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Journalisten

Im Dokument Von Herodot bis Hotelportal (Seite 82-86)

3. Kommunikatoren im Bereich Reise

3.1 Journalisten

Die Berufsbezeichnung Journalist ist in Deutschland nicht geschützt, es kann sich praktisch jeder als Journalist bezeichnen. Das deutsche Grundgesetz sichert jedem Bürger in Artikel 5 zu, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Daher gibt es in Deutschland neben Ab-solventen der fachbezogenen Ausbildungswege auch Quereinsteiger, die aus anderen Berufsfeldern in den Journalismus gewechselt haben. So breitgefächert das journalistische Arbeitsumfeld in Deutschland auch ist, es gibt allgemein anerkannte Kriterien für das Berufsbild des klassi-schen Journalisten. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), der größ-te Verband mit rund 36.000 Mitgliedern, betont den öffentlichen Auftrag der Journalisten zu Information, Kritik und Kontrolle sowie die haupt-berufliche Tätigkeit:

„Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge öffentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist.“

(Deutscher Journalisten-Verband 2015: 2).

Seit 2001 hat sich die berufliche Situation für Journalisten auf dem kri-sengeschüttelten Medienmarkt deutlich verschlechtert. Immer weniger Journalisten können von ihrem Beruf leben, wie eine großangelegte Untersuchung zum Journalismus in Deutschland zeigt, welche die Kommunikationswissenschaftler Weischenberg, Malik und Scholl in den Jahren 1993 und 2005 durchführten:

„Die neuen Bedingungen, unter denen Journalisten in Deutschland arbei-ten, zeigen sich am deutlichsten daran, dass heute wesentlich weniger Personen als vor zwölf Jahren eine – immer größer gewordene – Menge journalistischer Medienangebote produzieren. Die Zahl der hauptberufli-chen Journalisten hat sich von rund 54.000 im Jahr 1993 auf heute 48.000 verringert; sie ist damit um 11 Prozent gesunken.“ (Weischen-berg/Malik/Scholl 2006: 187)

Dagegen sei die Zahl der nebenberuflichen Journalisten deutlich gestie-gen, bemerken die Autoren der Journalismus-Studie: Hier gebe es eine Dunkelziffer an Teilzeitjournalisten, die für journalistische Medien produzierten, aber den Großteil ihres Einkommens in anderen Bran-chen erzielten (vgl. ebd. 188). WeisBran-chenberg, Malik und Scholl sehen diese Entwicklung kritisch und befürchten eine Deprofessionalisierung des journalistischen Berufstandes, wenn das Merkmal der Hauptberuf-lichkeit nicht mehr gelte:

„Wenn die Arbeit heute von weniger Journalisten geleistet wird als vor zwölf Jahren, besteht die Gefahr, dass die Sorgfalt darunter leidet und die quantitativen Veränderungen auch qualitative Einbußen nach sich zie-hen.“ (ebd. 189)

Freie Journalisten ohne Festanstellung gingen besonders häufig in journalismusnahe Felder wie Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung, so Weischenberg et. al. Mit Blick auf die gesamte Entwicklung bedeute es eine Deprofessionalisierung und eine weitere Gefährdung der journalis-tischen Unabhängigkeit, wenn immer mehr Menschen, die journalisti-sche Berichterstattung produzierten, zugleich Kunden aus der Wirt-schaft, aus der Politik, aus der Verwaltung und von Interessengruppen bedienten, kritisieren die Studienautoren (vgl. ebd. 190).

Im Mittelpunkt des journalistischen Berufsverständnisses steht die Unabhängigkeit der Berichterstattung. Journalisten verpflichten sich bei ihrer Arbeit „zu besonderer Sorgfalt, zur Achtung der Menschenwürde und zur Einhaltung von Grundsätzen, wie sie im Pressekodex des Deut-schen Presserates festgelegt sind“, fasst das Positionspapier des DJV zusammen (vgl. Deutscher Journalisten-Verband 2015: 2). Der Schwer-punkt der journalistischen Berichterstattung liegt in der wahrheitsge-mäßen und objektiven Darstellung eines Sachverhaltes, jegliche Ein-flussnahme auf den redaktionellen Prozess beispielsweise durch Sponsoren wird abgelehnt. Auch wenn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit mitunter zu den journalistischen Arbeitsfeldern gerechnet werden, hat der DJV dennoch eine klare Haltung gegenüber dem Tätigkeitsfeld Öf-fentlichkeitsarbeit/Public Relations:

„Journalistinnen und Journalisten vermitteln auf Grund eigener Recher-chen und/ oder durch sorgfältige Bearbeitung fremder Quellen Informa-tionen und Meinungen über aktuelle oder für die Öffentlichkeit bedeut-same Ereignisse, Entwicklungen und Hintergründe. Werbung (Reklame) oder versteckte werbliche Informationen (Schleichwerbung, Product Placement) gehören nicht zu den journalistischen Arbeitsfeldern. Journa-listinnen und Journalisten sind verpflichtet, darauf zu achten, dass redak-tionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Inte-ressen beeinflusst werden. Journalistische Berichterstattung und PR-Aktivitäten in ein und derselben Sache sind unzulässig.“ (ebd. 5)

Reisejournalisten befinden sich häufig in einem Spannungsfeld zwi-schen Berufsethos und Arbeitsrealität: Auf der einen Seite enthält das Berufsbild des Journalisten den Anspruch nach unabhängiger Bericht-erstattung, jegliche Einflussnahme auf den Inhalt der journalistischen Beiträge wird abgelehnt. Auf der anderen Seite steht der klassische Rei-sejournalist unter einem wirtschaftlichen Zwang, da er mit der Erstel-lung von Beiträgen seinen Lebensunterhalt verdient. Insbesondere freie Journalisten ohne Festanstellung haben häufig nur ein kleines Budget zur Verfügung, um die Recherche und Erstellung von Beiträgen im Voraus selbst zu finanzieren. In der Reisebranche ist es üblich, Journa-listen auf eine Reise oder zu einem Urlaubsort einzuladen. Die Kosten übernimmt das lokale Fremdenverkehrsamt oder der Reiseveranstalter.

Die Praxis der gesponserten Journalistenreise ist nicht nur für freie Reisejournalisten attraktiv, auch die Verleger von Zeitungen und Zeit-schriften nehmen solche Angebote der Tourismusbranche als Grundla-ge für Reiseberichte der Redaktion in Anspruch. Reisejournalisten

kön-nen so in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Tourismusorganisatiokön-nen geraten, die als Gegenleistung zur Einladung unter Umständen einen positiven Bericht erwarten. Auch die Vereinigung Deutscher Reisejour-nalisten (VDRJ) sieht in dieser Praxis erhebliches Konfliktpotenzial: Als Berufsverband würde man sich bei der VDRJ wünschen, dass es nicht der Regelzustand sein muss, dass die Industrie, über deren Angebote berichtet wird, gleichzeitig Finanzier der dafür nötigen Informationsrei-sen ist, heißt es in einem VDRJ-Positionspapier zu den Standards für Pressereisen. Aber man müsse leider akzeptieren, dass vor allem die Verlagsseite keine Budgets für die Arbeit der Reisejournalisten vor Ort bereitstellen möchte (vgl. Vereinigung Deutscher Reisejournalisten 2017e). In Kapitel vier dieser Arbeit wird sich die Autorin näher mit dem traditionell schwierigen Verhältnis von Reisejournalismus und Touris-musindustrie beschäftigen.

Reisejournalisten sind in Deutschland entweder fest bei einem Ver-lag angestellt oder freiberuflich tätig. Viele von ihnen organisieren sich in der bereits erwähnten Vereinigung Deutscher Reisejournalisten, die 1956 gegründet wurde. Der Berufsverband hat heute etwa 220 Mitglie-der und versteht sich als die einzige bundesweite Berufsvereinigung von Medienschaffenden mit dem Fachgebiet Reise (vgl. Vereinigung Deut-scher Reisejournalisten 2017f). Die VDRJ vereint unter ihrem Dach Reisejournalisten und PR-Manager aus der Reisebranche. Ein Regel-werk für die Reiseberichterstattung, das erstmals 2013 veröffentlicht wurde, sowie die jährliche Auszeichnung von besonders anspruchsvol-len Reiseberichten solanspruchsvol-len das Bewusstsein der Mitglieder für professio-nelle Standards im Reisejournalismus fördern. So betont der Berufsver-band in der Eigendarstellung, dass man sich stark mache für Qualitäts-Journalismus und ein hohes Niveau bei der Reiseberichterstattung.

Faire Spielregeln bei der professionellen Zusammenarbeit von Journa-listen und PR-Kräften sollten sicherstellen, dass seriös arbeitende Jour-nalisten und Öffentlichkeitsarbeiter unter dem Dach der VDRJ engagiert und offen diskutieren können (vgl. ebd.).

Reisejournalisten haben heute keine Monopolstellung mehr als Kommunikatoren bei der Berichterstattung über fremde Länder. Auf einem diversifizierten Markt stehen ihre Berichte neben den Angeboten anderer Kommunikatoren wie der Fremdenverkehrsämter, der Reise-veranstalter oder der Urlauber, die selbst Erfahrungsberichte verfassen und online veröffentlichen. In der Vielfalt der Angebote können profes-sionelle Reisejournalisten dann bestehen, wenn sie sich durch ein Plus

an Qualität und Glaubwürdigkeit von den anderen Kommunikatoren abheben. Auch die Einbeziehung neuer digitaler Formate in die reise-journalistische Berichterstattung kann einen Mehrwert für die Rezipien-ten darstellen. Die Kombination von digitalen Services und hochwerti-gen Inhalten kann zu einem positiven Alleinstellungsmerkmal von rei-sejournalistischen Produkten werden.

Im Dokument Von Herodot bis Hotelportal (Seite 82-86)