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4. Steuerliche Auswirkungen für Unternehmer

4.1.3. Innerstaatlicher Betriebsstättenbegriff

Der Begriff der Betriebsstätte spielt in vielen Bereichen des österreichischen Abgabenrechts eine große Rolle. Gerade auch die Vielzahl an EAS-Entscheidungen und Rechtsprechung, die zu diesem Thema ergangen ist, zeigt die Wichtigkeit dieses Themenbereiches.318

Die Betriebsstätte wird in § 29 BAO definiert.

„§ 29. (1) Betriebsstätte im Sinn der Abgabenvorschriften ist jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung eines Betriebes oder wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 31) dient.

(2) Als Betriebsstätten gelten insbesondere

a) die Stätte, an der sich die Geschäftsleitung befindet;

b) Zweigniederlassungen, Fabrikationsstätten, Warenlager, Ein- und Verkaufsstellen, Landungsbrücken (Anlegestellen von Schiffahrtsgesellschaften), Geschäftsstellen und sonstige Geschäftseinrichtungen, die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des „Betriebes“ dienen;

c) Bauausführungen, deren Dauer „sechs“ Monate überstiegen hat oder voraussichtlich übersteigen wird.“

Im Absatz 1 wird eine allgemeine Definition einer Betriebsstätte formuliert. Was nun genau als „feste örtliche Anlage oder Einrichtung“ anzusehen ist, wird im Gesetz nicht näher erläutert. In der Literatur ist man der Ansicht, dass es keiner speziellen baulichen Vorrichtungen oÄ bedarf. Es muss keine umschlossene Räumlichkeit vorliegen.319 Die feste örtliche Anlage muss aber dafür geeignet sein, dass die betriebliche Tätigkeit durchgeführt werden kann, dh dass sie dem Betrieb unmittelbar dienen kann.320 Als Betriebsstätte in

314 Vgl. EStR 2000, Rz 7938.

315 Vgl. Binder, Steuerrechtliche Auswirkungen von Mitarbeiterentsendungen aus Arbeitgeberperspektive, in Kopecek (Hrsg), Personalentsendung in der Praxis (2016) 45 (64).

316 Vgl. Art 7 iVm Art 5 OECD-MA 2017.

317 Vgl. EStR 2000, Rz 7940.

318 Vgl. Bachner, Der Betriebsstättenbegriff nach dem innerstaatlichen Abgabenrecht, SWI 2002, 284 (284).

319 Vgl. Bachner, SWI 2002, 287.

320 Vgl. VwGH 25.11.1992, 91/13/0144.

diesem Sinne kann daher bspw eine Wohnung321 oder auch ein Arbeitsplatz in einem Großraumbüro322 gelten.

Damit eine örtliche Anlage oder Einrichtung als Betriebsstätte gilt, muss das Unternehmen über eine „nicht nur vorübergehende“ Verfügungsmacht über diese Anlage verfügen.323 Dabei ist es aber nicht notwendig, dass sich diese Einrichtung im Eigentum des Unternehmens befindet. Es ist nur notwendig, dass eine faktische Verfügungsmacht gegeben ist. Es ist somit auch möglich, dass ein Mietobjekt oder auch die Mitbenützung von Büroräumlichkeiten für die Begründung einer Betriebsstätte iSd § 29 BAO ausreicht.324 Wie lange eine solche feste örtliche Anlage bestehen bzw benutzt werden muss, um als Betriebsstätte zu gelten, ist strittig.325 Gerade aber bei grenzüberschreitenden Einsätzen von Mitarbeitern, die mitunter auch nur für ein paar Monate dauern, ist dieser Punkt essenziell.

Der § 29 Abs 2 lit c BAO regelt für Bauausführungen, dass diese nur dann eine Betriebsstätte begründen können, wenn diese länger als sechs Monate besteht. Diese sechs Monatsfrist ist aber nach herrschender Meinung auch für andere Einrichtungen heranzuziehen.326

In § 29 Abs 2 BAO werden beispielhaft einzelne Sachverhalte aufgezählt, die insbesondere als Betriebsstätte iSd BAO gelten. Diese Aufzählung ist jedoch nicht als abschließende Aufzählung zu verstehen. Damit diese Beispiele als Betriebsstätte gelten, müssen sie den allgemeinen Vorschriften gemäß Abs 1 entsprechen.327

Neben der Regelung in der BAO gibt es auch in anderen Bereichen des Abgabenrechts, die ebenfalls für diese Arbeit relevant sind, Definitionen einer Betriebsstätte. Diese gelten, als lex specialis explizit für die vorgesehenen Anwendungsbereiche.328

4.1.3.1. Betriebsstätte nach § 81 EStG – die lohnsteuerliche Betriebsstätte

Zu den bereits erläuterten Regelungen in der BAO gibt es aber für Zwecke der Arbeitgeberpflicht, zum Lohnsteuerabzuges im EStG, noch eine weitere Art einer Betriebsstätte. Gemäß § 81 EStG gilt eine feste örtliche Einrichtung oder Anlage, die der Ausübung von Tätigkeiten durch Arbeitnehmer dient und länger als einen Monat besteht, als Betriebsstätte. Der Begriff der lohnsteuerlichen Betriebsstätte ist also weiter gefasst, als jener gemäß § 29 BAO. Es sind nicht nur die Einrichtungen erfasst, die dem (wirtschaftlichen) Betrieb des Unternehmens dienen, sondern auch jene, die der ausgeführten Tätigkeit des Arbeitnehmers dienen. Außerdem ist eine Dauer von einem Monat bereits ausreichend, um eine lohnsteuerliche Betriebsstätte zu begründen.329

321 Vgl. VwGH 12.12.1995, 94/14/0060.

322 Vgl. EAS 1613 vom 13.3.2000.

323 Vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung6 § 29 Rz 7.

324 Vgl. Schaubmair, Betriebsstätte, in Koller/Schuh/Woischitzschläger (Hrsg), Handbuch zur Praxis der steuerlichen Betriebsprüfung35 (2018) 1 (4 f).

325 Vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung6 § 29 RZ 3.

326 Vgl ua BFH I B 136/53 U, Dauer für BS-Begründung BStBl III 1954, 179; VwGH 21.5.1997, 96/14/0084.

327 Vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung6 § 29 Rz 9.

328 Vgl. Bachner, SWI 2002, 284.

329 Vgl. LStR 2002, Rz 1206.

Die Lohnsteuerrichtlinien erläutern hier für den Fall einer Personalentsendung nach Österreich außerdem, dass es bei Vorliegen einer Aktivleistung zu einer Begründung einer Betriebsstätte gemäß § 81 EStG kommen kann, wenn die Dauer der Tätigkeit einen Monat übersteigt.330

Eine solche § 81 EStG Betriebsstätte hat aber auf die Beurteilung des Besteuerungsrechts der Einkünfte der Unternehmen keine Auswirkungen. Grund dafür ist der, dass es zur tatsächlichen Besteuerung im Inland eine Betriebsstätte gemäß § 29 BAO bzw gemäß internationalem Steuerrecht bedarf. Diese wird aber regelmäßig nicht bereits nach einem Monat begründet.331 Somit würde auch eine bestehende Lohnsteuerabzugsverpflichtung gemäß § 81 EStG aufgrund des fehlenden Besteuerungsanspruchs ins Leere gehen.332 Im Falle einer Passivleistung entsteht keine Betriebsstätte gemäß § 81 EStG, da der Arbeitgeber gemäß § 47 EStG (das ist gemäß innerstaatlicher Auslegung grundsätzlich der zivilrechtliche Arbeitgeber) keine Verfügungsmacht über die Einrichtungen, in denen der Arbeitnehmer tätig ist, hat.333 Bei Überlassungen vom Inland ins Inland ist regelmäßig der Überlasser (als zivilrechtlicher Arbeitgeber und somit als Arbeitgeber gemäß § 47 EStG) derjenige, der zum Lohnsteuerabzug verpflichtet ist.334 Nachdem aber, wie bereits im vorstehenden Kapitel erläutert, bei einer grenzüberschreitenden Überlassung auf den wirtschaftlichen Arbeitgeber abgestellt wird, wäre es durchaus denkbar, dass es künftig auch zu einem Lohnsteuerabzug durch den Beschäftiger kommen kann.335

4.1.3.2. Betriebsstätte nach § 4 KommStG – die Betriebsstätte für Zwecke der Kommunalsteuer

Eine weitere Definition einer Betriebsstätte, die für den grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz relevant ist, findet sich im § 4 Kommunalsteuergesetz (KommStG). Eine Kommunalsteuer-Betriebsstätte liegt vor, wenn eine feste örtliche Anlage oder Einrichtung vorliegt, die entweder unmittelbar oder auch nur mittelbar der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit dient.336 Auch diese Begriffsdefinition ist wesentlich weiter gefasst als jene gemäß § 29 BAO, weil hier jede unternehmerische Tätigkeit umfasst ist bzw auch mittelbare Dienstleistungen eine Betriebsstätte begründen.337

