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DAS RISIKOKONZEPT IN DER NATURGEFAHRENFORSCHUNG Das Risikokonzept 20 , an dem sich die vorliegende Arbeit orientiert, ist ein operatives Konzept

3. DAS KONZEPT EINER MODERNEN RISIKOBETRACHTUNG

3.2 DAS RISIKOKONZEPT IN DER NATURGEFAHRENFORSCHUNG Das Risikokonzept 20 , an dem sich die vorliegende Arbeit orientiert, ist ein operatives Konzept

welches es ermöglicht, den in einem System bestehenden Risiken unter Berücksichtigung si-cherheitstechnischer, wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Ansprüche bestmöglich zu begegnen (vgl. BORTER, 1999). In diesem Sinne definieren PLATE & MERZ (2001:11) das Ri-sikomanagement21 als „die Gesamtheit aller systematisch aufeinander abgestimmten Handlun-gen für die Abwendung bzw. Begrenzung einer Katastrophe aus natürlichen oder anderen Ursa-chen.“ Das Risikokonzept soll hier lediglich kurz vorgestellt werden; ausführliche Informatio-nen finden sich bei EGLI (1996), HOLLENSTEIN (1997) und WILHELM (1997). Als wichtigste Arbeiten des deutschsprachigen Raumes seien jene von BORTER (1999) und HEINIMANN et al.

(1998) genannt, die sich mit gravitativen Naturgefahren und Raumplanung im Alpenraum be-fassen.

Abb. 4: Schema eines modernen Risikokonzepts: Analyse, Bewertung und Management. Im Rahmen der Arbeit durchgeführte Arbeitsschritte sind grau unterlegt. Verändert nach HEINIMANN et al., 1998:11.

Ein modernes, integratives Risikokonzept besteht im Wesentlichen aus drei Elementen bzw.

Arbeitsschritten und umfasst die Analyse, die Bewertung sowie das Management eines mögli-chen Schadens (vgl. Abb. 4). Inhaltlich sind Risikoanalysen nach HEINIMANN et al. (1998:10)

„naturwissenschaftlich-technische Abklärungen. Sie geben […] Auskunft über die Größe der von einer bestimmten Ursache zu erwartenden Beeinträchtigung, sagen aber nichts über deren

20 Für das Risikokonzept werden in der Fachliteratur synonym die Begriffe Risikomanagement oder Katastrophenmanagement verwendet.

21 PLATE & MERZ (2001) verwenden für das Konzept des Risikomanagements/Katastrophen-managements eine von dem hier vorgestellten Schema des Risikokonzepts abweichende Systematik.

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praktische Relevanz aus. Die Beurteilung der soziopolitischen Bedeutung von Risiken ist die Aufgabe der Risikobewertung. Den Umgang mit einer bestehenden Risikosituation regelt das Risikomanagement.“ Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei Naturgefahren um natür-liche Prozesse handelt, die erst in Überschneidung mit anthropogenen Interessenssphären zur Gefahr werden und sich von technischen Gefahren vor allem in ihrer Kontinuität, zeitlicher und räumlicher Entwicklung, Dynamik und Einzigartigkeit unterscheiden. Dies verdeutlicht, dass die Übertragung eines Risikokonzeptes aus der Sicherheitswissenschaft auf den Bereich der Naturgefahren nicht unproblematisch ist. Darüber hinaus veranschaulicht die Dreiteilung des Risikokonzepts, dass eine Risikobetrachtung interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert, da sie einerseits naturwissenschaftliche, technische und wirtschaftliche, andererseits aber auch psycho-logische, soziopsycho-logische, ethische sowie rechtliche Aspekte einschließt.

„Die Risikoanalyse ist ein systematisches Verfahren, um ein Risiko auf der Basis von Beobachtungen, Modellierung oder Szenarienbildung hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Auftretens und des Ausmaßes der Folgen qualitativ und soweit möglich quantitativ zu identifi-zieren.“ (BORTER, 1999:13). Mit Hilfe der Risikoanalyse werden die zu erwartenden Schäden bestimmt, sie beantwortet die Frage „Was kann passieren?“. Das Ergebnis einer Risikoanalyse sind Aussagen über die Wahrscheinlichkeit oder Häufigkeit sowie Ausmaß oder Intensität eines potenziell gefährlichen Prozesses.

Eine Betrachtung von Risiken ist nach HEINIMANN et al. (1998) aus zwei Blickwinkeln mög-lich. Beim Emissionsansatz wird ein Ereignis/Prozess untersucht, von welchem negative Aus-wirkungen ausgehen. Der Immissionsansatz hingegen geht von Mensch-, Sach- oder Naturwer-ten aus, bei denen eine äußere Einwirkung zu negativen Folgen oder Schäden führen kann. Wird in der klassischen Naturgefahrenbeurteilung hauptsächlich mit dem Emissionsansatz gearbeitet, so kommt im Zuge der ganzheitlichen Analyse natürlicher Prozesssysteme im Spannungsfeld anthropogener Aktivitäten der Immissionsansatz vermehrt zum Einsatz. Daneben können Risi-ken auf verschiedenen Ebenen untersucht werden (vgl. Abb. 5), wobei zwischen dem Objektri-siko, dem Individualrisiko und dem Kollektivrisiko zu unterscheiden ist (vgl. BORTER, 1999).

Abb. 5: Untersuchungsebenen des Risikos. Entwurf und Grafik: A. Titz.

Das Objektrisiko beschreibt die Größe eines Risikos für ein definiertes Objekt (z.B. ein Gebäude, eine Brücke). Das Individualrisiko wird aus dem Objektrisiko und der Anzahl der Personen, die sich in diesem Objekt aufhalten, abgeleitet. Das Kollektivrisiko bezeichnet die Größe eines Risikos für die Gesellschaft oder näher zu definierende Teile der Gesellschaft mit Hilfe der Summe aller Objektrisiken innerhalb einer kollektiven Einheit (vgl. BORTER, 1999).

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Die Risikobewertung beantwortet die Frage „Was darf passieren?“ (vgl. Abb. 4), indem die Bedeutung wahrgenommener Risiken anhand von Werten und Wertpräferenzen beurteilt wer-den. Wesentliche Voraussetzung für die Risikobewertung ist nach KIENHOLZ (1999), dass die Risiken bekannt sind und klar definiert ist, welche Risiken eingegangen werden dürfen und welche Mittel zur Reduktion eingesetzt werden können oder sollen. Für die Bewertung ist dabei nicht relevant, ob es sich um erwiesene oder potenzielle Risiken handelt. Mit Hilfe der Ergeb-nisse der Risikoanalyse wird also beurteilt, Vor- und Nachteile abwägend, welche Risiken akzeptierbar sind (individuelle Risikoakzeptanz) bzw. welche akzeptiert werden müssen (gesell-schaftliche oder politische Risikoakzeptabilität) (vgl. BORTER, 1999).

Die Risikobewertung ist nicht allein die Aufgabe einer wissenschaftlich-rationalen Risikoab-schätzung, sondern bedarf vor allem einer intensiven gesellschaftlichen und politischen Diskus-sion. Abweichend von einer rein wissenschaftlichen Definition des Risikos wird die Bewertung im Rahmen des kulturspezifischen Risikoverständnisses unterschiedlich ausfallen, da sie in hohem Maße an die verfügbaren Informationen, individuellen Erfahrungen, intuitiven Einschät-zungen, Kulturstufe und Tradition sowie die jeweilige Risikowahrnehmung der Bevölkerung gekoppelt ist (vgl. FUCHS, KEILER & ZISCHG, 2001). BANSE & BECHMANN (1998:11) definieren Risikowahrnehmung im eigentlichen Sinne als „zielgerichtet strukturierter und methodisch orientierter, somit bewußt organisierter und reflektierter, empirisch oder theoretisch, deskriptiv oder normativ ausgerichteter Prozeß des Erkennens und Begreifens von Risiken, des Aufweisens und des Erfassens von möglichen Schadens- und Gefahrensdimensionen, von Ursache-Wirkungs- bzw. Ursache-Folge-Beziehungen, von Gewinnchancen, Verlustmög-lichkeiten und Gefährdungspotentialen.“ Die Autoren sehen damit sowohl individuelle als auch außerindividuelle Faktoren der Risikowahrnehmung erfasst, die „über den Rahmen einer wissenschaftlich disziplinär basierten Risikowahrnehmung weit hinausgehen.“ (BANSE &

BECHMANN,1998:12).

