• Keine Ergebnisse gefunden

3. Steuerliche Auswirkungen für Mitarbeiter

3.2. Anzuwendende internationale Nomen

3.2.2. Art 4 OECD – MA „Ansässigkeit“

Für die Anwendbarkeit eines DBA ist zunächst die Frage der Ansässigkeit der involvierten Personen klar zu definieren. Das Ergebnis der Untersuchung der Ansässigkeit hat Auswirkung darauf, ob und in wie weit das Abkommen für die Person anwendbar ist149, wie sich die Verteilungsnormen auswirken und an welchen der Vertragsstaaten sich Art 23 OECD-MA richtet. Die Definition gemäß OECD-MA lautet wie folgt:

„Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck ‚eine in einem Vertragstaat ansässige Person‘ eine Person, die nach dem Recht dieses Staates dort aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist, und umfasst auch diesen Staat und seine Gebietskörperschaften. Der Ausdruck umfasst jedoch nicht eine Person, die in diesem Staat nur mit Einkünften aus Quellen in diesem Staat oder mit in diesem Staat gelegenem Vermögen steuerpflichtig ist.“150

Der Begriff „Person“ wird in Art 3 OECD-MA definiert und umfasst sowohl natürliche Personen, Gesellschaften als auch alle anderen Personenvereinigungen.151 Somit sind die Mitarbeiter, die grenzüberschreitend tätig werden, ebenfalls Personen im Sinne des OECD-MA.

3.2.2.1. Grundregeln Ansässigkeitsbestimmung

Das Abkommen knüpft für die Beurteilung der Ansässigkeit an die Steuerpflicht dieser Person an. Dabei ist aber nicht eine bloße Steuerpflicht aufgrund von Quelleneinkünften gemeint, sondern vielmehr eine universelle Steuerpflicht, dh eine Steuerpflicht für das gesamte Welteinkommen dieser Person.152 Dieses Besteuerungsrecht entspricht in

148 Vgl. Morawitz in Kopecek 96.

149 Vgl. Art 1 OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (OECD-MA 2017).

150 Art 4 Abs 1 OECD-MA 2017.

151 Vgl. Art 3 Abs 1 lit a OECD-MA 2017.

152 Vgl. Schlager, Die Einschränkung der Ansässigkeit bei bloß inländischen Einkunftsquellen nach Art 4 Abs 1 Satz 2 OECD-MA, in Lang (Hrsg), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (2008) 89 (94).

Österreich der unbeschränkten Steuerpflicht. Jedoch darf eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich nicht immer auch mit dem Universalprinzip des OECD-MA gleichgesetzt werden. 153

Das veranschaulicht § 1 Abs 4 EStG, welcher aufgrund des Schumacker-Urteils des EuGH154 ergangen ist. Hier wurde einem belgischen Staatsbürger, der auch in Belgien ansässig war, aber seine Einkünfte im Wesentlichen aus Deutschland bezog und damit in Deutschland beschränkt steuerpflichtig war, gegenüber den in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen benachteiligt. Der EuGH entschied in diesem Zusammenhang, dass dies nicht dem EU-Recht entspricht, da es hier zu einer Diskriminierung anderer EU-Bürger im Vergleich zu deutschen Bürgern mit vergleichbaren Verhältnissen kommt.155 Somit hat der in Belgien ansässige Steuerpflichtige dieselben Rechte zugesprochen bekommen, wie auch in Deutschland lebende, unbeschränkt steuerpflichtige Personen.

Wie bereits erläutert, ist im österreichischen Steuerrecht aufgrund dieses Urteils

§ 1 Abs 4 EStG ergangen. Hier wird geregelt, dass eine nicht in Österreich ansässige Person zur unbeschränkten Steuerpflicht optieren kann, wenn die Einkünfte in einem Jahr mindestens zu 90% der österreichischen Einkommensteuer unterliegen oder wenn die ausländischen Einkünfte, die nicht der österreichischen Einkommensteuer unterliegen, nicht mehr als Euro 10.000 im Jahr betragen. Trotz der Option zur unbeschränkten Steuerpflicht wird jedoch nicht das gesamte Welteinkommen in Österreich besteuert, sondern lediglich die Einkünfte gemäß § 98 EStG, die in Österreich erzielt werden. Damit liegt hier materiell das Territorialitätsprinzip und eben nicht das von der OECD geforderte Universalitätsprinzip vor. Damit wäre es falsch davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige aufgrund dieser Option und der damit zusammenhängenden unbeschränkten Steuerpflicht gleichzeitig als in Österreich ansässig gilt. Daraus alleine ergibt sich also keine Anwendung des DBA Österreich.156

Die Frage, ob für Bestimmungen zum Wohnsitz bzw. ständigen Aufenthalt im DBA-Recht die innerstaatlichen Regelungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt ausschlaggebend sind, wird in der Literatur grundsätzlich bejaht.157 Diese Ansicht ist auch durchaus schlüssig, da für eine Universalsteuerpflicht eben eine unbeschränkte Steuerpflicht in Österreich notwendig ist. Dementsprechend müssen auch grundsätzlich die Voraussetzungen gemäß § 1 EStG iVm § 26 BAO erfüllt sein. Das Abkommen geht für die Beurteilung der Ansässigkeit jedoch noch weiter und bestimmt noch weitere Merkmale, die zu einer Ansässigkeit im jeweiligen Vertragsstaat führen können. Der Wohnsitz oder ständige Aufenthalt sind daher nur Regelbeispiele, aber keine abschließende Aufzählung.

Die Passage „ein anderes ähnliches Merkmal“ aus Art 4 Abs 1 OECD-MA lässt darauf schließen, dass eben nicht nur diese Merkmale zur Ansässigkeit iSd OECD-MA führen können. Wesentlich ist, dass die Merkmale ähnlich sind. Damit ist eine gewisse Ortsbezogenheit als grundlegendes Merkmal gemeint. Das Abkommen legt jedoch keine

153 Vgl. Staringer, Die Ansässigkeit aufgrund des Wohnsitzes, des ständigen Aufenthalts, des Ortes der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals nach Art 4 Abs 1 OECD-MA., in Lang (Hrsg), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (2008) 67 (71).

154 EuGH 14.2.1995, Rs C-279/93, Schumacker.

155 Vgl. EuGH 14.2.1995, Rs C-279/93, Schumacker, Rz 36ff.

156 Vgl. Staringer in Lang 71 f.

157 Vgl. Tumpel/Luketina, Art. 4, in Aigner/Kofler/Tumpel (Hrsg), DBA (2016) 184 (Rz 7).

näheren Anforderungen wie bspw die Dauer, die Qualität oder die Intensität der Ortsgebundenheit fest.158 Damit eine Person iSd Art 4 Abs 1 OECD-MA steuerpflichtig ist, ist es nicht notwendig, dass diese Person auch tatsächlich einer Besteuerung unterliegt. Es genügt hier, dass eine unbeschränkte Steuerpflicht aufgrund der Ansässigkeit grundsätzlich gegeben ist.159

Damit eine Person unbeschränkt steuerpflichtig in Österreich ist, ist es wie schon im Kapitel 3.1.1.1. beschrieben notwendig, einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland zu haben. Beim Wohnsitz handelt es sich eindeutig um eine ortsbezogene Einrichtung und diese führt in weiterer Folge daher zu einer Ansässigkeit gemäß Art 4 Abs 1 OECD-MA. Eine etwaige Ausnahme wie zB die innerstaatliche Regelung für einen Zweitwohnsitz kennt Art 4 Abs 1 OECD-MA jedoch nicht. Demnach wäre auch eine Wohnung, die den Voraussetzungen eines Zweitwohnsitzes nach innerstaatlichem Recht entspricht, grundsätzlich ansässigkeitsbegründend. Der Haken hierbei ist aber die zweite Voraussetzung, nämlich der Umstand, dass die Person im Ansässigkeitsstaat unbeschränkt steuerpflichtig sein muss. Gerade aufgrund der Zweitwohnsitzverordnung werden diese Personen von der unbeschränkten Steuerpflicht ausgenommen. Daher ist die Ansässigkeit gemäß Art 4 Abs 1 OECD-MA bei Anwendung der Zweitwohnsitzverordnung nicht gegeben. Anhand dieses Beispiels wird sehr gut ersichtlich, dass der Gesetzgeber hier eine gute Möglichkeit hat, in das grundlegende Recht der Abkommen mittels innerstaatlicher Normen einzugreifen.160

Auf die Voraussetzungen zur Erfüllung des Tatbestandes des gewöhnlichen Aufenthalts wurde ebenfalls im Kapitel 3.1.1.1. näher eingegangen. Für Zweifelsfragen dazu wurde innerstaatlich eine Sechsmonatsfrist für die Definition eines gewöhnlichen Aufenthalts definiert. DBA-rechtlich ist es jedoch nicht näher erläutert, ob eine solch lange Frist für alle Staaten gilt. Möglicherweise ist in anderen Staaten bereits eine einmonatige Frist zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts und somit zu einer unbeschränkten Steuerpflicht ausreichend. Es wird zwar eine gewisse Dauerhaftigkeit verlangt, eine nähere Erläuterung dazu fehlt jedoch im Musterabkommen.161 Daher kann auch hier jeder Staat individuell seine Definition eines gewöhnlichen Aufenthalts festlegen.

Im Art 4 Abs 1 OECD-MA wird außerdem als ansässigkeitsbegründend der „Ort der Geschäftsleitung“ genannt. Dies wird im Kapitel 4.2. näher ausgeführt. Weiters werden

„ähnliche Merkmale“ als ansässigkeitsbegründend genannt. Damit ist jedoch gemeint, dass es sich um ähnliche ortsgebundene Merkmale handeln muss, und nicht nur lediglich um z.B.

die Staatsbürgerschaft einer Person. Als Beispiel wird in der Kommentarliteratur der Sitz eines Unternehmens genannt.162

Für Mitarbeiter, die grenzüberschreitend tätig werden, sind vor allem der Wohnsitz und auch der gewöhnliche Aufenthalt für die Beurteilung der Ansässigkeit gemäß OECD-MA von grundlegender Bedeutung.

158 Vgl Staringer in Lang 74 f.

159 Vgl Tumpel/Luketina in Aigner/Kofler/Tumpel Rz 9.

160 Vgl. Staringer in Lang 77 f.

161 Vgl. Staringer in Lang 78.

162 Vgl. Tumpel/Luketina in Aigner/Kofler/Tumpel Rz 17-18.

3.2.2.2. Tie-Breaker-Klauseln bei doppelter Ansässigkeit

Aufgrund der beschriebenen Tatbestände des Art 4 Abs 1OECD-MA kann es, vor allem auch im Bereich des grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes, dazu kommen, dass eine Person aufgrund des Abkommens und der innerstaatlichen Regelungen, in mehreren Staaten ansässig ist. Damit die Systematik des OECD-MA und der darauf aufbauenden Doppelbesteuerungsabkommen funktioniert, ist es aber notwendig, nur einen der beiden involvierten Staaten als Ansässigkeitsstaat zu definieren. Damit dies erfolgen kann, bestimmt der Art 4 Abs 2 OECD-MA sogenannte Tie-Breaker-Rules für natürliche Personen. Hier gilt es eine genaue Rangreihenfolge zu beachten:

Lit a) bestimmt, dass zuerst zu untersuchen ist, wo die Person eine ständige Wohnstätte hat.

Ist dies in beiden Ländern der Fall, so ist im nächsten Schritt auf den Mittelpunkt der Lebensinteressen abzustellen. Dazu definiert das Abkommen näher, dass jener Staat als Ansässigkeitsstaat gilt, zu dem die Person eine engere persönliche und wirtschaftliche Beziehung hat. Kann auch dieser Umstand nicht eindeutig bestimmt werden, so regelt lit b), dass die Person dort ansässig ist, wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Hat die Person jedoch in beiden oder auch in keinem der Staaten den gewöhnlichen Aufenthalt, so gilt nach lit c) die Staatsbürgerschaft als Bestimmungsmerkmal, wo die Person ansässig ist. Ist jedoch die Person von keinem der beiden Staaten Staatsbürger, oder besitzt diese Person beide Staatsbürgerschaften, so gilt als letzte Tie-Breaker Klausel lit d), dass die beiden Staaten mittels Verständigungsverfahren die Ansässigkeit zu klären haben.163

Anders als im Art 4 Abs 1 OECD-MA wird im Abs 2 nicht auf innerstaatliche Begrifflichkeiten zurückgegriffen, sondern hier erfolgt eine gesonderte Auslegung der Begriffe.164 Dies ist auch notwendig, um mögliche Auslegungskonflikte, die die innerstaatlichen Regelungen begründen, lösen zu können.165

Eine ständige Wohnstätte ist demnach nicht mit dem inländischen Begriff des Wohnsitzes gleichzustellen. Es muss, zur Begründung einer ständigen Wohnstätte nach Art 4 Abs 2 OECD-MA eine persönliche Bindung an die Wohnstätte bestehen. Hat eine Person zwei Wohnstätten, so ist zu untersuchen, zu welcher der beiden Wohnstätten eine engere Bindung besteht. Damit ist gemeint, wo eine engere persönliche, wirtschaftliche oder auch emotionale Beziehung besteht. Dass es hier zu einer Überschneidung mit dem Begriff

„Mittelpunkt der Lebensinteressen“ kommt, ist nicht schädlich.166 Dieser besteht dort, wo die Person enge persönliche und wirtschaftliche Beziehungen hat.167 Dabei ist eine persönliche Bindung zum Ort wichtiger als die wirtschaftlichen Beziehungen. Bei den persönlichen Beziehungen ist wiederrum auf die Gestaltung des Familienlebens abzustellen.168 Wichtig ist, welcher Staat für die Person bedeutungsvoller ist. Das heißt, wenn ein Dienstnehmer in einem Vertragsstaat wirtschaftlich tätig ist und an Wochenenden, Feiertagen und sich auch im Urlaub im anderen Vertragsstaat bei der Familie aufhält, so ist

163 Vgl. Art 4 Abs 2 OECD-MA 2017.

164 Vgl. Lehner, Art 4, in Dürrschmidt/Vogel/Lehner (Hrsg), Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen6 (2015) Rz 170.

165 Vgl. Tumpel/Luketina in Aigner/Kofler/Tumpel Rz 29.

166 Vgl. Mamut, Die ständige Wohnstätte als Tie-Breaker nach Art 4 Abs 2 OECD-MA, in Lang (Hrsg), Die Ansässigkeit im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (2008) 139 (147 f).

167 Vgl. VwGH 22.3.1991, 90/13/0073.

168 Vgl. VwGH 26.7.2000, 95/14/0145.

persönlich der zweitgenannte Staat bedeutungsvoller und somit als Ansässigkeitsstaat zu deklarieren.169

Ist eine Bestimmung des Mittelpunkts der Lebensinteressen nicht eindeutig möglich, so bestimmt Art 4 Abs 2 lit. b OECD-MA, dass der gewöhnliche Aufenthalt, als Tatbestandsmerkmal zur Bestimmung des Ansässigkeitsstaats, herangezogen werden muss.

Dabei sind alle Aufenthalte in einem Staat zusammenzuzählen. Hat die Person in beiden Staaten eine Wohnstätte, so zählen sowohl die Anwesenheitstage in der Wohnstätte als auch jene Tage, an denen sich die Person an einem anderen Ort in diesem Staat aufhält.170 Klargestellt wird jedoch, dass es nicht alleine auf die Anzahl der Aufenthaltstage ankommt, sondern vielmehr darauf, wie lange die jeweilige Dauer des Aufenthalts ist, die Häufigkeit der Aufenthalte und die Regelmäßigkeit.171 Der wesentlichste Unterschied zum innerstaatlichen Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist, dass der Begriff lt OECD-MA nicht durch eine Frist begründet wird und dass der gewöhnliche Aufenthalt auch in mehreren Staaten gleichzeitig möglich ist.172

Kann auch mithilfe der Staatsangehörigkeit der Person keine Ansässigkeit definiert werden, so ist laut lit. d) ein Verständigungsverfahren zwischen den beiden Vertragsstaaten einzuleiten. Hier muss im gegenseitigen Einvernehmen die Ansässigkeitsfrage geklärt werden. Der große Unterschied zu einem Verständigungsverfahren gemäß Art 25 OECD-MA besteht darin, dass in diesem Fall eine Verständigungsverfahren zwingend eingeleitet werden muss, wenn nötig auch von Amts wegen.173

Für die Anwendung der DBA ist bei jedem grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatz zu klären, wo der Mitarbeiter gemäß Art 1 iVm Art 4 OECD-MA ansässig ist. Dabei wird es im Rahmen von langfristigen Entsendungen oder Arbeitskräfteüberlassung vorkommen, dass diese Mitarbeiter in beiden der Vertragsstaaten ansässig sind oder sich die Ansässigkeit überhaupt verlagert. Daher ist mithilfe der Tie-Breaker-Klauseln eine eindeutige Bestimmung der Ansässigkeit vorzunehmen. Aufgrund dessen wird man häufig zu dem Ergebnis kommen, dass die Mitarbeiter in ihren jeweiligen Herkunftsstaaten ansässig sind.

Nach erfolgter Ansässigkeitsbestimmung gelangt man nun zu Art 15 OECD-MA. Dieser regelt die Aufteilung der Besteuerungsrechte für Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit.