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Informaler und formaler Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten

4.2 Vorstudie zur Herleitung des Forschungsmodells zum Grad der Dispersion von Marketing-

4.2.3 Darstellung der Ergebnisse

4.2.3.4 Informaler und formaler Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten

dem formalen und dem informalen Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten geht, soll zunächst auf die allgemeine Relevanz der Betrachtung von Informalität und im Anschluss auf von den Interviewteilnehmern dargestellte Beispiele für formale und informale Dispersion von Marketingaktivitäten eingegangen werden.

„Und ich halte trotzdem manchmal diese Regeln nicht ein, weil ich einfach weiß, dass ich von dem [Außendienstmitarbeiter] aus dem Norden zum Beispiel bessere Informa-tionen bekomme oder dass er sich sauberer auf Kundentermine vorbereitet als jemand anderes. Und dann kann ich mir überlegen, ob ich mich an den Prozess halte oder ob ich ein gutes Ergebnis haben möchte. Und selbst als Führungskraft lasse ich da manchmal die Prozesse Prozesse sein.“ (Sophie)

Sophie setzt also zum Beispiel informale Dispersion von Marketingaktivitäten ganz gezielt ein, um an bessere Informationen zu kommen. Johannes erzählt von informalen Austauschprozessen und deren Bedeutung in seinem Unternehmen:

„Und was noch viel wichtiger ist, also viel wichtiger als die formale Struktur, die dahintersteht, ist dass die nur zwei bis drei Türen auseinander sitzen. Ich glaube, das ist viel wertvoller als die Tatsache, dass die quasi in einem Organigramm an den glei-chen Mensglei-chen berichten, also die sitzen quasi Tür an Tür.“ (Johannes)

In verschiedenen Situationen mit Kundenbezug berichten Thomas, Johannes, Rolf und Rainer Folgendes:

Beispiel informale Dispersion von Marketingaktivitäten Neukundengewinnung

„Es war jetzt ein Kunde aus Spanien da [...]. Das ist ein wichtiger Zielkunde. Die setzen heute [Wettbewerber] ein und wir wollen die von unserer Lösung überzeugen.

Und wir sind da schon sehr lange unterwegs, und einer der Bausteine war jetzt, wir haben deren Geschäftsleitung eingeladen [...]. Dann macht dann eben zum Beispiel den Werkrundgang nicht ein Mitarbeiter, sondern es macht dann der Werkleiter. [...]

Dann ruft halt der [Chef der Branchenleitung] dann den Werksleiter an und sagt:

‚Hier, Henning, kannst du nicht hier den Rundgang für uns machen, es ist sehr wich-tig.‘ Und dann sagt der: ‚Ja versteh ich, mach ich.‘ Wie das halt so üblicherweise funktioniert.“ (Thomas)

Beispiel informale Dispersion von Marketingaktivitäten Kundenbetreuung

„So kann es tatsächlich dazu kommen, dass besonders bestimmte oder besonders her-vorragende Key Opinion Leader gegebenenfalls auch in dieser Linie oder von dieser Linie betreut werden, also direkt vom Marketing. Das sind entweder Dinge, die sich so ergeben haben, weil zum Bespiel ein ehemaliger Außendienstleister [...] dann viel-leicht seine Lieblingskunden oder die Kunden, mit denen er besonders gut kann, weiter betreut. Jetzt habe ich neulich auch gesehen, dass ein ganz wichtiger Key Opinion Leader, dadurch dass sie quasi mal in einer gleichen Straße gewohnt haben, einen Marketing Director einfach duzt. Das ist dann natürlich ein wahnsinnig großer Vor-teil, wenn man auf Du mit einem Key Opinion Leader ist, dass man davon dann aber einfach nicht abkommt und das dann keine noch so tolle Betreuung durch einen Au-ßendienstleiter, einen [Produktlinie] Director oder die KAMs das ersetzen kann, was hier eine Duz-Bekanntschaft mit einem [Produktlinie] Director gewährleisten könnte.“ (Johannes)

Beispiel formale Dispersion von Marketingaktivitäten Kundenmeeting

„Wir haben in der Größenordnung zehn Key Accounts definiert, die von insgesamt ein, zwei, drei, vier, fünf, von fünf Key Account Managern betreut werden. Und wir von der Qualitätswelt haben – dem gegenüber gestellt – einen Key Account Manage-ment aus Qualitätsaspekten, wo sehr viel technische Fragen auch abgedeckt werden, und wir arbeiten quasi mit Kollegen aus Sales und Marketing 1:1 zusammen. Also, es ist meistens so, dass wir zu solchen Großkunden zu Business Review Meetings oder auch zu technischen Meetings immer wenigstens zu zweit gehen. Also der Key Ac-countler selber aus Sales und Marketing und der zuständige Qualitäts-Key Account-ler, so dass da eigentlich so eine Art Symbiose da ist.“ (Rolf)

