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Beim Säugetier gibt es eine Funktionsteilung zwischen den beiden Hormonen AVP und OT.

AVP ist ein antidiuretisches Hormon und ist beteiligt an der Regulation des Wasser- und Elektrolythaushaltes. Oxytocin löst Kontraktionen der Uterusmuskulatur aus und bedingt die Milchejektion und ist somit an der Geburt und Aufzucht beteiligt (ACHER et al. 1970). Beim Vogel hingegen hat AVT sowohl eine vasopressinerge wie oxytocinerge Wirkungskomponente, d. h. es ist an der Regulation der Nierentätigkeit beteiligt und hat zusätzlich Einfluß auf die Oviposition. Dagegen ist eine physiologische Funktion von Mesotocin beim Vogel bisher nicht beschrieben (Abb. 2-5).

Abb. 2-5: Klassische physiologische Funktionen der neurohypophysären Hormone.

Die meisten bisherigen Untersuchungen beziehen sich auf den Einfluß von Blutdruck, Blutvolumen oder Streß auf den AVT- und MT-Gehalt im Plasma. So löst eine Immobilisation und Katheterisierung von Beuteltieren einen Anstieg der

MT-?

Mesotocin Vasotocin

Oxytocin Vasopressin

Reproduktion Osmoregulation

Plasmakonzentration für 3 Tage aus (BATHGATE et al. 1990, 1995). Auch eine Anästhesie kann bei Hühnern den MT-Wert erhöhen (BOTTJE et al. 1990), der dann innerhalb von 6 Stunden post OP wieder den Normalwert erreicht. Bei Fröschen scheint Immobilisation keinen Einfluß auf MT im Plasma zu haben (NOUWEN u. KÜHN 1985).

Kälteeinfluß auf nicht adaptierte Echsen führte zu einer Anreicherung von MT und AVT in der inneren Zone der Eminentia mediana (BONS 1983). Im ventralen PVN sind zunehmend kleine Neurone zu finden. Wie bereits berichtet, konnte AVP bzw. AVT mit CRF in Neuronen des hypothalamo-hypophysären Systems co-lokalisiert werden (MANCERA et al. 1991;

BARTANUSZ et al. 1993). Daher wird jetzt gezielt nach einem Zusammenspiel der Streß-induzierten Hormone mit den Nonapeptiden geforscht. CRF war dabei überwiegend in parvozellulären Neuronen des PVN lokalisiert. Aber auch in magnozellulären Neuronen war AVT bzw. MT und CRF co-lokalisiert (MANCERA et al. 1991). Plasma-OT steigt nach einer Immobilisierung von Ratten oder nach Zwangsschwimmen stark an, während der AVP-Gehalt unverändert bleibt (LANG et al. 1983). Da CRF an der Vermittlung einer generellen „Streß-Antwort“ beteiligt ist, scheint hier ein Zusammenhang zu bestehen. Injiziert man CRF in den III. Ventrikel, kann ein Anstieg von Plasma-OT in dosisabhängiger Weise beobachtet werden (HIGUCHI et al. 1990). Da diese Reaktion jedoch nicht mit Dexamethason geblockt werden konnte, kann nicht freigesetztes Adrenocorticotrophin (ACTH) für diese Reaktion verantwortlich sein, sondern die Regulation muß auf hypophysärem Niveau ablaufen, also steuern CRF-Neurone im Hypothalamus die OT-Freisetzung. Umgekehrt übt OT ein negatives Feedback aus auf die Hypothalamo-Adenohypophysen-Nebennieren-Achse (NEUMANN et al. 2000).

Einfacher Immobilisationsstreß oder Zwangsschwimmen konnte keinen Plasmaanstieg von AVP auslösen. Trotzdem ist auch parvozelluläres AVP in den Kreislauf der Streß-Antwort eingebunden. Eine Kombination aus physischem und emotionalem Streß gleichzeitig erhöht selektiv die Menge an intracerebral freigesetztem AVP (ENGELMANN et al. 2000). Auch in diesem Regelkreis zeigt sich, daß ein fehlender Anstieg des Plasmaspiegels nicht gleichzusetzen ist mit Wirkungslosigkeit. Vielmehr ist beim AVP-System zu beobachten, daß die Neuropeptid-Freisetzung von Dendriten bzw. Soma und Synapsen getrennt reguliert wird (WOTJAK et al. 1998). Auch Immobilisation als Streßauslöser kann im Gehirn eine lokale

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AVP-Freisetzung aus parvozellulären Neuronen bewirken (BARTANUSZ et al. 1993). Diese wird über ein negatives Feedback durch Glukokortikoide reguliert (HERMAN 1995).

Katecholamine hingegen scheinen keinen Einfluß auf die streßbedingte Freisetzung von AVT und MT zu haben (ROBINZON et al. 1991). Abb. 2-6 gibt einen Überblick über die Hypothalamus-Adenohypophysen-Nebennieren-Achse und die Beteiligung von AVP und OT.

Abb. 2-6: Einbindung von AVP und OT in die Streßregulation.

Die Untersuchungen zum Einfluß von Blutdruck und Blutvolumen auf die AVT- und MT-Konzentrationen im Plasma zeigen z. T. sehr unterschiedliche Ergebnisse. In der Tendenz deutet sich ein Abfall der MT-Plasmakonzentration bei Hyperosmolalität und ein Anstieg bei Hypoosmolalität des Plasmas an, jedoch schwanken die Ergebnisse je nach Tierart oder verwendeter Nachweismethode. Bei hyperosmolalem Plasma ist bei Beuteltieren mittels RIA ein Anstieg des Plasma-MT zu verzeichnen (BATHGATE u. SERNIA 1995). Den gleichen

Effekt kann man auch immunhistologisch bei Vögeln beobachten (BLÄHSER 1982).

Dagegen fällt MT im Plasma bei steigender Osmolalität beim Huhn im RIA (BOTTJE et al.

1990), bei sinkendem Ionendruck dagegen nimmt es zu. Die Reaktion von MT auf die Osmolalität kann dosis-abhängig sein (KOIKE et al. 1985). Bei Infusion von 0,1 M NaCl (schwach hyperton) über 30 min stieg der MT-Gehalt, bei Infusion von 1M NaCl fiel er.

SHIMADA et al. (1991) dagegen fanden bei Infusion von 0,1 M NaCl bei Legehühnern keinen Einfluß, aber einen Abfall bei 1 M NaCl. NOUWEN u. KÜHN (1982) schließlich zeigten einen MT-Abfall bei Infusion von 0,1 M (6 %) NaCl-Lösung beim Frosch. Tabelle 3 faßt diese Ergebnisse zusammen.

Tierart Behandlung Tabelle 3: Wirkungen verschiedener Infusion auf den Plasma-Gehalt von neurohypophysären Hormonen.

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Diese widersprüchlichen Ergebnisse sind einerseits zu begründen mit den verschiedenen Tierarten, andererseits mit unterschiedlichen Nachweismethoden. Selbst wenn mehrere Arbeiten sich auf einen RIA berufen, so ist doch bei jeder Arbeitsgruppe ein anderer Antikörper verwendet worden, was durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.

Unterschiedliche Tierrassen und –arten und unterschiedliche Altersstufen können auch die Ergebnisse beeinflussen. In der Mehrzahl der Fälle scheint MT eher ein diuretisch wirksames Hormon zu sein, dessen Plasmakonzentration sich bei osmotischem Streß mit ansteigender Osmolalität verringert.

Die Reaktion auf osmotische Stimuli wird vornehmlich durch magnozelluläre Neurone in SON und PVN vermittelt. Die mRNA-Synthese nimmt zu (SAITO u. GROSSMANN 1998).

Dehydrierung verändert aber nicht nur die Menge, sondern auch die Länge der mRNA. Bei der Ratte nimmt die Länge des Poly(A)-Schwanzes von AVP mRNA von ca. 250 bp auf ca.

400 bp zu (CARRAZANA et al. 1988). Diese Verlängerung des Poly(A)-Schwanzes ist eine akute Reaktion auf den osmotischen Stimulus (CARTER u. MURPHY 1991) und wird unabhängig von der gesteigerten mRNA-Bildung gesteuert (CARTER u. MURPHY 1989b).

Da die Adenylierung der mRNA diese stabilisiert und vor schneller Degradierung schützt (BREWER u. ROSS 1988), sowie die Translation fördert (PALATNIK et al. 1984), hilft diese Reaktion, den Zeitverzug zwischen dem Stimulus und der vermehrten Peptid-Synthese zu überbrücken. Während die Antwort auf die Dehydratation hauptsächlich ein transkriptionelles Ereignis ist, hat die Kastration von Ratten in den Neuronen des BnST post-transkriptionell Einfluß auf die Länge des Poly(A)-Schwanzes (CARTER u. MURPHY 1993). Auch das Alter kann die Länge des Poly(A)-Schwanzes beeinflussen (FEHR et al. 1989), so daß bei adulten Tieren der Poly(A)-Schwanz länger ist als bei Embryonen.

Neben der Dehydrierung gibt es noch verschiedene andere physiologische Situationen, in denen der Grad der Adenylierung variabel ist. Aber auch parvozelluläre Neurone sind an der Antwort auf osmotische Stimuli beteiligt. Ihre Aktivierung wird aber über andere Schaltkreise reguliert. In diesen Zellen ist fast kein Peptid, sondern nur mRNA zu detektieren. Ob das an einer verminderten Translation oder einem schnelleren Transport des Peptids liegt, ist nicht geklärt. Die Zahl der Neurone wird durch den osmotischen Stimulus erhöht und bleibt auch größer als vor dem Stimulus. In den magnozellulären Neuronen ist Peptid detektierbar, aber

unter Stimulation nimmt es ab. Die erhöhte Zahl exprimierender Neurone in dehydrierten Tieren nimmt nach Rehydratation wieder ab (AMAYA et al. 1999). Das System reagiert damit auf die veränderten Plasmaverhältnisse und ist sehr flexibel. Offensichtlich können unter osmotischem Streß zusätzlich Neurone zur Hormonsynthese rekrutiert werden, welche bei Rückkehr zur normalen Plasmaosmolalität wieder ausgeschaltet werden.

Dieser Anstieg der Neuropeptide im Plasma scheint über Opioide modulierbar zu sein. Die Gabe von Naloxon, einem Antagonisten, erhöht die Plasmaspiegel von AVT (XU et al. 1991) und MT bei Küken nach Injektion hyperosmolarer Salzlösung. Der Effekt beim Vogel wird über den µ-Rezeptor vermittelt, da DAMGO, ein selektiver Blocker dieses Rezeptors, diese Antwort verhindern kann (SAITO et al. 1999). Endogene Opioide können die hypothalamo-neurohypophysäre Achse so hemmen und als Gegenspieler bei osmotischer Stimulation wirken. Auch beim Säugetier sind Dynorphin und Neo-Endorphine als endogene Opioide an der Reaktion auf osmotische Stimuli beteiligt. Sie sind in der Neurohypophyse mit AVP co-lokalisiert und werden zusammen mit dem Nonapeptid freigesetzt (HÖLLT et al. 1981;

LORENZ et al. 1985; ZAMIR et al. 1985). Systemisch und zentral üben Opioide einen hemmenden Effekt auf die Freisetzung von AVP und OT aus. Die beteiligten Rezeptortypen VLQG - und µ-Rezeptoren (VAN DE HEIJNING 1991). Die Aktivierung der Rezeptoren führt zu einer verminderten Freisetzung von OT und damit zu einer bevorzugten Freisetzung von AVP im Falle der osmotischen Stimulation. Dynorphin, welches zusammen mit AVP VH]HUQLHUW ZLUG NDQQ DQ GLH -Rezeptoren der OT-haltigen Neurone in der Neurohypophyse binden und so in einer parakrinen Wirkungsweise die Freisetzung von AVP fördern.

Hypovolämie hat bei Beuteltieren einen stimulierenden Einfluß auf die MT-Sekretion (BATHGATE u. SERNIA 1995). Bei mehr als 50 % Blutverlust ist auch beim Huhn ein solcher Einfluß nachweisbar (BOTTJE et al. 1989). MT verhielt sich hier proportional zur Nierendurchblutung. Jedoch ist die physiologische Relevanz dieser Ergebnisse fraglich, da bei 50 % Blutverlust viele physiologische Regelmechanismen außer Kraft gesetzt sind. Bei ähnlich starkem Blutverlust gilt dies auch für den Frosch (NOUWEN u. KÜHN 1985). Bei geringerem Blutverlust aber bleibt der MT-Gehalt unverändert (NOUWEN u. KÜHN 1982).

Zahlreiche Versuche zur Dehydrierung von Tieren zeigen ebenfalls unterschiedliche Effekte.

Vier Tage Wasserentzug bei 5 Monate alten Hähnen der Rasse Weiße Leghorn bewirkt nur

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ein MT-Anstieg im vorderen Hypothalamus, während die Werte im Plasma, in der Neurohypophyse und im Proventrikulus unverändert sind (ROBINZON et al. 1990a). AVT hingegen steigt im Plasma zu Beginn stark an, fällt aber nach 3 Tagen wieder um ca. 25 % ab.

In der Neurohypophyse nimmt AVT stark ab. Der Translationsapparat der Zelle scheint die vermehrte Freisetzung nicht so schnell ausgleichen zu können. Im Plasma kann keine Korrelation gefunden werden zwischen AVT und Osmolalität, eine negative Korrelation besteht jedoch zwischen Osmolalität und neurohypophysären AVT-Gehalt. Diese mangelnde Korrelation zwischen Plasma-AVT und Osmolalität ist begründet in der Plateauphase und dem anschließenden Abfall von Plasma-AVT im Verhältnis zu einer zunehmenden Osmolalität während der gesamten Versuchsdauer. Inwieweit aber solche Werte aber eine physiologische Relevanz haben, bleibt fraglich. Vier Tage Wasserentzug sind in dieser Hinsicht eher kritisch zu bewerten. In adulten Rhode-Island Hühnern führt 4 Tage dauernde Dehydrierung zu einem Anstieg an Plasma-AVT und -MT (NOUWEN et al. 1984). Während MT über die gesamte Dauer der Dehydrierung erhöht bleibt, erreicht der AVT-Gehalt nach 3 Tagen auch bei anhaltender Dehydrierung wieder die Konzentration der Kontrolltiere. MT kann durch Rehydrierung im Plasma wieder auf die Ausgangswerte gebracht werden. Hier sieht es so aus, daß MT durchaus eine antidiuretische Wirkung parallel zu AVT haben kann.

Der Effekt der Dehydrierung auf den Plasma-AVT-Gehalt kann ab ca. 8 h nach Einsetzen des Stimulus beobachtet werden und wird begleitet von einem Anstieg der hypophysären mRNA (SAITO u. GROSSMANN 1998).

Bei Injektion von Norepinephrin in den III. Ventrikel zeigen MT und AVT im Plasma keine Veränderung; wird dagegen Serotonin in den vorderen Bereich des Ventrikels injiziert, so steigt MT sofort an, bei Injektion in den hinteren Ventrikelbereich erst nach 60-120 min (ROBINZON et al. 1991). AVT im Plasma läßt sich nur durch eine Serotonin-Injektion in den hinteren Teil des III. Ventrikels erhöhen. Diese Reaktion tritt aber erst zwei Stunden nach der Injektion auf, was scheinbar das Ergebnis der Diffusion des Serotonin in den vorderen Bereich des III. Ventrikels ist. Die Wirkung kann aber auch im hinteren Bereich des III.

Ventrikels über Zwischenschritte vermittelt werden, welche diese Verzögerung begründen können.

2.7 Funktionen von neurohypophysären Hormonen in der Niere und im