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4. SYSTEMABGRENZUNG UND SYSTEMBESCHREIBUNG

4.3 KONDITIONELLE SYSTEMGRENZEN

4.3.1 CHARAKTERISIERUNG DER UNTERSUCHTEN SIEDLUNGEN 34 .1 Bagarchhyp

Die Siedlung Bagarchhyp liegt im Manyn Distrikt in 2100 m NN auf der orographisch rechten Seite des Marsyyndi Kholy. Das Haufendorf Bagarchhyp liegt auf dem Schwemmfächer des Ghatte Kholy, der mitten durch die Siedlung verläuft und schließlich in den Marsyyndi Kholy mündet. Es kann zwischen einem größeren Siedlungsbereich östlich sowie einem kleineren westlich des Ghatte Kholy unterschieden werden. Der Hauptverkehrsweg quert die Siedlung in Ost-West-Richtung. Die Gebäude weisen mit Ausnahmen der Gompa oberhalb der Siedlung keine bestimmte Exposition oder Anordnung auf (vgl. Bild 5).

In Bagarchhyp dominiert die ethnische Gruppe der Gyasumdopa (vgl. POHLE, 1993a). Die Gya-sumdopa stellen keine homogene Gruppe dar, bei ihnen handelt es sich um Nachfahren von Einwanderern unterschiedlicher Herkunft (z.B. Thykyli, Gurun), die jedoch alle der tibetischen Volksgruppe angehören und bis heute an der tibetischen Tradition festhalten. Zum Zeitpunkt der Untersuchung im September 2001 lebten ca. 80 Bewohner in rund 15 Haushalten in der Sied-lung. Bis Mitte der 1990er Jahre lebten deutlich mehr Menschen in Bagarchhyp. Im Sommer 1995 wurden jedoch weite Teile der Siedlung durch einen katastrophalen Murgang zerstört (vgl.

Kap. 5.1), woraufhin 20 Familien nach Danaque, ca. 3 km westlich Bagarchhyp, umsiedelten.

Neben der Subsistenzlandwirtschaft stellt heute vor allem der Tourismus einen wichtigen Wirt-schaftszweig für die Bewohner dar.

Die Lage der Siedlung ist deutlich durch das Kerbtalrelief in diesem Bereich des Marsyyndi Tales sowie durch das Vorhandensein anbaufähigen Bodens gekennzeichnet: sowohl die Sied-lung als auch Anbauflächen sind auf dem Schwemmfächer des Ghatte Kholy lokalisiert. West-lich und östWest-lich der Siedlung steigt eine glaziofluviale Terrasse über eine ca. 40 m hohe Ab-bruchkante an, auf der weitere landwirtschaftliche Nutzflächen liegen. Vermutlich wurde die ehemals einheitliche Terrassenfläche durch den Ghatte Kholy zerschnitten. Südlich der Siedlung Bagarchhyp steigt ein dichter Laubhöhenwald einen Hang zu dem knapp 4000 m hohen Myrkhu Dydy an, eines Ausläufers des Lamjun Himal, wo sich das Einzugsgebiet des Ghatte Kholy befindet. Zahlreiche Nutzflächen auf dem Schwemmkegel des Ghatte Kholy liegen derzeit je-doch brach und unterliegen der Sukzession durch Farne oder Sträucher, da sie noch immer mit Geröll des Murgangs von 1995 bedeckt sind.

Bagarchhyp ist ein geschlossenes Haufendorf, in dem die Hausform des ein- oder zweigeschos-sigen, einfachen Giebeldachhauses dominiert. Die Gebäude sind aus behauenem Bruchstein errichtet, die Umfassungswände einiger Gebäude sind weiß getüncht. Die Gebäude sind in Ba-garchhyp zum Außenraum hin orientiert und dementsprechend geöffnet. In Bezug auf die Dach-form sind in Bagarchhyp MischDach-formen zwischen dem Lehmflachdach und die leicht geneigten Satteldach vertreten.