Im Interview mit Rainer tauchten für unterschiedliche Teilschritte der Neuproduktent-wicklung sowohl ein Beispiel für informale als auch für formale Dispersion von Mar-ketingaktivitäten auf. In der Forschungsliteratur werden informalen Strukturen gerade in Bezug auf Innovationen Bedeutung beigemessen (Teece, 1996: 193). Eines von Rai-ners Beispielen für informale Dispersion von Marketingaktivitäten bei Produktent-wicklungen:

„Sagen wir mal so, sobald Sie etwas in einen konkreten Projektstatus bringen, wird es sehr formal, bürokratisch. Das ist einfach so. Da gibt’s Phasen, da muss das Ganze

gesteuert werden. Das heißt aber, so lange Sie jetzt mal der Meinung sind ‚Mensch ich hab da mal eine Idee‘ und das könnte was sein und hole mir da erst mal die Infor-mationen, dann ist das ja alles erst mal informell. Sie reden dann ja auch mal mit Kollegen und sagen: ‚Hör mal, du hast doch mal eine Erfahrung da in deinem Bereich, da habt ihr doch schon mal sowas gemacht, kannst du mir da mal was schicken?‘ Das passiert alles auf der informellen Ebene, das ist das Persönliche. [...] Sie können so lange informell bleiben, solange Sie kein Geld brauchen. Sobald Sie aber für eine Aktivität Geld benötigen, weil Sie sagen: ‚Ich muss hier mal forschen oder ich brauche eine neue Anlage‘, dann wird es automatisch formal, weil das muss ja gesteuert wer-den.“ (Rainer)

Ein Beispiel für formale Dispersion von Marketingaktivitäten bei Produktentwicklun-gen:

„Das heißt, wie soll denn jemand [Sales Manager], der sagen wir mal auch relativ viel unterwegs ist, im Prinzip dann auch noch mal ein Produkt neu entwickeln? Dann geben die Informationen an die Forschungsabteilung und die Forschungsabteilung versucht dann, [...] Informationen [zu] kriegen, nicht nur vom Anwendungstechniker, sondern die rufen natürlich auch mal mich [Marketingmanager] an und fragen dann:

‚Wie teuer darf denn so ein Produkt sein?‘ Auch hier [...] geht das wieder bereichs-übergreifend. Also das ist ja nicht so, dass wir eine ganz separate Linie verfolgen, sondern der holt sich dann Informationen und fragt dann: ‘Wie teuer darf das sein, welche Absatzmengen werden erwartet?‘ Also, das läuft dann ja schon meistens in Projektform ab. [...] Und in diesem Projekt werden Leute definiert, ein Projektleiter, und der ist dann dafür verantwortlich. Also, es ist nicht immer der Marketingmanager, weil Sie können ja nicht alles machen, dass dann so ein Projekt auch mal an die For-schung delegiert wird und dann habe ich da einen Projektleiter und der muss sich dann eben die Informationen alle besorgen.“ (Rainer)

Anhand dieser Beispiele wird bereits deutlich, dass die Interviewteilnehmer sich der Unterscheidung, aber auch dem Zusammenspiel von formaler und informaler Durch-führung von Marketingaktivitäten bewusst sind. Sophie formulierte vier Gründe für informale Dispersion von Marketingaktivitäten: Persönliches/Macht, Kommunikati-onsprobleme, Zeitnot, Qualität (von Informationen):

„Warum das abweicht? Weil, manchmal sind das persönliche Geschichten, dass zum Beispiel Prozesse nicht eingehalten werden, weil jemand was für seinen Bereich ha-ben möchte. [...] Dann die klassischen Kommunikationssachen. Das merk ich jetzt mit immer mehr Führungsverantwortung: ‚Das hat mir keiner gesagt‘, ‚Das wusst ich aber nicht, dass ich das machen sollte‘, ‚Ich konnte einfach noch nichts schreiben, weil der hat mir noch nichts gegeben‘. Ja und dann ist die Zeitnot da, das ist ja manch-mal auch so ein Aspekt. Und dann werden eben einfach Schritte übergangen. Oder ich weiß auch, dass ich von manchen Abteilungen nicht, obwohl sie im Prozessschritt ge-nannt sind, nicht die Qualität bekomme, die ich brauche. Und dann spar ich mir die Arbeit und geh gleich andere Wege und gehe gleich andere Menschen an.“ (Sophie)

Als Beispiele für den internen Einsatz und das interne Fördern von Informalität wur-den z.B. von Thomas folgende Maßnahmen genannt: Vertriebsforen (jährlich jeweils für eine bestimmte Bezugsgruppe des Unternehmens stattfindend, drei verschiedene Bezugsgruppen), Branchen-Wiki, E-Mail-Newsletter.

In den Interviews wurde Informalität im Zusammenspiel mit folgenden Outcome-Di-mensionen genannt: Customer Responsiveness (3x: Thomas, Matthias, Johannes), In-formationsmanagement (4x: Anna, Rainer, Thomas, Sophie), Interne Abstimmungs-prozesse (4x: Anna, Thomas, Sophie, Johannes), Handlungsflexibilität (5x: Niklas, Thomas, Oliver, Rolf, Johannes). Einzig die Organisationssteuerbarkeit wurde im Zu-sammenhang mit der Informalität nicht thematisiert, was sich jedoch begründen lässt, da es sich dabei ausschließlich um formale Strukturen handelt. Es konnten zudem keine Unterschiede hinsichtlich Dienstleistungs- und Nicht-Dienstleistungsunterneh-men und auch keine Unterschiede hinsichtlich der Größe der InterviewunternehNicht-Dienstleistungsunterneh-men ausgemacht werden. Insbesondere bei Letzterem sehen Menguc und Auh (2010: 821) jedoch Unterschiede: Bei größeren Firmen herrsche tendenziell mehr Formalisierung und Standardisierung, was sich wiederum darin auswirke, dass es in großen Unterneh-men weniger Informalität gibt als in kleineren UnternehUnterneh-men.

Der Unterschied des Grads der Dispersion zwischen formal und informal durchge-führten Marketingaktivitäten ist aus den Interviews jedoch nur schwierig abzuleiten.

Lediglich Johannes traf dazu eine klare Aussage:

„Deswegen denke ich, dass es sicherlich Abweichungen gibt, die dann aber nicht auf oder die dann vor allen Dingen auf einer sehr persönlichen Ebene auf einer längeren Zusammenarbeit stattfinden und deswegen außerhalb dieser Struktur stehen. Ich denke einfach, in 99 % der Fälle, auch wenn das irgendwie ein bisschen enttäuschend ist, halten wir uns im Rahmen der Marktbearbeitung schon an diese Struktur.“ (Jo-hannes)

Es existiert lediglich eine Studie dazu, wie formale und informale Marketingaktivitä-ten der NeuprodukMarketingaktivitä-tentwicklung miteinander in Beziehung stehen. Workman hat (1993) eine neunmonatige teilnehmende Beobachtung in einem High-Tech-Unterneh-men durchgeführt und dabei zur Neuproduktentwicklung festgestellt:

„Though there are such formal processes, it is important to realize that much of the work and influence is done informally and outside the formal systems“. (Workman, 1993: 410)

Im oben dargestellten Beispiel von Rainer wurden sowohl informale als auch formale Vorgänge in Abhängigkeit von der Entwicklungsstufe thematisiert. Anhand der Inter-views und der vorliegenden Literatur ist es daher im Rahmen der InterInter-viewstudie nicht möglich, konkretere Aussagen zur Unterscheidung zwischen dem Unterschied des Grads der formalen und der informalen Dispersion von Marketingaktivitäten zu tref-fen.

Auch wenn diese Unterscheidung in den Interviews schwer zu erfassen war, konnten zu dem Grad der formalen Dispersion von Marketingaktivitäten Erkenntnisse ge-wonnen werden. So kann etwa anhand der Organigramme der jeweiligen Unterneh-men, die in Anhang 6 abgebildet sind, die formale Verteilung der Marketingaktivitäten zusätzlich auch grafisch dargestellt werden. In den Interviews wurde deutlich, dass die Dispersion der einzelnen Marketingaktivitäten deutlich variiert. Während einige Mar-ketingaktivitäten vermehrt auf verschiedene Abteilungen verteilt sind, wie z.B. Pricing oder auch Produktentwicklung, gibt es andere Marketingaktivitäten, die zum Teil voll-ständig in einer Abteilung verankert sind, z.B. Beschwerdemanagement.