Durch die Definition einer „mittelbaren“ unternehmerischen Tätigkeiten, entsteht gemäß § 4 KommStG auch für Arbeitskräfteüberlassungen eine Betriebsstätte des Überlassers am Ort des Beschäftigers. Dabei definiert das BMF in der Information zum Kommunalsteuergesetz eine Arbeitskräfteüberlassung als „[…] jede unternehmerische Überlassung von Arbeitskräften an Dritte gegen Entgelt.[…]“338. Somit entsteht gemäß innerstaatlichem Recht auch für ausländische Unternehmer, die ihre Arbeitnehmer nach

330 Vgl. LStR 2002, Rz 1207.

331 Näheres zur Betriebsstättenqualifikation gemäß internationalem Recht siehe Kapitel 4.2.1.

332 Vgl. Binder in Kopecek 62.

333 Vgl. Binder in Kopecek 62.

334 Vgl. Haas/Hollaus/Poglies-Schneiderbauer, SWK-Spezial Arbeitskräfteüberlassung1 68.

335 Vgl. Steiner, VwGH zum Arbeitgeberbegriff im DBA-Recht - alle Unklarheiten beseitigt? taxlex 2013, 420 (422).

336 Vgl. § 4 Kommunalsteuergesetz 1993 BGBl 819/1993 idgF.

337 Vgl. Haas/Hollaus/Poglies-Schneiderbauer, SWK-Spezial Arbeitskräfteüberlassung1 87.

338 Info des BMF vom 29. Jänner 2018, BMF-010222/0114-IV/7/2017 Information zum Kommunalsteuergesetz (KommStG), Rz 103.

Österreich überlassen (Inbound-Überlassung), eine Kommunalsteuer-Betriebsstätte.

Dieselbe Regelung sollte daher bei gleicher Auslegung auch für Outbound-Überlassungen gelten. Hier wurde aber aufgrund des Fehlens einer inländischen Betriebsstätte gemäß

§ 1 iVm § 4 KommStG und der zivilrechtlichen Zugehörigkeit des Arbeitnehmers zur Betriebsstätte des Überlassers davon ausgegangen, dass der Dienstnehmer in seiner österreichischen Betriebsstätte kommunalsteuerpflichtig bleibt.339 Genau für diesen Fall, nämlich zur Frage einer Betriebsstätte nach § 4 KommStG bei einer Outbound-Überlassung, gab es im Jahr 2015 ein VwGH-Erkenntnis340, dass die Auslegung der KommSt-Betriebsstätte grundlegend beeinflusste. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das KommStG dahingehend ausgelegt, dass für eine Überlassung von Arbeitskräften ins Ausland, der inländische Überlasser, unabhängig von der Dauer des Auslandseinsatzes, Steuerschuldner der Kommunalsteuer bleibt.341

Im Erkenntnis vom Oktober 2015 stellte der VwGH fest, dass für Dienstnehmer, die ins Ausland überlassen werden, keine Kommunalsteuerpflicht im Inland besteht, da diese nach

§ 4 KommStG in einer ausländischen Betriebsstätte tätig werden. Grund dafür ist, dass eine Betriebsstätte gemäß § 4 KommStG nicht bloß am Ort der Verwaltung des Überlassers besteht, sondern auch dort, wo die Arbeitnehmer tätig werden, nämlich in der Betriebsstätte des Beschäftigers. Damit ist bei Überlassung von Dienstnehmern ins Ausland ab dem ersten Tag des Einsatzes keine Kommunalsteuer zu entrichten.342 Aufgrund dieser Rechtsprechung wurde mit dem AbgÄG 2016 der § 4 KommStG um den Absatz 3 erweitert. § 4 Abs 3 KommStG definiert noch zusätzlich, dass bei einer Arbeitskräfteüberlassung nach Ablauf von sechs Monaten beim Beschäftiger eine Betriebsstätte für den Arbeitskräfteüberlasser entsteht.343 Damit verbleibt bei Outbound-Überlassungen für sechs Monate die Kommunalsteuerpflicht in der Betriebsstätte des Überlassers und erst nach Ablauf dieser Frist entsteht eine Betriebsstätte im Ausland.

Der Betriebsstättenbegriff im nationalen Recht ist für die grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätze, somit nicht nur rein nach § 29 BAO zu beurteilen. Es sind außerdem die Regelungen im § 81 EStG und auch jene im § 4 KommStG zu beachten. Warum gerade das Kommunalsteuergesetz in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielt, wird im nächsten Kapitel, der Lohnnebenkosten im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Einsätzen, behandelt.