34 Eine zusammenfassende Darstellung der naturräumlichen und sozio-kulturellen Merkmale der untersuchten Siedlungen wird in Tab. 8 am Ende des Kapitels gegeben.

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Bild 5: Bagarchhyp (2100 m NN) auf dem Schwemmkegel des Ghatte Kholy (Aufnahme: A. Titz, September 2001)

4.3.1.2 Manyn

Die Siedlung Manyn liegt in der Region Nyishan des Manyn Distrikts und wird von der ethni-schen Gruppe der Manangki dominiert. Die Siedlung liegt in einer Höhe von 3500 m NN in Südexposition auf einer fluvio-glazialen Aufschüttungsterrasse auf der orographisch linken Seite des Marsyyndi Kholy, ca. 30 m oberhalb des rezenten Flussbettes. Die Gebäude stehen bis unmittelbar an die Terrassenkante. Die traditionelle Kernsiedlung konzentriert sich auf den westlichen Teil der Terrasse, in der östlichen Terrassenhälfte, wo sich ursprünglich nur Nutzflä-chen befanden, wurden seit Ende der 1990er Jahre zahlreiche neue Lodges errichtet. Dies hat tendenziell zu einer Auflockerung der Siedlung geführt (vgl. Bild 6). Der Hauptverkehrsweg führt in Form einer schmalen Gasse durch die Siedlung, welche die Bezirke Tynki und Mano umfasst. Dabei handelt es sich bei Tynki um den jüngeren, bei Mano um den älteren Ortsteil (vgl. POHLE, 1993a).

Die Bewohner Manyns gehören mehrheitlich der ethnischen Gruppe der Manangki an, die sich selbst auch als Gurun bzw. Ghale bezeichnen. Die Einwohnerzahl wird von der Lokalbevölke-rung mit ca. 1700 angegeben, davon sind 40-50 Personen Tibeter, rund 100 Personen befinden sich als Arbeitsemigranten im Ausland. Das Alter der Siedlung wird von den Bewohnern mit ca.

400 Jahren angegeben. Der Namen der Siedlung deutet auf die Lage Manyns auf einer ebenen Terrasse im Talboden hin (nep. ma «unten», nep. nyn «inmitten einer Ebene»).

Großteile der landwirtschaftlichen Nutzflächen sind auf der Terrassenfläche lokalisiert, zahlrei-che weitere Fläzahlrei-chen befinden sich unterhalb der Abbruchkante der Terrasse im Uferbereich des Marsyyndi Kholy sowie in terrassierter Form an einem nördlich der Siedlung ansteigenden Hang. Zusätzlichen Flächen wurden auf dem Schwemmfächer des Chata Kholy, der östlich von

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Manyn in den Marsyyndi Kholy mündet, sowie auf Schwemmfächern weiterer Marsyyndi-Nebenflüsse in Kultur genommen.

Im Siedlungsbild von Manyn überwiegt ein traditionell zweigeschossiges Flachdachhaus, das in solider Mauerbauweise aus behauenen Kalksteinen und feuchtem Lehm errichtet wird. Kenn-zeichnend für Manyn ist der Zusammenschluss der nahezu einheitlich gebauten Gebäude zu einer kompakten Siedlungsmasse: die Gebäude stehen nicht einzeln nebeneinander, sondern sind mit den Außenwänden aneinander, teilweise sogar terrassenförmig übereinander gebaut worden. Die Gebäude sind mehrheitlich in hang- bzw. höhenlinienparallelen Zeilen angeordnet, wobei die Bauweise der Gebäude im Hangfußbereich im Gegensatz zu jenen auf der ebenen Terrassenfläche wesentlich kompakter ist. Nach Auskunft der Bewohner soll es sich bei den Häuserzeilen auf der Terrasse um einen relativ jungen Siedlungskomplex handeln (ca. 25 Jahre alt), während der Hangfußbereich altbesiedelt ist. In den Randbereichen der Siedlung ist eine deutliche Tendenz zur Auflockerung erkennbar, wobei immer häufiger ehemalige Ackerflächen bebaut werden. Die jüngste Entwicklung hat sich am östlichen Rand der Siedlung vollzogen, wo auf ehemaligem Ackerland zahlreiche, oftmals drei- bis viergeschossige Lodges in lokal untypi-scher Bauweise errichtet worden sind (vgl. Bild 6).

