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Individualdaten aus Emmering

5. Ergebnisse

5.1 Individualdaten aus Emmering

Bei den als unvollständig überliefert eingestuften Befunden hingegen liegt der über-wiegende Anteil des Skelettmaterials im Bereich mäßig bis schlecht erhalten. Auch kommt einzig bei den unvollständig überlieferten Befunden Skelettmaterial vor, wel-ches als sehr schlecht erhalten einzustufen war (vgl. Abb. 16). Bei unvollständigen Indi-viduen überwiegen also schlecht erhaltene Knochen, wohingegen diese bei vollständi-gen Individuen nicht aufzufinden waren.

Abb. 16: Erhaltungsgrade des Skelettmaterials aus Emmering, nach Überlieferungsgrad segmentiert und graphisch dargestellt.

Dieser Zustand kann plausibel erscheinen, wenn die schlechte Erhaltung einen Grund für den Verlust von Knochenmaterial bedeutet. Zusammengefasst liegt das Material in einem mäßigen bis schlechten Zustand für die Auswertung vor.

5.1.2 Altersbestimmung

Nicht alle untersuchten Befunde konnten ausreichend Daten für eine sichere Zuord-nung zu einer spezifischen Altersklasse liefern. Bei 16 Individuen konnte somit das Al-ter nur als mindestens erwachsen deklariert werden; diese Individuen konnten jedoch nicht gesichert in eine der Altersklassen Adultas, Maturitas oder Senilis eingeordnet werden. Dies ist nicht zuletzt auf den großteils mäßigen bis schlechten, teilweise sehr schlechten, Erhaltungsgrad der Skelettelemente zurückzuführen. Der vereinzelt man-gelhafte Überlieferungsgrad verstärkt diesen Status.

Die meisten Individuen sind in den Altersklassen Adultas (36,55 %) und Maturi-tas (30,98 %) verstorben. Der Peak liegt demnach in der Altersklasse AdulMaturi-tas. Auch bei Ausklammerung der 16 Individuen, welche nur als mindestens adult bestimmt werden konnten, verbleibt der Peak in der Altersstufe Adultas. Der Kardinalität nach abstei-gend folgen die Altersgruppe Senilis (12,62 %), anschließend Infans I (8,44 %). Die am wenigsten vertretenen Altersgruppen sind Juvenis (7,24 %) und Infans II (4,17 %). Es handelt sich hierbei aber um eine organische Population. Für Gräberfelder aus dem Frühmittelalter ist bekannt, dass (Klein-)Kinder oft nicht auf dem Gräberfeld bestattet

sind (Herrmann et al. 1990, Kölbl 2004). Die Verteilung auf die verschiedenen Alters-klassen ist in der nachfolgenden Tabelle aufgetragen.

Tab. 27: Altersverteilung der Emmeringer Population, tabellarisch aufgetragen.

Altersklasse Anzahl absolut Prozentualer Anteil

Infans I 45,5 8,44 %

Infans II 22,5 4,17 %

Juvenis 39 7,24 %

Adultas 197 36,55 %

Maturitas 167 30,98 %

Senilis 68 12,62 %

Gesamt 539 100,0 %

19,85 % der Bevölkerung, in Summe 107 Individuen, verstarben vor Erreichen der Adultas. 13,19 % der in der Altersklasse Infans I verstorbenen Kleinkinder, also sechs Individuen, verstarben im Alter von 0 – 2 Jahren.

5.1.3 Geschlechtsdiagnose

5.1.3.1 Geschlechtsdiagnose unter Einbezug archäologischer Daten

Der Anteil unbestimmbarer Individuen lag mit 85 von 539 Individuen bei 15,8 %. Die teils schlechte Erhaltung und der stellenweise geringe Überlieferungsgrad des Skelett-materials bringen Befunde hervor, in welchen das Geschlecht nicht sicher oder gar nicht zu bestimmen ist. Das Ergebnis zeigt einen geringen Männerüberschuss (vgl. Tab.

28). Der Anteil nicht bestimmbarer Individuen ist aufgrund des vorstehend erwähnten Erhaltungsgrads relativ hoch. Ebenso spielt der Anteil an Kleinkindern, bei welchen eine sichere Geschlechtsbestimmung aufgrund der noch nicht erfolgten Pubertät er-schwert ist, eine Rolle und erhöht abermals die Zahl nicht bestimmbarer Individuen.

Im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Archäologen Tobias Georg Albrecht konnten archäologische Fundstücke als Indizien für eine Geschlechts-zuordnung verwendet werden. Dadurch wurde ermöglicht, das Geschlecht für 20 da-vor unbestimmbare Individuen in eine wahrscheinliche oder eine relativ sichere Zuord-nung zu bringen. Hintergrund der Zuweisung sind bekannte Bestattungsriten. Grund-sätzlich gilt für alle Gräber, in denen durch anthropologische Bestimmung mehrere Individuen nachweisbar sind, dass sich die Funde in dieser Grabgrube nicht einer Per-son speziell zuordnen lassen, weswegen hier nicht aufs Geschlecht geschlossen wer-den kann (obwohl die Funde ggfs. geschlechtstypisch wären) 58.

Der von Herrn Rolf Marquardt59 übergebenen Grabliste mit ebenfalls archäologischer Geschlechtszuordnung, welche im Rahmen der Ausgrabung geschehen ist, konnte für 18 Individuen eine Geschlechtszuordnung entnommen werden. Beide Listen ergaben

58Albrecht, Tobias Georg (LMU München, Fakultät für Kulturwissenschaften, Department für Kulturwissenschaften und Altertumskunde), mündliche Notiz vom 18.04.2017.

59bis März 2017 Leiter des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte des Historischen Vereins für die Stadt und den Landkreis Fürstenfeldbruck e.V. (HVF).

für 22 der 85 anthropologisch nicht einem Geschlecht zuordenbaren Individuen eine Zuordnung zu einem Geschlecht. Es gab hierbei keine Konflikte zwischen der Liste von Herrn Marquardt und der von Herrn Albrecht: beide Bearbeiter wiesen bei allen Indivi-duen auf das gleiche Geschlecht hin. Die archäologischen Geschlechtszuweisungen wurden übernommen. Gab es mehrere Zuweisungen pro Individuum, wurde jeweils die weniger angreifbare Zuordnung verwendet. Als Beispiel soll Individuum 92 dienen.

Durch die Liste von Rolf Marquardt wird dieses Individuum als sicher weiblich zugeord-net und durch die Liste von Herrn Albrecht als eher weiblich. Eher weiblich ist davon die stärker belastbare Aussage und wurde in die Tabelle übernommen.

Tab. 28: Geschlechterverteilung der Emmeringer Population, mit Einbezug der archäo-logischen Geschlechtszuordnung, tabellarisch aufgetragen.

Geschlecht Anzahl absolut Prozentualer Anteil

weiblich 134 24,9 %

eher weiblich 99 18,4 %

männlich 166 30,8 %

eher männlich 77 14,3 %

unbestimmbar 63 11,7 %

Gesamt 539 100,0 %

Der Anteil an Frauen liegt bei 43,2 % (n = 233), der von Männern bei 45,1 % (n = 243).

Unbestimmbar verblieben 11,7 % (n = 63). Aus diesen belastbaren Daten wird auch der Maskulinitätsindex berechnet (vgl. Kapitel 5.2.5).

5.1.3.2 Geschlechtsdiagnose unter Einbezug archäologischer Daten, ohne Kinder Aufgrund der nur unsicher möglichen Aussage zum Geschlecht am kindlichen Skelett wurde eine gefilterte Datenansicht für die Geschlechtsbestimmung erstellt. Diese zeigt die Geschlechterverteilung für diejenigen Altersgruppen, an welchen eine Geschlechts-bestimmung mit den durchgeführten Methoden erfolgsversprechend und mit vertrau-ensvollem Ergebnis durchgeführt werden konnte. Durch diese Filterung „ohne Kinder“

