• Keine Ergebnisse gefunden

Frisch verdünntes Flüssigsperma ist für die Besamungspraxis logistisch nur bedingt einsetzbar und seine Verwendung hängt unter anderem vom Ort und Zeitpunkt der Samenentnahme ab, insbesondere wenn männliche und weibliche Schafe nicht ortsnah gehalten werden. Dieses gilt umso mehr für geschlechtssortiertes Sperma, dessen Befruchtungskapazität im Vergleich zu nichtsortierten Spermien eingeschränkt sein kann (HOLLINSHEAD et al., 2003).

Um diese Einschränkungen zu umgehen, ist es notwendig Spermien zu konservieren.

Im Gegensatz zur Flüssigkonservierung mit einer Abkühlung der Spermien auf 0 - 5° C (MAXWELL UND SALAMON, 1993), bietet die Kryokonservierung in flüssigem Stickstoff (-196° C) die Möglichkeit zur zeitlich unbegrenzten Lagerung (MAZUR, 1980), wodurch auch ein internationaler Transport realisierbar wird. Selbst eine Aufbewahrung von Schafspermien über 27 Jahre hat keinen negativen Effekt auf die Fruchtbarkeit (SALAMON UND MAXWELL, 2000).

Die enormen Temperaturschwankungen, denen die Spermien während des Einfrier- und Auftauvorgangs ausgesetzt sind, führen jedoch unweigerlich zu einer herabgesetzten Motilität durch ultrastrukturelle, biochemische und funktionelle Schädigungen (QUINN et al., 1969; NATH, 1972). Da die Cervixpassage mit den notwendigen Besamungsinstrumenten nur unzuverlässig und mit größerem Aufwand durchquert werden kann, brachten transzervikale Besamungen nur unzureichende Resultate in Bezug auf die Ablammrate (WINDSOR et al., 1994; SANCHEZ-PARTIDA et al., 1999; CURRY, 2000). Zufriedenstellende und verlässliche Ablammergebnisse durch kryokonservierte Spermien lassen sich nur mit laparoskopischer, intrauteriner Besamung erzielen (LIGHTFOOT UND SALAMON, 1970; SALAMON UND MAXWELL, 1995b;

MASOUDI et al., 2016).

WATSON (2000) berichtet davon, dass nur ein Bruchteil der Spermien, die in den unteren weiblichen Genitaltrakt gegeben werden, den Eileiter und das Spermienreservoir im kaudalen Isthmus erreicht. Der Großteil wird aus der Vulva

4

wieder ausgeschieden oder im Genitaltrakt phagozytiert. Wird die Spermiensuspension jedoch tiefer im Genitaltrakt platziert, können auch geringere Spermienanzahlen, wie sie in kryokonservierten Spermaportionen benutzt werden, zu einer nahezu unveränderten Trächtigkeitsrate führen (WATSON, 2000).

Um die geringere Viabilität der aufgetauten Spermien auszugleichen, ist neben einer termingenauen, hormonellen Synchronisation der zu besamenden Schafe auch die exakte Positionierung der Besamungsportion in den Uterushörnern entscheidend, um das Befruchtungspotential der kryokonservierten und geschlechtssortierten Spermien voll auszuschöpfen (MAXWELL, 1986a; MAXWELL, 1986b; BEILBY et al., 2009). Dabei hat sich eine deutliche Überlegenheit der Injektion der Spermien in beide Uterushörner gegenüber der Gabe in nur ein Horn gezeigt. Bei der Verwendung von Besamungsportionen deren Spermienzahl deutlich unter der kommerziell eingesetzten liegt, konnte eine signifikante Steigerung der Trächtigkeitsrate durch eine Eileiter- statt durch intrauterine Injektion erreicht werden (MAXWELL et al., 1993).

Neben der Kryokonservierung stellt auch der Einsatz geschlechtsdifferenzierter Spermien beim Schaf eine Indikation zur intrauterinen Samenübertragung dar (EVANS et al., 2004; BEILBY et al., 2009). Durch die zahlenmäßig geringe Verfügbarkeit von Spermien, die in X- und Y-Chromosom-tragende Spermienpopulationen getrennt wurden, erfordert ihre Verwendung eine effiziente Besamungstechnik (EVANS et al., 2004).

In einer groß angelegten Untersuchung konnten HILL et al. (1998) 28.447 kommerziell durchgeführte laparoskopische Besamungen von Merinoschafen in Australien auswerten. Hierbei wurde unter Verwendung von Frischsperma eine durchschnittliche Trächtigkeitsrate von 82,2 % erreicht (n = 2.508 Besamungen). Dem gegenüber führten Besamungen mit kryokonserviertem Sperma zu Trächtigkeitsraten von lediglich 71,6 % im Falle von Straws (n = 7.877 Besamungen) bzw. 69,5 % im Falle von Pellets (n = 18.062 Besamungen). Die beiden kryokonservierten Varianten unterschieden sich hierbei nicht signifikant.

Literaturübersicht

5 2.2 Grundlagen der Kryokonservierung

Während der Kryokonservierung sind die Zellmembranen einer Vielzahl von schädigenden Stressfaktoren ausgesetzt. Dadurch, dass die Spermienzellen nur einen sehr geringen Stoffwechsel, ein sehr kleines endoplasmatisches Retikulum und einen wenig ausgebildeten Golgi-Apparat aufweisen, ist die Fähigkeit, die Membranintegrität zu erneuern, stark eingeschränkt (MEDEIROS et al., 2002).

Als schädigende Stressoren wirken unter anderem der Einfluss der Kryoprotektiva vor dem Gefrieren, die mit Dehnung und Einschrumpfung der Zellen einhergehenden Volumenschwankungen, das hyperosmotische Milieu, die Eiskristallbildung im extrazellulären Medium, sowie die hervorgerufene Dehydration (PARKS UND GRAHAM, 1992; WATSON, 2000). Messbar werden diese beeinträchtigenden Auswirkungen durch eine herabgesetzte Motilität und Veränderungen der Plasmamembran (WATSON, 1995;

HOLT, 2000a; DURU et al., 2001).

2.2.1 Kryobiologie der Abkühlung

Ziel der Abkühlung der Spermien auf 4° C ist es den Zellstoffwechsel herunterzufahren und somit die Lebensspanne der Spermien zu verlängern (MEDEIROS et al., 2002).

Darüber hinaus wird der Metabolismus der Spermien auf den anstehenden Kryokonservierungsprozess vorbereitet.

Während des Abkühlvorganges auf Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt wirken verschiedene Faktoren auf die Spermien ein, die Einfluss auf das Überleben der Zellen nehmen. Ein schnelles, initiales Abkühlen von 30° C auf 15° C hat hierbei keine negativen Auswirkungen auf die Motilität der Spermien vor und nach dem Einfriervorgang. Im Gegensatz dazu führt jedoch ein rapides Abkühlen von 30° C auf 4° C zu massiven Schädigungen der Samenzellen (FISER et al., 1986; FISER et al., 1987). Entscheidender für den Erfolg der Kryokonservierung ist jedoch das sich anschließende Temperaturfenster bis -25° C (SALAMON UND MAXWELL, 1995a).

Die schädigende Wirkung eines raschen Temperaturabfalls auf die Spermien wird als Kälteschock bezeichnet (DROBNIS et al., 1993). Schafbockspermien reagieren

6

empfindlich gegenüber rapider Abkühlung auf Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt als bei einer langsameren, über zwei Stunden dauernden Abkühlung (WATSON, 1981; WATSON UND MORRIS, 1987).

Verschiedene Studien kommen zu dem Schluss, dass die irreversiblen Schäden der Spermien im Zuge des Kälteschocks auf eine Lipidphasentransformation in der Spermienmembran zurückzuführen ist (HOLT UND NORTH, 1984; DROBNIS et al., 1993).

Dabei gehen Lipide durch die rapide Abkühlung von der flüssigen in eine Gel-Phase über. Folgen sind eine instabilere Membran, der Verlust flagellarer Aktivität, Schäden an intrazellulären Organellen und gesteigerter Permeabilität für verschiedene Ionen.

Insbesondere der Verlust an Kaliumionen, sowie die Aufnahme von Kalziumionen sind charakteristisch für die temperaturabhängige Phasentransformation der Membranlipide (WATSON UND MORRIS, 1987; DROBNIS et al., 1993; MEDEIROS et al., 2002). Ultrastrukturell zeigt sich der Kälteschock am deutlichsten in Veränderungen der akrosomalen Membran (MEDEIROS et al., 2002).

Die Spermatozoa unterschiedlicher Säugetiere unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Sensibilität in Bezug auf den Abkühlvorgang. DARIN-BENNETT UND WHITE (1977), beschrieben in ihrer Arbeit, dass die Empfindlichkeit der Spermien gegenüber dem Kälteschock abhängig von dem Cholesterol/Phospolipidverhältnis (CH/PL) in der Membran ist. Für Schafböcke wurde nachgewiesen, dass besonders die apikale Region der Akrosomenmembran von Kälteschockauswirkungen betroffen ist, was durch eine Schwellung der Membran elektronenmikroskopisch sichtbar wird (QUINN et al., 1969). Diese Lipidzusammensetzung der Spermienmembranoberfläche ist für die Fruchtbarkeit von besonderer Bedeutung, da diese Lipide direkten Einfluss auf die Interaktion und Fusion mit der Eizelle haben (PARKS UND GRAHAM, 1992).

Die erste Volumenveränderung, die von den Spermien während eines Gefrierzyklus durchlaufen wird, erfolgt in der Abkühlungsphase. Durch Zugabe der Kryoprotektiva in das Medium steigt das osmotische Potential und es kommt mit der Diffusion von Wasser aus dem Intrazellularraum zu einer Volumenverminderung. Sobald die penetrierenden Kryoprotektiva in die Spermienzellen eingedrungen sind, wird dieser

Literaturübersicht

7

Effekt aufgehoben und das Zellvolumen erreicht bei optimal abgestimmten Gefrierverdünnern seinen Ausgangswert (HAMMERSTEDT et al., 1990).

Zum weitgehenden Erhalt der Fruchtbarkeit der Spermien kann das Auftreten von Kälteschockerscheinungen reduziert werden, indem das Abkühlen in einer reduzierten Geschwindigkeit von wenigen Grad Celsius pro Minute erfolgt (WATSON, 1981; KUMAR

et al., 2003) und die Spermienmembranen durch die Zugabe von kryoprotektiven Substanzen zusätzlich geschützt werden (QUINN et al., 1980; QUINN, 1985; GRAHAM UND FOOTE, 1987; QUINN, 1989).

2.2.2 Kryobiologie des Gefriervorganges

Wie andere Zelltypen können auch Spermien eine Lagerung bei -196° C überdauern, wenn sie nach dem Abkühlen und Einfrieren das Auftauen ohne Schäden überstehen (HAMMERSTEDT et al., 1990). Dazu müssen sie jedoch zuerst einer Reihe verschiedener Einflüsse standhalten.

Im Temperaturbereich um -5° C ist das Wasser im extra- und im intrazellulären Bereich noch nicht gefroren, sondern liegt in einem unterkühlten Zustand vor. Kurz bevor -10° C erreicht werden, beginnt das Wasser im extrazellulären Medium zu gefrieren, während es in den Zellen noch unterkühlt bleibt (MEDEIROS et al., 2002).

Dadurch, dass Wasser durch extrazelluläre Eiskristalle im umgebenden Medium gebunden wird, steigt die Konzentration von Ionen und anderen osmotisch wirksamen Lösungsbestandteilen in der verbleibenden Flüssigkeit, in der sich die Zellen bewegen (MAZUR UND COLE, 1989; PEGG UND DIAPER, 1989). Durch die hohe Elektrolytkonzentration der verbleibenden Flüssigkeit wird den Zellen intrazelluläres Wasser entzogen (MAZUR UND COLE, 1989; PEGG UND DIAPER, 1989; HAMMERSTEDT et al., 1990). Folglich kommt es zu einem starken Schrumpfen der Zelle und somit zu einer zweiten Volumenveränderung.

LOVELOCK (1953) zeigte in seinen Arbeiten an humanen Erythrozyten, dass ein entscheidender Teil der Gefrierschäden auf den Einfluss der hohen

8

Elektrolytkonzentrationen während des Gefrierens zurückzuführen ist. Die verbleibende, hyperosmotische Flüssigkeit stellt sicher, dass die notwendige, zelluläre Dehydration stattfinden kann. Zu starke Dehydration führt hingegen zur irreversiblen Degeneration von Makromolekülen, extremer Schrumpfung der Zelle und fatalem Membrankollaps (GAO et al., 1997). Daher darf die Zeitspanne in der die Zelle dem starken hyperosmotischen Zustand ausgesetzt ist, nicht zu groß werden.

Ein anderer schädigender Effekt geht von den Eiskristallen aus, die sich extrazellulär um die Zellmembran bilden (QUINN, 1985). Die Phase, in welcher das Innere der Zellen gefriert bildet den Bereich der kritischen Temperatur im Gefrierprozess und befindet sich zwischen -15° C und -60° C (SALAMON UND MAXWELL, 1995a). In diesem Temperaturbereich entstehen die schwerwiegendsten Membranschäden besonders dann, wenn die beschriebene Dehydration zuvor nicht ausreichend stattgefunden hat.

Während des Auftauprozesses durchlaufen die Spermien die beschriebenen Beobachtungen erneut in umgekehrter Reihenfolge (MAZUR, 1984). Dabei ist das Ausmaß der Einflüsse von der Auftaugeschwindigkeit und damit von der Wirkungszeit abhängig (FISER et al., 1986). Für eine bestmögliche Überlebenswahrscheinlichkeit der Spermien ist es daher essentiell die Geschwindigkeit des Auftauprozesses, an die des Abkühlvorganges anzupassen (RUGG et al., 1977).

Aufgetaute Spermien zeigen häufig Membranveränderungen, die beim Einsatz von Chlortetracyclin Färbungsmuster aufweisen, die charakteristisch für Kapazitation sind (WATSON, 1995; GILLAN et al., 1997). Kapazitierte Spermien binden nicht oder nur für eine verkürzte Dauer an das Ovidukt-Epithel und zeigen dadurch nur eine begrenzte Überlebensdauer von 1 bis 8 Stunden (GILLAN UND MAXWELL, 1999; GILLAN et al., 2000). Außerdem wird durch die Kapazitation die Membranpermeabilität erhöht und die Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) verstärkt (AMIDI et al., 2016).

Die optimale Gefrierrate zeichnet sich dadurch aus, dass sie einerseits eine langsame Abkühlung gewährleistet, um letale Effekte durch intrazelluläre Eiskristallbildung zu verhindern und die Dehydration der Zelle ermöglichen. Andererseits muss der Einfriervorgang schnell genug stattfinden, um die osmotische Schäden durch ein zu

Literaturübersicht

9

langes Verweilen in der hypertonen extrazellulären Salzlösung zu verhindern (HOLT, 2000b). Eine genau auf Schafspermien und das Verdünnersystem abgestimmte Gefrier- und Auftaurate ist somit entscheidend für die fertilitätserhaltende Kryokonservierung.

2.2.3 Ausgewählte Kryoprotektiva und Verdünnerbestandteile

Deutliche Verbesserungen bei der Kryokonservierung von Bullenspermien konnten PHILLIPS UND LARDY (1940) durch den Einsatz von Eidotter im Gefriermedium erreichen. Grundlegend für die Entwicklung neuer Verdünnersysteme war außerdem die Entdeckung der kryoprotektiven Eigenschaft von Glycerin, welche zuerst an Geflügelspermien festgestellt wurde (POLGE et al., 1949). Ein großer Schritt in der weiteren Entwicklung der Tiefgefriermedien war die aussichtsreiche Kombination der beiden zuvor untersuchten Zusätze Eidotter und Glycerin, was zu einer deutlich verbesserten Motilität der Spermien nach dem Auftauen führte (STEINBACH UND FOOTE, 1964).

Auch wenn die genaue Schutzwirkung des Eidotters nicht vollständig geklärt ist, wurde nachgewiesen, dass die Hauptwirkung auf die low density lipoprotein fraction (LDL) zurückgeht (PACE UND GRAHAM, 1974; WATSON, 1976). Die Vermutung liegt nahe, dass der schützende Effekt auf eine Bindung der Eibestandteile an die äußere Membran der Spermatozoen zurückzuführen ist. Diese Bindung des Eidotters an die Zellmembran konnte WATSON (1975) durch einen Fluoreszenzmarker sichtbar machen. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Partikel an die Membran anlagern und diese ummanteln. Ebenso konnten radioaktivmarkierte Eidotterpartikel auch nach intensiven Waschvorgängen noch an den Membranen von Bullenspermien nachgewiesen werden (FOULKES, 1977). Die Ergebnisse von WATSON (1976) legen außerdem die Schlussfolgerung nahe, dass Spermien von Schafböcken weniger stark von den positiven Auswirkungen der LDL profitieren als die von Bullen.

Die größte Schutzwirkung für die Spermien während des Abkühlvorganges nahe des Gefrierpunkts von Wasser wird dem Verdünnerbestandteil Eidotter zugesprochen

10

(MAXWELL UND SALAMON, 1993). Außerdem erhält es die Überlebensfähigkeit der Spermien bei Verdünnung, sowie dem Einfrier- und Auftauprozess, wobei es die Motilität und die Integrität der akrosomalen und mitochondrialen Membranen erhält (SALAMON UND MAXWELL, 1995a).

Um Alternativen zu Glycerin in Gefriermedien zu finden, welche die in Kapitel 2.2.4 toxischen Eigenschaften nicht aufweisen, wurde an alternativen Zusätzen geforscht.

SALAMON (1968) gelangte zu dem Ergebnis, dass Ethylenglykol für Schafbockspermien weniger Schutz bietet als das Glycerin. Auch DMSO war Glycerin unterlegen (SALAMON, 1968; MOLINIA et al., 1994).

Eine wesentliche Funktion zum Erhalt der spermatologischen Qualitätsmerkmale nimmt die Homöostase aus reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) und Antioxidantien (AO) ein (SIKKA et al., 1995; BANSAL UND BILASPURI, 2010). Die physiologisch im Seminalplasma vorliegenden antioxidativ wirksamen Enzyme bilden für die Spermien einen wirksamen Schutz vor oxidativem Stress und damit assoziierten Folgephänomenen wie die Fragmentierung des Erbguts oder der Lipidoxidation der Membransysteme (POTTS et al., 2000; MUINO-BLANCO et al., 2008). Verschiedene Autoren berichten von einer Verschiebung dieses Gleichgewichtszustandes zu Gunsten der ROS durch eine Vielzahl von Einflüssen während des Kryokonservierungsprozesses, wie starke Verdünnung des Seminalplasmas, Kälteschock oder Veränderungen im Zellvolumen (MAXWELL UND JOHNSON, 1999;

LOPEZ-FERNANDEZ et al., 2008; LOPEZ-FERNANDEZ et al., 2010; AMIDI et al., 2016). Somit lassen sich auch die Kälteschockschäden, die während der Abkühlung von verdünnten Schafbockspermien auftreten, durch Antioxidantien mildern (HAMMERSTEDT et al., 1978; PERIS et al., 2007). Aus diesem Grund sind Substanzen mit antioxidativem Charakter essentielle Bestandteile in den gängigen Verdünnersystemen zur Kryokonservierung von Schafbockspermien (MATA-CAMPUZANO et al., 2015; ALLAI et al., 2018).

Literaturübersicht

11 2.2.4 Die besondere Rolle des Glycerins

Seitdem POLGE et al. (1949) zum ersten Mal die Vorteile des Einsatzes von Glycerin als Schutz beim Gefrieren von Spermien entdeckt und beschrieben haben, ist Glycerin die wohl meist eingesetzte kryoprotektive Substanz (BAILEY et al., 2000; SALAMON UND

MAXWELL, 2000). Die Etablierung von Glycerin als wichtiger Baustein der Reproduktionstechnik wurde weiterhin durch die Eignung zur Konservierung in Flüssigstickstoff (LN2) begünstigt (STEINBACH UND FOOTE, 1964). Seither hat Glycerin Einzug in die Kryokonservierungsprotokolle für die verschiedensten Zelltypen gehalten und ist besonders für die zeitlich unbegrenzte Lagerung von Spermien im gefrorenen Zustand unverzichtbar (MOLINIA et al., 1994).

Glycerin ist der Trivialname des dreiwertigen Alkohols Propan-1,2,3-triol. Die bei Raumtemperatur farblose, klare, hygroskopische und geruchslose Flüssigkeit weist einen, seinem Namen entsprechenden süßlichen Geschmack auf. Seine Viskosität nimmt mit abfallender Temperatur kontinuierlich zu, bis bei -43°C ein Gefrieren mit einer Kristallisationsrate von unter 10-4 mm pro Minute einsetzt. (BAUST, 1973;

HOFFMANN, 2007).

Glycerin verändert die kolligativen Eigenschaften von Wasser, was den Gefriervorgang besonders in Bezug auf den osmotischen Druck und die Gefrierpunktserniedrigung positiv beeinflusst (LOVELOCK UND POLGE, 1954; MAZUR, 1984). Dadurch kommt es zu einem Salzpuffer-Effekt, der die Dissoziation der Salze und damit einen Anstieg der Salzkonzentration auf ein schädigendes Level unterbindet (LOVELOCK UND POLGE, 1954; ROWE, 1966; HOFFMANN, 2007). Weiterhin wird von ROWE (1966) die These vertreten, dass durch die Einflussnahme auf die Ionenkonzentrationen Membrandenaturierung und intrazelluläre Eiskristallbildung verhindert werden können.

Ein anderer Schutzmechanismus des Glycerins besteht in seiner Fähigkeit ein Wassergitter zu bilden, wodurch ein Zustand erreicht wird, der dem gefrorenen ähnelt und so die Zelle vor dem eigentlichen Gefriervorgang stabilisiert (KAROW UND WEBB, 1965). Außerdem kann man die erhöhte Überlebensrate in Anwesenheit von Glycerin und anderen Schutzsubstanzen mit ihrer Fähigkeit erklären Wasserstoffbrücken zu

12

bilden (DOEBBLER UND RINFRET, 1965). Besonders die drei Hydroxyl-Gruppen des Glycerins erweisen sich dabei als hilfreich.

Aufgrund der Beobachtungen kann man Glycerin sowohl Wirkeigenschaften im extra- als auch im intrazellulären Raum zuordnen. Die Versuche von BERNDTSON UND FOOTE

(1972b) weisen eine Schutzwirkung von Glycerin ohne Diffusion in die Zelle nach.

Andere Autoren konnten mit ihren Untersuchungen nahelegen, dass Glycerin auch eine wichtige Funktion beim Schutz der Plasmamembran übernimmt, indem die Stabilität, Permeabilität und die Interaktion der Membranbestandteile geschützt werden (BALLAS, 1981; O'LEARY UND LEVIN, 1984; ALVAREZ UND STOREY, 1993).

Bereits zu Beginn der Arbeiten zur Kryokonservierung mit Glycerin stand auch die Toxizität der Substanz im Fokus (COLAS, 1975; FISER UND FAIRFULL, 1984; FAHY, 1986).

Viele Untersuchungen zielten darauf ab, für die jeweilige Tierart und den jeweiligen Verdünner die optimale Glycerinkonzentration zu ermitteln (SHERMAN UND LIU, 1973).

Dabei sollte die verwendete Menge hoch genug sein, um eine bestmögliche Schutzwirkung zu erzielen. Gleichzeitig aber wird die eingesetzte Glycerinmenge nach oben hin durch die toxischen Effekte limitiert (FAHY, 1986; DE LEEUW et al., 1993). Die Toxizität wird maßgeblich durch die Dauer der Exposition, sowie die Temperatur im Mischmoment beeinflusst (BERNDTSON UND FOOTE, 1972a; WILMUT UND POLGE, 1974).

Für Schafspermien wurde in diesem Zusammenhang nachgewiesen, dass die Zugabe von Glycerin bei +30° C signifikant schlechtere Auftaumotilitäten ergab, als wenn die Schutzsubstanz erst nach dem Abkühlvorgang bei +4° C zugegeben wurde (COLAS, 1975; GIL et al., 2003).

Die jeweilige Optimalkonzentration an Glycerin ist von den Inhaltstoffen der Verdünnermedien, sowie ihrer Zusammensetzung und der Gefrierrate abhängig (SALAMON, 1968; FISER UND FAIRFULL, 1986; SALAMON UND MAXWELL, 1995a). Bezüglich des idealen Glyceringehaltes für die Konservierung von Schafspermien gibt es folglich sehr unterschiedliche Angaben. Einige Autoren sehen eine Konzentration zwischen 6 – 8 % als Optimum an (SALAMON UND MAXWELL, 1995a). Das deckt sich jedoch nicht mit anderen Arbeiten, in denen die besten Ergebnisse mit einem Glyceringehalt von

Literaturübersicht

13

4 % erzielt wurden (COLAS, 1975; FISER UND FAIRFULL, 1989). COLAS (1975) führte als weitere Begründung für diese Diskrepanz in den Ergebnissen an, dass die optimale Glycerinkonzentration neben der jeweiligen Verdünnerzusammensetzung auch von der Spermienkonzentration der Suspension und somit von dem Verhältnis von Glycerinmolekülen pro Spermium abhängt.

In einer neueren Studie zur optimalen Glycerinkonzentration konnten BEILBY et al.

(2010) nachweisen, dass ihre geschlechtssortierten Proben je nach Spermienkonzentration in Hinblick auf ihre Motilität unterschiedlich auf verschiedene Glycerinkonzentrationen im Tiefgefriermedium reagieren. So führte der Einsatz von 5 %, 6 % oder 8 % Glycerin in Proben mit 80 x 106 Spermien/ml zu keinem signifikanten Unterschied. Waren die Spermien jedoch auf 20 x 106 je Milliliter verdünnt, so konnte die beste Motilitätsrate von über 80 % nur mit dem 5 %igem Medium erzielt werden. Die 6 %-Probe lag bei ca. 65 % und die mit 8 % Glycerin bei knapp über 30 %. Mit 6 % und 8 % Glycerin zeigten die Spermien nach 4 Stunden kaum noch Motilität. Auch mit dem 5 % Glyceringehalt nahm diese nach 6 h auf einen einstelligen Wert ab.

14 2.3 Kryokonservierung von Schafspermien

Säugetierspermien sind evolutionär nicht dazu ausgelegt Temperaturschwankungen zu ertragen. Im Hoden sind die Schafbockspermien von ungefähr 34,9° C warmen Gewebe umgeben (COULTER et al., 1988). Ihr vorbestimmter Weg führt sie aus den Hoden, in den Nebenhodenschwanz und bei der Ejakulation durch den Samenleiter und Harnröhre direkt in den weiblichen Genitaltrakt, wo eine Temperatur von ca. 39° C herrscht (ABRAMS et al., 1971).

Die Ansprüche der Spermien von verschiedenen Spezies an das für sie optimale Einfrierprotokoll unterscheiden sich außerdem durch ihre Zellformen, -volumen, Organellengröße und deren Zusammensetzung (CURRY et al., 1996; MEDEIROS et al., 2002).

WATSON (2000) berichtete davon, dass 40 - 50 % der Spermien die Kryokonservierung trotz optimierter Verarbeitungsverfahren nicht überleben. Die folglich auftretende, reduzierte Fertilität begründete er einerseits durch verminderte Viabilität und andererseits durch subletale Schädigungen der verbleibenden Spermienpopulation.

Zur verringerten Überlebensfähigkeit von Spermien nach dem Kryokonservierungs-prozess kommt erschwerend hinzu, dass die embryonale Sterblichkeit erhöht ist (SALAMON UND LIGHTFOOT, 1967). Dieser Effekt wurde von verschiedenen Wissenschaftlern unterschiedlich deutlich festgestellt und basiert wahrscheinlich auf der Invasivität der Besamungsmethode, sowie dem Besamungszeitpunkt (SALAMON

UND MAXWELL, 1995b).

2.3.1 Kryokonservierung von Schafbockspermien in Pellets

Für die Kryokonservierung von Schafbocksperma in Pellets existieren verschiedene Verfahren, die ausführlich in der Literatur beschrieben wurden (DE GRAAF et al., 2007b;

DE GRAAF et al., 2007c; BEILBY et al., 2009).

Zentraler Verfahrensschritt ist das Platzieren der Spermiensuspension auf einer Trockeneisplatte, in die zuvor Mulden eingelassen wurden. Die Besamungsportionen

Literaturübersicht

15

werden bis zum vollständigen Gefrieren auf der Trockeneisplatte belassen und im Anschluss direkt in den LN2 überführt.

In einer umfangreichen Studie konnten MAXWELL et al. (1995) die Überlegenheit der Pelletmethode hinsichtlich der Spermienmotilität nach dem Auftauen gegenüber der Benutzung von 0,5 ml und 0,25 ml PVC-Straws belegen. Vergleichbare Ergebnisse wie mit dem Gefrieren in Pellets auf Trockeneis ließen sich nur mit 0,25 ml Minitubes erzielen. Auch in vorhergegangenen in vivo Experimenten konnten bessere Trächtigkeitsraten durch Besamungen mit Spermienpellets statt Straws erzielt werden (MAXWELL et al., 1980).

Die Gefriergeschwindigkeit kann dabei durch das Volumen der Pellets und somit durch das Oberflächen-Volumen-Verhältnis reguliert werden (SALAMON UND MAXWELL, 1995a). Für Pelletvolumina von 0,03 bis 0,86 ml wurden keine signifikanten Abweichungen der Motilität nach dem Auftauen festgestellt (LIGHTFOOT UND SALAMON, 1969; VISSER, 1974).

LIGHTFOOT UND SALAMON (1969) maßen hierzu mittels eines Chromel-Alumel-Thermoelements den Temperaturabfall in Pellets von 0,032 bis 0,864 ml während des Gefriervorgangs. Abhängig vom Pelletvolumen zeigt sich ein sigmoider Temperaturverlauf mit einer langsameren initialen Abkühlungsphase von 0 bis ca. -5° C gefolgt von einem rapiden Temperaturabsinken bis sich die Pellettemperatur der der Trockeneisplatte von ungefähr -78° C annähert.

Für den Erfolg der Kryokonservierung ist das Auftauprozedere genauso entscheidend

Für den Erfolg der Kryokonservierung ist das Auftauprozedere genauso entscheidend