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3. Steuerliche Auswirkungen für Mitarbeiter

3.2. Anzuwendende internationale Nomen

3.2.4. Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen

3.2.4.2. Die Anrechnungsmethode (Art 23B OECD-MA)

Die zweite mögliche Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung lt OECD-MA ist die Anrechnungsmethode. Art 23B OECD-MA lautet:

„(1) Bezieht eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und können diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden, so rechnet der erstgenannte Staat

a) auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der im anderen Staat gezahlten Steuer vom Einkommen entspricht; […]“

Bei der Anrechnungsmethode wird die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer jeweils nach innerstaatlichem Recht ermittelt. In weiterer Folge wird die Steuer auf Basis der Gesamtbemessungsgrundlage (Universalitätsprinzip) festgesetzt und die im Ausland bezahlte Steuer in Abzug gebracht.272 Ist der inländische Steuersatz höher, kommt es durch diese Methode zur Hochschleusung des Besteuerungsniveaus für die gesamten Einkünfte auf das inländische Steuerniveau.273 Die Anrechnung der ausländischen Steuer ist jedoch gedeckelt. Diese darf nur maximal bis zur Höhe der tatsächlich bezahlten Steuer

266 Vgl. Art 15 Abs 4 DBA Ö-Deutschland.

267 Vgl. Jirousek, Entwurf eines neuen österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens, ÖStZ 1998, 500 (502).

268 Vgl. Schilcher/Stefaner, SWI 2005, 9.

269 Vgl. DBA Ö-Deutschland, Protokoll zu Art 15 (4).

270 Vgl. ua Jirousek, ÖStZ 1998, 502; Schilcher/Stefaner, SWI 2005, 10.

271 Vgl. Loukota, Neues österreichisch-deutsches Doppelbesteuerungsabkommen in Sicht, SWI 1998, 255 (257).

272 Vgl. Engelmair in Aigner/Kofler/Tumpel Art 23 b Rz 1.

273 Vgl. Haas/Hollaus/Poglies-Schneiderbauer, SWK-Spezial Arbeitskräfteüberlassung1 67 f.

berücksichtigt werden.274 Des Weiteren darf die ausländische Steuer nur auf jene inländische Steuer angerechnet werden, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt.275 Im Outbound-Fall, dh bei Ansässigkeit des Mitarbeiters in Österreich, wird dies in der Praxis folgendermaßen umgesetzt: Damit von der österreichischen Finanzverwaltung die hierfür benötigten Informationen (die anzurechnende Steuer sowie die Höhe der ausländischen Einkünfte und der sich daraus ergebende Anrechnungshöchstbetrag) verarbeitet und berücksichtigt werden können, ist ein eigener Lohnzettel (L24) abzugeben.

Daraus ist ersichtlich, welche Bezüge aus dem Ausland bezogen wurden und wie hoch die bereits in Österreich dafür abgeführte Lohnsteuer ist. Eine allenfalls abgeführte Steuer im Ausland ist dann im Rahmen der Veranlagung des Dienstnehmers anzuführen.276

Der Anrechnungshöchstbetrag ermittelt sich dann grundsätzlich durch die Formel Einkommensteuer x Auslandseinkünfte / Einkommen. 277

Da in Österreich bei unselbständiger Tätigkeit häufig auch sonstige Bezüge gemäß § 67 EStG mit einem begünstigten Steuersatz zur Auszahlung gelangen, ist diese Formel jedoch entsprechend folgendermaßen zu adaptieren:278

Einkommensteuer (Tarif + fester Satz) x Auslandseinkünfte (EnsA+ ggf anteilige 1/6-Bezüge) Einkommen (gesamte veranlagte Einkünfte + 1/6-Bezüge)

3.2.4.3. Methodenvergleich

Welche Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vereinbart wird, ist lt OECD frei wählbar. Es sind beide Methode als gleichwertig anzusehen.279 Auch der EuGH entschied im Jahr 2007, dass eine steuerliche Mehrbelastung durch die Anwendung der Anrechnungsmethode (im Vergleich zur Befreiungsmethode) zu keiner Diskriminierung führt.280 Auch innerstaatlich entschied die Rechtsprechung, dass durch Anwendung der Anrechnungsmethode keine Unbilligkeit gemäß § 236 BAO gegeben ist.281

Vergleicht man die von Österreich abgeschlossenen DBA, so haben lediglich ca ein Achtel aller Abkommen die Anrechnungsmethode als Standardmethode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zum Inhalt. Grund dafür, dass man sich für die Anrechnungsmethode entschieden hat, ist, dass Österreich früher bei den DBA Verhandlung grundsätzlich eine gleiche Methodenwahl zu Vermeidung der Doppelbesteuerung wie der Vertragspartner anstrebte.282 Diese Methode findet sich zum Beispiel in den Abkommen mit Finnland,

274 Vgl. Morawitz in Kopecek 118.

275 Vgl. Kunesch, Die neue Lohnzettelart 24 für Auslandssachverhalte bei Doppelbesteuerungsabkommen mit Anrechnungsmethode, PV Info 2014, 26 (27).

276 Vgl. Info des BMF vom 05.12.2013, BMF-010222/0127-VI/7/2013, Information zur neuen Lohnzettelart L24.

277 Vgl. EStR 2000, Rz 7583.

278 Vgl. BMF 7.10.2013, BMF-010221/0636-VI/8/2013, Salzburger Steuerdialog 2013 Ergebnisunterlage Internationales Steuerrecht.

279 Vgl. Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017 Art 23a und 23b Z 29.

280 Vgl. EuGH 6.12.2007, C-298/05, Columbus Container.

281 Vgl. UFS 22.7.2009, RV/0523-G/08.

282 Vgl. Pamperl, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in den österreichischen DBA (Art 23 OECD-MA), in Lang (Hrsg), Die österreichische DBA-Politik (2013) 309 (314).

Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, Schweiz oder auch der USA.283 Aber auch für jüngere Abkommen wurde die Anrechnungsmethode als Standardmethode gewählt. So vor allem mit Niedrigsteuerländern wie bspw Katar oder Barbados. Grund dafür ist, dass eine Befreiungsmethode möglicherweise zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen würde.284 Durch die Ausgestaltung der Anrechnungsmethode führt diese nämlich dazu, dass die Steuer im Ausland lediglich auf die Steuer im Ansässigkeitsstaat angerechnet wird. Es kommt somit zu einer Hochschleusung der Gesamtsteuerbelastung auf das Steuerniveau des Ansässigkeitsstaates.285 Bei der Befreiungsmethode wiederum kann es auch zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen, da bestimmte Einkünfte im Tätigkeitsstaat besteuert werden dürfen und im Ansässigkeitsstaat von der Besteuerung (unter Progressionsvorbehalt) auszunehmen sind.286

Somit stellt die Befreiungsmethode für den Steuerpflichtigen (im Sinne dieser Arbeit und dieses Kapitels also der zum grenzüberschreitenden Einsatz entsandte Mitarbeiter) grundsätzlich die günstigere Methode dar, da es hier zu keiner Hochschleusung der Gesamtsteuerbelastung kommt. Die niedrigere Besteuerung im Tätigkeitsstaat bleibt bei der Befreiungsmethode für diese Einkünfte erhalten.287

3.3. Beispiele

Anhand der nun folgenden Beispiele sollen die bisher behandelten Themen, nämlich die Abgrenzung der Aktiv- und Passivleistung und die Besteuerung des jeweiligen Falles auf Mitarbeiterebene, praktisch dargestellt werden.

3.3.1. Aktivleistung

Beispiel: Das österreichische Unternehmen A-GmbH mit Sitz in Wien, plant und baut Krananlagen. Es entsendet Mitarbeiter nach Frankreich, um eine Krananlage für einen Kunden, die F-GmbH, deren Kerngeschäft der Handel mit EDV-Geräten ist, zu errichten.

Basis dieses Einsatzes bildet ein abgeschlossener Werkvertrag, der mit einem Gesamtumsatz von rund € 1.000.000,00 veranschlagt wurde. Darin sind sowohl die Kosten für die eingesetzten Mitarbeiter als auch für das Material und sonstige Kosten für die Planung, Verwaltung und den Vertrieb kalkuliert. Die Errichtung der Anlage erfolgt über einen Zeitraum von 8 Monaten. Sämtliche Materialien und Werkzeuge werden von der A-GmbH zur Verfügung gestellt. Die Mitarbeiter sind dem Unternehmen A weiter weisungsgebunden. Für die Zeit der Projektumsetzung sind die Mitarbeiter in einem Hotel untergebracht. Für den grenzüberschreitenden Einsatz wird eine zusätzliche Entsendungsvereinbarung mit den Mitarbeitern abgeschlossen. Es wird in dieser Vereinbarung ausdrücklich festgelegt, dass österreichisches Arbeitsrecht anzuwenden ist.

Im Rahmen dieses Projektes werden einige Mitarbeiter entsandt. Mitarbeiter A ist ungarischer Staatsbürger und ist bereits seit einigen Jahren für die A-GmbH in Österreich tätig. Er lebt mit seiner Familie in Österreich. Er ist von 1.1.01 bis 31.05.01 in Frankreich tätig und kehrt sodann nach Hause zurück. Nach diesem Einsatz ist er wieder für die

283 Vgl. Kunesch, PV Info 2014, 27.

284 Vgl. Pamperl in Lang 315 f.

285 Vgl. Haas/Hollaus/Poglies-Schneiderbauer, SWK-Spezial Arbeitskräfteüberlassung1 67 f.

286 Vgl. Morawitz in Kopecek 116.

287 Vgl. Tumpel, Steuern kompakt 2019 131.

GmbH in Österreich tätig. Im August 01 verbringt Mitarbeiter A noch weitere zwei Wochen mit seiner Familie in Frankreich.

Lösung zur Frage Aktivleistung/Passivleistung:

Gemäß der in Kapitel 2.4. erstellten Checkliste zur Beurteilung eines grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes sprechen folgende Punkte, unter Gesamtbetrachtung des Falles, für das Vorliegen einer Aktivleistung:

• Die Tätigkeit der Mitarbeiter erfolgt außerhalb des Kerngeschäfts der F-GmbH (Handel mit EDV-Anlagen)

• Basis ist ein Werkvertrag; Haftung und Risiko für die Mitarbeiter liegen bei der A-GmbH

• Die A-GmbH stellt die Werkzeuge und Materialien zur Verfügung

• Die Mitarbeiter sind der A-GmbH gegenüber weisungsgebunden und nicht in den Betrieb der F-GmbH eingegliedert

Will man die Frage nach dem internationalen Steuerrecht lösen, ist zu klären, wer als wirtschaftlicher Arbeitgeber in Betracht kommt. Dabei sprechen folgende Punkte für die A-GmbH als wirtschaftlicher Arbeitgeber:

• A-GmbH stellt die Werkzeuge zur Verfügung

• Die Mitarbeiter sind der A-GmbH gegenüber weisungsgebunden

• A-GmbH bestimmt die Anzahl der Arbeitskräfte, die nach Frankreich entsandt werden

• Die A-GmbH ist für die Urlaubsplanung verantwortlich

• Der Mitarbeiter ist nicht im Betrieb der F-GmbH eingegliedert

• Die A-GmbH trägt wirtschaftlich die Kosten (da es zu keiner direkten Weiterverrechnung der Personalkosten kommt, die Auftragssumme setzt sich vielmehr sowohl aus Mitarbeiterkosten als auch aus anderen Kosten zusammen) Lösung zur Frage der Besteuerung des Mitarbeiters:

Die Lösung dieser Fragestellung erfolgt anhand der „drei-Stufen-Technik“:

Der erste Schritt ist die Ermittlung des Besteuerungsanspruchs in Österreich: Mitarbeiter A hat sowohl seinen Wohnsitz gemäß § 26 Abs 1 BAO als auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt gemäß § 26 Abs 2 BAO in Österreich. Damit ist er mit seinen gesamten Einkünften gemäß § 1 Abs 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig in Österreich.

Nachfolgend ist zu untersuchen, unter welche Einkunftsart die Einkünfte des Mitarbeiter A fallen. Mitarbeiter A ist weisungsgebunden und in den Betrieb der A-GmbH eingegliedert.

Er steht somit gemäß § 47 Abs 2 EStG in einem Dienstverhältnis zur A-GmbH. Außerdem erhält er sein monatliches Entgelt von der A-GmbH ausbezahlt. Die A-GmbH ist somit Arbeitgeber im Sinne des § 47 Abs 1 EStG. Darausfolgend sind die erzielten Einkünfte unter Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 25 EStG zu subsumieren.

Im nächsten Schritt erfolgt die Prüfung, ob Mitarbeiter A unter Berücksichtigung des DBA seine gesamten Einkünfte (inkl der erzielten Einkünfte in Frankreich) in Österreich zu versteuern hat. Dazu ist zunächst zu prüfen, ob für Mitarbeiter A das DBA Ö-Frankreich grundsätzlich zur Anwendung kommt. Herr A ist eine Person iSd Art 3 Abs 1 DBA Ö-Frankreich und ist gemäß Art 4 Abs 1 DBA Ö-Ö-Frankreich aufgrund des Wohnsitzes und der sich daraus ergebenden Steuerpflicht in Österreich auch in Österreich ansässig. Somit

unterliegt Mitarbeiter A den Bestimmungen dieses Abkommens und Österreich gilt als Ansässigkeitsstaat.

Die aus der Tätigkeit in Frankreich erzielten Einkünfte sind Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit gemäß Art 15 DBA Ö-Frankreich. Gemäß Art 15 Abs 1 erfolgt die Besteuerung grundsätzlich im Tätigkeitsstaat – somit in Frankreich.

Nun ist zu untersuchen, ob die Ausnahmebestimmung gemäß Art 15 Abs 2 DBA Ö-Frankreich zur Anwendung gelangt. Damit die Besteuerung an den Ansässigkeitsstaat (und damit Österreich) zurückfällt, darf sich Mitarbeiter A nicht länger als 183 Tage innerhalb von zwölf Monate in Frankreich aufhalten.288 Mitarbeiter A ist insgesamt 5 Monate für den Arbeitseinsatz in Frankreich und weitere 2 Wochen mit seiner Familie. Damit ist die erste Voraussetzung zur weiteren Besteuerung im Ansässigkeitsstaat erfüllt. Außerdem darf der Arbeitgeber, der die Vergütungen ausbezahlt, nicht in Frankreich ansässig sein.289 Gemäß innerstaatlichem Recht ist, wie bereits im ersten Schritt festgestellt, die A-GmbH als Arbeitgeber zu qualifizieren. Gemäß OECD-MK290 und auch gemäß der herrschenden Judikatur291 ist die A-GmbH auch als wirtschaftlicher Arbeitgeber zu qualifizieren. In diesem Fall sind daher die Begriffe zivilrechtlicher Arbeitgeber und wirtschaftlicher Arbeitgeber der A-GmbH zuzuordnen. Diese hat ihren Sitz in Wien und ist daher nicht in Frankreich ansässig. Somit ist auch die zweite Voraussetzung erfüllt. Die dritte und letzte Voraussetzung, die es zu erfüllen gilt, ist, dass die Vergütungen von keiner Betriebsstätte der A-GmbH in Frankreich getragen werden.292 Eine Betriebsstätte ist eine feste Geschäftseinrichtung des Unternehmers zur Erfüllung der Tätigkeit293. Im Falle einer Aktivleistung ist immer auch zu beurteilen, ob durch diese Leistung eine Betriebsstätte gemäß dem jeweils zur Anwendung gelangenden Abkommen im Ausland entsteht. Die genaue Beurteilung einer Betriebsstätte erfolgt im Kapitel 4.2.1. dieser Arbeit. Wichtig ist hier noch zu beachten, dass die Formulierung „von einer Betriebsstätte getragen“ auf eine wirtschaftliche Zuordnung abzielt. Wird also durch diese Tätigkeit eine Betriebsstätte begründet, so sind die Vergütungen an Mitarbeiter A auch von dieser Betriebsstätte getragen, da die Tätigkeit dieser Betriebsstätte wirtschaftlich zuzuordnen ist.294 Zur Lösung dieses Beispiels ist die Begründung einer Betriebsstätte durch diese Leistung nicht anzunehmen. Aufgrund der kumulativen Erfüllung aller Voraussetzungen fällt das Besteuerungsrecht auf die Einkünfte, die Mitarbeiter A in Frankreich erzielt an Österreich zurück. Er hat sein gesamtes Welteinkommen in Österreich zu besteuern.

Im dritten Schritt erfolgt die Besteuerung der Einkünfte von Mitarbeiter A in Österreich nach dem innerstaatlichen Recht.

288 Vgl. Art 15 Abs 2 lit a DBA Ö-Frankreich.

289 Vgl. Art 15 Abs 2 lit b DBA Ö-Frankreich.

290 Vgl. Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017 Art 15 Z 8.14-8,15.

291 Vgl. BFG 20.12.2016, RV/7100145/2011; 25.3.2016, RV/7104629/2015.

292 Vgl. Art 15 Abs 2 lit c DBA Ö-Frankreich.

293 Vgl. Art 5 Abs 1 DBA Ö-Frankreich.

294 Vgl. Bendlinger, Art 15, in Aigner/Kofler/Tumpel Rz 47.

Variante: Der Einsatz von Mitarbeiter A wird kurzfristig für drei Monate verlängert. Er ist somit von 1.1.01 bis 31.8.01 in Frankreich tätig.

Zur Lösung ist wieder die drei-Stufen-Technik anzuwenden. Die Lösungsschritte zur Frage der inländischen Besteuerung sind ident mit dem Ursprungsbeispiel. Im zweiten Schritt sind wieder die Voraussetzungen zu Anwendung des DBA Ö-Frankreich zu prüfen. Auch an dieser Beurteilung ändert sich nichts, das DBA Ö-Frankreich ist für diesen Sachverhalt anzuwenden. Die Einkünfte sind unter Art 15 DBA Ö-Frankreich einzureihen. Bei der Prüfung der Voraussetzungen zum Rückfall des Besteuerungsrechts an Österreich ergibt sich in dieser Variante jedoch eine andere Lösung. Mitarbeiter A verbringt insgesamt mehr als 183 Tage in Frankreich.295 Damit ist das Kriterium gemäß Art 15 Abs 2 lit a des Abkommens, das einen Aufenthalt im Tätigkeitsstaat von maximal 183 Tagen fordert, nicht erfüllt. Das Besteuerungsrecht fällt somit an den Tätigkeitsstaat Frankreich.

Nun stellt sich in weiterer Folge die Frage, wie Österreich die Einkünfte aus Frankreich zu behandeln hat. Dazu sind die Regelungen des Art 23 DBA Ö-Frankreich zu beachten.

Gemäß diesem Abkommen hat Österreich die Doppelbesteuerung durch Anwendung der Befreiungsmethode unter Progressionsvorbehalt zu vermeiden.296 Daher sind die Einkünfte, die der Tätigkeit in Frankreich zuzuordnen sind, in Österreich von der Steuerbemessungsgrundlage auszunehmen. Für die Ermittlung des Steuersatzes sind die Einkünfte aber aufgrund des Progressionsvorbehaltes miteinzubeziehen. Der auf Basis des Welteinkommens ermittelte Steuersatz gemäß § 33 EStG ist dann auf das verbleibende Einkommen, an dem Österreich ein Besteuerungsrecht hat, des Mitarbeiters A anzuwenden.

3.3.2. Passivleistung

Beispiel: Das polnische Unternehmen P-GmbH, deren Haupttätigkeit die Lackierung von Fahrzeugteilen ist, stellt der österreichischen Schwestergesellschaft S-GmbH Arbeitskräfte zur Verfügung. Die S-GmbH, deren Unternehmensschwerpunkt die Produktion von Fahrzeugersatzteilen ist, leidet derzeit aufgrund der großen Auftragslage an einem akuten Personalmangel. Die P-GmbH und die S-GmbH schließen einen Überlassungsvertrag für die eingesetzten Mitarbeiter für den Zeitraum von drei Monaten ab. Die Mitarbeiter werden in die betriebliche Organisation der S-GmbH aufgenommen, um dort dieselben Tätigkeiten, wie die eigenen Mitarbeiter zu erbringen. Neben den Vereinbarungen über die Haftung, für die Tätigkeit der Mitarbeiter für den Beschäftiger und den Weisungsrechten für die S-GmbH wurde auch vereinbart, dass die S-GmbH weitere Mitarbeiter anfordern kann bzw Mitarbeiter wieder freisetzen kann, wenn diese nicht mehr benötigt werden. Es wird eine Kostenweiterbelastung für sämtliche Mitarbeiterkosten, die der P-GmbH für diesen Zeitraum entstehen, an die S-GmbH vereinbart.

Mitarbeiter B hatte bereits vor dem Einsatz in Österreich eine Ferienwohnung in Niederösterreich. Diese wurde jedoch lediglich als Zweitwohnsitz genutzt. Entsprechende Aufzeichnungen über die Anwesenheitstage liegen vor. Für den Zeitraum des Einsatzes in Österreich ist Mitarbeiter B gemeinsam mit den anderen Mitarbeitern in einem Hotel untergebracht. Er ist für den gesamten Zeitraum von drei Monaten in Österreich tätig.

Lösung zur Frage Aktivleistung/Passivleistung

295 Vgl. Art 15 Abs 2 lit a DBA Ö-Frankreich.

296 Vgl. Art 23 Abs 2 lit a bis c DBA Ö-Frankreich.

Gemäß der in Kapitel 2.4. erstellten Checkliste zur Beurteilung eines grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsatzes sprechen folgende Punkte, unter Gesamtbetrachtung des Falles, für das Vorliegen einer Passivleistung:

• Die entsandten Mitarbeiter werden im Kerngeschäft der S-GmbH eingesetzt

• Der konzerninterne Einsatz der Mitarbeiter erfolgt aufgrund des Wunsches der S-GmbH, die an akutem Personalmangel leidet. Daher wird hier explizit Arbeitskraft benötigt und kein eigenes Werk erstellt.

• Die Mitarbeiter werden in die Organisation des Betriebes eingegliedert und sind der S-GmbH gegenüber weisungsgebunden

• Es werden, gemeinsam mit den anderen Mitarbeitern die Materialien und Werkzeuge der S-GmbH verwendet

• Die S-GmbH haftet für die erbrachte Leistung der entsandten Mitarbeiter

• Die S-GmbH entscheidet über die Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter

Außerdem spricht die Eigenschaft des wirtschaftlichen Arbeitgebers im Sinne des DBA-Rechts der S-GmbH für eine Passivleistung. Hier sind insbesondere folgende Punkte zu nennen:

• Die überlassenen Mitarbeiter sind in die Organisation der S-GmbH eingegliedert.

• Es besteht Weisungsgebundenheit der Mitarbeiter gegenüber der S-GmbH.

• Es werden die Werkzeuge der S-GmbH verwendet.

• Die S-GmbH trägt das wirtschaftliche Risiko und kann auch über die Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter entscheiden.

• Die S-GmbH trägt die Kosten der Mitarbeiter, da diese direkt gemäß einer genauen Stundenabrechnung etc weiterverrechnet werden.

Lösung zur Frage der Besteuerung des Mitarbeiters:

Die Lösung dieser Fragestellung erfolgt wieder anhand der „drei-Stufen-Technik“:

Der erste Schritt ist die Ermittlung des Besteuerungsanspruches in Österreich: Mitarbeiter B hat seinen Wohnsitz gemäß § 26 Abs 1 BAO in Polen. Die Ferienwohnung in Österreich gilt aufgrund der Zweitwohnsitzverordnung, die hier zur Anwendung kommt, nicht als Wohnsitz iSd § 26 Abs 1 BAO. Durch die Aufenthaltstage in dieser Wohnung begründet der Mitarbeiter auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Somit ist keine unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs 2 EStG gegeben. Aufgrund der Tätigkeit in Österreich und der daraus erzielten Einkünfte ist für Mitarbeiter B jedoch eine beschränkte Steuerpflicht gemäß § 1 Abs 3 EStG zu prüfen. Die Einkünfte aus der Tätigkeit bei der S-GmbH sind im § 98 EStG erfasst.297 Damit ist Mitarbeiter B mit seinen Einkünften, die er in Österreich erzielt, beschränkt steuerpflichtig in Österreich.

Im nächsten Schritt erfolgt die Prüfung, ob Mitarbeiter B auch unter Berücksichtigung des DBA seine Einkünfte, die er in Österreich erzielt, in Österreich zu versteuern hat. Dazu ist zunächst zu prüfen, ob für Mitarbeiter B das DBA Österreich-Polen überhaupt zur Anwendung kommt. Gemäß Art 1 iVm Art 4 Abs 1 DBA Ö-Polen ist dafür die Ansässigkeit zu überprüfen. Er hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Polen. Außerdem besitzt Mitarbeiter B auch eine Ferienwohnung in Österreich, die grundsätzlich als

297 Vgl. § 98 Abs 1 Z 4 EStG 1988.

Wohnsitz iSd DBA zu beurteilen wäre. Aufgrund der Zweitwohnsitzverordnung ist Mitarbeiter B mit dieser Ferienwohnung jedoch nicht in Österreich steuerpflichtig und somit ergibt sich daraus auch kein Wohnsitz iSd DBA. Daher ist Polen als Ansässigkeitsstaat iSd DBA zu qualifizieren. Mitarbeiter B ist eine Person iSd Art 3 Abs 1 DBA Ö-Polen. In Art 15 Abs 1 DBA Ö-Polen wird geregelt, dass Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit im Tätigkeitsstaat zu besteuern sind. Somit hat grundsätzlich Österreich das Besteuerungsrecht an den Einkünften aus der Tätigkeit bei der S-GmbH. Die Voraussetzungen, für einen Rückfall des Besteuerungsrechts an Polen, sind in Art 15 Abs 2 DBA Ö-Polen geregelt.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Zum Ersten darf sich der Mitarbeiter B nicht länger als 183 Tage in Österreich aufhalten.298 Diese Voraussetzung wird durch den lediglich dreimonatigen Einsatz erfüllt. Zum Zweiten ist es Voraussetzung, dass der Arbeitgeber nicht im Tätigkeitsstaat – somit in Österreich – ansässig ist.299 Der Arbeitgeberbegriff wird in der OECD-MK-Literatur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt.300 Auch die österreichische Verwaltungspraxis stellt seit 2014 bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung auf den wirtschaftlichen Arbeitgeberbegriff ab.301 Da die S-GmbH die Kosten für die Mitarbeiter wirtschaftlich trägt (Vereinbarung über die Kostenweiterbelastung), ist somit diese als Arbeitgeber iSd DBA-Rechts zu betrachten. Damit ist eine Ansässigkeit des Dienstgebers im Tätigkeitsstaat gegeben. Eine weitere Überprüfung der Betriebsstätte kann somit entfallen, da alle drei Voraussetzungen für eine eventuelle Anwendung der Ausnahmebestimmung erfüllt sein müssen. Das Besteuerungsrecht an den Einkünften in Österreich hat das Tätigkeitsland Österreich gemäß den Bestimmungen des §§ 98ff EStG. Näheres zur innerstaatlichen Besteuerung der Mitarbeitereinkünfte ist dem Kapitel 4.3. dieser Arbeit zu entnehmen.

Polen hat, zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, gemäß Art 24 Abs 1 DBA Ö-Polen die Befreiungsmethode anzuwenden. Die Einkünfte sind somit in Polen von der Steuerbemessungsgrundlage freizustellen.

298 Vgl. Art 15 Abs 2 lit a DBA Ö-Polen.

299 Vgl. Art 15 Abs 2 lit b DBA Ö-Polen.

300 Vgl. Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2017 Art. 15 Z 8.14-8.15.

301 Vgl. Erlass des BMF vom 12.6.2014, BMF-010221/0362-VI/8/2014.