Nach HOLLENSTEIN (1997) stehen bei der Risikobewertung folgende konzeptionelle Fragen im Vordergrund:

• Wie wird das Risiko eines Zustandes oder Vorganges wahrgenommen und im Vergleich zum Nutzen bewertet?

• Lassen sich normative Sicherheitsziele aus der Akzeptanz bestimmter Risiken ableiten?

• Wie stark ist die Risikobewertung beeinflussbar und welche Mittel sind dazu geeignet?

Die letzte Frage leitet unmittelbar zum dritten und letzten Teil der Risikobetrachtung über, dem Risikomanagement. Indem die Resultate der Risikoanalyse mit den Vorgaben der Risikobe-wertung verknüpft werden, steuert das Risikomanagement Zielsetzungen, Handlungsbedarf und Maßnahmen zur Risikoreduktion und Risikoregulierung. Das Risikomanagement hat nach CHAKRABORTY (1985:10, zitiert in BANSE & BECHMANN, 1998:22) nur ein Ziel: „Beim Ri-sikomanagement geht es um die Minimierung aller Risiken unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte.“ Dabei wird die Harmonisierung unterschiedlicher Werte im Hinblick auf die Verhinderung bzw. Minderung der als nicht akzeptabel bewerteten Risiken angestrebt.

Ziel des Risikomanagements ist es, ein vorgesehenes Maß an Sicherheit mit den kostenwirk-samsten Maßnahmen zu gewährleisten. Diese können neben technischen und raumplanerischen Maßnahmen auch organisatorische und biologische Maßnahmen umfassen, wobei mit AMMANN (2003) als wesentliche Kriterien Effizienz, Nachhaltigkeit, Akzeptanz und

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barkeit zu beachten sind. Zur Beeinflussung des Risikos stehen in der Regel die folgenden Mög-lichkeiten zur Verfügung (vgl. AMMANN, 2003):

• Risikovermeidung (raumplanerische Maßnahmen, z.B. Nutzungsverzicht);

• Risikoverminderung (organisatorische, bauliche und technische Präventivmaßnahmen);

• Risikoüberwälzung (Deckung unbekannter Restrisiken durch Versicherungen);

• Risiko selber tragen (Eigenverantwortung des Einzelnen).

Im Allgemeinen werden Maßnahmen zur Risikoverminderung im Rahmen von Präventivmaß-nahmen am häufigsten durchgeführt. Im Einzelfall wird die Wahl der MaßPräventivmaß-nahmen zur Beein-flussung des Risikos jedoch wesentlich von deren Effizienz und Realisierbarkeit bestimmt. In diesem Sinne sind dem Risikomanagement im Entwicklungsland Nepyl nicht nur ökologische, sondern vor allem finanzielle und logistische Grenzen gesetzt.

In der vorliegenden Arbeit wird lediglich die Risikoanalyse als Element des hier vorgestellten Risikokonzeptes durchgeführt, die Arbeitsschritte der Risikobewertung und des Risikomanage-ments werden nicht im Sinne dieses Konzeptes behandelt. Die Methode der Risikoanalyse weist eine systematische Strukturierung auf, die im Folgenden als Ordnungsprinzip verwendet wird.

Auf die Vorgehensweise bei der Durchführung der Risikoanalyse für die untersuchten Siedlun-gen im Nepyl-Himylaya wird im folSiedlun-genden Kapitel detailliert eingeganSiedlun-gen.

3.3 DURCHFÜHRUNG DER RISIKOANALYSE FÜR NATURGEFAHREN