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Einflussfaktoren des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten

4.3 Fallstudie zur Analyse des Forschungsmodells und Spezifikation der Rolle der Informalität im

4.3.3 Darstellung der Ergebnisse

4.3.3.2 Einflussfaktoren des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten

Die 15 identifizierten Einflussfaktoren des Grads der Dispersion von Marketingakti-vitäten wurden anhand des Beispiels von SOTTA analysiert. Die konkrete Ausprägung jedes einzelnen Einflussfaktors wurde betrachtet.32 Die Definitionen der jeweiligen Einflussfaktoren sind Kapitel 4.2.3.2 zu entnehmen.

Bezogen auf das Unternehmen kann zum Einflussfaktor Interessen beispielhaft das persönliche Interesse des Vorsitzenden der Geschäftsführung genannt werden, der Marketingaktivitäten und insbesondere kommunikationspolitische Aktivitäten als wichtig erachtet, woraus der entsprechende Stellenwert im Unternehmen resultiert (IN-1, DB-3). Dies führt wiederum dazu, dass potenziell mehr Mitarbeiter bereitwillig an Marketingaktivitäten partizipieren. Als ein weiteres Beispiel kann das unterschied-liche Ausmaß von Marketinginteresse in den Niederlassungen genannt werden (IN-1).

Je höher das persönliche Interesse dort ausgeprägt ist, desto stärker setzt man sich da-mit auseinander, schafft Verantwortlichkeiten, Budget etc. Während das Interesse des CEOs zu einem höheren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten führen kann, sorgen die Interessenslagen der Niederlassungsleiter lediglich für Verschiebungen zwischen Marketing- und Vertriebsabteilungen, was gemäß der Definition des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten diesen nicht beeinflusst.

Besondere, spezifische oder fehlende Kompetenzen von Personen können auch dazu führen, dass die Marketingorganisation beeinflusst wird. Im Falle von SOTTA lassen sich beispielsweise die Verantwortlichen aus Niederlassungen und Auslandsgesell-schaften nennen, die Marketingtätigkeiten als PTM wahrnehmen, wodurch beispiels-weise große Unterschiede – entsprechend der persönlichen Kompetenz – in den Er-gebnissen erkennbar sind, z.B. Polen, Niederlassungen Bremen und Hannover, die Marketingaktivitäten in größerem Ausmaß nutzen (IQ-1, IN-1). Auch die Ausrichtung der Stelle des Leiters der Unternehmenskommunikation (Jobbeschreibung) hängt mit seiner Kompetenz in der Veranstaltungsplanung zusammen (IN-1, IN-4, IQ-2). Zwar wurde die Stelle nicht neu geschaffen, aber inhaltlich anders ausgestaltet. Der Fokus liegt stärker auf dem Bereich Veranstaltungen. Die Entwicklung einer Vertriebs-App

32 Die grafische Übertragung der relevanten Einflussfaktoren für SOTTA auf das Forschungsmodell findet in Kapitel 4.3.3.4 statt.

durch einen Homepage-Verantwortlichen, der das Projekt aufgrund seiner persönli-chen Affinität vorangetrieben hat, ist nicht nur ein abteilungsübergreifendes Beispiel, sondern zeigt auch das Erfolgspotenzial der Einbindung von Part-Time- bzw. Non-Marketern (IN-3). Ein Beispiel für die „umgekehrte“ Dispersion von Marketingaktivi-täten ist die organisatorische Verankerung des Vertriebstrainings im Bereich Marke-ting/Kommunikation. Typischerweise werden Trainings von HR-Bereichen übernom-men. Bei SOTTA hat man sich aufgrund der nötigen Kompetenz in der Vernetzung von technischem Know-how, Kundennutzen und der Argumentation beim Kunden je-doch dazu entschieden, das Training nicht im HR-Bereich zu verankern (IN-1). Bei den Beispielen der Vertriebs-App und des Vertriebstraining sind neben Marketing und Vertrieb weitere Abteilungen involviert. Während das erste Beispiel auf eine Erhö-hung des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten hindeutet, zeigt das zweite Beispiel eine umgekehrte Dispersion von Marketingaktivitäten und ist somit in Bezug auf den Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten eher neutral zu sehen.

Personenbezogene Merkmale (Interessen & personenbezogene Kompetenzen) wirken sich bei SOTTA insgesamt geringfügig auf einen höheren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten aus. Die Beobachtungen beziehen sich vornehmlich auf Be-reiche des Marketings und Vertriebs, es sind nur wenige andere Unternehmensberei-che einbezogen.

Während in Bezug auf die Marktorientierung kein Einfluss auf die Dispersion von Marketingaktivitäten erkennbar ist, kann man aus der Kundenorientierung Erkennt-nisse ableiten. Das KAM und die beobachtbare Entwicklung hin zu mehr Kunden-teams in der Verkäuferstruktur sind aus der Kundenorientierung abzuleiten (IN-1, IQ-1, DB-3). Es gibt sowohl Fachleute als auch spezielle, regional angepasste Trainings.

Der entscheidende Einflussfaktor des Unternehmens ist jedoch die Unternehmens-philosophie. Hierbei ist erstens die Verschriftlichung von Werten (Markenwerte) und Leitbildern („one face to the customer“) zu nennen sowie zweitens – und hierauf liegt ein starkes Gewicht – die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen, was bei SOTTA eher auf der informalen Ebene erkennbar war (IN-1, IQ-5, IQ-6, DB-2, DB-3, EQ-2, EQ-4, EQ-5). Die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich in anderen Unterneh-mensbereichen einzubringen, um dem Unternehmen als Ganzem einen Mehrwert zu

verschaffen, war zum Beispiel durch die Integration der Produktentwickler im Presse-gespräch, abteilungsübergreifende Teams in der Messebetreuung, aber auch immer wieder zwischen den Zeilen in der Kommunikation zu den Forschern deutlich spürbar (DB-1 bis DB-4). Diese Identifikation mit dem Unternehmen und die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich über Jobbeschreibungen und ihre Abteilungszugehörigkeit hinaus einzubringen, ist die Voraussetzung für einen hohen Grad der Dispersion von Marke-tingaktivitäten. In diesem Punkt ist bei SOTTA ein Anhaltspunkt durch die Unterneh-mensphilosophie beobachtbar.

Jedoch verkörpert die Unternehmensphilosophie sehr stark Inhalte, die eine große Nähe zu der Kundenorientierung aufweisen (IQ-6). Aus der Kombination von Kun-denorientierung und Unternehmensphilosophie bei SOTTA lässt sich ableiten, dass eine höhere Kundenorientierung und insbesondere die stärkere Ausrichtung der Un-ternehmensphilosophie auf Kundenbedürfnisse zu einem höheren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten führen.

Zur nächsten Gruppe von Einflussfaktoren, die auf den Kontext SOTTA angewendet wird, gehören das Leistungsprogramm, die Bedeutung von Abnehmern nachgela-gerter Wertschöpfungsstufen sowie die Branche. Diese Einflussfaktoren beziehen sich alle auf das Produkt-/Serviceumfeld des Unternehmens. Das Leistungspro-gramm des Unternehmens ist auf der einen Seite sehr umfangreich, z.B. aufgrund der großen Anzahl von Konfigurationsmöglichkeiten und der Komplexitätsgrade der Pro-dukte (IQ-7, EQ-2, EQ-4). Auf der anderen Seite ist es aber auch relativ deutlich defi-niert (drei Hauptbereiche) (IQ-1, EQ-2). Die Marketingorganisation wird bspw.

dadurch beeinflusst, dass entsprechende Verantwortlichkeiten geschaffen werden (ein Bereich hat separate Marketingverantwortliche), wenn die unterschiedlichen Leis-tungsprogrammelemente eine einheitliche Bearbeitung nicht sinnvoll erscheinen las-sen (IQ-1). Auch in diesem Fall geschieht bei SOTTA eine Verteilung der aktivitäten innerhalb des Marketings, so dass der Grad der Dispersion von Marketing-aktivitäten dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Im B2B-Marketing spielen nachgelagerte Wertschöpfungsstufen häufig eine große Rolle. Bei SOTTA ist dies jedoch nicht der Fall. Zwar werden auch die Kunden von Kunden betrachtet – z.B. durch verbesserte Umweltbilanzen in der Produktion (IN-5,

DB-3) – die Bedeutung dieser nachgelagerten Stufen ist jedoch vergleichsweise ge-ring, was sich auch darin zeigt, dass sie keine explizite Berücksichtigung in der Mar-ketingorganisation finden (IQ-1) und der Grad der Dispersion von Marketingaktivitä-ten diesbezüglich gering ist.

Die Branchenzugehörigkeit hat bei SOTTA Einfluss auf den grundsätzlichen Aufbau der Marketingorganisation. Es konnten jedoch keine außergewöhnlichen Charakteris-tika der Dispersion von Marketingaktivitäten identifiziert werden, die auf die Branche zurückzuführen sind. Die Maschinenbaubranche (EQ-1) ist beispielsweise nicht durch umfangreiche Regulierungen geprägt, so dass dies insgesamt in einem niedrigen Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten resultiert.

Fasst man die Einflussfaktoren Leistungsprogramm, Abnehmer nachgelagerter Wert-schöpfungsstufen sowie die Branche zusammen, so kann festgehalten werden, dass die Produkte zwar eine relativ hohe Komplexität haben, dies jedoch durch eine Struktu-rierung aufgefangen wird, die nur Marketing und Vertrieb betreffen. Da die Bedeutung der nachgelagerten Abnehmer gering ist und die Branche keinen Einfluss hat, kann im Hinblick auf das übergeordnete Thema Branchen-/Angebotsprogramm eher von ei-nem Einfluss hin zu eiei-nem geringen Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten gesprochen werden.

Ein wichtiger Aspekt für das Unternehmen ist der historisch gewachsene Vertriebsfo-kus. Aus der geschichtlichen Entwicklung heraus obliegen dem Vertriebsgeschäfts-führer die gesamten Marktbearbeitungsentscheidungen, die gemeinsam mit den Nie-derlassungs- & Auslandsgesellschaftsleitungen besprochen werden (IN-1, IN-4, IQ-1). Entscheidungen hinsichtlich aller Marketingaktivitäten haben somit eine gewisse

„Vertriebsverzerrung“. Dies kann zum Teil auch dadurch erklärt werden, dass der Ver-triebsverantwortliche früher gleichzeitig auch Vorsitzender der Geschäftsführung war (IQ-1). Die relativ späte Einführung des Produktmanagements (erst in den 2000ern) ist eine Konsequenz davon (IN-1, IN-4). Es wird jedoch auch deutlich, dass die His-torizität sich auf Entwicklungen bezieht, die sich in der Ausgangsdefinition des Mar-ketings wiederfinden, in der auch der Vertrieb zum Marketing zählt. Daher ist hier kein Einfluss auf den Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten auszumachen.

Die Marktkomplexität von SOTTA spiegelt sich insbesondere in unterschiedlichen Ländermärkten wider, wobei es auch innerhalb von Ländern unterschiedliche Markt-anforderungen gibt, z.B. durch Regionen mit vielen Großkunden (IN-1, IQ-1). Dies wirkt sich jedoch nur auf die Organisation des Vertriebs aus und ist somit als neutral für den Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten einzustufen.

Wettbewerbskomplexität dagegen wird bei SOTTA vor allem in Form eines hohen Wettbewerbsdrucks wahrgenommen, der durch die Vergleichbarkeit der Produkte von anderen Anbietern entsteht (IN-5, DB-2). Diese resultieren auch in geringen Wechsel-kosten. Um diesem Wettbewerbsdruck zu begegnen, wird der Schwerpunkt von SOTTA an dieser Stelle auf den Verkauf von zusätzlichen Dienstleistungen (wie z.B.

Wartungen, Schulungen, Software) gelegt (IQ-7). Hieraus resultiert auch eine Auswir-kung auf den Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten, da weitere Unterneh-mensbereiche in Absatzaktivitäten integriert werden. SOTTA hat einen Dienstleis-tungsplan entwickelt. Dieses Tool ist aus diesem Gedankengang entstanden und die Zusammenarbeit bei der Konzipierung ist ein Beispiel für Marketingaktivitäten, die abteilungsübergreifend erfolgt (IN-2, IN-3, EQ-2). Ein höherer Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten ist demnach die Folge der höheren Wettbewerbskomplexität.

Die Umweltkomplexität ist insgesamt als gering einzuschätzen (IN-3) und führt daher eher zu einem niedrigeren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten.

Im Hinblick auf die Komplexität des Marktumfeldes kann keine übergreifende Ein-flussrichtung festgestellt werden: Die Marktkomplexität wirkt sich neutral aus, die Wettbewerbskomplexität führt zu einem höheren Grad der Dispersion von Marketing-aktivitäten und die niedrige Umweltkomplexität wirkt sich in einem niedrigeren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten aus.

Gemäß der Amadeus-Datenbank kann das Unternehmen als sehr großes Unternehmen angesehen werden (EQ-1). Alle Bereiche, die Marketingaktivitäten betreffen, sind im Organigramm jedoch vollständig dem Marketing und Vertrieb zugeordnet, es gibt keine Dezentralisierungsmerkmale durch die Größe (IQ-1). Der Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten hinsichtlich der Größe von SOTTA ist somit gering.

Das Unternehmen hat eine internationale Präsenz (IQ-1, EQ-2). Dazu können aller-dings nur sehr unterschiedliche Aussagen getroffen werden. Einzelne Länder bzw.

Ländergruppen haben eigene Marketingabteilungen (z.B. Frankreich/Italien) und agie-ren dementsprechend autonom (z.B. Brasilien). In andeagie-ren Ländern wird dagegen die spezifische Zusammenarbeit mit Händlern fokussiert (z.B. Weißrussland) (IN-1). Die Divergenz der globalen Marketing-/Vertriebsansätze kann somit zu keiner unmittelba-ren Aussage hinsichtlich des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten fühunmittelba-ren.

Eine übergreifende Einschätzung des Einflusses der Größe und der internationalen Präsenz kann somit nicht getroffen werden: Die Größe von SOTTA führt zu einem niedrigeren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten und die internationale Aus-richtung ist zu divers, um eine Richtungsbeschreibung vorzunehmen.

Das deutsche und internationale KAM ist organisatorisch im Vertrieb verankert, so wirkt sich die Kundenabhängigkeit zwar in der Marketingorganisation aus, nicht je-doch im Hinblick auf den Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten (IQ-1). An-dere Elemente der Kundenabhängigkeit konnten in dem Beispielunternehmen nicht ausgemacht werden. Man kann daher von einem neutralen Zusammenhang ausgehen.

Tabelle 14: Zusammenfassende Darstellung des Zusammenhangs der Einflussfaktoren und des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten

Einflussfaktoren Einflussstärke auf Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten

Interessen Geringfügig hoch

Personenbezogene Kompetenzen Geringfügig hoch

Marktorientierung Neutral

Kundenorientierung Geringfügig hoch

Unternehmensphilosophie Hoch

Leistungsprogramm Neutral

Abnehmer nachgelagerter Wertschöpfungsstufen Niedrig

Branche Neutral

Historizität Neutral

Marktkomplexität Neutral

Wettbewerbskomplexität Hoch

Komplexität der Umwelt Geringfügig niedrig

Größe Niedrig

Globale vs. regionale Präsenz Neutral

Kundenabhängigkeit Neutral

In Tabelle 14 werden abschließend die Ausprägungen der Einflussfaktoren des For-schungsmodells zum Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten im Fallstudienun-ternehmen aufgeführt. Da es nicht bei allen übergeordneten Themen die gleichen Aus-prägungen gibt, erfolgt die Darstellung für alle 15 Einflussfaktoren. Die tabellarische Übersicht verdeutlicht, wie unterschiedlich die Einflussfaktoren wirken: Es gibt so-wohl neutrale Ausprägungen als auch Einflüsse hin zu einem niedrigeren oder höheren Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten. Weitere Ausführungen zum Grad der Dispersion von Marketingaktivitäten erfolgen in den Kapitel 4.3.3.4.

4.3.3.3 Outcome-Dimensionen des Grads der Dispersion von Marketingaktivitäten