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Interpretation zur Geschlechtsdiagnose

6. Diskussion

6.1 Individualdaten

6.1.3 Interpretation zur Geschlechtsdiagnose

Die Diskussion zur Geschlechtsbestimmung beantwortet die Fragestellung O1:

Wie viele Frauen und Männer wurden bestattet? Ist die Verteilung ausgeglichen?

Bei Betrachtung der Geschlechtsdiagnose wurden die Daten zusätzlich einmal gefiltert, durch Ausklammern der potentiell schwer geschlechtsbestimmbaren Altersgruppen (vgl. Kapitel 5.1.3.2). Zu beachten ist, dass das Geschlecht bei Säuglingen und

Kleinkin-dern nicht so leicht wie bei erwachsenen Individuen zu ermitteln ist. Die Hinzunahme der archäologischen Erkenntnisse verbesserte die Geschlechtsdiagnose, da so für eini-ge Individuen eine Zuordnung möglich war, bei denen es alleine anhand des Skelett-materials nicht möglich gewesen wäre.

An dieser Stelle kommt der interdisziplinäre Ansatz dieser Arbeit zum Tragen: Wie die Listen im Anhang (9.12.2) zeigen, konnte anhand der archäologischen Funde für 22 der 85 anthropologisch vom Geschlecht her unbestimmbaren Individuen eine Zuweisung zu einem Geschlecht erfolgen. Die Geschlechterverteilung der Emmeringer Population zeigt bei der Betrachtung mit Kindern ein Verhältnis von 43,3 % Frauen zu 45,1 % Männern. Bei Betrachtung ohne Kinder liegt das Verhältnis bei 44,6 % Frauen gegen-über 49,9 % Männern. In beiden Fällen liegt der Anteil der Männer leicht gegen-über dem der Frauen. Da jedoch der Anteil von unbestimmbaren Individuen mit 11,7 % bei Betrach-tung mit Kindern bzw. 5,5 % bei BetrachBetrach-tung ohne Kinder liegt (vgl. Tab. 28 und Tab.

29) und somit über der Differenz zwischen beiden Geschlechtern (1,8 % Differenz mit Kindern bzw. 5,3 % Differenz ohne Kinder) liegt, kann nicht gesichert von einem ausge-prägten Männerüberschuss gesprochen werden. Es sind keine geschlechter-spezifischen Bestattungsriten des Friedhofs überliefert oder angezeigt, sodass noch einmal bestätigt wird, dass von einem repräsentativen Ausschnitt der damaligen Popu-lation ausgegangen werden kann.

Wie die Ergebnisse deutlich zeigen, stiegen die prozentualen Anteile beider Geschlech-ter durch diese DatenfilGeschlech-terung an (weiblich gesamt: von 43,3 % auf 45,6 %, männlich gesamt: von 45,1 % auf 49,9 %), sowohl im Subanteil der „sicheren Geschlechts-zuordnung“ wie auch im Subanteil der „wahrscheinlichen GeschlechtsGeschlechts-zuordnung“. Ein-zig der Anteil unbestimmbarer Individuen ist abgesunken und zwar um insgesamt 6,2

%. Die Unsicherheit ist im Skelettmaterial von Emmering durch den teils mäßigen Er-haltungsgrad und größtenteils unvollständigen Überlieferungsgrad begründet.

Männer und Frauen zeigen ab der Adultas bis zur Senilis eine recht ähnliche Verteilung der Altersklassen. Ein Überschuss der Frauen ab der Menopause wäre ein weiteres Indiz für die Repräsentanz der Population. Die nicht bestimmbaren Individuen liegen von der Anzahl her deutlich niedriger. Der Verlauf der vom Geschlecht her nicht sicher bestimmbaren Individuen ähnelt bei den Altersgruppe Adultas und Senilis dem Ver-hältnis von weiblichen und männlichen Individuen. In der Altersgruppe Maturitas hin-gegen ist bei den nicht bestimmbaren Individuen ein stärkerer Abfall als bei den zu-ordenbaren Geschlechtern zu erkennen. Die Kurve sinkt also bei den nichtbestimm-baren Individuen von Adultas zur Maturitas sehr stark, zur Senilis flacht die Kurve ab, wohingegen sie bei Männern und Frauen von Adultas zur Maturitas nur gering und dann zur Senilis hin stark absinkt.

Die Altersgruppe Juvenis zeigt ein ganz anderes Bild. Beim weiblichen Bevölkerungs-anteil liegt der prozentuale Wert der Altersgruppe Juvenis etwa auf der Höhe der Ma-turitas, somit ist der Wert nur geringfügig unter dem der Altersgruppe Adultas. Beim männlichen Bevölkerungsanteil hingegen ist der prozentuale Wert der Altersgruppe Juvenis sehr gering und steigt zur Adultas hin sehr stark an. Der Anteil an nicht be-stimmbaren Individuen ist in der Altersgruppe Juvenis am höchsten, was den bekann-ten Fakt der etwas erschwerbekann-ten Geschlechtsbestimmung für subadulte Individuen nur nochmals grafisch untermauert.

Da in der Altersgruppe Juvenis die männlichen Individuen gegenüber den weiblichen Individuen deutlich unterrepräsentiert sind, könnte eine Hypothese lauten, dass die unbestimmbaren Individuen größtenteils männlichen Geschlechts waren. Dies würde das Missverhältnis ausräumen und zu einer stabileren Kohorte führen.

Es sei angemerkt, dass es sich bei 55 der 85 anthropologisch vom Geschlecht her unbe-stimmbaren Individuen (64,7 %) um Vertreter der Altersklassen Infans I und Infans II handelt, für welche aufgrund der (bezogen auf das Lebensalter) erst noch erfolgenden geschlechtstypischen Skelettausbildung eine wirklich sichere Geschlechtszuordnung rein morphologisch kaum möglich ist. Tatsächlich konnten durch die archäologischen Funde 17 Individuen der Altersklasse Infans I und Infans II einem Geschlecht zugeord-net werden. Dabei fielen zehn Zuordnungen „weiblich“ aus, vier „eher weiblich“, eine

„eher männlich“ und zwei Stück „männlich“. Die gerade aufgestellte Hypothese, dass die unbestimmbaren Individuen größtenteils männlichen Geschlechts seien, lässt sich anhand dieser Daten nicht bestätigen. Das Verhältnis wird eher noch mehr in Richtung eines weiblichen Überschusses verändert.

Der Anteil vom Geschlecht her nicht bestimmbarer Individuen konnte durch einen neuen Betrachtungshorizont und Hinzunahme ergänzender Informationen, nämlich archäologischer Ergebnisse, deutlich abgesenkt werden. Die Betrachtung fokussierte auf die Altersklassen, für welche eine Geschlechtsbestimmung erfolgsversprechend erschien, also „ohne Kinder“. Hierdurch wurde der Anteil unbestimmbarer Individuen bei Anreicherung mit archäologischen Erkenntnissen für das gesamte Kollektiv von 15,8 % auf 11,7 % und für die Ansicht „ohne Kinder“ von 6,5 % auf 5,5 % reduziert.

Mittels dieser beiden Ergänzungen (Betrachtung ab Adultas und Einbezug archäo-logischer Erkenntnisse) konnte der Anteil an nicht bestimmbaren Individuen im be-trachteten Ausschnitt der Bevölkerung also maßgeblich reduziert werden. Ein großer Anteil an Unsicherheit wurde somit entfernt. Die Sicherheit dieser Zuordnung verbleibt jedoch zu einem unbekannten Anteil ungewiss, da mit Einbezug weiterer Daten nicht nur die Sicherheit der anthropologischen Geschlechtsbestimmung, sondern darüber hinaus auch die der archäologischen zu hinterfragen ist.

Dass für 17 der 55 kindlichen und fünf der 30 verbleibenden Individuen aus insgesamt 85 anthropologisch vom Geschlecht her unbestimmbaren Befundnummern durch ar-chäologische Funde eine Geschlechtsbestimmung möglich war (vgl. 9.12.2), zeigt, wie unterschiedlich sich der Erhaltungsgrad des Materials für die Auswertung der jeweili-gen Disziplin auswirkt. Gerade, weil die Archäologie und die Anthropologie unter-schiedliches Material derselben Fundstelle bearbeiten, lieferte der interdisziplinäre Austausch beiderseits wertvolle Erkenntnisse, welche sonst nicht (oder in Einzelfällen nur sehr schwer) rekonstruierbar gewesen wären. Zum Gelingen dieser Arbeit war es sehr förderlich, dass mit Herrn Albrecht ein engagierter Archäologe involviert war. Un-ter Berücksichtigung des Kontexts konnte die Geschlechtsbestimmung für zwölf Indivi-duen verfeinert werden.

Es wurden (jeweils ohne Kinder) 45,6 % weibliche (n = 210) und 49,9 % männliche Indi-viduen (n = 235) ermittelt. 5,5 % (n = 26) sind vom Geschlecht her unbestimmbar. Die Verteilung zwischen Männern und Frauen zeigt einen leichten Männerüberschuss. Wie das vorige Kapitel 6.1.2 schon zeigt, kann die Verteilung als repräsentativ für ein früh-mittelalterliches Reihengräberfeld bezeichnet werden. Auch im Vergleich mit der Ske-lettserie aus Unterigling bestätigt sich das115.