Bild 6: Manyn (3500 m NN) auf einer fluvio-glazialen Terrasse oberhalb des rezenten Flussbettes des Marsyyndi-Kholy (Aufnahme: A. Titz, September 2001)

4.3.1.3 Lyrjun

Lyrjun liegt im Distrikt Mustyn in einer Höhe von 2550 m NN auf der orographisch rechten Seite der Kyli Gamdaki. Die Gebäude stehen am südwestlichen Rand eines glaziofluvialen Schwemmfächers, der durch den Lyrjun Kholy, der nördlich von Lyrjun in die Kyli Gamdaki mündet, aufgeschüttet worden ist. Nur durch den Lyrjun Kholy getrennt schließt sich nordöst-lich die Siedlung Koban an (vgl. Bild 7). Westnordöst-lich von Lyrjun steigt die Ostflanke des

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lygiri I aus der Talsohle des Kyli Gamdaki-Tals auf einer Horizontaldistanz von lediglich 11 km auf 8172 m NN an – dieser ca. 5700 m hohe Abbruch, an welchem immens große Reliefener-gien wirken, ist eine der höchsten Flanken der Erdoberfläche. Lyrjun liegt zudem nur wenig nördlich der 35 km langen „Verbindungslinie“ zwischen Annapurma I (8091 m) und Dhaulygiri I (8172 m) (vgl. KUHLE, 1982).

Die Bevölkerung Lyrjuns gehört mehrheitlich der ethnischen Gruppe der Thykyli an. Nach Auskunft lokaler Informanten hat Lyrjun ca. 160 Einwohner, die sich auf rund 40 Haushalte verteilen. Daneben leben auch einige Syrki- und Kymi-Familien in Lyrjun. Nach Aussagen eini-ger älterer, lokaler Informanten soll sich der Siedlungsname „Lyrjun“ von dem Namen

„Nyrjun“ oder „Nykjun“ einer früheren Siedlung ableiten. Diese Siedlung soll einst auf einem

„schlangenförmigen Hügel“ gelegen haben (nep. nak «Schlange»), der jedoch der Erosion zum Opfer gefallen ist. Darauf hin wurde die Siedlung in Tallage auf dem Schwemmfächer des Lyrjun Kholy neu angelegt.

Der Bereich mit der größten Gebäudedichte liegt am südwestlichen Rand des Schwemmfächers, direkt am Ufer der Kyli Gamdaki. Auf dem flachen, nur wenig geneigten Schwemmfächer sind südwestlich und nordwestlich der Siedlung einige landwirtschaftliche Nutzflächen angelegt, die jedoch meist mit Obstbäumen bestanden sind. Westlich von Lyrjun steigt eine ca. 50 m hohe, glaziofluviale Aufschüttungsterrasse an (vgl. KUHLE, 1982), auf welcher, in einer leicht ost-wärts geneigten Mulde, zahlreiche weitere Nutzflächen liegen. Lyrjun weist eine geschlossene Siedlungsform auf, die Häuser gruppieren sich dicht gedrängt entlang des Hauptverkehrsweges sowie einiger Seitenwege. Das Siedlungsbild wird von zweigeschossigen Gebäuden des tibeti-schen Haustyps dominiert, wobei alle Gebäude aus Bruchsteinen errichtet sind und über ein Lehmflachdach verfügen. Obwohl Holz in der Region um Lyrjun noch keine Mangelware ist, sind hier lediglich die tragenden Konstruktionen sowie der Dachaufbau aus Holz gefertigt.

