• Keine Ergebnisse gefunden

KARTIERBERICHT UND KARTE DER NATURGEFAHREN- NATURGEFAHREN-PROZESSE DER SIEDLUNG BAGARCHHQP

5. GEFAHRENBEURTEILUNG

5.1 KARTIERBERICHT UND KARTE DER NATURGEFAHREN- NATURGEFAHREN-PROZESSE DER SIEDLUNG BAGARCHHQP

bei das nachmittags am Kegelhals abgelagerte Material remobilisiert wurde. Der Murkopf kam inmitten der Siedlung zum Stillstand, wobei Blöcke von bis zu 8 m Durchmesser abgelagert wurden (vgl. Bild 12). Gegen 0.30 Uhr des 11. November 1995 erfolgte ein weiterer Murschub.

Da der direkte Weg in nördlicher Richtung über den Schwemmkegel durch die enormen Abla-gerungen des vorangegangenen Murschubs blockiert war, brach die Mure kurz unterhalb des Kegelhalses aus dem Gerinne aus und ergoss sich in nordöstlicher Richtung über den Schwemmkegel bzw. durch die Siedlung.

Das Murereignis vom November 1995 forderte insgesamt 20 Menschenleben, darunter neun Touristen im Tibetan Hotel, die den Vorwarnungen der Einheimischen nicht nachgekommen und im Hotel geblieben waren. Vier Personen blieben vermisst. Von ehemals 32 Gebäuden wurden 14 zerstört, neun Gebäude wurden sehr stark beschädigt. Von den 190 Einwohnern (32 Haushalte) Bagarchhyps vor dem Ereignis vom November 1995 lebten zum Zeitpunkt der Un-tersuchung im September 2001 lediglich noch 80 Personen in 15 Haushalten in der Siedlung (vgl. Bild 13, Bild 14). Ein Großteil der Bewohner ist in das rund 3 km westlich gelegene Dynakyu umgesiedelt (vgl. Kap. 8.1.1). Auch in den Jahren 1996, 1997 und 1998 ist es gegen Ende des Monsuns zu weiteren Murgängen gekommen, die jedoch nicht das Ausmaß des Ereig-nisses von 1995 angenommen haben. Weitere Schäden blieben bislang aus.

Als Auslöser des Murgangereignisses von 1995 ist vermutlich eine Verklausung im Gerinne des Ghatte Kholy in Betracht zu ziehen. Infolge des Murganges hat eine starke Tiefen- und Seiten-erosion im Gerinne stattgefunden, wodurch sich das Gerinnebett nach Angaben des DPTC (vgl.

HMG, 1995b) vier Meter tief einschneiden konnte. Im Einzugsgebiet des Ghatte Kholy, vor allem in den unteren zwei Drittel der flankierenden Hänge des Gerinnes, liegen große Mengen Lockermaterial, die leicht zu mobilisieren sind. Als Feststoffquelle ist zudem eine substabile Hangrutschung auf der orographisch rechten Seite des Ghatte Kholy in einer Höhe von ca. 2800 m NN auszumachen, die vermutlich durch Seiten- und Tiefenerosion des Gerinnes verursacht worden ist. Die Rutschfläche ist rund 100 m breit und 150 m hoch. Nach Angaben lokaler In-formanten ist es dort infolge eines Murgangereignisses im Jahr 1968 und zuletzt 1988 zu größe-ren Rutschungen gekommen.

Der Ghatte Kholy ist als murfähiger Wildbach in die Kartierung aufgenommen worden (vgl.

Karte 10). Das rund 3 km² große Einzugsgebiet des Ghatte Kholy liegt in einem Ausläufer des Lamjun Himyl in 4000 m Höhe, wo infolge von Erosion und Verwitterung große Schuttmassen akkumuliert und bei extremen Niederschlagsereignissen regelmäßig umgelagert werden können.

Der Ghatte Kholy ergießt sich von 3900 m Höhe mit einem Gefälle von knapp 30° auf einer Ho-rizontaldistanz von 2,5 km bis in die Talsohle des Marsyyndi Kholy auf 2080 m. In dem sehr steilen Längsprofil des Ghatte Kholy, das eine große Reliefenergie aufweist, können große Ge-schiebemengen ohne nennenswerte Hindernisse talabwärts transportiert werden. Längs des Hauptgerinnes findet an unterschiedlichen Stellen Seitenerosion statt, meist im Lockergestein, teils auch im verwitterten Fels, wodurch ein erheblicher Feststoffeintrag in den Bach stattfindet.

Durch eine Verlagerung des Gerinnes können vermutlich immer neue Lockermaterialflächen angeschnitten werden, die für Murtätigkeit disponibel sind. Eine Verlagerung dürfte aber, zu-mindest für den unteren Bachabschnitt bis in eine Höhe von rund 3000 m, auszuschließen sein, da das stark eingetiefte Gerinnenbett des Ghatte Kholy ins Tal vordringende Mur- bzw. Hoch-wasserprozesse geradezu kanalisiert. Der kanalisierte Verlauf in Kombination mit dem großen Gefälle des Gerinnes können vermutlich jedoch dazu führen, dass ins Tal stürzende Wasser- und Geröllmassen eine hohe Geschwindigkeit und somit eine größere Schadenwirkung erreichen.

120

Die erwiesene Übermurungsfläche wurde anhand von Ablagerungen jüngeren und älteren Da-tums („stumme Zeugen“, vgl. AULITZKY, 1992), meist Steine und Blöcke aus Phyllit, Gneis, Granit und Schiefer, identifiziert. Darüber hinaus wurden in der Karte Ablagerungen unter-schiedlicher Blockgrößen dargestellt. Diese wurden jedoch nicht nach rezenten und relikten Phänomenen unterteilt, da eine Altersbestimmung der Ablagerungen nicht möglich gewesen ist.

Eine derartige Erfassung hätte qualitative Aussagen zur Muraktivität ermöglicht, die Murakti-vität konnte jedoch im Rahmen der Befragung lokaler Informanten hergeleitet werden. Neben der ehemals übermurten Siedlungsfläche sind weitere Bereiche Bagarchhyps potenziell durch Übermurung gefährdet. Diese Flächen wurden als potenzielle Übermurungsflächen dargestellt.

Bedingt durch die Topographie des Schwemmkegels besteht potenziell die Möglichkeit, dass Murgänge am Kegelkopf aus dem Gerinne ausbrechen und sich willkürlich über den Schwemmkegel ergießen. Im Weiteren besteht bei geringerer Geschiebeführung des Ghatte Kholy potenziell die Gefahr von Übersarungen. Dabei wird angenommen, dass die potenziellen Übermurungs- und Übersarungsflächen nahezu identisch sind.

Das Gerinne des Ghatte Kholy weist erwiesenermaßen eine starke Tendenz zur Tiefen- und Sei-tenerosion auf, wodurch sich die Sohle des Baches fortwährend eintieft. Bedingt durch die Un-terschneidung der seitlichen Hänge sind diese einer erhöhten Rutschgefahr ausgesetzt, wobei abrutschendes Material das Geschiebepotenzial des Wildbaches erheblich erhöhen kann. Diese Gefahr wird durch die Rutschung im verwitterten Festgestein auf der orographisch rechten Seite des Ghatte Kholy, wenig oberhalb des Kegelkopfes, deutlich. Der südlich von Bagarchhyp an-steigende Hang ist mit dichtem Koniferen- und Laubhöhenwald besetzt, der einerseits durch seine bremsende Wirkung eine Schutzfunktion einnimmt. Andererseits geht von diesem Wald vermutlich die Gefahr von Verklausungen aus, sollte im Gerinne anfallendes Schwemmholz nicht schadlos abtransportiert werden können.

Bild 12: Infolge des Murganges von 1995 wurden Felsblöcke von bis zu 8 m Durchmesser in der Siedlung abgelagert. (Aufnahme: A. Titz, September 2001)

121

Bild 13: Bagarchhyp vor dem Murereignis von 1995 (Aufnahme: P. Pohle, 1983)

Bild 14: Bagarchhyp im Jahr 2001: im Zentrum des Schwemmfächers fehlen die Gebäude, die 1995 zerstört wurden. (Aufnahme: A. Titz, September 2001)

122

Starke Tiefenerosion

Tiefenerosion Abgelagertes Material Grossblock > 2 m Seitenerosion im Fels und Lockermaterial

Ausbruchsweg Murgang

Potenzieller Ausbruchsweg Murgang

Abgrenzung des Untersuchungsgebietes

Übermurungsgebiet

Potenzielles Übermurungsgebiet

Gerinne mir Murgang

Potenziell murfähiges Gerinne

Terrassenkante

Verklausung (vermutet)

Fluss

Kartiergrundlage: HMG, SURVEY DEPARTMENT, 1996a Entwurf und Grafik: A. Titz

0 500 1.000 m

Karte 10: Karte der Naturgefahrenprozesse Bagarchhyp

123

5.2 KARTIERBERICHT UND KARTE DER