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2   Literaturübersicht

2.3   IBD des Hundes – Allgemeines und mögliche Ursachen

2.3.1 Allgemeines

Die chronischen idiopathischen Darmentzündungen des Hundes sind auch unter dem Begriff Inflammatory Bowel Disease (IBD) bekannt. Damit wird eine heterogene Gruppe von Erkrankungen zusammengefasst, die sich durch mindestens vier Wochen anhaltende, gastrointestinale klinische Symptome wie chronisches Erbrechen und/oder Diarrhö unbekannter Genese auszeichnen. Histologisch sind entzündliche Veränderungen der Lamina propria von Dünn- oder Dickdarm festzustellen. Die IBD kann nur den Dünndarm, nur den Dickdarm oder beide Lokalisationen betreffen (JERGENS et al., 1992; GUILFORD, 1996; TAMS, 2003).

Zur Diagnosestellung müssen mögliche Differentialdiagnosen wie bakterielle (z.B.

Campylobacter, Salmonella, pathogene Escherichia coli), parasitäre oder virale Infektionen, Nahrungsmittelallergien und –unverträglichkeiten, Fremdkörper oder gastrointestinale Neoplasien ausgeschlossen werden (HALL und SIMPSON, 2000;

TAMS, 2003). Mittels Blut- und Urinuntersuchungen können weitere extraintestinale Ursachen, wie z.B. Leber- oder Niereninsuffizienz abgeklärt werden. Zum Ausschluss einer exokrinen Pankreasinsuffizienz eignet sich die Bestimmung der trypsinähnlichen Immunreaktivität (ALLENSPACH und GASCHEN, 2003).

Insbesondere sind Infektionen mit Giardia, Cryptosporidium und Clostridum perfringens sowie bakterielle Imbalanzen der Darmflora (small intestinal bacterial overgrowth, SIBO) in Betracht zu ziehen (GUILFORD, 1996; TAMS, 2003).

Klinisch zeigen die Hunde intermittierendes Erbrechen und/oder Diarrhö. Das Erbrechen kann zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Nahrungsaufnahme erfolgen. Eine Diarrhö ist möglicherweise das einzige Symptom einer IBD (GUILFORD, 1996; TAMS, 2003). Bei hochgradigen Erkrankungen kann es zu einer Proteinverlust-Enteropathie mit Hypoproteinämie, Aszites und Gewichtsverlust kommen (ZENTEK et al., 2007). Bei länger anhaltenden Enteritiden kann ein erniedrigter Cobalamin- und ein erhöhter Folsäure-Spiegel auftreten (GERMAN et al., 2003a).

Die Faktoren, die zu einer IBD führen, sind bisher ungeklärt (GUILFORD, 1996;

TAMS, 2003). Es wird über eine möglicherweise defekte mukosale Immunantwort, autoimmune Mechanismen, Veränderungen in der mukosalen Permeabilität, diätetische Einflüsse und infektiöse sowie genetische Ursachen diskutiert (GUILFORD, 1996; TAMS, 2003).

Bei einigen Patienten kann die Gabe einer Diät zur (zeitweisen) Verbesserung der Erkrankung führen oder zu einer Reduzierung der medikamentellen Therapie beitragen (MARKS et al., 2002). Mit einer Diät kann eine Verminderung von Hypersensitivitätsreaktionen auf Nahrungsmittelantigene, eine Veränderung der Darmmotilität oder eine veränderte bakterielle Darmflora erreicht werden (GUILFORD, 1996). Zum Ausschluß des Verdachts einer allergisch bedingten Erkrankung kommt eine Eliminationsdiät mit anschließender Provokation zum Einsatz. Eliminationsdiäten sollen mindestens drei bis vier Wochen ausschließlich gegeben werden (TAMS, 2003; Guilford, 1996).

Zur Therapie werden Antibiotika, Immunsuppressiva und oben genannte diätetische Maßnahmen eingesetzt (ZENTEK et al., 2007). Innerhalb der ersten drei Behandlungsmonate werden bei bis zu 71% kaniner IBD-Fälle günstige Behandlungsergebnisse erreicht (MÜNSTER et al., 2006). In 50% der Fälle kommt es jedoch zu rezidivierenden Verläufen und langfristig sind bei 26% der Hunde dauerhafte Remissionen zu erwarten. 13% zeigen sich von einer Therapie unbeeinflusst (CRAVEN et al., 2004).

Komplikationen einer IBD sind z.B. die Entwicklung eines Lymphoms oder eine hämorrhagische Diathese induziert durch die intestinale Malabsorption von Fett und dem Fett-löslichen Vitamin-K (TAMS, 2003).

In der Humanmedizin existiert ebenfalls das Krankheitsbild der IBD. Dazu gehören Morbus Crohn (chronische, granulomatöse Entzündung des Magen-Darm-Trakts) und die Colitis ulcerosa (chronische Entzündung von Dick- und Mastdarm) (SCHÖLMERICH, 1999).

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2.3.2 Einfluss der Genetik

Die Prädisposition bestimmter Rassen für IBD spricht für eine ätiologische Beteiligung der genetischen Vorraussetzungen dieser Rassen. In einer aktuellen Studie wurde an 27463 Hunden das Risiko untersucht, an IBD zu erkranken. Es ergaben sich signifikante Empfänglichkeiten bei fünf Rassen: Weimaraner, Rottweiler, Deutscher Schäferhund, Boxer und Border Collie (KATHRANI et al., 2011a).

Auch bei der humanen IBD wird eine genetische Beteiligung an der Pathogenese vermutet (SIMPSON und JERGENS, 2011). Bei Morbus Crohn z.B. wurde eine Mutation im Immunrezeptor NOD2/CARD15 festgestellt. Diese führt bei der Anwesenheit von Mikroflora zu einer Hochregulierung der Zytokin-Produktion und einer verzögerten Abwehr gegen Bakterien und somit zur Aufrechterhaltung und Begünstigung von intestinalen Entzündungen (PACKEY und SARTOR, 2008;

PEREZ et al., 2010).

Auch bei Deutschen Schäferhunden und anderen Hunderassen mit IBD zeigte sich im Gegensatz zu Kontrolltieren ein Nukleotid-Polymorphismus im NOD2-Gen (KATHRANI et al., 2010a). Zusätzlich zeigte sich bei Deutschen Schäferhunden mit IBD ein Polymorphismus im TLR4- und im TLR5-Gen (KATHRANI et al., 2010b).

Bei Boxern mit granulomatöser Kolitis wurde ein Nukleotid-Polymorphismus im NCF2-Gen festgestellt (CRAVEN et al., 2010).

Beim SoftCoated Wheaten Terrier ist eine ProteinverlustEnteropathie sowie -Nephropathie feststellbar. Pedigree-Analysen ergaben einen gemeinsamen männlichen Vorfahren. Ein möglicher Erbgang und die Pathogenese der Erkrankung bleiben jedoch bisher unklar (LITTMANN et al., 2000).

Weitere Rassedispositionen für IBD finden sich beim Yorkshire Terrier und wie unten beschrieben (2.4.9) beim Lundehund und beim Basenji.

2.3.3 Einfluss des intestinalen Milieus

Die gastrointestinale bakterielle Umgebung spielt eine entscheidende Rolle für die Gesundheit des Wirtes. Sie dient als Barriere gegenüber invasiven Pathogenen, hilft bei der Verdauung und Energiegewinnung aus der Nahrung, unterstützt nutritiv die

Enterozyten und stimuliert die Entwicklung des Immunsystems (SUCHODOLSKI, 2011). Jeder Hund beherbergt ein eigenes, individuelles, mikrobielles Profil (SUCHODOLSKI et al., 2004). Bacteroides, Clostridium, Lactobacillus, Bifidobacterium spp. und Enterobacteriaceae werden am häufigsten aus dem caninen Darm kultiviert (SUCHODOLSKI, 2011). Verschiedene gastrointestinale Erkrankungen sind mit nicht-spezifischen Veränderungen der intestinalen Flora assoziiert. Die Dysbiose des Dünndarms wird zu den SIBO (small intestinal bacterial overgrowth) oder zu den Antibiotika-responsiven Diarrhöen gezählt (SUCHODOLSKI, 2011). Die erkrankten Hunde reagieren auf eine Antibiotika-Gabe, nach Beendigung der Therapie tritt die Diarrhö jedoch wieder auf (WESTERMARCK et al., 2005). In einer Studie waren keine Zusammenhänge zwischen einer erhöhten intestinalen Bakterienanzahl und der Schwere der Erkrankung feststellbar (GERMAN et al., 2003a). Molekulare Untersuchungen haben Unterschiede in der Zusammensetzung der intestinalen Flora im Duodenum von gesunden Hunden und an IBD erkrankten Hunden gezeigt: Erkrankte Hunde wiesen einen erhöhten Gehalt an Enterobacteriaceae und Clostridiaceae auf. Gleichzeitig fand sich eine geringere Vielfalt der bakteriellen Flora (XENOULIS et al., 2008; SUCHODOLSKI et al., 2010).

2.3.4 Diätetische Einflüsse

Um zwischen einer Futtermittelallergie-induzierten Enteropathie und IBD unterscheiden zu können, ist die Durchführung einer Eliminationsdiät mit anschließender Provokation sinnvoll (VERLINDEN et al., 2006). Bei Futtermittelallergien (FA) zeigen sich unspezifische gastrointestinale Symptome wie Erbrechen, Diarrhö, Bauchschmerzen oder eine erhöhte Defäkationsfrequenz (VERLINDEN et al., 2006). FA verursachen bei Hunden zudem häufiger entzündliche Hautveränderungen als gastrointestinale Symptome (FOSTER et al., 2003).

Reaktionen auf Nahrungsmittel können verschiedene Hintergründe haben. So sind Reaktionen mit einer immunologischen Genese (FA) sowie nicht-immunologisch bedingte Reaktionen (Futtermittelintoleranz) und toxische Reaktionen (Intoxikationen) bekannt. Die Futtermittel-Intoleranz kann durch ein metabolisches Problem, durch eine pharmakologische Reaktion oder idiosynkratisch entstehen (ORTOLANI und PASTORELLO, 2006).

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Die meisten Allergene bei der FA sind wasserlösliche Glykoproteine mit einer Größe von 10 bis 70 kDa (SICHERER und SAMPSON, 2010). Als häufige Futtermittelantigene bei Hunden erwiesen sich Proteine vom Rind und Huhn oder Milchprodukte, Weizen und Eier (VERLINDEN et al., 2006). Die Pathogenese, die beim Hund zu FA führt, ist bisher nicht bekannt. Es werden Überempfindlichkeitsreaktionen des Typs I, III und IV vermutet (VERLINDEN et al., 2006).

Vermutlich kommt aus dem Futter stammenden Allergenen bei der Pathogenese der IBD eine gewisse Bedeutung zu. In einer Studie an 70 Hunden mit chronischer Enteropathie reagierten 56% der Hunde positiv auf eine zehntägige Eliminationsdiät mit Fisch und Reis. 79% dieser Hunde wurden nach 14 Tagen wieder erfolgreich auf ihre alte Nahrung umgestellt (ALLENSPACH et al., 2007). In einem über drei Jahre angelegten Versuch mit Hunden mit chronischer Enteropathie erhielten 18 Hunde eine hydrolysierte Nahrung und acht Hunde eine hochverdauliche Kontrolldiät. Im Gegensatz zu den Hunden mit der Kontrolldiät zeigten die Hunde mit der hydrolysierten Nahrung eine über den beobachteten Zeitraum anhaltende, signifikante Verbesserung der Erkrankung (MANDIGER et al., 2010). In einer Studie an Hunden mit chronischer Diarrhö und/oder Erbrechen wurden zehn Hunde mit einer Futtermittel-responsiven Enteritis mit einer Eliminationsdiät und neun Hunde mit einer Steroid-responsiven Enteritis mit Prednisolon behandelt. Vor und nach der Behandlung wurden Darmbiopsien histologisch untersucht. Dabei ergaben sich keine signifikanten Unterschiede bezüglich des histologischen Gradings, der totalen Zellzahl in der Lamina propria und der CD3-positiven Zellen vor und nach der Behandlung sowie zwischen den Gruppen der Futtermittel-responsiven und Steroid-responsiven Hunde (SCHREINER et al., 2008).

Beim Soft-Coated Wheaten Terrier wurden Reaktionen gegenüber Getreide, Tofu, Hüttenkäse, Milch, Weizen und Lammfleisch beschrieben. Vermutlich sind Hypersensitivitätsreaktionen an der Pathogenese der protein-losing enteropathy/protein-losing nephropathy des Soft-Coated Wheaten Terriers beteiligt (VADEN et al., 2000).

2.3.5 Immunpathologische Einflüsse

Bei der IBD des Hundes ist außer diätetischen Faktoren anscheinend eine Dysfunktion des mukosalen Immunsystems beteiligt. In verschiedenen Untersuchungen wurde die Immunzellzusammensetzung bei Hunden mit IBD bestimmt. Es zeigte sich ein Anstieg von IgA- und IgG-Plasmazellen in der Lamina propria, von CD3+ und CD4+ positiven Zellen, Makrophagen und neutrophilen Granulozyten sowie reduzierte Mastzellzahlen (STONEHEWER et al., 1998;

JERGENS et al., 1999; GERMAN et al., 2001). Weitere Untersuchungen zur Beteiligung von Mastzellen bei LPE/LPK des Hundes haben eine Abnahme von metachromatisch gefärbten (Kresylechtviolett, KEV) und histochemisch und immunhistochemisch gefärbten (Tryptase und Chymase) Mastzellen ergeben. Diese Reduktion könnte durch eine Th1-dominierte Entzündungsreaktion oder auch durch einen Verdünnungseffekt, der durch ein erhöhtes Auftreten von T-Zellen und Plasmazellen hervorgerufen wurde, oder durch Mastzelldegranulation verursacht werden (KLEINSCHMIDT et al., 2007). Bei der EGE dagegen war ein Anstieg der oben genannten Mastzellen zu verzeichnen, was auf eine Hypersensitivitätsreaktion vom Typ I mit einem Th2-Entzündungszellmuster hindeutet (KLEINSCHMIDT et al., 2007).

Dendritische Zellen spielen eine wichtige Rolle in der Entwicklung der oralen Toleranz. Sie helfen bei der Differenzierung zu Th1-, Th2-, Th17- oder regulatorischen T-Zellen und führen somit zur Ausschüttung des entsprechenden Zytokinspektrums und beeinflussen auf diesem Wege die Entzündungszellantwort.

Eine Balance zwischen Effektor-T-Zellen und regulatorischen Subpopulationen der T-Zellen wird durch Zytokine und Regulationsmechanismen erhalten (ALLENSPACH, 2011). KATHRANI et al. (2011b) untersuchten mit einem anti-CD11c Antikörper das Vorkommen dendritischer Zellen bei Hunden mit IBD. Die Zahl der dendritischen Zellen war im Gegensatz zu den Kontrolltieren im Duodenum, Ileum und Kolon signifikant verringert.

In einer anderen Studie wurde das Vorkommen von regulatorischen T-Zellen (mittels Foxp3-Antikörper) bei Hunden mit IBD untersucht. Foxp3-positive Zellen

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waren bei IBD-Hunden signifikant vermindert, was auf eine reduzierte orale Toleranz hindeutet (JUNGINGER et al., 2012).

Die IBD des Hundes zeichnet sich im Vergleich zu gesunden Hunden vermutlich durch ein verändertes mukosales Zytokin-Muster aus, welches im Gegensatz zu Untersuchungen beim Menschen auf eine gemischte Th1- und Th2-Zytokin Aktivierung hindeutet (GERMAN et al., 2000b; JERGENS et al., 2009a). Allerdings fanden sich in neueren Studien, in denen Real-time (RT)-PCR und semiquantitative RT-PCR eingesetzt wurden, keine eindeutigen Hinweise auf eine erhöhte Expression von bestimmten Zytokinen (PETERS et al., 2005; JERGENS et al., 2009a; DE MAJO et al., 2008). In einer aktuellen Studie von SCHMITZ et al. (2012) wurde die mRNA-Expression von IL-17A und IL-22 (Th17-Zellen), IL-10 und TGFβ (regulatorische T-Zellen) und IFNy (Th-1 T-Zellen) in duodenalen Biopsien von Hunden mit IBD mittels quantitativer RT-PCR untersucht. Im Gegensatz zu Befunden beim Menschen war die IL-17A mRNA Expression signifikant erniedrigt und die übrigen Zytokine wiesen keine Veränderungen auf. Weiterhin fanden sich widersprüchliche Ergebnisse zur Expression von einigen Zytokinen bei Hunden mit IBD (LOCHER et al., 2001;

RIDYARD et al., 2002). In einer anderen Untersuchung wurde die Expression von IL-1β und seinem Rezeptor-Antagonisten (IL-1Ra) charakterisiert. Im Vergleich zu den Kontrolltieren zeigten die IBD Hunde eine Abnahme des IL-1RA:IL-1β Quotienten.

Diese Beobachtungen zeigten sich mittels Bestimmung der mRNA als auch mittels Bestimmung des Proteins. Da die Aktivierung von TLRs die IL-1β-Expression in Makrophagen aufreguliert, ist es möglich, dass die erhöhte IL-1β-Expression bei IBD- Hunden durch eine verstärkte (möglicherweise fehlerhafte) Aktivierung von TLRs verursacht wird (MAEDA et al., 2012).

Bei Untersuchungen von TLRs bei IBD Hunden fand sich eine signifikant erhöhte Expression von TLR2-mRNA im Duodenum (RT-PCR). Diese Erhöhung korrelierte außerdem mit dem canine chronic enteropathy clinical activity index (CCECAI) (MCMAHON et al., 2010). Weitere Untersuchungen wiesen eine erhöhte mRNA-Expression von TLR2, TLR4 und TLR9 in Biopsien von Duodenum und Kolon bei IBD Hunden nach. Auch nach einer klinischen Verbesserung in Verbindung mit Behandlung durch Prednisolon zeigte sich keine Veränderung der Expression

(BURGENER et al., 2008). In einer Studie, die sich mit Deutschen Schäferhunden mit IBD beschäftigte, stellte sich eine deutlich erhöhte Expression von TLR4 heraus, während TLR2 und TLR9 unverändert waren (ALLENSPACH et al., 2010).

In einer anderen Studie war eine signifikant erhöhte Transkription verschiedener Chemokine in der duodenalen Mukosa von Hunden mit IBD, jedoch nicht ihrer Rezeptoren nachweisbar (MAEDA et al., 2011).