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Immaterialgüterrechtliche Regelungen des EWR-Abkommens - -Übernahme von Gemeinschaftsrecht und Judikatur des EuGH-Übernahme von Gemeinschaftsrecht und Judikatur des EuGH

5 EUROPARECHTLICHE GRUNDLAGEN

5.1.3 Immaterialgüterrechtliche Regelungen des EWR-Abkommens - -Übernahme von Gemeinschaftsrecht und Judikatur des EuGH-Übernahme von Gemeinschaftsrecht und Judikatur des EuGH

Das EWR-Abkommen folgt nachstehender Systematik: Teil I enthält Ziele und Grundsätze, Teil II die Grundfreiheiten im gemeinsamen Wirtschaftsraum (freier Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, Freizügigkeit), Teil IV Wettbewerbsvorschriften und sonstige ge-meinsame Regeln, Teil V horizontale Bestimmungen im Zusammen-hang mit den vier Freiheiten (Sozialpolitik, Verbraucher- und Um-weltschutz, Statistik und Gesellschaftsrecht), Teil VI Bestimmungen über die Zusammenarbeit ausserhalb der vier Freiheiten (Beteiligung an EU-Programmen), Teil VII institutionelle Vorschriften, Teil VIII Bestimmungen über den Finanzierungsmechanismus und schliess-lich Teil IX allgemeine und Schlussbestimmungen. Die Bestimmun-gen über geistige EiBestimmun-gentumsrechte sind im Teil IV des EWR-Abkommens, d.h. unter dem Titel Wettbewerbsvorschriften und son-stige gemeinsame Regeln, zu finden.

Das EWR-Abkommen reflektiert die im EGV vorgegebene Kompetenzverteilung in der EU. Es ist daher nicht erstaunlich, dass das Immaterialgüterrecht auch im EWR-Abkommen keinen promi-___________

513 Siehe ausführlich unten Teil IV, 7.3.2.

nenten Platz einnimmt. Dass das EWR-Abkommen als sog. gemisch-tes Abkommen von der EG und ihren Mitgliedsstaaten abgeschlossen wurde, lag unter anderem an den Bestimmungen über den Schutz des geistigen Eigentums514.

Die für Immaterialgüterrechte relevanten Bestimmungen des EWR-Abkommens decken sich im wesentlichen mit den in obiger Darstellung erläuterten EGV-Vorschriften. Art. 11 bis 13 EWRA sind die Kernbestimmungen für den freien Warenverkehr, dabei ent-spricht Art. 11 EWRA Art. 30 EGV und Art. 13 EWRA Art. 36 EGV.

Art. 36 - 39 EWRA enthalten die Grundsätze für den freien Dienstlei-stungsverkehr und Art. 53, 54 und 59 das Wettbewerbsrecht, wobei es sich bei den erstgenannten Bestimmungen um die Äquivalenzbe-stimmungen zu Art. 85 und 86 EGV handelt. Art. 125 EWRA (Vorbe-halt der innerstaatlichen Eigentumsordnung) deckt sich mit Art. 222 EGV.

Im dritten Kapitel zu Teil IV des EWR-Abkommens515sind in Art. 65 Abs. 2 EWRA unter dem Titel “sonstige gemeinsame Regeln”

die Bestimmungen über den Schutz des geistigen Eigentums zu fin-den. Art. 65 EWRA enthält jedoch keine materiellen Vorschriften, sondern verweist auf Protokoll 28 und Anhang XVII des Abkom-mens. Anhang XVII listet die anwendbaren EG-Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen über Immaterialgüterrechte auf. Art.

1 Abs. 1 des Protokolls 28 stellt klar, dass unter dem Begriff “geistiges Eigentum” unter anderem auch der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gemäss Art. 13 EWRA zu verstehen ist.

Daraus ergibt sich auch, dass die EFTA-Staaten ihre Rechtsvorschrif-ten über den Schutz geistiger Eigentumsrechte mit der auch im EWR geltenden Waren- und Dienstleistungsfreiheit in Einklang bringen müssen (Art. 1 Abs. 2 Protokoll 28). Die gemeinsamen Regeln über den Schutz des geistigen Eigentums wurden in das EWR-Abkommen aufgenommen, damit in den EWR-EFTA-Staaten kein geringeres Schutzniveau als das zur Zeit der Abkommensunterzeichnung in der EU bestehende herrsche516. Die EFTA-Staaten verpflichteten sich zur Übernahme der zu dieser Zeit in der EU geltenden Verordnungen und Richtlinien zur Vereinheitlichung des Schutzes geistiger Eigen-___________

514 Cottier, Schutz, S. 28.

515 Teil IV regelt im ersten Kapitel Vorschriften für Unternehmen (Äquivalenzbestimmungen zu Art.

85 und 86 EGV), im zweiten folgen Bestimmungen über staatliche Beihilfen (Äquivalenzbe-stimmungen zu Art. 92ff. EGV).

516 Die Zielsetzung, nicht aber der Inhalt und die Reichweite der EWRA-Bestimmungen über Immaterialgüterrechte ist damit mit Art. 5 des liechtensteinisch-schweizerischen Zollvertrages vergleichbar (siehe oben 2.1.2).

tumsrechte, welche im Anhang XVII verzeichnet sind. Mit der Über-nahme der entsprechenden Rechtsprechung des EuGH (Art. 6 EWRA) wurde im Ergebnis das Schutz- bzw. Harmonisierungsni-veau der EU-Staaten auf die EWR-EFTA-Staaten übertragen.

Darüberhinaus verpflichtet das EWR-Abkommen seine Mit-glieder zum Beitritt zu den neuesten Fassungen wichtiger internatio-naler Übereinkommen, namentlich der Pariser und der Berner Über-einkunft, zum Rom-Abkommen, zum Madrider Markenprotokoll, zum Nizzaer Klassifikationsabkommen für Marken, zum Budapester Vertrag über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren sowie zum Patentzusammenarbeitsvertrag517.

Was die Beziehungen zu Ländern ausserhalb des EWR betrifft, sind die der EFTA angehörenden EWR-Staaten gemäss der Grund-konzeption des EWR-Abkommens nach wie vor autonom. Es existie-ren also keine Beschränkungen beim Abschluss von multilateralen (TRIPS, WIPO) und bilateralen Abkommen zum Schutz geistiger Ei-gentumsrechte. Art. 7 Protokoll 28 EWRA sieht aber vor, dass sich die Vertragsparteien gegenseitig über die Arbeiten in internationalen Organisationen und betreffend Übereinkommen betreffend geistige Eigentumsrechte auf dem laufenden halten. Ein unkoordiniertes Vorgehen in Bezug auf Drittlandbeziehungen kann auch Auswir-kungen auf den Handel im EWR haben, beispielsweise wenn es um die Anerkennung des Schutzes eines Immaterialgüterrechts in einem Drittland geht518. Es sei aber daran erinnert, dass mit dem Abschluss des TRIPS-Abkommens in den Beziehungen der EFTA-Staaten und der EU zu Drittländern ein grosser Harmonisierungsgrad eingetreten ist. Betreffend die Zulässigkeit von Parallelimporten immaterialgü-terrechtlich geschützter Güter aus Drittstaaten folgen die EU- und die EFTA-Staaten einem unterschiedlichen Ansatz. In der EU gilt als Minimal- und Maximalstandard der Grundsatz der EWR-weiten Er-___________

517 Art. 5 Abs. 1 Protokoll 28. Die materiellen Bestimmungen der drei erstgenannten Abkommen mussten beim Inkrafttreten des EWRA in innerstaatliches Recht umgesetzt werden (Abs. 3).

Das TRIPS-Abkommen war zur Zeit der Unterzeichnung des EWRA noch nicht abgeschlossen.

Art. 6 Protokoll 28 bestimmt in Antizipation der Ergebnisse der TRIPS-Verhandlungen, dass die durch das EWRA begründete Regelung im Hinblick auf die Verhandlungsergebnisse der Uru-guay-Runde verbessert werden soll.

518 Siehe die Regelung betreffend Halbleitererzeugnisse in Art. 4 Protokoll 28 EWRA. Eine Vertragspartei (hierbei ist die EU als Einheit zu sehen), die den Schutz von Halbleitererzeug-nissen auf Drittstaaten ausdehnt, hat alles zu versuchen, damit dieser Drittstaat den anderen Vertragsparteien des EWRA denselben Schutz gewährt. Solche Reziprozitätsabkommen zwi-schen einer Vertragspartei und einem Drittstaat werden von den übrigen EWR-Mitgliedern an-erkannt. Sollten dadurch ungleiche Verhältnisse entstehen, so können die übrigen Mitglieder Einfuhrbeschränkungen vorsehen.

schöpfung für alle Schutzrechte; die EFTA-Staaten519hingegen gehen über diese Regelung hinaus und wenden den Grundsatz der interna-tionalen Erschöpfung im Markenrecht an520. Diese unterschiedliche Behandlung von Drittlandimporten kann auch eine Verzerrung des Handels im EWR-Raum bewirken. Da das EWR-Abkommen aber keine gemeinsame Drittlandpolitik vorsieht, kann es nicht nur dies-bezüglich, sondern auch aufgrund anderer Unterschiede in der Drittlandpolitik zu Uneinheitlichkeiten kommen.

Das EWR-Abkommen will die rechtliche Homogenität im EWR so weit wie möglich gewährleisten521. Da gemäss dem im Zweipfeilerprinzip EU und EFTA-Staaten eigene Organe zur Über-wachung des Funktionierens des EWRA und zur Gerichtsbarkeit ha-ben, ist das Erreichen einer homogenen Auslegung des Abkommens nicht so einfach, wie wenn es eine gemeinsame Überwachung und Gerichtsbarkeit gäbe522. Aus diesem Grund enthält das EWR-Abkommen Regeln, welche die Homogenität sicherstellen sollen.

Zum einen wird ein gewisser Homogenitätsgrad dadurch erreicht, dass das EWR-Recht mit dem in den betreffenden Bereichen existie-renden Gemeinschaftsrecht praktisch identisch ist523. Zum anderen bestimmt Art. 6 EWRA, dass bei der Durchführung und Anwendung des Rechts die Bestimmungen des EWR-Abkommens, soweit sie mit den Bestimmungen des EGV und der darauf gestützt erlassenen Rechtsakte im wesentlichen identisch sind, im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des EWR-Abkommens ausgelegt werden. Die einschlägige Recht-sprechung vor dem 2. Mai 1992 betreffend des EWR-Acquis wird ___________

519 Auch die Schweiz.

520 Die EFTA-Staaten müssen die internationale Erschöpfung nicht vorsehen, gemäss “Maglite”-Urteil des EFTA-Gerichtshofs können sie dies aber tun. Siehe dazu ausführlich unten Teil IV, 7.3.1.

521 Wichtigstes Ziel des EWR-Abkommens ist es, einen “dynamischen und homogenen Europäi-schen Wirtschaftsraum zu errichten” (Präambel Abs. 4) und “bei voller Wahrung der Unabhän-gigkeit der Gerichte eine einheitliche Auslegung dieses Abkommens und der gemeinschafts-rechtlichen Bestimmungen, die in ihrem wesentlichen Gehalt in dieses Abkommen übernom-men werden, zu erreichen und beizubehalten und eine Gleichbehandlung der Einzelpersonen und Marktteilnehmer hinsichtlich der vier Freiheiten und der Wettbewerbsbedingungen zu er-reichen” (Abs. 15).

522 Das Vorhaben gemeinsamer EWR-Institutionen hatte der EuGH in seinem Gutachten Nr. 1/91, das er gestützt auf Art. 228 Abs. 2 EWGV (in der damals gültigen Fassung) abgegeben hatte, abgelehnt. Vgl. dazu Leif Sevon, The EEA Judicial System and the Supreme Court of the EFTA States, in: Olivier Jacot-Guillarmod (Hrsg.), EWR-Abkommen, Zürich 1992, S. 605.

