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1.4 Die Immaterialgüterrechte im einzelnen

1.5.2 Entstehung und Grenzen der Immaterialgüterrechte

1.5.2.1 Entstehung

Da nicht die schöpferische Tätigkeit an sich rechtlich geschützt ist, bedarf es zunächst der Existenz der immateriellen Güter. Darüber hinaus muss es sich um geistige Güter handeln, die unter den oben dargestellten numerus clausus der Immaterialgüterrechte fallen. Den Inhalt der Begriffe Erfindung, Muster, Werk der Literatur und Kunst, Marke usw. und die Voraussetzungen der Anerkennung als rechtlich geschütztes Immaterialgut bestimmen die entsprechenden Spezialge-setze, die Rechtsprechung und die Wissenschaft113. Die Handlung, die ein Immaterialgut entstehen lässt, ist ein Realakt und kein Rechtsgeschäft114.

Zur Entstehung der Urheberrechts genügt die Schöpfung des Werks. Dagegen müssen bei Registerrechten auch formelle Erforder-nisse wie die Eintragung in für die verschiedenen Schutzrechte ge-schaffene Register erfüllt werden. Um ein Patentrecht zu erlangen, muss das Patent zunächst unter Angabe der erforderlichen Daten an-gemeldet werden. Daraufhin wird es vom Patentamt einer Prüfung ___________

113 Troller/Troller, S. 26.

114 A.a.O.

unterzogen. Sind die formellen und materiellen Voraussetzungen er-füllt, wird das Patent erteilt. Ähnlich funktionieren Eintragungen von Gebrauchsmustern, Mustern und Modellen und Marken, wobei die ausführlichste Form der materiellen Prüfung im Patentrecht zu fin-den ist. Die Erfüllung formeller Erfordernisse dient auch der Be-stimmung desjenigen, der ein bestimmtes Schutzrecht zuerst erlangt hat. Der Grundsatz der Priorität bestimmt, dass der Inhaber des älte-ren Rechts Vorrang hat115. Die meisten Länder kennen die Hinterle-gungspriorität, d.h. das Recht steht demjenigen zu, der ein Patent, eine Marke usw. zuerst hinterlegt bzw. angemeldet hat. Im liechten-steinischen Markenrecht hat mit der jüngsten Markenrechtsrevision ein Wechsel von der Gebrauchspriorität (das Vorrecht an der Marke steht jener Person zu, die sie zuerst benutzt hat) zur Hinterle-gungspriorität stattgefunden116.

1.5.2.2 Zeitliche und territoriale Grenzen

Mit Ausnahme des Rechts an einer Marke oder Firma erlöschen die Immaterialgüterrechte nach einer bestimmten gesetzlichen Frist.

Gemäss europäischem Rechtsstandard besteht das Urheberrecht, so-lange der Urheber lebt, und erlischt 70 Jahre nach seinem Tod117; verwandte Schutzrechte bestehen 50 Jahre118. Die Geltungsdauer ei-nes Patents ist auf maximal 20 Jahre beschränkt119, der Schutz für Gebrauchsmuster ist wesentlich kürzer120. Muster und Modelle sind während höchstens 15 Jahren rechtlich geschützt121. Die Höchstdauer ___________

115 Die in verschiedenen internationalen Abkommen zum geistigen Eigentumsrecht festgelegten Prioritätsrechte gewähren einer Person das Recht, sich bei einer inländischen Anmeldung auf eine frühere ausländische Anmeldung zu beziehen. Die Proritätsfrist beträgt gemäss Art. 4 C PVÜ 12 Monate für Patente und Gebrauchsmuster sowie 6 Monate für Muster und Modelle sowie Marken.

116 Art. 6 MschG.

117 Die Schutzdauer von 70 Jahren (50 Jahre für Computerprogramme) gilt in den EWR-Ländern (wobei das liechtensteinische URG dies noch nicht berücksichtigt) und in der Schweiz. Andere Staaten, wie z.B. die USA, haben kürzere Schutzdauern. Die RBÜ schreibt eine Schutzdauer von mindestens 50 Jahren vor.

118 Die 50jährige Schutzdauer für verwandte Schutzrechte gilt in den EWR-Ländern und in der Schweiz. Das Rom-Abkommen schreibt nur eine Mindestschutzdauer von 20 Jahren vor.

119 Dies gilt für liechtensteinische und schweizerische wie auch für österreichische, deutsche und europäische Patente.

120 In Deutschland beträgt der Gebrauchsmusterschutz maximal 10 Jahre.

121 In Liechtenstein und in der Schweiz teilt sich die 15jährige Schutzdauer in drei 5-Jahresperioden auf. In Deutschland geniessen die Geschmacksmuster maximal 20 Jahre Schutz.

des Schutzes von Halbleitertopographien beträgt 10 Jahre122. Mar-kenrechte sind grundsätzlich beliebig oft erneuerbar: begrenzt ist die Eintragungsperiode einer Marke, nicht aber die Schutzdauer123.

Die Bemessung der Schutzfristen ergibt sich nicht aus zwin-genden Gründen, d.h. sie beruht nicht auf einer objektiven Berech-nung. Sie reflektiert aber die Bedeutung, welche dem Wert bestimm-ter Immabestimm-terialgübestimm-ter von Gesellschaft und Wirtschaft beigemessen wird124.

Die Gewährleistung von Immaterialgüterrechten entspricht den Interessen der Rechtsinhaber auf monopolistische Verwertung, mit ihrer zeitlichen Begrenzung kann den Interessen der Allgemein-heit, etwa der Entwicklung des technischen Fortschritts oder des Zu-gangs zu Kulturgütern, Rechnung getragen werden. Im Laufe der Zeit wurden die Schutzfristen immer wieder verlängert125, was eine stetige Verbesserung der Stellung der Rechtsinhaber bedeutete. Die Dauer des Schutzes der Immaterialgüterrechte resultiert zwar einer-seits aus der Wesensart des geschützten geistigen Gutes, zu einem grossen Teil ist sie jedoch Folge der Bewertung und Gewichtung der verschiedenen Interessen. Die Unbegrenztheit des Markenschutzes liegt etwa darin begründet, dass eine Marke nicht das Resultat einer einmaligen Leistung ist, sondern ein Symbol einer immer wiederkeh-___________

122 Diese Frist gilt in den EWR-Staaten und der Schweiz.

123 Ab dem Hinterlegungsdatum ist die Marke zunächst während 10 Jahren geschützt (Art. 10 Abs.

1 MschG). Danach kann der Markenschutz auf Antrag jeweils um weitere 10 Jahre verlängert werden (Art. 10 Abs. 2 MschG). Voraussetzung für den Weiterbestand des Markenrechts ist auch der tatsächliche Gebrauch der Marke (vgl. dazu Art. 12 MschG). Eine 10jährige Gültig-keitsdauer sehen auch das deutsche und das österreichische Gesetz sowie die EU-Gemeinschaftsmarkenverordnung vor. Rechte an Firma, Handelsname, Ausstattung usw. sind ebenfalls ohne zeitliche Begrenzung, wobei sie im Gegensatz zu Marken auch nicht erneuert werden müssen.

124 Zum Patentrecht Troller, IGR I, S. 119ff. Der Erfinder, in der Regel ein Unternehmen, soll für seine Leistung belohnt werden und es soll ihm durch das ausschliessliche Benutzungsrecht die Gelegenheit gegeben werden, die Erfindung in der Praxis zu erproben und auf dem Markt ein-zuführen, damit mit der Erfindung verbundene Risiken und Investitionen abgedeckt werden können. Auf der anderen Seite soll der Patentschutz Motor und nicht Hemmnis der technischen Entwicklung sein. Eine Erfindung wird in aller Regel nicht im leeren Raum selbständig entwik-kelt, sondern mit Hilfe des Standes der Technik, zu dem viele andere, häufig auch die Konkur-renten, beigetragen haben. Durch die Begrenzung der Patentschutzdauer können die Allge-meinheit und die Konkurrenten auch wieder von der technischen Weiterentwicklung profitieren.

Beinahe alle Erfindungen werden von der technischen Entwicklung wieder überholt, oft schon vor Ablauf des Patents (Troller/Troller, S. 27). Zur Schutzdauer des Urheberrechts m.w.

Nachw. Troller, IGR I, S. 124ff., der Begrenzung des Muster- und Modellrechts a.a.O. S. 133ff.

und der unbegrenzten Schutzdauer des Markenrechts a.a.O. S. 134.

125 Der schweizerische Gesetzgeber hat im Laufe der Zeit die Dauer des Patentschutzes von 10 bzw. 15 Jahren auf 18 und später 20 Jahre verlängert. Die Dauer des urheberrechtlichen Schutzes betrug erst 30, später 50 Jahre und ist heute auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhe-bers angehoben worden.

renden unternehmerischen Leistung darstellt126. Eine zeitliche Be-grenzung würde daher dem Sinn des Markenrechts widersprechen127.

Geistige Eigentumsrechte haben nicht nur zeitliche, sondern auch territoriale Grenzen. Sie werden aufgrund der nationalen Ge-setze der einzelnen Länder (oder allfälliger supranationaler Regelun-gen) verliehen und in der Regel unabhängig von am selben Immate-rialgut bestehenden Rechten im Ausland geschützt128. Im Ausland muss daher unabhängig und selbständig Schutz für ein bestimmtes Immaterialgut beantragt werden, wobei die materiellen und formel-len Bestimmungen des ausländischen Rechts massgebend sind. Das Herrschaftsrecht über das immaterielle Gut erstreckt sich nur auf das Staatsgebiet des Landes, das urheberrechtlichen Schutz an einem Werk für eine bestimmte Zeit vorsieht oder in dem Immaterialgüter-rechte erteilt bzw. angemeldet worden sind129. Somit muss für Mar-ken-, Patent- oder Musterrechte in jedem Land, in welchem Rechts-schutz gewünscht wird, das entsprechende nationale Hinterlegungs-bzw. Erteilungsverfahren durchlaufen werden. Voraussetzungen und Inhalt des Rechtsschutzes bestimmen die nationalen Vorschrif-ten130. Dies gilt auch für das Urheberrecht, welches grundsätzlich ohne besonderen Erteilungs- oder Hinterlegungsakt entsteht131. Den ___________

126 Das Immaterialgut, der Wert der Marke als Unterscheidungsmerkmal zwischen Waren oder Dienstleistungen, würde bei einer Freigabe zum Gemeingut untergehen. Die Konsumenten, welche mit einer Marke bestimmte Vorstellungen über die Beschaffenheit und Qualität des ge-kennzeichneten Produkts verbinden, würden getäuscht.

127 Troller/Troller, S. 29. Wird die Marke allerdings nicht gebraucht, so kann nach einem bestimm-ten Zeitraum (5 Jahre, Art. 12 MschG) die Löschung der Marke beantragt werden.

128 Auch wenn der Tatbestand, auf welchem der Erwerb des Immaterialgüterrechts beruht, im In-und Ausland derselbe ist (was nicht sein muss), sind die in verschiedenen Ländern daraus ab-geleiteten Rechte voneinander unabhängig (Troller/Troller, S. 30). Die Territorialität ist histo-risch aus dem Verständnis der geistigen Eigentumsrechte als staatlich verliehene Privilegien erklärbar. Siehe auch unten 4.1.

129 Im Gegensatz dazu wirkt das Eigentumsrecht an körperlichen Sachen über die Staatsgrenzen hinaus (Troller/Troller, S. 30; Chrocziel, S. 24). Das Eigentum an einem in Liechtenstein erwor-benen Auto wird auch in Frankreich anerkannt (das anwendbare Recht wird dabei von den Re-geln des internationalen Privatrechts (IPR) festgelegt). Liechtensteinische Marken, Muster oder Patente, für welche in Frankreich kein Schutz beantragt oder erteilt worden ist, sind dort hinge-gen schutzlos.

130 Die im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes existierenden internationalen Konventionen (PVÜ, MMA usw.) heben das Territorialitätsprinzip nicht auf (Buck, S. 23, m.w.Nachw.); siehe aber die Bestimmungen des PCT und EPÜ, unten Teil II, 3.4.

131 Zur Relevanz des Territorialitätsprinzips für das Urheberrecht vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 80ff. Die heute bedeutsamen internationalen Urheberrechtsabkommen (RBÜ, TRIPS) weichen mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung und des Schutzlandprinzips nicht von der territorialen Beschränktheit der Urheberrechte ab. Die 1889 abgeschlossene Konventi-on vKonventi-on MKonventi-ontevideo, welche jedoch nur auf dem amerikanischen KKonventi-ontinent vKonventi-on Bedeutung war, postulierte hingegen interessanterweise das Prinzip der Anwendung des Rechts des Ur-sprungslandes.

Grundsatz der territorialen Begrenzung fasst Troller132wie folgt zu-sammen:

“a) Die Ausschliesslichkeitsrechte an Immaterialgütern werden in jedem Land unabhängig vom Rechtsschutz in einem anderen Land erwor-ben.

b) Die Ausschliesslichkeitsrechte richten sich gegen alle Personen, auch gegen diejenigen ausserhalb des Schutzlandes; sie betreffen aber nur Handlungen, die im Schutzland vorgenommen werden.

c) Aus den in einem Land bestehenden Ausschliesslichkeitsrechten an Immaterialgütern können keinerlei Folgen für den Rechtsschutz am selben Immmaterialgut in einem andern Land abgeleitet werden.

d) Die Gesetze jedes Schutzlandes bestimmen Entstehen, Inhalt, Umfang der Ausschliesslichkeitssrechte an Immaterialgütern völlig selbstän-dig ..., sie verweisen nicht auf ausländische Rechte ... (Territoriali-tätsprinzip im eigentlichen Sinne).”

Nationale Schutzrechte binden also nicht nur im Inland, son-dern auch im Ausland wohnende Personen, in der Regel aber nur be-treffend Handlungen auf inländischem Territorium (z.B. Verletzung von Immaterialgüterrechten)133. Bei Verletzungshandlungen be-stimmt das Internationale Privatrecht Gerichtsort und das anwend-bare Recht134.

Die Regelungen über die Erschöpfung der Immaterialgüter-rechte, welche im Zusammenhang mit dem internationalen Waren-und Dienstleistungshandel bedeutsam sind, können auch an Hand-lungen im Ausland anknüpfen. Das Prinzip der nationalen Erschöp-fung besagt, dass ein Immaterialgüterrecht - genauer gesagt das Wterverbreitungsrecht - nur durch rechtmässiges Inverkehrbringen ei-nes immaterialgüterrechtlich geschützten Produkts innerhalb des Staatsgebiets des betreffenden Landes erschöpft wird135. Ein Inhaber eines Patents in Land A erschöpft sein Recht mit dem rechtmässigen Invehrkehrbringen des Produkts in Land A. Gleichzeitig kann er, falls er Inhaber desselben Patents in Land B ist, das Invehrkehrbrin-gen des patentgeschützten Produkts in Land B verbieten, falls die Rechte in Land A und B rein territorial verstanden werden. Dagegen ___________

132 Troller, IGR I, S. 138.

133 Dazu Troller, IGR I, S. 136f. Durchbrechungen des Territorialitätsprinzips gibt es in internatio-nalen Abkommen etwa bei der Beurteilung der Neuheit einer Erfindung (siehe Buck, S. 24).

134 Vgl. etwa Art. 38 des liechtensteinischen Gesetzes vom 19. September 1996 über das Interna-tionale Privatrecht (IPRG, LGBl. 1996/194). Art. 38 Abs. 1 IPRG bestimmt, dass Entstehen, In-halt und Erlöschen von Immaterialgüterrechten nach dem Recht des Staates zu beurteilen ist, in dem eine Benützungs- oder Verletzungshandlung gesetzt wird.

135 Vgl. etwa Chrocziel, S. 19f.

postuliert ein Prinzip der weltweiten Erschöpfung, dass mit dem rechtmässigen Invehrkehrbringen einer Ware in irgendeinem Land das Immaterialgüterrecht grundsätzlich erschöpft wird. Sind mar-kenrechtlich geschützte Produkte in Land A rechtmässig in Verkehr gebracht worden, kann der Markeninhaber in Land A die Einfuhr dieser Produkte von B nach A nicht verhindern136.