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Ausgestaltung der Dispersion von Marketingaktivitäten in Unternehmen

2.4 Dispersion von Marketingaktivitäten

2.4.4 Ausgestaltung der Dispersion von Marketingaktivitäten in Unternehmen

Marketingaktivitä-ten für Unternehmen bedeutet bzw. wie sich diese in den Unternehmen konkret aus-gestaltet. Eine schlichte Darstellungsform zeigen Tull et al. (1991: 4) auf: Laut den Autoren gibt es integrierte und dispergierte Marketingabteilungen10 (dichotome Cha-rakterisierung). Sofern eine der untersuchten zehn Marketingaktivitäten nicht in der Marketingabteilung angesiedelt ist, herrscht eine Dispersion von Marketingaktivitäten im Unternehmen. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte in 67 % der B2B-Unter-nehmen eine Dispersion von Marketingaktivitäten festgestellt werden, wobei es kaum einen Unterschied zu B2C-Unternehmen (69,9 %) gab (Tull et al., 1991: 6). Im Ge-samt-Sample konnte bei kleineren Unternehmen ein höheres Ausmaß an integrierten Marketingabteilungen identifiziert werden (39,9 %) als bei großen Unternehmen (22,2

%) (Tull et al., 1991: 4). Weiterhin haben die Autoren untersucht, in welchen organi-sationalen Bereichen welche Marketingaktivitäten angesiedelt sind. Insgesamt jedoch ist die Auswahl der Marketingaktivitäten und der verschiedenen organisationalen Ein-heiten zum Teil kritisch zu sehen: Manche Aktivitäten und Abteilungen sind sehr de-tailliert bzw. feingliederig gewählt und manche dagegen eher auf einer übergeordneten Ebene. Darüber hinaus sind weder die Aktivitäten noch die Abteilungen überschnei-dungsfrei. Insgesamt sind die Ergebnisse somit ein Indikator, aber liefern keine aussa-gekräftigen, weiterführenden Erkenntnisse.

Moorman (2016: 36) betrachtet die Verantwortlichkeit für die Marketingaktivitäten ausschließlich aus Perspektive des Marketings. Anhand der Untersuchung von

10 Andere Autoren sprechen im Rahmen dieser Unterscheidung auch von diskreten und diffusen Mar-ketingabteilungen, z.B. (Loveland et al., 2015)

Moorman (2016) kann deutlich gezeigt werden, dass ein großer Teil der Marketingak-tivitäten nicht nur in der Marketingabteilung durchgeführt wird. Dies ist ein eindeuti-ges Zeichen für die Dispersion von Marketingaktivitäten. Betrachtet man beispiels-weise Marktforschung (65,3 %), CRM (38,2 %) oder gar den Kundenservice (19,6 %), so wird klar, dass andere Abteilungen durchaus zu großen Anteilen in Marketingakti-vitäten involviert sein müssen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass keine Angaben dazu gemacht werden, welche anderen Abteilungen zusätzlich zum Marketing verant-wortlich sind bzw. was die befragten CMOs genau unter Marketing verstehen. Sofern der Vertrieb nicht eingeschlossen ist – was auf Basis der Zahlen sehr wahrscheinlich ist – wären die Vertriebsanteile gemäß der vorgenommenen Definition des Marketings (s. Kapitel 2.1) noch zu addieren. Auch eine auf Moormans Report aufbauende Studie von Wirtz et al. (2014) betrachtet die Verantwortlichkeit des Marketings.11 Es fällt auf, dass die Ergebnisse bei Social-Media- und PR-Aktivitäten sehr unterschiedlich ausfal-len (im Moorman Report von 2012 ergab sich die gleiche Reihenfolge wie 2016).

Während bei Moorman (2016) die Verantwortlichkeit für diese Bereiche zu großen Teilen dem Marketing zugewiesen wird, stimmen bei Wirtz et al. (2014: 180) im Durchschnitt eher weniger Teilnehmer zu, dass die Verantwortlichkeit im Marketing liegt.

Im Rahmen der Untersuchung von Gök & Hacioglu (2010) zu den Rollen und Aufga-ben der Marketingmanager (s. Kapitel 2.3.4) wurde der Fokus nicht darauf gelegt, für welche Aufgaben das Marketing verantwortlich ist, sondern welche Aufgaben den Marketingmanagern in Jobbeschreibungen zugewiesen werden. Als eine von 21 Akti-vitäten wurde „partnering, coordinating, motivating, training, and managing cross-functional teams“ etwas häufiger genannt (202 Nennungen) als produktbezogene, Preis- und Distributionsaktivitäten zusammen (151 Nennungen). Aufgaben bezogen auf funktionsübergreifende Teams werden somit häufiger genannt als drei der vier Marketing-Mix-Instrumente. Es wird demnach auch in empirischen Untersuchungen deutlich, dass das Phänomen der Dispersion von Marketingaktivitäten nicht nur an-hand der Verantwortlichkeiten des Marketings, sondern auch anan-hand der Rollen der Marketingmanager aufgezeigt werden kann. Es ist eine Fülle von Marketingaktivitäten

11 Die Studie von Moorman wird jährlich durchgeführt, Wirtz et al. (2014) nehmen den Report von 2012 als Grundlage ihrer Arbeit.

von der Dispersion betroffen. Die verschiedenen Perspektiven auf die Dispersion zei-gen, dass diese vom Marketing ausgehen kann, aber auch von einem anderen Unter-nehmensbereich. Die konkrete Ausgestaltung in den Unternehmen bezüglich der Dis-persion von Marketingaktivitäten divergiert stark. Im Folgenden soll diese Vielfalt an-hand von drei Beispielen verschiedener Konstellationen dargestellt werden.

Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen: Insbesondere in der High-Tech-Bran-che ist es häufig so, dass technisHigh-Tech-Bran-ches Personal in VertriebsbesuHigh-Tech-Bran-che oder auch die all-tägliche Kommunikation mit den Kunden involviert ist. Workman et al. (1998: 31) schreiben dazu, dass Marketing und Vertrieb in diesen Fällen entweder eng mit den Mitarbeitern aus F&E zusammenarbeiten müssen und/oder große Teile der Marketing-aktivitäten an andere Bereiche abgeben. Eine weitere Perspektive dieser Ausgestaltung sind PTM. Diese Personengruppe wird von Gummesson (1991: 60) so definiert:

„They carry out marketing activities but, in contrast to full-time marketers, the FTMs, they do not belong to the marketing or sales department“.

Es kann demnach eine Marketingabteilung existieren, aber Marketingaufgaben werden auch von Nicht-Marketern ausgeführt. Koster (2013: 145) schreibt in diesem Kontext, dass der allgemein verzeichnete Zuwachs an PTM eine Folge der Reduzierung der geringeren Anzahl der Beschäftigten in Marketingabteilungen ist.12 Loveland, Thompson, Lounsbury, und Danta (2015) haben hierzu untersucht, inwieweit sich die Verteilung von Marketingaktivitäten auf Full-Time Marketer (FTM) und ursprüngli-chen Nicht-Marketern auf die persönliche und die Karrierezufriedenheit auswirkt. Sie konnten dabei feststellen, dass aufgrund unterschiedlicher Persönlichkeitsmerkmale dieser Gruppen ein Personen-Umwelt-Fit bei Nicht-Marketern nicht in dem Maße ge-geben ist wie bei FTM. Ein Übergehen von Nicht-Marketern in PTM sollte ihrer Emp-fehlung nach nicht ohne entsprechendes Training oder anderweitige inhaltliche Be-gleitung erfolgen (Loveland et al., 2015: 479f).

Verteilung von Marketingaktivitäten auf diverse (Marketing-) Abteilungen: Auch innerhalb der Marketingorganisation kann bei Marketingabteilungen eine große Viel-falt herrschen. Bathen und Jelden (2014: 31) zählen verschiedene „Mini-Abteilungen“

12 In Kapitel 2.5.2 wird nochmals genauer auf eine Untersuchung zu PTM eingegangen.

auf: Employer Branding, Affiliate Marketing, Search Engine Optimization (SEO), De-veloper Relations, Investor Relations usw. Damit gehen verschiedene Probleme ein-her: Budgets werden immer weiter zerstückelt, es findet keine Synchronisierung der Marketingaktivitäten statt und Zuständigkeiten werden nicht ausreichend definiert (Bathen & Jelden, 2014: 31).

Marketing hat ein Zuhause in anderen Abteilungen: Es gibt durchaus Unterneh-men, die keine Marketingabteilung haben, sondern die Marketingaktivitäten vollstän-dig auf andere Abteilungen verteilen (Koster, 2013: 145). Häufig ist dann eine Viel-zahl der Aktivitäten in Vertriebsabteilungen angesiedelt. Storbacka et al. (2009: 895) zeigen in ihrer Fallstudienuntersuchung beispielsweise auch die Veränderungen der Vertriebsabteilungen auf: In der Studie konnte ein Muster erkannt werden, wonach die Vertriebsabteilungen weniger isoliert, stärker abteilungsübergreifend arbeiten und nicht nur Marketingaktivitäten ausführen, sondern auch mehr in Verbindung zu ande-ren Bereichen wie etwa Finanzen stehen.

Es gibt verschiedene Typen der Dispersion von Marketingaktivitäten, auf die nun kurz systematisiert eingegangen werden soll. Die in Tabelle 2 abgebildeten Typen der Dis-persion beziehen sich jeweils auf einzelne Marketingaktivitäten und ergeben sich aus den Charakterisierungen temporär/permanent und existierende/neue organisationale Einheit. Die Verantwortlichkeit für Marketingaktivitäten und auch die verschiedenen Typen der Dispersion von Marketingaktivitäten zeigen erneut, dass die dichotome Klassifizierung der Dispersion von Tull et al. (1991) nicht realitätsgetreu ist. Sowohl zwischen verschiedenen Marketingaktivitäten als auch innerhalb der einzelnen Mar-ketingaktivitäten können erhebliche Unterschiede dahingehend bestehen, in welchem Ausmaß diese von einer oder mehreren Unternehmensbereichen durchgeführt werden.

Wilkie und Moore (1999: 203) verfeinern den dichotomen Ansatz von Tull et al.

(1991) zu vier verschiedenen Ausprägungsformen, dabei kann eine Marketingaktivi-tät:

1. größtenteils oder vollständig von Marketingmanagern kontrolliert werden 2. größtenteils oder vollständig von anderen Personen kontrolliert werden, aber

von Marketingmanagern beeinflusst oder koordiniert werden

3. zu geringen oder gar keinen Anteilen von Marketingmanagern beeinflusst werden

4. gar keiner Involvierung der Marketingabteilung bedürfen (z.B. internes Ma-nagement der Arbeitskräfte)

Tabelle 2: Typen der Dispersion von Marketingaktivitäten (in Anlehnung an Homburg et al.

2000: 466)

Typen von Dispersion Eigenschaften Beispiele

Keine Dispersion Marketingaktivität wird ausschließ-lich durch Marketingabteilung wahr-genommen.

Die Marketingabteilung entwickelt ein Corporate Design.

Dispersion hin zu temporärem Team (Homburg et al. 2000)

Mitglieder stammen aus unterschied-lichen funktionalen Einheiten, tempo-rär

Teams zur Lösung bestimmter Prob-lemfelder, z.B. Optimierung von Social-Media-Präsenz

Dispersion hin zu permanentem Team

(Homburg et al. 2000)

Mitglieder stammen aus unterschied-lichen funktionalen Einheiten, perma-nent

Entstehung eines Unternehmensbe-reichs Kundenservice

Dispersion hin zu existierender or-ganisationaler Einheit

(Homburg et al. 2000)

Verantwortlichkeit und Personal wer-den vom Marketing in andere funkti-onale Gruppen übertragen, permanent

Ehemalige Mitarbeiter des Marke-tings gehören durch Mitarbeit in ab-teilungsübergreifenden Teams dann zur Produktion.

Dispersion hin zu neuer organisati-onaler Einheit

(Homburg et al. 2000)

Gründung von neuer Einheit, die for-mal Verantwortlichkeiten des Marke-tings übernimmt, permanent

Kundeninformation, globales Mar-kenimage

In der Studie von Wilkie und Moore (1999: 203) wurden 73 marketingbezogene Akti-vitäten ermittelt, von denen 30 in die erste Kategorie fallen. Die Unterschiedlichkeit kann durch die vier Gruppen geeigneter dargestellt werden. Nimmt man jedoch die Definition der Dispersion von Marketingaktivitäten von Workman et al. (1998) wort-wörtlich, so sprechen die Autoren von einem „extent“ und machen damit deutlich, dass die Dispersion eher als Kontinuum angesehen werden sollte, und dass es sinnvoller ist, von einem „Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten“ zu sprechen. So lassen sich die verschiedenen Ausprägungen in der Praxis am besten abbilden.

Unabhängig davon, welche Interaktion des Marketings man betrachtet, ist es laut Srivastava, Shervani, und Fahey (1999: 170) wichtig, dass die Kompetenzen des Mar-ketings an die anderen Abteilungen weitergegeben werden. Denn es sind viele ver-schiedene Akteure in Marketingaktivitäten involviert, die nicht immer einen Marke-ting-Hintergrund haben. Auch Möller und Rajala (1999: 532) heben die Notwendigkeit der Kommunikation und Koordination zur Durchführung der Marketingaktivitäten

hervor. Ein Hindernis der Zusammenarbeit kann durchaus in der Wahrnehmung der Nicht-Marketer liegen, dass sich die Marketer in zu viele Bereiche des Unternehmens

„einmischen“, so Koster (2013: 146). Wenn etwa eine Mitarbeit in den Bereichen Lo-gistik oder Rechnungsstellung erfolgt, sollten durch entsprechende Kommunikation des integrierten Marketings die Nicht-Marketer für eine Zusammenarbeit sensibilisiert werden (Koster, 2013: 146).

Die Thematik der unternehmensinternen Schnittstellen zu anderen Unternehmensbe-reichen wird im folgenden Kapitel mit einem konkreten Blick auf B2B-Unternehmen genauer betrachtet. Zum Abschluss dieses Kapitels soll jedoch festgehalten werden, dass es im Kontext der Dispersion von Marketingaktivitäten nicht um die generelle Berechtigung einer Marketingabteilung im Unternehmen geht, sondern vielmehr da-rum, dass die Marketingaktivitäten ausgeführt werden „müssen“ und sich dies häufig nicht ausschließlich in der Marketingabteilung abspielt. Die Unterschiedlichkeit der Verteilung der Marketingaktivitäten konnte im Rahmen dieses Kapitels dargestellt werden. Der zentrale Themenfokus der Arbeit ist daher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

2.5 Bedeutung der Dispersion von Marketingaktivitäten im