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Darstellung der Propositionen des Forschungsmodells und Zwischenfazit

4.3 Fallstudie zur Analyse des Forschungsmodells und Spezifikation der Rolle der Informalität im

4.3.4 Darstellung der Propositionen des Forschungsmodells und Zwischenfazit

„Während mit quantitativen Analysen v.a. das Ziel verfolgt wird, aus bestehenden Theorien abgeleitete Hypothesen zu testen und damit bestehendes Wissen zu spezifi-zieren, eignet sich der [...] Forschungsansatz der Fallstudie besonders dann, wenn es darum geht, komplexe, bisher wenig erforschte Phänomene in einem breiten Zugang und vor dem Hintergrund ihrer Kontextbezogenheit zu betrachten. Die Erkenntnisge-winnung durch Fallstudien zielt dabei auf das Erschließen neuen Wissens, die Ent-wicklung von Erklärungsmodellen und Ableitung von Hypothesen ab.“ (Borchardt &

Göthlich 2007: 46)

In diesem Sinne war ein Ziel der Fallstudienuntersuchung die Formulierung von Propositionen, die sich auf das bereits aus den Interviews entwickelte Forschungsmo-dell beziehen. Somit wird eine weitere Präzisierung des ForschungsmoForschungsmo-dells mithilfe der Fallstudienanalyse vorgenommen. Die Formulierung der Propositionen erfolgt da-her in Rückkopplung mit den Richtungsbeschreibungen der Einflussfaktoren aus 4.2.3.2 und der Outcome-Dimensionen aus 4.2.3.3. Die Propositionen können nicht auf Ebene der übergreifenden sieben bzw. fünf Themen formuliert werden, da es in-nerhalb der Themen teilweise unterschiedliche Effekte gibt.

Das Ausmaß der „Bestätigung“ der Richtungsbeschreibungen der Interviewdaten zu den Fallstudiendaten variiert je nach Einflussfaktor. Manche Einflussfaktoren und Outcome-Dimensionen sind in den Daten sehr präsent, andere gar nicht (z.B. Markto-rientierung). Es konnten jedoch bezüglich der nicht vorgefundenen Einflussfaktoren und Outcome-Dimensionen auch keine Widersprüche zu den Ergebnissen der Inter-views ausgemacht werden. Daher basieren die Einflussfaktoren und Outcome-Dimen-sionen, die bei SOTTA keine Relevanz aufweisen, auf den Interviewdaten sowie der existierenden Literatur.34

Einflussfaktoren können sich auf den Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten auswirken oder nicht (z.B., wenn sich alles innerhalb des Marketings und des Vertriebs abspielt). Wenn Einfluss vorliegt, dann kann dies zu einem höheren oder niedrigeren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten führen. Bei einigen Einflussfaktoren

34 Dies gilt für die Einflussfaktoren Marktorientierung, Leistungsprogramm, Branche, Historizität, Marktkomplexität, globale vs. regionale Präsenz und Kundenabhängigkeit, sowie für die Outcome-Di-mensionen Kundennähe, Kenntnis Kundenbedürfnisse, abteilungsübergreifene Informationsdistribu-tion, abteilungsübergreifende Kundenansprache, Anzahl von Schnittstellen, Steuerbarkeit der Organi-sationsstrukturen und Reaktionsmöglichkeiten auf den Markt. Insgesamt basieren demnach sieben Propositionen der Einflussfaktoren und sieben Propositionen der Outcome-Dimensionen vornehmlich auf Interviewdaten und der existierenden Literatur und wurden in der Fallstudie nicht widerlegt.

spielt die konkrete Ausgestaltung eine große Rolle, so dass nicht nur lineare Aussagen zu den Zusammenhängen getroffen werden können. So spielt beispielsweise hinein, um welche Branche es sich handelt (Einflussfaktor Branche) oder ob es beispielsweise Machtbündelungs- oder Machtverteilungsinteressen gibt (Einflussfaktor Interessen).

Bei den betroffenen Einflussfaktoren wird dies jeweils in den Fußnoten spezifiziert.

Die folgenden, in Tabelle 16 aufgeführten Propositionen sind die Ergebnisse aus den bisherigen beiden Sequenzen des Mixed-Methods-Designs.

Tabelle 16: Propositionen zum Zusammenhang der Einflussfaktoren und des Grads der Dis-persion von Marketingaktivitäten

Einflussfaktor Propositionsformulierung

Interessen35 Je nach Inhalt der Interessen, kann damit ein kleinerer oder größerer Grad der Disper-sion von Marketingaktivitäten einhergehen.

Personenbezogene Kompetenzen36

Je nach Situation, kann ein kleinerer oder größerer Grad der Dispersion von Marke-tingaktivitäten mit personenbezogenen Kompetenzen einhergehen.

Marktorientierung Je stärker die Ausprägung der Marktorientierung in der Organisation, desto größer ist der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Kundenorientierung Je stärker die Ausprägung der Kundenorientierung in der Organisation, desto größer ist der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Unternehmensphilosophie Je stärker die Unternehmensphilosophie auf die Befriedigung von Kundenbedürfnissen ausgerichtet ist, desto höher ist der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Leistungsprogramm Je breiter, komplexer und tiefer das Leistungsprogramm einer Organisation, desto grö-ßer der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Bedeutung der Abnehmer nach-gelagerter Wertschöpfungsketten

Je größer die Bedeutung der Abnehmer auf nachgelagerten Wertschöpfungsstufen, desto größer der Grad Dispersion von Marketingaktivitäten.

Branche37 Je nach Branche kann der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten variieren.

Historizität38 Die Inhalte der historischen Entwicklung entscheiden darüber, ob eine Bündelung oder eine Verteilung der Marketingaktivitäten in den Unternehmen stattgefunden hat.

35 Wenn beispielsweise ein Machtinteresse besteht, aufgrund dessen mehrere Marketingaktivitäten ge-bündelt werden, z.B. um den Verantwortungsbereich eines Mitarbeiters zu vergrößern, wird der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten geringer.

36 Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter aus der IT besonders gut darin ist, das Messedesign zu erstellen und formal die Veranwortlichkeit dafür erhält, erhöht sich dadurch der Grad der Dispersion von Mar-ketingaktivitäten.

37 In High-Tech-Branchen zeigt sich beispielsweise ein höherer Grad der Dispersion von Marketingak-tivitäten, da die Ingenieure intensiver in die Durchführung der Marketingaktivitäten eingebunden sind.

38 Eine Vergrößerung des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten kann z.B. entstehen, wenn ein Merger stattgefunden hat und Marketingaktivitäten in beiden ursprünglichen Unternehmen beibehalten

Einflussfaktor Propositionsformulierung

Marktkomplexität Je größer die Marktkomplexität, desto größer der Grad der Dispersion von Marketing-aktivitäten.

Wettbewerbskomplexität Je größer die Wettbewerbskomplexität, desto größer der Grad der Dispersion von Mar-ketingaktivitäten.

Komplexität der Umwelt Je größer die Komplexität der Umwelt, desto größer der Grad der Dispersion von Mar-ketingaktivitäten.

Größe der Business Unit Bei kleinen Unternehmen kann sowohl ein großer als auch ein kleiner Grad der Disper-sion von Marketingaktivitäten vorliegen. Je größer ein Unternehmen ist, desto tenden-ziell geringer ist der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Globale vs. regionale Präsenz39 Auf je mehr Märkten die Organisation tätig ist, desto größer der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Kundenabhängigkeit40 Die Bündelung der Verantwortlichkeiten zu Key-Account-Stellen führt zu einem gerin-geren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Für die Outcome-Dimensionen ergeben sich nach dem Abgleich der Ergebnisse der Interviews mit den Ergebnissen des ersten Teils der Fallstudie folgende in Tabelle 17 aufgeführte Propositionen.

Tabelle 17: Propositionen zum Zusammenhang des Grads der Dispersion von Marketingakti-vitäten und der Outcome-Dimensionen

Outcome-Dimension Propositionsformulierung

Kundennähe Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer die Kundennähe.

Kenntnis Kundenbedürf-nisse

Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto besser ist die Kenntnis der Kundenbedürfnisse.

Kundenspezifische Lö-sungen

Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto besser werden kundenspezifi-sche Lösungen erstellt.

Abteilungsübergreifende Informationsakquise

Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto höher die Notwendigkeit die Notwendigkeit zu abteilungsübergreifender Informationsakquise.

Abteilungsübergreifende Informationsdistribution

Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer die Notwendigkeit einer abtei-lungsübergreifenden Informationsdistribution.

wurden. Ein Beispiel für einen niedrigen Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten durch histori-sche Entwicklungen ist, dass ein früherer Geschäftsführer entschieden hat, dass Marketing keine Rele-vanz habe und daher ausschließlich im Vertrieb durchgeführt wird.

39 Bei kleinen Unternehmen ist entweder niemand formal verantwortlich oder eine Person übernimmt sämtliche Tätigkeiten.

40 Durch hohe Kundenabhängigkeit wird versucht, möglichst viele Ressourcen für den Kunden zu mo-bilisieren, was zu besonderen abteilungsübegreifenden Herausforderungen bei der Bearbeitung von Aufträgen sehr wichtiger Kunden führen kann, wenn es keine formalisierte Stelle des KAM gibt. Dies bringt einen höheren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten mit sich.

Outcome-Dimension Propositionsformulierung Abteilungsübergreifende

Kundenansprache

Je größer der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto mehr Abteilungen müssen in eine abteilungsübergreifende Kundenansprache involviert werden, so dass die abteilungsüber-greifende Kundenansprache zu einer größeren Herausforderung wird.

Fehlende interne Ab-stimmung

Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto eher ergibt sich ein höheres Potenzial an fehlender interner Abstimmung.

Kommunikationsnot-wendigkeit

Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer ist die Notwendigkeit abtei-lungsübergreifend zu kommunizieren.

Schnelligkeit der Ar-beitsabläufe

Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto geringer ist die Schnelligkeit der Ar-beitsabläufe.

Anzahl von Schnittstel-len

Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer die Anzahl an Schnittstellen.

Kontrollaufwand Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer auch der Kontrollaufwand.

Steuerbarkeit der Orga-nisationsstrukturen

Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto höher ist die Notwendigkeit der Steuerbarkeit der Organisationsstrukturen.

Strukturkomplikationen Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer die Strukturkomplikation.

Handlungsfreiheit der Mitarbeiter

Je höher der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, desto höher kann die Handlungs-freiheit der Mitarbeiter sein.

Reaktionsmöglichkeiten auf Marktgegebenheiten

Je größer die Dispersion von Marketingaktivitäten, desto größer die Reaktionsmöglichkeit auf Marktgegebenheiten.

Auch in der Fallstudie zeigte sich, dass eine Unterteilung der übergeordneten Themen der Outcome-Dimensionen in Effektivitäts- und Effizienzdimensionen möglich ist und die Einflussfaktoren sich in externe und interne Einflussfaktoren einteilen lassen, was bereits in der ersten Sequenz grafisch dargestellt wurde (s. Abbildung 14). Nach der Durchführung der Interviews und dem ersten Teil der Fallstudie lässt sich für die Ef-fektivitätsdimensionen zusammenfassend sagen, dass ein höherer Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten tendenziell zu besseren Resultaten führt. Für die Effizienz-dimensionen ist eher ein niedrigerer Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten förderlich.

Im Hinblick auf die internen und externen Einflussfaktoren kann keine übergeordnete Auskunft erfolgen. Es zeigte sich allerdings, dass die Einflussfaktoren innerhalb von SOTTA ganz unterschiedlich wirken und manche zu einem größeren, andere dagegen zu einem kleineren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten führen (s. Tabelle 14). Das Mixed-Methods-Forschungsdesigns ermöglichte eine

Einzelfallstudienunter-suchung, die tiefe, detaillierte Einblicke in verschiedene Aspekte des Grads der Dis-persion von Marketingaktivitäten bietet. In Teil 1 der Fallstudie wurden unterschied-liche qualitative Methoden herangezogen – mit dem Hauptziel, das in der Vorstudie abgeleitete Forschungsmodell auf einen konkreten Fall anzuwenden.

Sowohl in Bezug auf die Einflussfaktoren als auch auf die Outcome-Dimensionen konnte festgestellt werden, dass nicht alle Faktoren und Dimensionen in der Einzel-fallstudie relevant sind, sondern im entsprechenden Fall unterschiedliche Ausprä-gungsformen ihre Daseinsberechtigung haben und eine Tiefenanalyse im Einzelfall Aufschluss geben kann. Die inhaltlich-interpretative Zusammenfassungen der First-Order-Categories zu Second-Order-Themes mithilfe der Gioia-Methode ist möglich (Gioia et al., 2012) – z.B. Kundennähe, Kenntnis Kundenbedürfnisse und Kundenspe-zifische Lösungen als First-Order-Categories zu Kundenresponsivität als Second-Ord-ner-Theme. Jedoch hat sich in der Anwendung auf den konkreten Fall gezeigt, dass ein Informationsverlust entstehen kann, wenn nur die Second-Order-Themes betrach-tet werden, da die Ausprägungsformen der einzelnen First-Order-Categories unter-schiedlich ausfallen können. Auch bei der weiteren Zusammenfassung der Einfluss-faktoren in interne und externe EinflussEinfluss-faktoren und der Outcome-Dimensionen in Ef-fektivitäts- und Effizienzdimensionen ist zu beachten, dass dies lediglich eine Aggre-gation ist, die einzelnen First-Order-Categories jedoch inhaltlich mehr Auskunft ge-ben.

Darüber hinaus muss eine klare Trennung vorgenommen werden zwischen Einfluss-faktoren, die im Zusammenhang mit der Marketingorganisation im weiteren Sinne ste-hen, und jenen, die mit der konkreten Dispersion von Marketingaktivitäten verbunden sind. Denn bei SOTTA hat sich gezeigt, dass zwar eine große Auswirkung auf die Marketingorganisation besteht, der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten aber nur bedingt betroffen ist, da sich die relevanten Aspekte bei SOTTA vornehmlich im Innenverhältnis zwischen Marketing und Vertrieb abspielen.

Als weiteres Ergebnis der qualitativen Fallstudienanalyse konnten Propositionen auch auf Basis der ersten Sequenz (der qualitativen Interviews) formuliert werden, so dass für alle 15 Einflussfaktoren jeweils der Zusammenhang zum Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten (s. Tabelle 16) und auch der Zusammenhang zwischen dem Grad

der Dispersion von Marketingaktivitäten und den 15 Outcome-Dimensionen (s. Ta-belle 17) spezifiziert werden. Es konnte eine grundsätzliche Bestätigung des For-schungsmodells der ersten Sequenz durch die zweite Sequenz erfolgen.

4.4 Analyse des formalen Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten im