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Die intraarterielle Induktionschemotherapie (IA) stellt als neoadjuvante Zytostatikagabe eine spezielle Form der endovaskulären Behandlungsmodalität bei Kopf-Hals-Tumoren dar. Der Zugang erfolgt heute meist transfemoral (Punktion und Katheterisierung der A.

femoralis). Nach Gefäßpunktion erfolgt die Insertion eines hydrophilen Gleitkatheters (Führungskatheter) durch den koaxial ein Mikrokatheter eingeführt wird. Mit Hilfe ei-ner Röntgen-Kontrastmittel-Injektion über den Katheter kann der Mikrokatheter super-selektiv positioniert und das tumorversorgende Gefäß angiographisch dargestellt werden (Abbildung 2). Nach Kontrolle der korrekten Lage des Mikrokatheters mittels Angio-graphie erfolgt über diesen die Applikation von zum Beispiel 150 mg/m² Cisplatin in das Perfusionsgebiet. Zeitgleich wird über einen intravenösen Zugang, mit einer Menge von 9 g/m², der systemische Antagonist Natriumthiosulfat injiziert. Dieser bindet Cisp-latin kovalent und bewirkt seine Inaktivierung. Durch diese periphere Neutralisation werden Komplikationen und systemische Nebenwirkungen minimiert als auch sensible Strukturen wie Rückenmark und Nieren geschont (Kovács. 2003a, 2003b). Die Applika-tionsdauer der IA ist je nach eingesetztem Chemotherapeutikum individuell festzulegen und hängt von dessen Phasenspezifität ab. Bei Cisplatin erfolgt die Injektion als Bolus (Bolusinjektion) da dieses Zytostatikum zellzyklusunspezifisch ist.

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Abbildung 2: retromolares Plattenepithelkarzinom der linken Seite (Kovács. 2013)

Links: Angiographische Kontrolle des Gefäßterritoriums und Illustration des vermuteten Perfusionsgebiets über die A. maxillaris

Rechts: Superselektive Darstellung des Perfusionsgebiets über die A. palatina deszendens (Fotos mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Dr. Dr. A. F. Kovács)

Der Vorteil dieser regional verabreichten Chemotherapie ist eine höhere Zytostatika-Konzentration am Zielort (Tumorareal) im Vergleich zur systemischen Applikation. Die Medikamentenaufnahme in die Tumorzelle wird dadurch verbessert. Das Resultat ist eine höhere Medikamentenkonzentration im Tumorgewebe, was die Wahrscheinlichkeit der therapeutischen Ansprechrate erhöhen soll und gleichzeitig die periphere Toxizität verringert. Studien konnten belegen, dass durch Applikation einer neoadjuvanten IA das lokale Tumorwachstum gehemmt und das Volumen des Primärtumors reduziert werden konnte, was letztendlich in einer Verbesserung der Radikaloperation resultiert. Zusätz-lich konnte nachgewiesen werden, dass unter Einsatz einer IA mit nachfolgender Opera-tion die Lokalrezidivrate reduziert war (Kovács. 2003b, 2013). Kovács et al. konnten durch Studien belegen, dass die IA im Rahmen eines multimodalen Behandlungskon-zepts sowohl die lokoregionäre Tumorkontrolle als auch die Gesamtüberlebensrate posi-tiv beeinflusst (Kovács et al. 2002; Kovács. 2006). Auch bei Patienten mit inoperablen, fortgeschrittenen Tumorentitäten konnte ein Benefit in Bezug auf die Überlebensrate gezeigt werden (Rohde et al. 2005). Die Argumentation für eine intraarterielle Chemo-therapie vor Radikaloperation und/oder RadiochemoChemo-therapie ist nicht alleine mit dem Ziel einer Komplettremission verbunden, sondern begründet sich vor allem in einer Re-duktion der lokalen und metastatischen Tumoraggressivität. In Folge dessen werden die

Führungskatheter in der A. maxillaris

Tumorareal

Anastomosen zur A. fazialis

Richtige Position des Mikrokatheters Mikrokatheter Führungskatheter

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Patienten- und Therapiecompliance verbessert und Komplikationen als auch Nebenwir-kungen minimiert (Kovács. 2013). Die nachfolgenden Grafiken (Abbildung 3) zeigen jeweils ein Beispiel einer Komplettremission nach IA.

Vor Therapie Nach IA Chemotherapie

Abbildung 3: Beispiel einer Komplettremission nach Applikation einer IA mit 150 mg/m² Cisplatin (Kovács.

2013)

(Fotos mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Dr. Dr. A.F. Kovács)

Die Beurteilung des Ansprechens auf die prächirurgische Therapie und die Festlegung des klinischen Remissionsgrades mittels visueller Inspektion, Palpation und CT erfolgt drei Wochen nach dem ersten IA Induktionschemotherapie-Zyklus. Vier klinische Re-missionsformen werden dabei unterschieden (Tabelle 6).

Tabelle 6: Klinische Remissionsformen

Abkürzung Bedeutung Definition

CR Complete remission komplette Remission

vollständiges Verschwinden der lokalen Tumormasse (klinisch und radiologisch)

PR partial remission partielle Remission

Reduktion der lokalen Tumormasse von mehr als 50%

SD stable disease stabile Erkrankung

Reduktion der Tumormasse um weniger als 50%

PD progressive disease Progression der Erkrankung

Wachstum des Primärtumors um mehr als 25%

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1.1.6 Prognose

Trotz intensiver Forschung und Einsatz neuer Therapiemodalitäten in Form von multi-modalen Konzepten, einschließlich der Verbesserung der Lebensqualität durch ausge-feilte Wiederherstellungschirurgie, ist die Prognose für das Mundhöhlenkarzinom gene-rell als ungünstig zu bewerten. Die 5-Jahres Überlebensrate nimmt mit steigendem Tumorstadium rapide ab. Liegt sie im Stadium I und II noch bei 75%-90% (Stadium I) beziehungsweise 40%-70% (Stadium II) so ist bei Stadium III und IV lediglich eine Überlebensrate von 20%-50% (Stadium III) beziehungsweise 10%-30% (Stadium IV) zu verzeichnen (Seeber and Schütte. 2007). Wesentliche Faktoren, welche einen Ein-fluss auf die Prognose haben, sind sowohl die Lage und lokoregionäre Ausdehnung des Primärtumors als auch das Vorliegen und die Ausdehnung zervikaler Lymphknotenme-tastasen. Ein wesentliches Problem bei primär therapierbaren Mundhöhlenkarzinomen ist das Auftreten von lokalen und lokoregionären Rezidiven nach abgeschlossener Pri-märtherapie, welche bei 80% der Fälle innerhalb von zwei Jahren entstehen (Kovács.

2003b).

Der ungünstigen Prognose und der damit verbundenen hohen Sterberate liegt die Tatsa-che zugrunde, dass zum Zeitpunkt der Diagnosestellung der Tumor in der Regel schon im fortgeschrittenen Stadium vorliegt (Siriwardena et al. 2006). Die Ursache der zeitli-chen Verzögerung kommt durch zwei wesentliche Aspekte zustande: Da der Verlauf des Plattenepithelkarzinomes der Mundhöhle im Anfangsstadium eher symptom- und schmerzlos verläuft, nimmt der Patient eine Mundschleimhautveränderung in seiner Ernsthaftigkeit oftmals nicht wahr, was eine verspätete Befundabklärung zur Folge hat.

Zusätzlich kann eine Fehlinterpretation des Befundes (Druckstelle, Bissverletzung), bedingt durch Unerfahrenheit des behandelnden Arztes/Zahnarztes auf diesem Gebiet, die Diagnosestellung verzögern, was katastrophale Folgen für den Patienten mit sich zieht (AWMF et al. 2012).

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2 Biomarker

Definition, allgemeine Anforderungen und Anwendung

Die Untersuchung von Tumoren ist seit geraumer Zeit über die zelluläre Ebene hinaus-gegangen. Es wird zunehmend versucht, mittels bioanalytischer Verfahren, auf Protein-ebene eine genauere Klärung von Tumoreigenschaften zu gewinnen und tumorspezifi-sche Biomarkerexpressionsmuster zu charakterisieren. Ziel der Forschung ist es, bestimmte Proteine (z. Bsp. Enzyme, Isoenzyme, Rezeptoren) auf zellulärer Ebene (in oder auf der Zelle) zu detektieren, welche von malignen Tumorzellen direkt gebildet werden. Diese Proteine (zelluläre Biomarker) sollten, als diagnostisches Hilfsmittel, Rückschlüsse auf das Vorliegen, den Therapieverlauf, die Prognose und die Rezidivbil-dung der Erkrankung geben können. Idealerweise sollten diese Biomarker für eine be-stimmte Tumorentität spezifisch sein und mit der Tumorlast korrelieren.

Mit Hilfe der Immunhistochemie können in aufgearbeiteten Gewebeschnitten Proteine mittels spezieller Antikörper angefärbt werden, so dass, durch spezifische Markierung, ein fragliches Protein unter dem Lichtmikroskop erkennbar wird. Da diese Methode bei einer großen Anzahl von Gewebeproben kosten- und zeitintensiv ist, wird auf die Tis-sue-Microarray-Technik zurückgegriffen. Diese erlaubt eine simultane Untersuchung von mehreren Gewebeproben auf Biomarkerexpressionen durch Einbetten von Gewe-beproben verschiedener Patienten in einen einzelnen Paraffinblock.

Eine Anzahl von sogenannten Biomarkern ist mittlerweile auch bei Mundboden- und Rachenkarzinomen nachgewiesen worden. Eine frühe Übersicht findet sich in der Arbeit von Schliephake (Schliephake. 2003). In dieser wurde die Studienlage von 1997-2002 (162 Artikel) in Bezug auf molekulare Biomarker und ihre Rolle in der Therapie und Prognose des oralen Plattenepithelkarzinoms untersucht. Dabei wurden die einzelnen Biomarker in verschiedene Gruppen, basierend auf ihrer molekularen Funktion, einge-teilt (u.a. Tumorwachstumsmarker, Tumorsuppressionsmarker, Angiogenesemarker, Tumorinvasionsmarker).

Schliephake konnte zeigen, dass, trotz der ausführlichen Datenlage von insgesamt 29 verschiedenen Markern, einzelne Marker weder diagnostisch noch prognostisch eine

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zuverlässige Aussage ermöglichen. Daher ist die Berücksichtigung einer Gruppe von Markern erfolgsversprechender. Dabei wird eine Kombination von Markern, die je für sich eine Relevanz bei oralen und oropharyngealen Karzinomen aufweisen, in Verbin-dung mit noch wenig untersuchten Markern gleichzeitig untersucht. Da die Marker je-weils differenzierte Funktionen aufweisen und in unterschiedlichen Kompartimenten der Zelle auftreten (u.a. als Wachstumsrezeptor an der Zelloberfläche, im Nukleus als Zellzyklusproteine oder im Zytoplasma als Signaltransduktionsproteine) könnte ein Er-kenntnisgewinn möglich werden. Erfolgsversprechender wäre weiterhin die Verbindung mit therapeutischen Maßnahmen.

Wie alle Tumoren stellt auch das orale und oropharyngeale Plattenepithelkarzinom der Mundhöhle ein multifaktorielles Geschehen dar. Deshalb wurden für diese Studie Bio-marker untersucht, welche auf molekularer Ebene unterschiedliche Funktionen aufwei-sen. So wurden Marker gewählt, welche bei der Signaltransduktion involviert sind (PTEN, EGFR, Her2/neu), nukleäre Zellzyklusprozesse regeln (p53, Survivin), Prolife-rationsaktivitäten der Tumorzelle messen (KI-S2) und bei der Angiogenese eine Rolle spielen (OSF-2).

Die folgenden Kapitel stellen eine Übersicht über die wichtigsten molekularbiologi-schen Aspekte (u.a. Aufbau, Funktion, Expression) der einzelnen Biomarker dar.

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2.1.1 Survivin