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1.4 Die Immaterialgüterrechte im einzelnen

1.5.1 Absolutheit der Rechte

Immaterialgüterrechte sind absolute Rechte, d.h. sie wirken gegen-über jedermann. In den einschlägigen Gesetzen sind sie als Rechte mit Ausschliessungswirkung, als sogenannte Ausschliesslichkeits-rechte verankert95. Damit sind sie den Eigentumsrechten ähnlich. Im Vergleich zum Eigentum an Sachen ist der Schutz geistiger Eigen-tumsrechte zeitlich befristet96. Ein weiterer Unterschied zum Eigen-tum an körperlichen Gütern ist die territoriale Beschränktheit der Immaterialgüterrechte97.

Nur den Inhabern dieser subjektiven Privatrechte ist es gestat-tet, ein Patent, Muster, Modell, eine Marke oder ein urheberrechtlich geschütztes Immaterialgut zu benutzen und dabei Dritten die be-stimmungsgemässe Benutzung des Immaterialguts zu untersagen.

Allerdings schränken die Gesetze die absolute Herrschaft über das Immaterialgut ein. Als positiver Inhalt der geistigen Eigentumsrechte können die den Berechtigten zustehenden Benutzungsbefugnisse verstanden werden98. Rechte zur Abwehr unbefugter Nachahmung und Ausbeutung eines Immaterialguts stellen den negativen Inhalt der absoluten Rechte dar99. Positive und negative Inhalte der Imma-terialgüterrechte sind untrennbar miteinander verbunden. Dabei ist der Aussage Schönherrs100 zuzustimmen, wonach das Verbotsrecht als negative Seite des Immaterialgüterrechts im Vordergrund steht, da ein Abwehrrecht nicht die Folge, sondern die Voraussetzung für ein Herrschaftsrecht, also ein positives Recht, sei.

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95 Zur Absolutheit der Rechte vgl. m.w.Nachw. Troller, IGR I, S. 69f. Schönherr, S. 66, unter-scheidet zwischen Immaterialgüterrechten mit Ausschliessungswirkung und solchen ohne die-se Wirkung, da manche Immaterialgüterrechte keine Ausschliessungsbefugnisdie-se, sondern bloss Ansprüche auf angemessene Vergütung oder Entschädigung gewähren (z.B. Vorschrif-ten über Zwangslizenzierung oder Vergütungsansprüche von Urhebern im Rahmen der Ver-miet- und Verleihrechte).

96 Die zeitliche Befristung gilt nicht für den Markenschutz. Zwar hat die Eintragung der Marke eine bestimmte Gültigkeitsdauer; diese ist aber beliebig oft verlängerbar.

97 Dazu unten 4.1.

98 Solche Benutzungsbefugnisse sind beispielsweise das Herstellen, Anbieten, Gebrauchen oder Inverkehrbringen eines patentgeschützten Produkts (Art. 8 CH-PatG) oder der Gebrauch und das Verfügungsrecht über eine Marke (Art. 13 Abs. 1 MschG).

99 Vgl. etwa Art. 13 Abs. 2 MschG. Zum positiven und negativen Gehalt der geistigen Eigentums-rechte Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, S.47f.

100 S. 64, 68ff., 70.

Wirtschaftlich betrachtet wird den Berechtigten durch die Ausgestaltung der Immaterialgüterrechte als absolute Rechte eine Monopolstellung verschafft. Andere Marktteilnehmer werden von der Nutzung eines wirtschaftlich nutzbaren immateriellen Gutes durch die Vergabe ausschliesslicher Verwertungsrechte z.B. in Bezug auf eine Marke oder ein Patent ausgeschlossen.

Der Inhalt der Ausschliesslichkeitsrechte dient offensichtlich insbesondere dazu, die materiellen Interessen der Rechtsinhaber zu befriedigen, indem den Berechtigten jene Handlungen vorbehalten werden, aus denen sich wirtschaftlicher Gewinn ziehen lässt101. Doch auch den ideellen Interessen wird Rechnung getragen, was am deut-lichsten beim Urheberrecht zum Ausdruck kommt102.

Die Urheberin hat das ausschliessliche Recht zu bestimmen, ob, wann und wie ein von ihr geschaffenes Werk verwendet wird103. Die Entscheidung über Veröffentlichung, Herstellung von Werk-exemplaren durch bestimmte Vervielfältigungstechniken, Verbreitung durch Verkauf, Vorführung, Aufführung oder Sendung des Werks liegt ausschliesslich bei ihr und sie kann sich gegen die Bearbeitung und Veränderung ihres Werks wehren. Die Hinterlegerin einer Marke kann Dritten verbieten, dass ihr Kennzeichen, das sie für eine oder mehrere Produktkategorien hat eintragen lassen, für Waren und Dienstleistungen derselben Art verwendet wird104. Dem Inhaber eines Patentrechts ist es vorbehalten, seine Erfindung gewerbsmässig zu nutzen, d.h. er allein ist berechtigt, über den Gebrauch und die Aus-führung des Patents (Herstellung von Produkten mit einem patent-geschützten Verfahren) sowie das Inverkehrbringen und den Ver-kauf der patentgeschützten Produkte zu entscheiden. Handlungen, die nicht im berechtigten wirtschaftlichen oder im ideellen Interesse der Rechtsinhaber liegen, müssen ihnen nicht vorbehalten werden.

So ist es beispielsweise zulässig, dass eine bestimmte Marke in nicht wettbewerbswirksamem Zusammenhang genannt oder die patentier-te Erfindung bekannt gemacht wird105.

Die Ausschliesslichkeitsrechte sind wie erwähnt nicht nur als Verwertungs- bzw. Benutzungsrechte zu verstehen, sondern insbe-sondere auch als Verbotsrechte. Bei Rechtsverletzungen können Un-___________

101 Troller, IGR I, S. 70.

102 Vgl. etwa die Bestimmungen über das Urheberpersönlichkeitsrecht, z.B. Art. 9 und 11 URGE sowie Art. 6bisRBÜ.

103 Art. 10 Abs. 1 URGE.

104 Art. 13 Abs. 1 MschG.

105 Das schweizerische Institut für Geistiges Eigentum (IGE) veröffentlicht die schweizerischen und liechtensteinischen Patente im Schweizerischen Patent-, Muster- und Markenblatt.

terlassungs- und Schadenersatzansprüche geltend gemacht wer-den106. Die Berechtigung zur Verwertung geistiger Eigentumsrechte ist nicht auf die ursprünglichen Rechtsinhaber beschränkt, denn die geistigen Eigentumsrechte - insbesondere die wirtschaftlichen Rechte - sind in der Regel übertragbar107.

Die absoluten Ausschliesslichkeitsrechte sind als einheitlich und umfassend und nicht als Summe einzelner Teilbefugnisse zu verstehen, wenngleich diese in den Gesetzen aufgeführt sind108und auch als Teilrechte übertragen werden können109. Ausdrücklich auf-geführt sind auch die Ausnahmen110. Obwohl sich die Ausschliess-lichkeitsrechte grundsätzlich nicht auf die körperlichen Sachen er-strecken, mit welchen ein immaterielles Gut verknüpft ist, kann un-ter bestimmten Voraussetzungen die Einziehung sowie die Vernichtung oder Unbrauchbarmachung widerrechtlich hergestellter Gegenstände verlangt werden111.

Das Exklusivrecht an einem Werk im Sinne des Urheberrechts entsteht mit der Schaffung desselben, es bedarf keinerlei formeller Handlungen. Im Gegensatz dazu bewirkt das Vollenden einer Erfin-dung, eines Musters oder Modells oder der Erstgebrauch einer Marke noch keinen Schutz. Das Ausschliesslichkeitsrecht wird erst mit einer Eintragung ins entsprechende Register (oder der Patenterteilung des damit befassten Amtes), was als rechtsvollendender Formalakt be-zeichnet wird, wirksam, wobei bereits vorher eine Anwartschaft dar-auf besteht112.

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106 Vgl. z.B. die Bestimmungen über die Leistungsklage im Markenrecht (Art. 53 MschG). Das Verbotsrecht hat jedoch Grenzen: Die Benutzung einer gleichen oder ähnlichen Marke kann nur innerhalb gleicher oder ähnlicher Warenkategorien verboten werden, die Benutzung für an-dere Waren- oder Dienstleistungskategorien ist frei.

107 Laut der in der Schweiz und in Liechtenstein vorherrschenden dualistischen Theorie können die vermögensrechtlichen Befugnisse des Urheberrechts abgetreten, auf das Urheberpersön-lichkeitsrecht kann jedoch nicht verzichtet werden. Möglich ist aber die Überlassung des Urhe-berrechts (auch der persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse) zur Ausübung (Abschluss von Wahrnehmungsverträgen). Siehe dazu Rehbinder, Urheberrecht, S. 126ff.

108 Z.B. Art. 13 MschG oder Art. 9ff. URGE.

109 Ausführlich Troller IGR I, S. 71ff.

110 Z.B. dürfen bereits veröffentlichte Werke zum Eigengebrauch verwendet werden (Art. 22 URGE).

111 Siehe Art. 58 URGE oder Art. 55 Abs. 2 MschG. Dabei ist zu prüfen, ob die Zerstörung der Produkte notwendig ist, oder ob es genügt, die Spuren des Immaterialgutes (z.B. die Marke) zu beseitigen.

112 “Die vor dem Eintrag bestehenden, in ihrer Abwehrwirkung beschränkten und leicht verwund-baren Rechte können wir als unvollkommene Exklusivrechte bezeichnen” (Troller, IGR I, S.

75). Die Unvollkommenheit der Ausschliesslichkeitsrechte ist auch im Bereich des Geheimnis-und Ausstattungsschutzes zu beobachten. Geheimnisse, Ausstattungen, Geschäftsbezeich-nungen und Handelsnamen sind indirekt über das Persönlichkeitsrecht und das Lauterkeits-recht geschützt (Troller/Troller, S. 19f.).

Die Ausgestaltung der Immaterialgüterrechte als absolute, einheitliche Schutzrechte ist insbesondere deshalb sinnvoll, weil sie die Rechtsinhaber auch zu noch unbekannten, zukünftigen Nut-zungs- und Verwertungsmöglichkeiten berechtigt. Die Rechtsinhaber haben grundsätzlich das alleinige Recht, das geschützte Immaterial-gut in allen möglichen Formen seiner Bestimmung gemäss zu nut-zen. Treten im Zuge des technischen Fortschritts neue Nutzungsfor-men auf, so müssen die Berechtigten nicht erst darauf warten, bis der Gesetzgeber diese als neue Einzelbefugnisse rechtlich verankert hat, was unter Umständen lange dauern und hohe wirtschaftliche Verlu-ste zur Folge haben kann. Es Verlu-steht dem Gesetzgeber immer noch of-fen, im Interesse der Allgemeinheit die Exklusivrechte in bestimmten Bereichen einzuschränken (wie z.B. Berechtigung zum Eigenge-brauch von veröffentlichten Werken, Zwangslizenzen, Entschlüsse-lung von Computerprogrammen usw.) oder aber den Rechtsschutz zeitlich zu begrenzen.