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1.8 Isotopenanalysen .1 Strontium-Isotopenanalysen

1.8.2 Bleiisotopenanalysen

Genau wie Strontium wird Blei an den Kalzium-Gitterplätzen in den skelettalen Bioapa-tit inkorporiert. Darum sind Strontium und Blei auch nicht unabhängig in Bezug auf den Mineralstoffwechsel. Über 90 % des nicht-ausgeschiedenen Bleis werden im Skelett aufgenommen, wo es eine sehr lange Halbwertszeit von bis zu 10 Jahren in der Kom-pakta aufweist (Smith et al. 1996). Daher können Bleiisotope aus dem Skelett von Säu-getieren als ein Werkzeug zur Georeferenzierung herangezogen werden (Kamenov und Gulson 2014). Verglichen mit dem 87Sr/86Sr Isotopenverhältnis wurden Bleiisotopen-verhältnisse seltener für bioarchäologische Provenienzanalysen verwendet (Åberg et al. 1998, Bower et al. 2005, Budd et al. 1998, Carlson 1996, Chiaradia et al. 2003, Fitch et al. 2012, Grupe et al. 2015a, Montgomery et al. 2005, Turner et al. 2009, Yoshinga et al. 1998). Der oftmals geringe Anteil von Blei in archäologischen Funden (Grupe et al. 2015a) und insbesondere die technischen Herausforderungen bei der Messung des am wenigsten verbreiteten Isotops (204Pb), stellen einen limitierenden Faktor dar (Al-barède et al. 2012). Um eine Georeferenzierung durchzuführen wird darum stark ange-raten, alle vier stabilen Bleiisotope zu berücksichtigen (Grupe et al. 2017, Kamenov und Gulson 2014, Villa 2016).

Wie auch bei der Messung von Strontiumisotopen muss zwischen dem stationären und dem bioverfügbaren Blei unterschieden werden. Blei wird näher an der Mineral-oberfläche absorbiert als Strontium. Da es nur bei niedrigen pH-Werten löslich ist, kann es auch in der Form organischer Bleikomplexe transportiert werden und ist in der Natur hochmobil (Grupe et al. 2017). Infolgedessen gestaltet sich die Festlegung einer lokalen stabilen Bleiisotopie viel komplexer. Neben den geologischen Quellen spielt auch der atmosphärische Bleieintrag in bestimmte Einzugsgebiete eine entscheidende Rolle (Bullen und Kendall 1998). Solches durch die Luft übertragenes Blei konzentriert sich im Oberboden. Das Blei und seine zugehörige Isotopensignatur im Grundwasser sind dahingegen großteils das Ergebnis von Gesteinsverwitterung. Im Flusswasser kann demnach Blei aus beiden Quellen aufgefunden werden.

Bereits frühe, von Menschen durchgeführte Metallarbeiten, hatten einen messbaren Einfluss auf das atmosphärische Blei. Die Untersuchung von Sümpfen durch Dunlap et al. (1999) und Shotyk et al. (1996) deuten darauf hin, dass atmosphärisches Blei in Eu-ropa in den letzten 2.300 Jahren keine natürliche Hintergrund-Bleiisotopensignatur mehr hat. Hochmoore bzw. Regenmoore haben keine Verbindung (mehr) zum mineral-stoffreichen Grundwasser. Das ist wichtig, denn die Flüssigkeits- und Nährstoffzufuhr geschieht hier (nahezu) ausschließlich über Niederschläge. Solche Sümpfe werden von Dunlap et al. (1999) als „Langzeitfalle für Partikel aus der Luft“ bezeichnet.

Allgemein ist die Untersuchung der stabilen Bleiisotope eine sehr vielversprechende Methode für Provenienzanalysen, da radiogenes Blei das Zerfallsprodukt aus drei un-terschiedlichen Zerfallsreihen ist, vgl. Tab. 4. 204Pb ist das einzige nicht-radiogene

Iso-top. Aufgrund der drei verschiedenen radioaktiven Zerfallsreihen ist die Variabilität von Bleiisotopenverhältnissen in Gesteinen deutlich höher als die des Strontiumiso-topenverhältnisses 87Sr/86Sr, welches aus nur einer einzigen radioaktiven Zerfallsreihe stammt (Bullen und Kendall 1998).

Tab. 4: Die vier stabilen Isotope von Blei und deren Anteile (Mortimer 1996).

Isotop Anteil Radioaktive Zerfallsreihe

204Pb = 1,4 % -

206Pb = 24,1 % 238U → 206Pb

207Pb = 22,1 % 235U 207Pb

208Pb = 52,4 % 232Th 208Pb

Die Isotopenverhältnisse werden für Blei relativ zu 204Pb notiert, also: 206Pb/204Pb,

207Pb/204Pb und 208Pb/204Pb. Somit weisen Gesteine und insbesondere Erzlagerstätten einen spezifischen Bleiisotopen-Fingerabdruck auf (Grupe et al. 2017). Anhand der vier Bleiisotope mit den Massen 204, 206, 207 und 208 kann eine Bleilagerstätte charak-terisiert werden. Geologische Prozesse beeinflussen die Isotopenzusammensetzung des Bleis. Zum einen das Alter der Vererzung und zum anderen die Bleiquelle. Anders als diese geologischen Einflüsse haben metallurgische Prozesse keine Auswirkung auf die Bleiisotopen-Zusammensetzung. Somit stimmt die Zusammensetzung der Blei-isotope eines Metallobjekts mit der des Erzes, aus welchem das Metall gewonnen wurde, überein. Über einen Vergleich von Isotopendaten des Erzes und des Objekts kann eine mögliche Herkunft des Bleis eruiert werden (Durali-Müller et al. 2007). Somit konnten bleihaltige Artefakte schon früh zur Bestimmung der verwendeten Erze und deren Herkunftsregion verwendet werden. Als Beispiel dienen Bleiverunreinigungen in Silbermünzen (Mommsen 1986). Aufgrund des geringen Vorkommens ursprünglichen Bleis und der Herausforderungen bei der Messung des 204Pb (wie eingangs erläutert) sind die Isotopenverhältnisse 208Pb/207Pb und 207Pb/206Pb gebräuchlich und werden häufig in bivariaten Plots visualisiert (Grupe et al. 2015a).

1.8.2.1 Aufnahme von Blei in den Körper

Die Quellen und Aufnahme in den Körper von Blei sind (anders als bei Strontium) bei Menschen und Tieren signifikant voneinander unterschiedlich. Die Aufnahme ge-schieht beim Menschen sowohl über die Nahrungsaufnahme und das Trinkwasser, als auch über die Organe Haut und Lunge. 95 % des nicht wieder aus dem Körper ausge-schiedenen Bleis werden in Form von Bleiapatit, Pb10(PO4)6(OH)2, im Knochen gebun-den (Barry 1975). Blei wird allerdings anders als Strontium, welches in der Natur mit Kalzium assoziiert ist, nicht ausschließlich mit der Nahrung konsumiert. Die Aufnahme in den Körper geschieht für Blei mehrheitlich durch kontaminierte Nahrungsmittel.

Dieser Prozess ist nicht vorherzusagen und daher als eher zufällig zu bezeichnen (Gru-pe et al. 2015a). Für Regionen mit Bergbauaktivität ist die Kontaminationsquelle klar, doch auch die Auslösung von Blei aus Koch- und Essgeschirr bei Kontakt mit sauren

Speisen kann zu Bleikontaminationen führen. Für die Römerzeit ist bekannt, dass für sapa oder defrutum18 ausdrücklich Bleigeschirr empfohlen wurde, weil es aufgrund des gebildeten Bleizuckers dann süßer schmeckt. Daher darf nicht nur (eingehandelte) Nahrung berücksichtigt werden, sondern auch Alltagsgegenstände (Grupe et al. 2015a, Grupe et al. 2017). Nach Kamenov und Gulson (2014) und Keller et al. (2016) dominiert im modernen Menschen das aus Boden und Staub ausgelöste Blei die Anteile der di-rekten Nahrungsaufnahme. Bei Herbivoren ist eine Hauptquelle die Bodenaufnahme.

Nachdem Wirbeltiere zugunsten von Kalzium gegen Blei diskriminieren, sind die Blei-anteile in mineralisierten Geweben deutlich geringer als die in den umgebenden Habi-taten. Es gilt aufgrund der Schwermetallbelastung nur für moderne Zeiten, dass die Bleianteile in den Geweben ähnlich hoch sind wie die der Umgebung (Elias et al. 1982), wobei der moderne Mensch, anders als Werte von neolithischen menschlichen Skelet-ten die bei < 1 bis 3 ppm lagen, der sog. physiologischen Nulllinie (Grupe 1991a), auch Bleikonzentrationen von bis zu 70 ppm aufweisen kann, ohne Symptome einer Bleiver-giftung zu zeigen (Fergusson 1990). Blei neigt im Boden stark dazu, Knochen zu konta-minieren. Darum müssen bei der Bearbeitung der zu analysierenden Proben am Skelett bestimmte Aufbereitungsschritte eingehalten werden (vgl. Kapitel 3.6).

1.8.2.2 Erwartungswerte für die Bleiwerte

Betrachtet man verschiedene relevante Studien, so sollten Bleiisotopendaten für die vorindustrielle Zeit in den folgenden Wertebereichen liegen:

Tab. 5: Erwartungswerte für vorindustrielle Bleiisotopenverhältnisse nach Breiten-lechner et al. (2010), Kylander et al. (2010), Kamenov und Gulson (2014), Sho-tyk et al. (1996). Werte für Eisenvorkommen in den Alpen nach Villa (2016).

System Erwartungswert für vorin-dustrielle Bleiisotopendaten

Erwartungswert für Erz-vorkommen in den Alpen

206Pb/207Pb 1,21 ± 0,05

206Pb/204Pb 18,90 ± 0,86 18,3 – 18,5 (18,40 ± 0,10)

207Pb/204Pb 15,66 ± 0,10 15,6 – 15,7 (15,65 ± 0,05)

208Pb/204Pb 38,75 ± 0,57 38,3 – 38,7 (38,50 ± 0,20)

Aufgrund des Einflusses von industriell gefördertem Blei (beispielsweise durch verblei-tes Benzin) und seiner weltweiten Verteilung, sind moderne Bleiisotopensignaturen deutlich abweichend zu den Werten aus Tab. 5 (Bollhöfer und Rosman 2001). Biover-fügbare Bleiisotopendaten wurden unter anderem von Grupe et al. (2017) als verein-fachte geologische Karten aufbereitet. Diese Quelle enthält Daten von der Donau bis zum Gardasee. Für das Reihengräberfeld bei Emmering dürfen Werte, welche in oder nahe den Dimensionen der in Tab. 6 aufgetragenen Daten liegen, erwartet werden.

Tab. 6: Von Toncala et al. (2017) ermittelte Bleiisotopenverhältnisse aus archäologi-schem, tierischem Bioapatit aus dem alpinen Transekt zwischen der Donau in

18Eingedickte Fruchtsäfte, die zum Süßen von Speisen und Getränken verwendet wurden.

Deutschland und dem Gardasee in Italien. Den Vertrauensbereich bildet die Wertespanne, welche in den drei Ländern Deutschland, Österreich und Italien vorkommen können.

System Minimalwert Maximalwert Vertrauensbereich

208Pb/207Pb 2,408 2,477 2,454 – 2,472

206Pb/207Pb 1,172 1,349 1,172 – 1,217

208Pb/204Pb 38,188 38,827 38,355 – 38,725

207Pb/204Pb 15,604 15,857 15,614 – 15,696

206Pb/204Pb 18,330 21,397 18,421 – 19,088

1.8.2.3 Ausschluss von Kontamination mit modernem Blei

Bei der Betrachtung von Bleiisotopenverhältnissen ist es insbesondere wichtig, die anthropogene Kontamination zu berücksichtigen. Nur wenn solche Kontaminationen berücksichtigt und ausgeschlossen werden können, kann den ermittelten Werten Ver-trauen geschenkt werden. Kamenov und Gulson (2014) trugen 206Pb/207Pb Bleiisoto-penverhältnisse aus Europa und den USA zusammen, anhand derer die Auswirkung von Erzabbau zu erkennen ist (z.B. Anstieg der Kurve am Punkt 3.000 v.Chr., vgl. Abb.

5). Die beiden größeren Veränderungen in den Hintergrundvorkommen von Blei in Europa sind auf den Beginn von Bergbau in der romano-britischen Zeit und die Einfuhr von australischem Blei zurückzuführen (Kamenov et al. 2014, Shotyk et al. 1998). Die verschiedenen Ereignisse erzeugten unterschiedlich starke Auswirkungen. Der Beginn des Erzabbaus in Europa durch die Phönizier und Griechen hatte einen starken Einfluss, ebenso die industrielle Revolution. Spannend ist, dass auch Phasen mit einem Rück-gang der Hintergrundvorkommen von Bleiisotopen zu verzeichnen sind, so z.B. auf-grund des Rückgangs des post-römischen Erzabbaus in Europa (Weiss et al. 1999).

Abb. 5: Aufzeichnungen aus Torfkernen zu Hintergrundvorkommen von Bleiisotopen über die Zeit in Europa (Shotyk et al. 1998) und den USA (Kamenov et al. 2009).

Die European Standard Lead Pollution (ESLP) line beschreibt eine Korrelationslinie, welche aufgrund eines für gesamt Europa konsistenten Musters für Bleiisotopendaten als Referenz für Bleikontaminationen im europäischen Raum verwendet werden kann;

von verbleitem Benzin bis Zementfabriken sind verschiedenste Bleikontaminationen in der ESLP enthalten. Sie wurde anhand von zahlreichen Datensätzen gebildet 19 und kann mit folgender Gleichung mathematisch beschrieben werden (Haack et al. 2003).

Formel 1: Gleichung für die Korrelation der Datensätze der ESLP, mit Bestimmtheitsmaß R2, nach Haack et al. (2003).

In der folgenden Abb. 6 ist die ESLP nach Haack et al. (2003) eingezeichnet; sie wird später zum Vergleich herangezogen.

Abb. 6: Pb/Pb Diagramm für Oberboden (gefüllte Kreise) und 13 Torfproben aus einm ombotrophen Moor (offene Kreise) der Schweizer Jura (Shotyk et al. 2001) aus Haack et al. (2003).

19Unter Anderem aus Daten von Shotyk et al. (2001), welche mit den 13 obersten Lagen eines Kerns aus einem einem ombotrophen Torfmoor aus der Schweizer Jura die damals vergangenen 240 Jahre abbilden konnten. Dies deckt also die gesamte Ära der Industrialisierung ab (Haack et al. 2003).

y=0,853x-0,930; R2=0,989 x=

208Pb

206Pb y= 207Pb

206Pb