Bild 7: Das Kyli Gamdaki-Tal bei Lyrjun. Im Bildvordergrund Lyrjun (2550 m NN) auf dem Schwemmfächer des Lyrjun Kholy. (Aufnahme: A. Titz, März 2003)

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4.3.1.4 Tytopyni

Tytopyni liegt in einer Höhe von 1250 m NN in Talbodenlage auf der orographisch rechten Seite der Kyli Gamdaki am östlichen Rand einer fluvialen Aufschüttungsterrasse, ca. 15 m oberhalb des rezenten Flussbettes. Der Hauptverkehrsweg verläuft in der Form eines mit Stein-platten gepflasterten Weges in Nord-Süd-Richtung durch die Siedlung (vgl. Bild 8). Tytopyni liegt an einer der ehemals bedeutendsten Handelsrouten nach Tibet, an einer der wichtigen, eisernen Hängebrücke über die Kyli Gamdaki sowie an einer für Transport und Handel wichti-gen Wegekreuzung. Der durch Tytopyni verlaufende Hauptverkehrsweg führt in südlicher Richtung nach Beni, der Distrikthauptstadt des Myygdi Distrikts, die über einen Anschluss an eine Fernstraße verfügt. Dabei handelt es sich bis Byglun lediglich um eine Schotterstraße, die aber dennoch von Bussen angefahren wird.

Die Bazarsiedlung Tytopyni wird mehrheitlich von Thykyli bewohnt. Nach Angaben lokaler Informanten hat Tytopyni 250-300 Einwohner, die sich auf ca. 35 Haushalte verteilen. Neben der dominierenden ethnischen Gruppe der Thykyli leben auch Magar sowie einige Angehörige der „Berufskasten“ Syrki und Dymai in der Siedlung. Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage entwickelte sich Tytopyni im Laufe der Jahrzehnte von einer temporär bewohnten Thykyli-Sommersiedlung zu einem permanent bewohnten Bazarort. Charakteristisch dafür ist die Form eines Straßendorfes: alle Gebäude sind perlschnurartig entlang des Hauptverkehrsweges aufge-reiht und mit den Hausöffnungen zum Weg hin orientiert.

Bild 8: Tytopyni (1250 m NN) auf einer fluvialen Aufschüttungsterrasse in der Kyli Gamdaki-Schlucht (Aufnahme: A. Titz, März 2003)

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Die Kyli Gamdaki verläuft in diesem Talabschnitt schluchtartig; sowohl auf der der Siedlung gegenüber liegenden, orographisch linken Talflanke als auch westlich der Siedlung steigen steile, felsige Wände auf, die die Siedlung förmlich einzukesseln scheinen (vgl. Bild 8). Die Schlucht der Kyli Gamdaki zwischen Tytopyni und Tukce ist rund 25 km lang. In ihrem mittle-ren Abschnitt zwischen Lete (2500 m) und Kabre (1500 m) fällt die Kyli Gamdaki auf einer Horizontaldistanz von 12 km um knapp 1000 Höhenmeter, womit es sich nach KUHLE (1982) um eine der gewaltigsten Schluchten der Erde handelt.

Aufgrund der beschriebenen Topographie ist die zu landwirtschaftlichen Zwecken nutzbare Fläche äußerst limitiert. Einige Nutzflächen befinden sich auf der Schotterterrasse, weitere Flä-chen sind südlich der Siedlung auf dem flach geneigten Schwemmfächer des Bhurun Kholy zu finden sowie westlich der Siedlung auf einer kleinen Rodungsfläche in 1500-1700 m Höhe. In den Hausgärten der Siedlung gedeihen aufgrund des subtropischen Klimas neben Apfelbäumen auch Orangen- und Zitronenbäume. Daneben wird vor allem Gemüse zur Deckung des touristi-schen Bedarfs angebaut.

Das Siedlungsbild dieses permanent bewohnten Bazarortes wird durch lange Reihen von Chau-taras, auf denen Träger ihre Lasten abstellen können, zahlreiche Teestuben, von denen die Mehrzahl mittlerweile in Lodges oder Restaurants umgewandelt wurde, sowie zum Hauptver-kehrsweg hin orientierte Läden charakterisiert. Daneben sind in der Siedlung noch traditionelle Thykyli-Häuser zu finden.

4.3.1.5 Jaljale

Die Siedlung Jaljale liegt im äußersten Südosten des Distrikts Sindhupylchok und wird von der ethnischen Gruppe der Newyr sowie der hinduistischen Gruppe der Chetri dominiert. Die Sied-lung liegt in West-Südwest-Exposition in 2040 m Höhe auf der orographisch rechten Seite des Dybi Kholys im unteren Drittel eines Hanges, der vom Bett des Dybi Kholy in ca. 1500 m NN zu einem 3401 m hohen Bergrücken ansteigt (vgl. Bild 9). Der mit Steinplatten ausgelegte Hauptverkehrsweg verläuft hangparallel durch die Siedlung. Dieser Weg führt von der banach-barten Siedlung Tauthyli durch Jaljale und führt auf der orographisch rechten Talflanke des Dybi Kholy in westlicher Richtung bis ins Sun Koshi-Tal. Landwirtschaftliche Nutzflächen erstrecken sich vom Dybi Kholy vertikal über den gesamten Hang bis in eine Höhe von 2200 m.

Zum Zeitpunkt der Untersuchung im April 2003 haben nach Auskunft lokaler Informanten 600 Menschen in Jaljale gelebt, die sich auf rund 40 Haushalte verteilen. Aufgrund der Anzahl der Haushalte erscheinen der Verfasserin die Angaben zur Bevölkerungszahl zu hoch, realistischer dürfte eine Zahl von 350 bis maximal 400 Einwohnern sein. Die Mehrzahl der Bevölkerung Jaljales gehört der ethnischen Gruppe der Newyr (Shretha, Gubaju) sowie der hinduistischen Gruppe der Chetri (Thami, Kathri) an. Nach Auskunft der Lokalbevölkerung soll Jaljale bereits vor ca. 300 Jahren besiedelt worden sein, wobei es sich bei den ersten Siedlern um Newyr aus Pytan (Lalitpur) gehandelt haben soll. Der Siedlungsname Jaljale bezeichnet nach Angaben der Bewohner einen Ort, an dem zahlreiche Wasserquellen entspringen (newyr. jal «Wasser»).

Besonderes Kennzeichen Jaljales ist eine relativ geschlossene Kernsiedlung/Hauptsiedlung mit nahezu identisch errichteten Gebäuden. Des Weiteren stehen drei kleine Weiler südöstlich der Kernsiedlung inmitten der landwirtschaftlich genutzten Flächen. Auffällig ist, dass Gebäude im tiefer gelegenen Teil der Siedlung sehr kompakt angeordnet sind, während mit zunehmender Höhenlage eine Auflockerung zu verzeichnen ist.

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Bild 9: Die geschlossene Siedlung Jaljale in Hanglage auf 2040 m NN (Aufnahme: A. Titz, April 2003) Die Gebäude in Jaljale sind in nahezu identischer Bauweise errichtet. Im Siedlungsbild domi-niert ein traditionelles, in der Regel zweigeschossiges Stein- bzw. ein in Mischbauweise er-richtete Holz-/Steinhaus. Sämtliche Gebäude der Siedlung sind mit ihrer Längsseite nach Südwesten zur Sonne hin orientiert. Alle Gebäude sind mit einem flach geneigten Satteldach ausgestattet, das traditionell mit großen Steinschindeln (Steinplatten) eingedeckt ist.

4.3.1.6 Pokhare und Thulinygi

Der untersuchte Teilbereich der Streusiedlungen Pokhare und Thulnagi liegt am westlichen Rand des Distrikts Dolakhy erstreckt sich über die orographisch rechte Talflanke des Charna-wati Kholy. Die einzelnen Gebäude stehen inmitten der terrassierten, landwirtschaftlich ge-nutzten Flächen und sind ohne erkennbares Ordnungsprinzip in unterschiedlichen Höhenlagen über den gesamten Hang verstreut. Teilweise sind mehrere Gebäude zu kleinen Weilern zu-sammengeschlossen. Da aufgrund des recht einheitlich gestalteten Reliefs ausreichend Nutzflä-chen vorhanden sind, kann diese Siedlungsform von den Bewohnern praktiziert werden, ohne dass ihnen offensichtliche Nachteile entstehen. Der betrachtete Hangabschnitt auf der orographisch rechten Seite des Charnawati Kholy ist vom Talgrund in 1680 m Höhe bis in eine Höhe von ca. 2100 m entwaldet und in landwirtschaftliche Nutzfläche umgewandelt worden (vgl. Bild 10).

