation und erweiterten echokardiographischen Messmöglichkeiten weitere Veränderungen am Herzen nun auch in retrospektiven Erhebungen auf. Eine Kohorte von 161 Patienten mit Child-C-Leberzirrhose präsentierte bei Herzkathetermessungen erhöhte pulmonalarterielle Drücke und erhöhte linksventrikulär-enddiastolische Füllungsdrücke mit high-output-heart-failure. (20)

Es zeigte sich, dass bei Lebertransplantationen eine hypertrophe Kardiomyopathie und führend die diastolische kardiale Dysfunktion mit einer erhöhten Mortalität im perioperativen Transplantationszeitraum assoziiert war. (21)

Die Autoren sprachen sich für ein intensiviertes kardiales perioperatives Management von Patienten mit Leberzirrhose aus. (22-24)

In der Echokardiographie konnte gerade die diastolische Dysfunktion, also die verminderte Fähigkeit des Myokards zur Relaxation und daraus resultierenden Störung der Ventrikelfüllung, in den letzten Jahren deutlich besser mit Hilfe des Gewebedopplers klassifiziert werden. (25-28)

Die diastolische Herzinsuffizienz ist global ein klinisch bisher vernachlässigtes Problem. Dies liegt zum einen daran, dass sie bis vor wenigen Jahren nur per Druckkathetermessung festgestellt oder bei Verzicht auf diese invasive Messung bei erhaltener systolischer Funktion klinisch nur vermutet werden konnte (daher bis vor kurzem die Nomenklatur einer Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer Funktion/Ejektionsfraktion), andererseits an den bisher noch eingeschränkten Therapiemöglichkeiten. Die Mortalität ist jedoch bei bereits leichtgradiger Dysfunktion und deutlicher bei ausgeprägterer diastolischer Dysfunktion erhöht. Zudem hat es den Anschein, dass der Anteil der kritisch-kranken Patienten mit diastolischer Herzinsuffizienz mit erhaltener systolischer Funktion bei seltener zu beobachtender systolischer Dysfunktion zumindest in der Erwachsenenmedizin steigt. (29)

Einleitung 6 Patienten mit einer zirrhotischen Kardiomyopathie haben bei Erkrankungen eine schlechtere Prognose, das Auftreten eines hepatorenalen Syndroms ist häufiger zu beobachten. (30)

Es konnte gezeigt werden, dass nach der Lebertransplantation, also nach Therapie der Grunderkrankung die beobachteten Veränderungen reversibel waren, was ebenfalls ein Merkmal der zirrhotischen Kardiomyopathie ist und auf die extrakardiale hepatische Genese der kardialen Problematik hinweist. (4,5,31)

Bereits in den Erwachsenenstudien konnte die ursprüngliche Annahme, die kardialen Veränderungen seien allein auf die toxische Wirkung des chronischen Alkoholkonsums zurückzuführen, nicht mehr gehalten werden.

Die zirrhotische Kardiomyopathie, die auch im pädiatrischen Bereich (bei Fehlen einer alkoholtoxischen Komponente) festgestellt werden konnte, unterscheidet sich morphologisch von Herzmuskelerkrankungen durch chronischen Alkoholismus, bei der es zu einer dilatativen Kardiomyopathie mit oder ohne Hypertrophie und in Ruhe bereits verminderter Ejektionsfraktion kommt. (32,33)