verbleiben 471 Individuen zur Bewertung. Die gefilterte Auswertung gibt einen genau-eren Aufschluss über die erfolgte Geschlechtsdiagnose am Skelettmaterial aus dem Emmeringer Reihengräberfeld, wie folgende Tabelle und Abbildung demonstrieren. Es sei an dieser Stelle anzumerken, dass von den 63 vom Geschlecht her unbestimmbaren Individuen, 55 Stück in die Altersklassen Infans I oder Infans II fallen. Demnach dürfen die anhand des archäologischen Materials ermittelten Geschlechtszuordnungen dieser Individuen in der gefilterten Liste (ohne Kinder) nicht verwendet werden. Von den 22 ermittelten Geschlechtern fallen darum 17 Stück weg. Das sind die Befundnummern 61 (Kind), 83, 92, 105, 130, 132, 134, 146, 171, 195 (Kind), 210, 394, 406, 499, 527, 538 und 543. Es verbleiben fünf Geschlechtszuordnungen für mindestens juvenile Individu-en, welche die Liste ohne Kinder noch bereichern können. Diese sind Befundnummer 46 (eher männlich) und 502 (männlich) in der Altersklasse Juvenis sowie 188 (weiblich), 190 (männlich) und 301 (männlich) in der Altersklasse Adultas, vgl. Tab. 29.

Tab. 29: Geschlechterverteilung der Emmeringer Population, ohne Einbezug der Kinder, mit Einbezug archäologischer Geschlechtszuordnung, tabellarisch aufgetragen.

Geschlecht Anzahl absolut Prozentualer Anteil

weiblich 123 26,1 %

eher weiblich 87 18,5 %

männlich 164 34,8 %

eher männlich 71 15,1 %

unbestimmbar 26 5,5 %

Gesamt 471 100,0 %

Der Einbezug der archäologischen Geschlechtszuordnungen ergab eine minimale Ver-änderung in der Geschlechtsverteilung. Der Anteil an Frauen stieg um 1,3 % an und liegt nun bei 44,6 % (davon 26,1 % als sicher weiblich und 18,5 % als eher weiblich be-stimmt). Der Männeranteil stieg um 4,8 % auf 49,9 % an (davon 34,8 % als sicher männlich und 15,1 % als eher männlich bestimmt). Der einzige Anteil der um 6,2 % Prozentpunkte auf 5,5 % abgesunken ist, ist der unbestimmbaren Geschlechts. Der in Kapitel 5.2.5 bestimmte Maskulinitätsindex wird dadurch nicht beeinflusst, da dessen Berechnung die Tab. 28 zugrunde liegt.

5.1.4 Körperhöhenschätzung

Der nun folgende Absatz beantwortet die Fragestellung O3 dieser Arbeit, nämlich: „zu welcher Körperhöhe wuchsen die Individuen?“.

Für Frauen wurde anhand von 35 Datensätzen (insgesamt: 106 Langknochen, davon 83 sicher weiblich und 23 eher weiblich eingestuft) eine mittlere Körperhöhe von ca.

165,11 ± 4,0 cm (nach Bach 1965) ermittelt. Für Männer wurde nach Breitinger (1937) anhand von 72 Datensätzen (insgesamt: 266 Langknochen, davon 241 sicher männlich und 25 eher männlich) eine Körperhöhe von 171,76 ± 4,9 cm ermittelt. Um die Statistik nicht zu verfälschen, wurde bei denjenigen Individuen, von welchen mehrere zur Mes-sung geeigneten Langknochen vorliegen, zunächst eine individuelle Körperhöhenschät-zung durchgeführt. Diese wurde dann jeweils mit den anderen Werten für die Durch-schnittsermittlung zusammengeführt.

An Individualdaten sind neben der Zahl der Körpergräber und dem Überlieferungs- wie auch Erhaltungsgrad des vorliegenden Skelettmaterials auch das Alter, die Körperhöhe und das Geschlecht der Individuen bestimmt worden. Letztgenannte Geschlechts-diagnose wurde unter Berücksichtigung der archäologischen Informationen gegliedert betrachtet, was Raum zur Diskussion eröffnet.

5.1.5 Einschub zu bestimmten Fundnummern

Um im späteren Verlauf auf bestimmte Befundnummern Bezug nehmen zu können, seien an dieser Stelle einige Individuen hervorgehoben:

Das Individuum Emm 83 betrifft ein etwa 3 Jahre  12 Monate junges Kleinkind unbe-stimmbaren Geschlechts. Die archäologischen Fundstücke, zwei Eisenschnallen, eine Perle und ein Knochenkammfragment, sind potentiell ortsfremd. Die Überlieferung ist sehr lückenhaft, neben Schädelfragmenten, einzelnen Zähnen und Teilen der Halswir-belsäule sind insbesondere Teile der Hüfte und unteren Extremitäten erhalten. Der Zahnstatus ermöglichte die Alterseingrenzung. Archäologisch ist die Bestattungszeit etwa auf das Jahr 575 bis 600 datiert worden.

Bei Emm 184 handelt es sich um ein eher männliches Individuum in der senilen Alters-klasse. Merkmale am Zahn, wie intravitaler Zahnverlust des Zahns 27 und lose Mola-ren, bei denen nur noch die Wurzel erhalten ist, deuten auf starke Karies hin. Diese kann auch in jüngeren Lebensjahren auftreten, doch ist der Schluss der Schädelnähte ein zusätzliches Merkmal für ein höheres Lebensalter. Es ist eine Auflagerung vom rechten zum linken Os parietale zu sehen, welche auf eine Kette hindeuten kann. Zu den archäologischen Funden (Tonscherben) ist hier aber kein zwingend ortsfremder Bezug vermerkt gewesen.

Individuum Emm 376 wurde bestimmt als juveniles männliches Individuum. Diverse Merkmale am Skelett stützen die Einstufung in die Altersklasse der Juvenis. Anhand der archäologischen Fundstücke (eine Schnalle mit Dornfragment, eine blattförmige, ab-gebrochene Pfeilspitze, ein Fragment eines Feuerstahls und drei weitere Fragmente von vmtl. einem Feuerstein) wurde das Individuum auch als männlich eingestuft. An geeignetem Material dieses Individuums wurde sowohl eine Strontium- als auch eine Bleiisotopenanalyse durchgeführt.

Individuum Emm 479 wurde als mittel- bis spätadulte, eher weibliche Person be-stimmt. Die zierlichen Langknochen und der Abrasionsgrad der Zähne passen zu dieser Altersklasse. Archäologische Funde waren nicht zu verzeichnen. Es wurde am Material sowohl eine Strontium- als auch eine Bleiisotopenanalyse durchgeführt.

Das Individuum Emm 530 wurde anhand des archäologischen Funds (Eisenschnalle) als männlich deklariert. Die Überlieferung des Skeletts ist unvollständig, doch sind außer der Halswirbelsäule viele Körperregionen repräsentiert. Wenngleich das Skelettmate-rial in nur mäßigem Zustand erhalten ist, wurde durch die anthropologische Unter-suchung diese Einschätzung bestätigt, es handelt sich um ein männliches Individuum im frühmaturen Alter. An fünf Zähnen trat eine extreme Zahnhalskaries auf.

Das Individuum Emm 567 ist männlich und in der Altersklasse der Adultas, eher 30 – 40 Jahre alt. Es weist eine Ankylose zwischen fünftem Lendenwirbel zum Os sacrum auf.

Generell sind bei den Lendenwirbeln auf der linken Körperseite die Facies articulares superior vergrößert. An den Brustwirbeln können Schmorl’sche Knorpelknötchen fest-gestellt werden, welche in einem Stadium sind, dass sie vermutlich noch keine

Schmerzen hervorgerufen haben, im späteren Lebensalter aber zu Beschwerden ge-führt hätten. Auch sind ossifizierte Ligamentum flavum an vereinzelten Brustwirbeln zu erkennen. An der linken Fibula sind am distalen Ende periostale Veränderungen auf-getreten, eine Periostitis ist am medialen Teil des Knochens zu erkennen. Weiters hat das Individuum schon einen intravitalen Zahnverlust am Zahn 27 zu verzeichnen, die ersten Molaren 16 und 26 weisen eine massive Karies auf. Es liegt nahe, dass es sich hier um ein Individuum handelt, welches starker physischer Belastung ausgesetzt war.

Fundstücke gab es zu dieser Fundnummer keine.