Laut Bevölkerungszählung von 2001 (HMG, 2002c) leben in der VDC Boch, der die beiden be-trachteten Siedlungen administrativ angehören, 3706 Menschen, die sich auf 772 Haushalte verteilen. In die Untersuchung wurden jedoch nicht alle Siedlungen der VDC Boch einbezogen.

Es wird davon ausgegangen, dass im untersuchten Bereich ca. 2000 Menschen leben. Nach Auskünften lokaler Informanten dominiert die hinduistische Gruppe der Chetri in dieser Region, daneben haben sich auch Angehörige der ethnischen Gruppe der Tymyn niedergelassen.

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über hinaus haben sich im Zuge des Baus der Lamosangu-Jiri-Road in der unmittelbaren Um-gebung der Straße Zuwanderer aus den unterschiedlichsten Regionen Nepyls niedergelassen, die dort kleine Teeshops oder Läden eröffnet haben.

Bedingt durch die Streulage der einzelnen Gebäude, die unterschiedliche Zugehörigkeit der Bewohner sowie das unterschiedliche Besiedlungsalter zeichnen sich die Gebäude durch eine recht unterschiedliche Bauform aus. Dabei muss zwischen den in jüngerer Vergangenheit errichteten Läden entlang der Lamosangu-Jiri-Road und den permanent bewohnten Bauernhäusern inmitten der Nutzflächen unterschieden werden.

Bei den an der Lamosangu-Jiri-Road errichteten Gebäuden handelt es sich meist um Läden, kleine Werkstätten oder Teestuben, die von aus anderen Regionen Nepyls zugewanderten Grup-pen oder Personen errichtet wurden. Da durch die gute Verkehrsanbindung alle erdenklichen Baustoffe zur Verfügung stehen, sind Hausform und Bauweise der einzelnen Gebäude sehr dif-ferenziert. Einige Gebäude sind noch in der traditionellen Weise errichtet, zahlreiche neuere Gebäude sind aus Ziegelstein und Eisenträgern errichtet und haben ein Wellblechdach.

Die Bauernhäuser der Chetri, Tymyn und anderer Volksgruppen, die inmitten der landwirt-schaftlichen Nutzfläche stehen, wurden in traditioneller Weise und unter Verwendung ortsbürti-ger Baustoffe errichtet. Die Gebäude weisen ein einheitliches Grundprinzip auf: es dominiert ein zweigeschossiger Steinbau mit flach geneigtem Satteldach, welches mit Steinplatten, zum Teil aber auch mit Reisstroh gedeckt ist. Die Gebäude stehen entweder einzeln oder bilden mit den Wohngebäuden anderer Familien kleine Weiler. Häufig sind auch kleine Gehöfte in Form eines Haupthauses mit Nebengebäuden zu finden.

Bild 10: Die Streusiedlungen Pokhare und Thulinygi (1680-2100 m NN) am Kalimati-Gully (Aufnahme: A. Titz, November 2001)

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4.3.1.7 Karmaiyy 35

Karmaiyy liegt im äußersten Nordwesten des Distrikts Sarlyhi und wird von den hinduistischen Gruppen der Brahmanen und Chetri dominiert, darüber hinaus leben eine Vielzahl unterschied-licher ethnischer Gruppen in Karmaiyy und Umgebung. Die Siedlung liegt in Talbodenlage auf der orographisch linken Seite des Bygmati36, südwestlich des Mahendra Highways, auf einem erhöhten Riedel in einer Höhe von 130 m NN (vgl. Bild 11). Der Mahendra Highway quert die Siedlung an ihrem nordöstlichen Rand, Karmaiyy selbst wird durch nordost-südwest verlau-fende, kleine unbefestigte Weg sowie zahlreiche Pfade erschlossen.

Nördlich von Karmaiyy, etwa 500 m flussaufwärts am Bygmati, befindet sich das Stauwerk des Bagmati Irrigation Project. Der Bygmati wird hier auf einer Breite von ca. 300 m aufgestaut, das Wasser wird zu Bewässerungszwecken über einen südöstlich sowie einen südwestlich ver-laufenden Hauptkanal in den Teryi geleitet. Die Verwaltungsgebäude und technischen Anlagen des Bagmati Irrigation Project liegen auf der der Siedlung orographisch gegenüber liegenden Seite des Mahendra Highway.

Bild 11: Karmaiyy (130 m NN) auf einem erhöhten Riedel am Ufer des Bygmati (Aufnahme: A. Titz, Februar 2003)

Laut Bevölkerungszählung aus dem Jahr 2001 (HMG, 2002c) leben in der VDC Karmaiyy 7095 Einwohner in 1328 Haushalten, in Karmaiyy selbst sollen nach Angaben lokaler Informanten ca. 2000 Personen leben, wobei die Bevölkerungszahl der Siedlung nach Ansicht der Verfasse-rin höher sein dürfte. Den größten Anteil an der Bevölkerung haben die hinduistischen Gruppen

35 Die Feldarbeiten im Teryi konnten auf Grund der instabilen politischen Situation sowie der angespannten Sicherheitslage nur in begrenztem Umfang durchgeführt werden.

36 Der Bygmati fließt im Bereich der Siedlung Karmaiyy in einem leicht verengten, knapp 300 m breiten Flussbett, nördlich und südlich der Siedlung erreicht das Flussbett sogar Breiten von 600 – 900 m.

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der Brahmanen und Chetri, daneben leben dort auch Angehörige der ethnischen Gruppen der Thyru, Tymyn, Magar sowie der „Berufskaste“ Kushnar.

Das Siedlungsbild Karmaiyys ist bedingt durch das unterschiedliche Alter einzelner Siedlungs-bereiche sowie die ethnische Zugehörigkeit der jeweiligen Bewohner sehr uneinheitlich. Bei einer Betrachtung kann daher zwischen drei verschiedene Ortsteilen differenziert werden, die sich sowohl in der Siedlungsform als auch in den Hausformen deutlich unterscheiden:

• Zeilenförmig angeordnete Jungsiedlerhäuser (Brahmanen, Chetris, Tymyn) entlang des Mahendra Highway: Die permanent bewohnten Gebäude sind in der Regel zwei- bis dreigeschossig, aus ortsunbürtigen Materialien wie Ziegelstein errichtet und mit einem zementierten Flachdach ausgestattet, das als zusätzliche Arbeitsfläche genutzt wird.

• Locker gruppierte Gebäude der Brahmanen, Chetris und Tymyn im altbesiedelten Zent-rum der Siedlung: Hier dominieren Häuser in einer Mischbauweise aus eigenen, der Herkunftsregion der Siedler entsprechenden Vorstellungen und den im Siedlungsgebiet vorgefundenen Voraussetzungen und Baustoffen. So findet man beispielsweise das ty-pische Bauernhaus des Nepalesischen Mittellandes in Form eines zweigeschossigen Unterstallhauses mit einem Satteldach aus Gras oder Stroh.

• Locker entlang der Flussterrassenkante des Bygmati gruppierte Gebäude der ethnischen Gruppen der Thyru, Magar, Kushnar: Kleine rechteckige, meist eingeschossige Häuser dominieren hier das Siedlungsbild. Die Wände bestehen generell aus lehmbeworfenen Flechtwerk oder Bambusmatten, die tragende Funktion wird von Holz- oder Bambus-pfosten übernommen, die zudem die Dachkonstruktion tragen. Die steilen Sattel- oder Walmdächer werden traditionell mit Reisstroh oder Gras gedeckt.

4.3.2 BEVÖLKERUNGSGEOGRAPHISCHE UND ETHNISCH-KULTURELLE