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2.2   Das intestinale Immunsystem

Der Gastrointestinaltrakt ist ein komplexes Organ mit vielen verschiedenen Funktionen, wie z.B. die Verdauung und Absorption von Nährstoffen sowie die Kontrolle von kommensalen und pathogenen Mikroorganismen (STOKES and WALY, 2006). Das Immunsystem des Darms ist das größte immunologische Organ des Körpers und beinhaltet circa 50 Prozent aller Lymphozyten des gesamten Organismus (BRANDTZAEG et al., 1985).

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Zu den Abwehrmechanismen des Gastrointestinaltraktes zählen immunologische und mechanische Mechanismen. Zu letzteren zählt die Peristaltik des Darmes, die verhindert, dass sich Debris im Darm ansammelt. Verschiedene Verdauungssekrete zerstören Bakterien und Viren. Von Becherzellen produzierter Mukus umgibt in der Ingesta enthaltene Bestandteile und verhindert das Eindringen in die Mukosa. Die physiologische Bakterienflora verhindert die Kolonisation des Darms mit pathogenen Organismen (WILLARD, 1992).

Die immunologischen Abwehrmechanismen untergliedern sich in das spezifische und das unspezifische Immunsystem. Zu den unspezifischen immunologischen Abwehrmechanismen gehört die Proteinverdauung durch Pankreas-Enzyme. Diese bewirken, dass nur wenige intakte Antigene mit der Darmmukosa in Kontakt kommen. Die Darmmukosa bildet mit ihrer Schleimschicht eine Barrierefunktion und verhindert eine Interaktion mit intestinalen Keimen. Feste Zell-Zell-Verbindungen (tight junctions) dichten die Epithelien außerdem ab. Sezerniertes Immunglobulin A (IgA) ist in der Lage, luminale Antigene, wie Proteine oder Bakterien vor dem Durchdringen der Schleimhaut abzufangen (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003;

BRANDTZAEG, 2009). Es wird von den in der Lamina propria befindlichen Plasmazellen gebildet und lumenwärts transportiert (BRANDTZAEG, 2009).

Das spezifische Immunsystem wird von dem gut-associated lymphoid tissue (GALT) gebildet. Das GALT untergliedert sich in zwei Untereinheiten: das organisierte GALT und das diffuse GALT (WILLARD, 1992; RAMIRO-PUIG et al., 2008). Das organisierte GALT besteht aus isolierten lymphoiden Follikeln (Peyersche Platten) und den Mesenteriallymphknoten (WILLARD, 1992). Erstere finden sich im antimesenterialen Bereich des Darms und werden durch einen Monolayer von Zellen (follicle-associated epithelium, FAE) vom intestinalen Lumen separiert. Dieser Monolayer besteht aus zylindrischen Epithelzellen, M-Zellen, intraepithelialen Lymphozyten und Becherzellen (RAMIRO-PUIG et al., 2008). M-Zellen sind auf die Antigen-Aufnahme aus dem Darmlumen spezialisiert (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003). Unter dem FAE findet sich ein Bereich, der aus dendritischen Zellen und Makrophagen gebildet wird (subepithelial dome) (RAMIRO-PUIG et al., 2008). Interfollikuläre Bereiche finden sich zwischen den Follikeln und bestehen aus

T-Lymphozyten (hauptsächlich T-Helfer Zellen), reifen dendritischen Zellen und Makrophagen. Peyersche Platten bestehen aus vielen aus B-Lymphozyten geformten Follikeln (SANSONETTI, 2004; RAMIRO-PUIG et al., 2008).

Das diffuse GALT besteht vorwiegend aus T-Lymphozyten, welche zwischen den Epithelzellen (intraepitheliale Lymphozyten) oder in der Lamina propria mucosae (Lamina propria Lymphozyten) liegen. Verglichen mit der gesamten Immunzellpopulation stellen die intraepithelialen Lymphozyten einen großen Anteil der Immunzellen dar (WILLARD, 1992; RAMIRO-PUIG et al., 2008).

Die Lamina propria mucosae enthält reife, IgA-produzierende Plasmazellen, T-Lymphozyten und Makrophagen, dendritische Zellen und Mastzellen (RAMIRO-PUIG et al., 2008).

Bei Kontakt mit einem infektiösen Agens erfolgen zunächst die angeborenen Immunmechanismen. Zu den Komponenten der angeborenen Immunität zählen die Phagozyten, wie Makrophagen und neutrophile Granulozyten (WILLARD, 1992;

MURPHY, TRAVERS und WALPORT, 2009). Pathogene Mikroorganismen werden mit Hilfe von Rezeptoren, die mikrobielle molekulare Muster erkennen, sogenannte microbe-associated molecular patterns (MAMP), detektiert (CAVE, 2003). Gut charakterisierte Rezeptoren sind die membranständigen Toll-like Rezeptoren (TLR) und die intrazellulären NOD1- und NOD2-Rezeptoren, deren Aktivierung zu einer intrazellulären Signalkaskade und zu einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB führt (CAVE, 2003; SWERDLOW et al., 2006).

Beim erwachsenen Tier durchdringen ca. 0,002% aller mit der Nahrung aufgenommenen Antigene die Mukosa-Schranke (ALLENSPACH und GASCHEN 2003). Dadurch kommt es zu den Mechanismen der erworbenen/adaptiven Immunantwort. Eine luminale Antigen-Aufnahme erfolgt zum einen durch M-Zellen (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003), mittels parazellulärer Mechanismen oder durch Enterozyten. Letztere sind jedoch weniger zugänglich für makromolekulare Substanzen. Enterozyten sind außerdem in der Lage, Antigen zu prozessieren und den T-Lymphozyten zu präsentieren (RAMIRO-PUIG et al., 2008).

M-Zellen nehmen Antigen auf und leiten dieses zu den Antigen-präsentierenden Zellen (APC) wie dendritische Zellen, Makrophagen oder B-Zellen, welche innerhalb

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der Dome-Region der Peyerschen Platten lokalisiert sind, weiter (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003). Die APC internalisieren und prozessieren das Antigen und wandeln es in Peptide um, die mittels major histocompatibility complex (MHC) exprimiert werden (RAMIRO-PUIG et al., 2008). Sie wandern zu den Peyerschen Platten, wo sie mit naiven Lymphozyten interagieren und die Produktion von IgA aus B-Zellen induzieren (MOWAT, 2003). Die aktivierten Lymphozyten verlassen die Peyerschen Platten über Lymphgefäße und wandern zu mesenterialen Lymphknoten, um dort zu reifen und klonal zu expandieren. Über die systemische Zirkulation migrieren sie in die intestinale Lamina propria, um hier spezifisch zu agieren (CAVE, 2003; MOWAT, 2003). Zur Vermeidung einer überschießenden Immunreaktion bei Kontakt mit harmlosen Antigenen wird die Immunantwort durch regulative Mechanismen, wie z.B. mittels regulatorischen T-Zellen kontrolliert (orale Toleranz) (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003; BRANDTZAEG, 2009). Nach Aktivierung durch Antigene können sich T-Helfer Zellen in zwei Effektor-Subpopulationen differenzieren (Th1- und Th2-Zellen). Die proinflammatorische Th-1 Immunantwort ist durch bestimmte Zytokine, wie z.B. Interferon-gamma (IFNγ) oder Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNFα) gekennzeichnet und wird mittels regulatorischen T-Zellen und Th3-Zellen und deren Zytokine kontrolliert (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003). Th2-Zellen produzieren u.a. Interleukin 4 (IL-4), IL-5, IL-10 und Transforming-growth factor β (TGFβ). Diese Zytokine vermitteln eine entzündungshemmende und immunsuppressive Antwort auf bestimmte Antigene (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003). Die jeweils produzierten Zytokine beeinflussen außerdem die Entwicklung der jeweiligen Subpopulation, so dass sich jede Subpopulation selbst stimuliert und die andere reguliert (GAJEWSKI and FITCH, 1988). Bei einer Verletzung der Schleimhautbarriere kommt es zum Eindringen von Mikroorganismen und Antigenen und einer konsekutiv verstärkten Th1-Antwort. Die Zyktokinausschüttung führt zu einer weiteren Störung der Darmmukosa und zu einer Unterhaltung der Entzündung (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003).

Neben den Th1- und Th2-Zellen gibt es eine weitere Effektor-Population, die Th17-Zellen, welche ebenfalls durch ein spezifisches Zytokin-Muster charakterisiert sind

(LANGRISH et al., 2005). Außerdem können naive T-Helfer Zellen zu regulatorischen T-Zellen, nämlich Th3- und Tr1-Lymphozyten (IL-10, TGFβ) differenzieren. Sie regulieren die Immunantwort bei entzündlichen und infektiösen Prozessen. Des Weiteren spielen sie bei der Entwicklung der oralen Toleranz eine Rolle (VIEIRA et al., 2004).

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