523 In dieser Hinsicht soll der gemeinsame EWR-Ausschuss daher so bald wie möglich nach dem Erlass eines neuen EWR-relevanten Rechtsakts der EU eine gleichartige Regelung für den EWR beschliessen, damit die neuen Vorschriften möglichst gleichzeitig in der EU und den EWR-EFTA-Staaten in Kraft treten. Zur Entscheidungsfindung und Beschlussfassung siehe Holzinger, S. 245f.

damit von den EWR-EFTA-Staaten übernommen. In Bezug auf die EuGH-Rechtsprechung vor der Unterzeichnung des EWRA hat da-mit der EFTA-Gerichtshof eine Befolgungsobliegenheit, soweit die Entscheidungen zu materiell identischen Vorschriften ergangen sind524. Was die Rechtsprechung nach dieser Zeit betrifft, wird in Art. 3 Abs. 2 ÜGA525 ein Berücksichtigungsgebot statuiert, wonach die EFTA-Überwachungsbehörde und der EFTA-Gerichtshof ver-pflichtet sind, die in den relevanten Entscheidungen dargelegten Grundsätze gebührend zu berücksichtigen526. Die Gefahr der Inho-mogenität besteht insbesondere dann, wenn der EFTA-Gerichtshof in einer Frage zu entscheiden hat, in der noch kein Präjudiz des EuGH vorliegt527. Der Gemeinsame EWR-Ausschuss hat die möglichst ein-heitliche Auslegung des EWR-Abkommens, insbesondere durch die beiden Gerichte, zu überwachen und sich für eine homogene Ausle-gung einzusetzen528.

Zentraler Punkt bei der Übernahme von Gemeinschaftsrecht über Immaterialgüterrechte in das EWR-Abkommen bildet die Aus-dehnung des Grundsatzes der gemeinschaftsweiten Erschöpfung auf den EWR-Raum529. Um keine Meinungsverschiedenheiten auf-kommen zu lassen, ob sich die Übernahme dieses Prinzips bereits aus Art. 6 EWRA ergeben hätte, wurde die Geltung dieses Grundsatzes in Art. 2 Protokoll 28 ausdrücklich festgehalten530. Hier zeigt sich deutlich, dass das EWR-Abkommen wesentlich weiter als die zuvor bestehenden Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und ___________

524 Siehe Baudenbacher, Vier Jahre EFTA-Gerichtshof, S. 392. Zu den Zuständigkeiten des EFTA-Gerichtshofs und zur Bedeutung der EUGH-Rechtsprechung für den EFTA-Gerichtshof und umgekehrt ders., Gerichtshof, S. 84ff.

525 Abkommen über die Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines EFTA-Gerichtshofes (Überwachungs- und Gerichtshofsabkommen, ÜGA).

526 Die EWR-EFTA-Staaten, die Kommission und die EU-Mitgliedsstaaten haben ausserdem bestimmte Beteiligungsrechte im Verfahren vor dem EuGH bzw. vor der ESA und dem EFTA-Gerichtshof in das EWR-Recht (inkl. übernommenes Gemeinschaftsrecht) betreffenden Fragen.

527 Zu Fällen, in denen der EFTA-Gerichtshof vor dem EuGH entschieden hat, siehe Baudenba-cher, Vier Jahre EFTA-Gerichtshof, S. 396ff. und Liechtensteiner Vaterland vom 7. Januar 1998, S. 7. Zum Fall Maglite, in welchem der EFTA-Gerichtshof einen anderen Weg als der EuGH eingeschlagen hat und sich zugunsten der internationalen Erschöpfung ausgesprochen hat, siehe ausführlich unten Teil IV, 7.3.1.

528 Art. 105 EWRA. In abweichenden Fällen kann das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 105 Abs. 2 und 3, 111ff. EWRA angewendet werden.

529 Art. 2 Abs. 1 Protokoll 28.

530 Der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung wurde in der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30/36 EGV, die Art. 11 und 13 EWRA entsprechen, entwickelt. Die gemeinschaftsweite Erschöpfung ist darüber hinaus in verschiedenen Richtlinien verankert, z.B. in der Markenricht-linie.

der EU geht531. Sowohl das schweizerische Bundesgericht als auch der EuGH hatten mit der Begründung der Rechtsnatur der Freihan-delsabkommen die Ansicht vertreten, dass die Erschöpfungsregeln des Gemeinschaftsrechts ausserhalb des Regelungsbereiches des Gemeinschaftsrechts zu betrachten sind532. Der Grundsatz der EU-bzw. der EWR-weiten Erschöpfung besagt, dass alle Schutzrechte, für welche der EuGH diesen Grundsatz entwickelt hat oder der Grundsatz im Sekundärrecht festgeschrieben ist, in ihrer Ausübung erschöpft sind, sobald ein Produkt durch den Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in einem EWR-Staat in Verkehr gebracht worden ist.

Im Markenrecht wird der Grundsatz der gemeinschaftsweiten Erschöpfung in der Markenrichtline erwähnt, die Bestandteil des EWR-Acquis ist. Da die EWR-EFTA-Staaten allesamt bereits das Prinzip der internationalen Erschöpfung des Markenrechts anwende-ten, ergab sich für sie im Markenrecht kein weiterer Liberalisie-rungsbedarf. Anders im Patentrecht, im Muster- und Modellrecht sowie im Sortenschutz. Vor allem im Patentrecht hatten die EFTA-Staaten zuvor das Prinzip der nationalen Erschöpfung angewendet.

Für Liechtenstein gilt über den Patentschutzvertrag mit der Schweiz533das schweizerische Patentrecht, welches keine ausdrück-liche Bestimmung über die Erschöpfung enthält. Soweit ersichtlich, hat sich das Bundesgericht noch nie zu dieser Frage geäussert, und die kantonale Rechtsprechung ist unterschiedlich. Die herrschende Lehre nimmt jedoch die Geltung des Prinzips der nationalen Er-schöpfung an534. Da die Schweiz dem EWR-Abkommen nicht beige-treten ist, hat die EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins eine Ergänzung des Patentschutzvertrages notwendig gemacht.

Im liechtensteinischen Muster- und Modellrecht gibt es keine explizite Bestimmung in Bezug auf die Erschöpfung und auch die Gerichte konnten zu dieser Frage noch nicht Stellung nehmen. Auch in der schweizerischen Rechtsprechung - das liechtensteinische Ge-setz ist mit dem schweizerischen praktisch identisch - gibt es zu die-ser Frage soweit ersichtlich keine richterlichen Entscheide. In der schweizerischen Lehre wird die Geltung des Grundsatzes der natio-___________

531 Für Liechtenstein und die Schweiz galten die Freihandelsabkommen von 1972, siehe immer noch Anhang II zum Zollvertrag, SR 0.632.401.

532 Vgl. Bossard Partners Intertrading/Sunlight, BGE 105 II 49 (OMO-Fall) und Rs. 270/80, Polydor vs. Harlequin Records Shops, Slg. 1982, 329. Vgl. dazu Friedl Weiss, The Functioning of the Free Trade Agreements, in: Olivier Jacot-Guillarmod (Hrsg.), L’avenir du libre-échange en Eu-rope: vers un Espace économique européen?, Bern/Zürich 1990, 61, 71ff.

533 Zum Patentschutzvertrag oben 2.2.

534 Vgl. m.w. Nachw. Bieri-Gut, Parallelimporte, S. 559ff.

nalen Erschöpfung angenommen535. Es darf davon ausgegangen werden, dass im liechtensteinischen Urheberrecht wie im alten schweizerischen der Grundsatz der internationalen Erschöpfung gilt536. Im neuen schweizerischen Gesetz fehlt eine ausdrückliche Be-stimmung, die neuere schweizerische Lehre tendiert jedoch zur An-nahme internationaler Erschöpfung, was vom Bundesgericht kürzlich bestätigt wurde537.

Im Patentrecht brachte das EWR-Abkommen bisher keine grossen Änderungen, sieht man von der Einführung des Grundsatzes der gemeinschaftsweiten Erschöpfung und der Übernahme des er-gänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel ab538. Das EWR-Abkommen enthält keine Verpflichtung zu einem Beitritt zum Euro-päischen Patentübereinkommen (EPÜ), aber immerhin die Verpflich-tung zur Übernahme der materiellen Bestimmungen des EPÜ539. Art.

3 Abs. 3 Protokoll 28 sieht vor, dass die EFTA-Staaten nach dem In-krafttreten des Gemeinschaftspatents zur Aufnahme von Verhand-lungen betreffend eine Teilnahme eingeladen werden, falls sie dies wünschen. Da das Inkrafttreten des Gemeinschaftspatents noch nicht in Sichtweite ist, bleibt den EFTA-Staaten noch Zeit, sich einen sol-chen Schritt zu überlegen. Obwohl die nationalen Patentrechte durch das Gemeinschaftspatent nicht aufgehoben werden, wäre für Liech-tenstein eine Teilnahme am Gemeinschaftspatent ohne die Schweiz nicht ohne weiteres möglich, da in Liechtenstein das schweizerische Patentrecht zur Anwendung kommt und Liechtenstein und die Schweiz einen einheitlichen Schutzraum für Patente bilden. Sollte das Gemeinschaftspatent in Kraft treten, können aufgrund der Ver-einbarung über das Gemeinschaftspatent aber nicht nur die EWR-EFTA-Staaten, sondern auch andere Freihandelspartner und damit auch die Schweiz zur Teilnahme eingeladen werden540. Nach der Verabschiedung der Biotechnologie-Richtlinie wird nun ihre Über-nahme in den EWR diskutiert werden. Wie auch bei den anderen pa-___________

535 Bieri-Gut, Parallelimporte, S. 572.

536 Vgl. Art. 56 URG, der Art. 58 des alten schweizerischen Urheberrechts entspricht. Siehe m.w.Nachw. Bieri-Gut, Parallelimporte, S. 568.

537 Vgl. Bieri-Gut, Ton- und Tonbildträger, S. 816f. Zum Urteil des Bundesgerichts siehe unten Teil IV, 3.3.

538 Verordnung 1768/92/EWG über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel vom 18. Juni 1992, ABl. L 182 vom 2.7.1992, S. 1.

539 Art. 3 Abs. 4 Protokoll 28. Diese Bestimmung ist vor allem für Länder relevant, die dem EPÜ noch nicht beigetreten sind, wie Norwegen und Island.

540 Art. 8 der Vereinbarung über Gemeinschaftspatente 89/695/EWG sieht vor, dass Freihandels-partner zu einer Teilnahme eingeladen werden können.

tentrechtlichen Harmonisierungsvorschriften, wie der Einführung der ergänzenden Schutzzertifikate für Arzneimittel und Pflanzen-schutzmittel, ist für Liechtenstein eine Übernahme der Vorschriften nur möglich, wenn die schweizerische Patentgesetzgebung entspre-chend geändert wird541.

Im Bereich des Markenrechts ist die Markenrichtlinie an-wendbar, deren Bestimmungen in der Revision des liechtensteini-schen Markenrechts umgesetzt wurden542. Die Möglichkeit der Auf-nahme von Verhandlungen über eine TeilAuf-nahme an der schaftsmarke ist im EWR-Abkommen wie im Fall der Gemein-schaftspatente vorgesehen543. Bisher hat aber noch kein EFTA-Staat um die Aufnahme solcher Verhandlungen ersucht. Eine Teilnahme an der Gemeinschaftsmarke würde zwar einige Erleichterungen bringen, ist aber zur Möglichkeit der Hinterlegung von Gemein-schaftsmarken durch EFTA-Angehörige nicht notwendig.

Das EWR-Abkommen enthält mit Ausnahme eines besonde-ren Schutzes für Spirituosen und Weine keine Bestimmungen zum Schutz von geographischen Herkunftsangaben544.

Über den Schutz von Mustern und Modellen gibt es bisher noch keine EWR-rechtlichen Vorschriften. Die kürzlich verabschiede-te Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Musverabschiede-tern und Model-len545 wird wohl zur Übernahme in den EWR vorgelegt werden.

Sollte es zur Errichtung eines Gemeinschaftsmusters kommen, so ha-ben die EWR-EFTA-Staaten wie bei der Gemeinschaftsmarke den Anspruch auf die Aufnahme von Verhandlungen betreffend eine Teilnahme.

Die fünf urheberrechtlichen EG-Richtliniensind Bestandteil des EWR-Acquis (Richtlinie über den Rechtsschutz von Computer-programmen, Vermietrechtsrichtlinie, Schutzdauerrichtlinie, Satelli-tenrichtlinie und Datenbankrichtlinie546). Diese Richtlinien werden

___________

541 Es ist aber kaum zu erwarten, dass die Schweiz einen von der Biotechnologierichtlinie abwei-chenden Weg einschlägt (siehe auch NZZ vom 21.10.1998, S. 17).

542 Dazu siehe unten Teil III, 4.

543 Art. 8 Abs. 1 Protokoll 28 bestimmt: “Die Vertragsparteien kommen überein, in Verhandlungen einzutreten, um interessierten EFTA-Staaten die volle Beteiligung an künftigen gemeinschafts-rechtlichen Massnahmen auf dem Gebeit des geistigen Eigentums zu ermöglichen.”

544 Protokoll 47 Anlage Ziffer 22 sowie Anhang II Ziffer XXVII EWRA. Die Verordnung zum Schutz geographischer Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmit-tel vom 14.7.1992, ABl. L 208 vom 24.7.1992 ist nicht anwendbar.

545 Siehe oben 5.1.2.2.

546 Siehe oben 5.1.2.2.

in der laufenden Revision des liechtensteinischen Urheberrechts um-gesetzt547.

Die Richtlinie zumSchutz von Halbleitererzeugnissensowie zwei Rats- und eine Kommissionsentscheidung gehören ebenfalls zum EWR-Acquis548.

Ohne EU-Mitgliedschaft ist ein direktes Mitwirken an Ent-scheidungen über künftige Rechtsakte im Immaterialgüterrecht nicht möglich, auch wenn es sich dabei um Rechtsakte handelt, die mit ho-her Wahrscheinlichkeit Bestandteil des EWR-Acquis werden. Es sei daran erinnert, dass es keinen Automatismus bei der Übernahme von EU-Rechtsakten in den EWR gibt, sondern dass dazu ein Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses notwendig ist. Es hat sich bis-her gezeigt, dass in den vorgesehenen Informations- und Konsultati-onsmechanismen auch für die EFTA-Staaten akzeptable Lösungen erarbeitet werden konnten. Es finden regelmässige gemeinsame Ex-pertengespräche statt, in welchen über die EU-internen Vorhaben zur Erweiterung der Harmonisierung des Immaterialgüterrechts berich-tet wird. Die EFTA-Staaten können auch koordinierte Stellungnah-men zu Kommissionsvorschlägen abgeben und werden zu Hearings eingeladen549.

5.1.4 Fazit

Mit dem EWR-Abkommen wurden die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über den Schutz von Immaterialgüterrechten auf das Gebiet des EWR ausgedehnt. Die bereits verabschiedeten EU-Richtlinien zum Schutz geistiger Eigentumsrechte gelten für alle EWR-Staaten. Die Übernahme der Biotechnologie-Richtlinie ist noch ausstehend. Keine EWR-weite Geltung haben hingegen die suprana-tionalen Schutzrechte - bisher sind dies die Gemeinschaftsmarke und der EU-Sortenschutz. Die EWR-EFTA-Staaten haben aber eine Option zur Aufnahme von Verhandlungen über eine Teilnahme. Nicht nur das sekundäre Gemeinschaftsrecht, sondern auch die relevante Rechtsprechung der Gemeinschaftsorgane wurde zumindest bis zum ___________

547 Siehe unten Teil III, 8.

548 Richtlinie 87/54/EWG über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen

548 Richtlinie 87/54/EWG über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen